Leitsatz (amtlich)

Das auf § 51 a GmbHG gestützte Informationsrecht des Gesellschafters einer GmbH, die dem Mitbestimmungsgesetz 1976 unterliegt, erstreckt sich auch auf die Protokolle des Aufsichtsrats der Gesellschaft.

 

Normenkette

GmbHG § 51a; MitbestG § 25 Abs. 1 Nr. 2; AktG 1965 §§ 116, 93 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Beschluss vom 07.08.1995)

OLG Stuttgart

 

Tenor

Auf die weitere Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluß der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 7. August 1995 aufgehoben.

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, den Antragstellern Einsicht in die Protokolle des Aufsichtsrats der Antragsgegnerin über die Aufsichtsratssitzungen in den Jahren 1993 und 1994 zu gewähren.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Der Geschäftswert beträgt 10.000,– DM.

 

Tatbestand

I.

Die Antragsgegnerin ist eine Gesellschaft mbH mit einem voll eingezahlten Stammkapital von 30 Mio. DM, das von mehreren Familienstämmen gehalten wird. Die Antragsteller, Vater und Tochter, sind mit Geschäftsanteilen von 3.146.100,– DM bzw. 233.700,– DM beteiligt. Die Gesellschaft beschäftigt inzwischen über 2.000 Mitarbeiter und hat, um den Anforderungen des Mitbestimmungsgesetzes 1976 Genüge zu tun, am 2. April 1992 ihre Satzung geändert und einen zwölfköpfigen Aufsichtsrat gebildet. Die Antragsteller haben mehrfach darum gebeten, Einsicht in die Protokolle des neu gebildeten Aufsichtsrats zu erhalten, sind jedoch sowohl von den Geschäftsführern wie von dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Antragsgegnerin abschlägig beschieden worden.

Ihren auf §§ 51 a und b GmbHG gestützten Antrag, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihnen Einsicht in die genannten Protokolle zu gewähren, hat das Landgericht zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht Stuttgart möchte die hiergegen eingelegte weitere Beschwerde der Antragsteller zurückweisen, hat sich hieran jedoch mit Rücksicht auf den Beschluß des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 8. Februar 1984 – 15 W 42/83 (GmbHR 1985, 59) gehindert gesehen und die Sache dem Bundesgerichtshof gemäß § 28 FGG zur Entscheidung vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Voraussetzungen für die Vorlage hat das Beschwerdegericht mit Recht als erfüllt angesehen. In der Sache teilt der Senat seine Auffassung indessen nicht. Vielmehr ist die weitere Beschwerde begründet und dem Antrag der Antragsteller unter Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts stattzugeben.

A.

Zutreffend hat das Landgericht den Antrag für zulässig gehalten. Insbesondere mußten die Antragsteller vor Anbringung ihres Antrags nicht einen Beschluß nach § 51 a Abs. 2 Satz 2 GmbHG herbeiführen. Abgesehen davon, daß das besondere gerichtliche Verfahren der Informationserzwingung nach § 51 b GmbHG nicht als gegen einen Verweigerungsbeschluß gerichtetes Anfechtungsverfahren ausgestaltet ist (vgl. dazu Sen. Urt. v. 7. Dezember 1987 – II ZR 86/87, ZIP 1988, 87 f.m. Anm. K. Schmidt EWiR 1988, 271 f.; ferner Mertens, FS Werner, 1984, S. 557 ff., 569), also nicht eine Beschlußfassung der Gesellschafterversammlung über die Verweigerung voraussetzt, muß § 51 a Abs. 2 Satz 2 GmbHG im Zusammenhang mit Satz 1 der genannten Bestimmung interpretiert werden. Es soll nämlich in den dort genannten Fällen sichergestellt werden, daß die Gesellschafterversammlung als das zentrale Entscheidungsorgan der GmbH darüber befindet, ob die Gefahr einer mißbräuchlichen Verwendung der Information besteht und ob zu besorgen ist, daß dadurch der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen ein nicht unerheblicher Nachteil zugefügt wird. Ob darüber hinaus und ggfs. in welchen Fällen der Geschäftsführer vor einer Verweigerung der Informationserteilung die Entscheidung der Gesellschafterversammlung einzuholen hat – im Schrifttum werden in diesem Zusammenhang vor allem die Fälle einer auf den Einwand der Erfüllung oder des Rechtsmißbrauchs gestützten Ablehnung erörtert (vgl. z.B. Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 14. Aufl. § 51 a RdNr. 23 einerseits und Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 8. Aufl. § 51 a RdNr. 32 andererseits) – bedarf hier keiner Entscheidung. Jedenfalls dann, wenn der Geschäftsführer besorgen muß, sich wegen der Informationserteilung strafbar zu machen (vgl. Hachenburg/Hüffer, GmbHG, 8. Aufl. § 51 a RdNr. 55 m.w.N.), ist der Zweck des § 51 a Abs. 2 Satz 2 GmbHG, die Entscheidungsfreiheit der Gesellschafterversammlung und ihr Weisungsrecht gegenüber den Geschäftsführern zu sichern, nicht betroffen. In diesem Fall obliegt die Entscheidung über die Informationsverweigerung vielmehr allein dem Geschäftsführer. Daß die Geschäftsführer sich strafbar machen würden, wenn sie dem Einsichtsbegehren der Antragsteller entsprechen, macht nicht einmal die Antragsgegnerin geltend. Im Verhältnis zwischen Geschäftsführer und Gesellschafter findet § 85 GmbHG anerkanntermaßen keine Anwendung, weil es bei Offenbarungen in diesem Verhältnis um den innerhalb der Gesellschaft unerläßlichen Informationsaustausch geht und es sich jedenfalls nicht um ein „unbefugtes” Verhalten handelt (vgl. Hachenburg/Hüffer a.a.O., § 51 a RdNr. 55; Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, 16. Aufl. § 51 a RdNr. 30 m.w.N.). Die gleichen Erwägungen, aus denen wegen der Strafbarkeit der Auskunftserteilung ein ungeschriebener Verweigerungsgrund hergeleitet wird, gelten jedoch, wenn der Geschäftsführer mit der Informationserteilung gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen verstoßen müßte. Diese Voraussetzung läge hier vor, falls – wie die Antragsgegnerin meint – die mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften die Anwendbarkeit des § 51 a GmbHG ausschlössen.

B.

1. Mit Recht haben die Antragsteller ihr Einsichtsbegehren nicht, wie der Wortlaut des § 51 a Abs. 1 GmbHG nahelegt, gegen die Geschäftsführer der Antragsgegnerin, sondern gegen die Gesellschaft gerichtet (vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner a.a.O., § 51 a RdNr. 8 m.w.N.; Scholz/K. Schmidt a.a.O., § 51 a RdNr. 16; ders. FS „100 Jahre GmbHG” S. 559 ff., 577 f. m.w.N.). Nicht die Geschäftsführung, sondern die Gesellschaft selbst ist Trägerin der Informationspflicht. Sie handelt lediglich durch die Geschäftsführer als ihre organschaftlichen Vertreter, wie auch in der bereits erwähnten Bestimmung des § 51 a Abs. 2 Satz 2 GmbHG deutlich wird, nach der die Entscheidung, ob ausnahmsweise aus den in Satz 1 der genannten Vorschrift niedergelegten Gründen von dem Recht der Informationsverweigerung Gebrauch gemacht werden soll, von der Gesellschafterversammlung und nicht von den Geschäftsführern zu treffen ist.

2. Die Protokolle des Aufsichtsrates der Antragsgegnerin gehören, anders als das Landgericht angenommen hat, zu den Gegenständen, auf die sich das Informationsrecht der Gesellschafter erstreckt (vgl. Hachenburg/Hüffer a.a.O., § 51 a RdNr. 40; Lutter/Hommelhoff a.a.O., § 51 a RdNr. 6 und 9; Scholz/K. Schmidt a.a.O., § 51 a RdNr. 19; für den fakultativen Aufsichtsrat ausdrücklich auch Rowedder/Koppensteiner, GmbHG, 3. Aufl. § 51 a RdNr. 6). Schriften der Gesellschaft i.S.v. § 51 a Abs. 1 Satz 1 GmbHG sind – unter Einschluß der technischen Substrate – alle geschriebenen Geschäftsunterlagen, zu denen sowohl alle internen Papiere und die gesamte Geschäftskorrespondenz als auch die Buchungsbelege zählen, ohne daß es darauf ankäme, ob sie der besonderen Aufbewahrungspflicht nach § 257 HGB unterliegen oder ob sie – worauf das Landgericht zu Unrecht abgestellt hat – im Einzelfall für die Willensbildung der Gesellschafter dieselbe Bedeutung haben wie die Handelsbücher. Die weite Fassung dieses Begriffs (vgl. Rowedder/Koppensteiner a.a.O., § 51 a RdNr. 6) ist Ausdruck des gesetzgeberischen Willens, jeden Gesellschafter mit Hilfe der §§ 51 a und b GmbHG in den Stand zu setzen, seine Mitgliedschaftsrechte in der Gesellschafterversammlung verantwortungsbewußt und sachgerecht auszuüben und zugleich seine Individualinteressen zu wahren (vgl. Hachenburg/Hüffer a.a.O., § 51 a RdNr. 1; allgemein zum Informationsrecht vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, § 7 II 2 S. 373 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. § 21 III 1 S. 513 f.).

Es ist kennzeichnend für die Organisation der GmbH als juristische Person, daß nicht sie selbst, sondern nur ihre Organe die Bücher und Schriften herstellen bzw. – soweit sie von Dritten stammen – aufbewahren können. Aus der Tatsache, daß die Protokolle, auf die sich das Einsichtsbegehren der Antragsteller bezieht, von dem Aufsichtsrat verfaßt sind, kann deswegen gegen das Informationsrecht der Gesellschafter nichts hergeleitet werden. So wie die verschiedenen Organe der GmbH-Gesellschafterversammlung und Geschäftsführer sowie ggfs. Aufsichtsrat – zusammen die Gesellschaft bilden, so sind die von den einzelnen Organen stammenden Schriften nicht ihnen selbst zuzuordnen, sondern stellen jeweils Unterlagen der Gesellschaft dar. Die Funktion, die das einzelne Organ innerhalb der Gesellschaft zu erfüllen hat, nimmt den von ihm hergestellten Unterlagen nicht den Charakter als Schrift der Gesellschaft. Deswegen rechtfertigt die dem Aufsichtsrat zugewiesene Kontrollaufgabe nicht, seine Protokolle dadurch dem Anwendungsbereich des § 51 a GmbHG zu entziehen, daß ihnen aus institutionellen Gründen (vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner a.a.O., § 51 a RdNr. 17) die Eigenschaft als Schrift der Gesellschaft abgesprochen wird (ebenso Hachenburg/Hüffer a.a.O., § 51 a RdNr. 40). Vielmehr gilt auch für den Aufsichtsrat in der mitbestimmten GmbH, daß er im Verhältnis zur Gesellschaft kein außenstehender Dritter ist, sondern für sie als deren Organ, eingebunden in die Verfassung der GmbH, bestimmte gesetzlich festgelegte Aufgaben wahrzunehmen hat, die „Angelegenheiten der Gesellschaft” i.S.v. § 51 a Abs. 1 Satz 1 GmbHG sind.

3. Entgegen der dem Vorlagebeschluß zugrundeliegenden Auffassung rechtfertigen die Vorschriften des MitbestG 1976, insbesondere dessen § 25, keine abweichende Beurteilung. Das Beschwerdegericht hat vielmehr die grundlegenden Unterschiede zwischen der Verfassung der Aktiengesellschaft, auf die die mitbestimmungsrechtlichen Bestimmungen zugeschnitten sind (vgl. Hommelhoff, ZGR 1978, 119 ff., 120; Baumbach/Hueck/Zöllner a.a.O., § 52 RdNr. 170), und derjenigen der GmbH samt den daraus für die Gestaltung des Informationsrechts zu ziehenden Folgerungen nicht zutreffend erkannt und ferner der aktienrechtlichen Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder (§§ 116, 93 Abs. 1 Satz 2 AktG) eine ihr in dem hier zu beurteilenden Zusammenhang unrichtige Funktion zugewiesen.

a) Im Unterschied zu der auf Machtbalance der einzelnen Organe abzielenden und die Aktionäre von der unmittelbaren Einflußnahme auf die Geschäftsführung der Gesellschaft ausschließenden Verfassung der Aktiengesellschaft ist die Organisation der GmbH hierarchisch gestaltet. Von wenigen den Geschäftsführern als solchen im öffentlichen Interesse zugewiesenen Kompetenzen abgesehen (vgl. §§ 30, 33, 64 GmbHG) sind in der GmbH die Gesellschafter das zentrale Entscheidungsorgan. Sie fassen in der Gesellschafterversammlung die für die Geschicke der Gesellschaft wesentlichen Entscheidungen, sie setzen sie durch Weisungen an die Geschäftsführer (§ 37 GmbHG) um und nehmen ein umfassendes Prüfungs- und Überwachungsrecht der Geschäftsführung (§ 46 Nr. 6 GmbHG) wahr. In der nicht mitbestimmten Gesellschaft obliegt ihnen die Bestellung und Abberufung sowie die Anstellung und Kündigung der Geschäftsführer. Schließlich haben sie über die Entlastung der Geschäftsführer und über die etwaige Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen dieselben zu befinden (§ 46 Nrn. 5 und 8 GmbHG).

Demgegenüber enthält das Aktienrecht in den §§ 76 ff. und 111 ff. AktG klare Kompetenzabgrenzungen hinsichtlich der Wahrnehmung der Leitungs- und der Überwachungsaufgaben der Gesellschaft, auf die die Aktionäre in nur sehr beschränktem Maße Einfluß nehmen können (vgl. § 119 Abs. 2 AktG).

Die Ausgestaltung des Informationsrechts des Gesellschafters in der GmbH und des Aktionärs in der Aktiengesellschaft trägt diesen grundlegenden Strukturunterschieden Rechnung. Während der Aktionär auf sein nach Maßgabe des § 131 AktG eingeschränktes Fragerecht in der Hauptverhandlung verwiesen ist und insbesondere weder die Erteilung einer schriftlichen Auskunft noch gar die Einsichtnahme in die Unterlagen der Gesellschaft verlangen kann (BGHZ 122, 211, 236 f.), ist das individuelle Informationsrecht des Gesellschafters nach § 51 a GmbHG – das neben das von der Gesellschafterversammlung wahrzunehmende kollektive Recht tritt, sich von den anderen Gesellschaftsorganen uneingeschränkt unterrichten zu lassen (vgl. Zöllner, ZGR 1977, 319 ff., 329) – umfassend ausgestaltet und erstreckt sich nicht nur auf alle Angelegenheiten der Gesellschaft, sondern besteht unabhängig von einem besonderen Anlaß, wie z.B. dem Zusammenhang mit einem Punkt der Tagesordnung der Gesellschafterversammlung. Es ist, von dem Sonderfall des § 51 a Abs. 2 GmbHG und dem Bestehen eines ungeschriebenen Verweigerungsgrundes abgesehen, prinzipiell unbeschränkt und findet seine Grenze erst bei einer nicht zweckentsprechenden Wahrnehmung (vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner a.a.O., § 51 a RdNr. 20 ff. m.w.N.). Nur auf diese Weise kann der Gesellschafter der GmbH die ihm übertragenen Kompetenzen sachgerecht wahrnehmen. Anders als bei dem Aktionär, der nicht Organ der Aktiengesellschaft ist (vgl. Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 2. Aufl., S. 151 und 233) und dem die Auskunft quasi – öffentlich – in der Hauptversammlung – erteilt wird, besteht bei der Informationserteilung an den GmbH-Gesellschafter nicht die auf der Hand liegende Gefahr, daß Geheimnisse der Gesellschaft an die Öffentlichkeit herausgetragen werden (vgl. BGHZ 64, 325, 332), weil hier nur dem einzelnen Gesellschafter die Auskunft erteilt bzw. die Einsicht gewährt wird und der Empfänger dieser die Angelegenheiten der Gesellschaft betreffenden Mitteilungen als deren Organ seinerseits die Pflicht zur Verschwiegenheit unterworfen ist (Lutter, Information … a.a.O., S. 241 f.; Baumbach/Hueck/Zöllner a.a.O., § 51 a RdNr. 36 m.w.N.).

b) Diese Struktur der GmbH-Verfassung ändert sich nicht grundlegend dadurch, daß die Gesellschaft den besonderen Bestimmungen des MitbestG unterworfen wird (vgl. Hommelhoff, ZGR a.a.O.; Raiser, MitbestG, 2. Aufl. § 25 RdNr. 80). Insbesondere wird die GmbH ihrer Verfassung nach nicht derart dem Aktienrecht angenähert, daß die für die Organisation der GmbH typischen Regeln und die zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit dieser Gesellschaftsform geschaffenen Bestimmungen außer Kraft gesetzt sind (vgl. dazu näher Zöllner, ZGR 1977, 3129 ff.; Hommelhoff, ZGR 1978, 119 ff.). Vielmehr verdrängen die mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften die generelle Kompetenz der Gesellschafterversammlung nur hinsichtlich der Bestellung und der Abberufung der Geschäftsführer (vgl. § 31 MitbestG i.V.m. § 84 AktG). Dagegen tritt die Überwachungskompetenz des Aufsichtsrates (§ 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG i.V.m. § 111 AktG) letztlich hinter die der Gesellschafterversammlung zugewiesene Zuständigkeit für die Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung (§ 46 Nr. 6 GmbHG) zurück, weil Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats – sei es, was hier keiner Entscheidung bedarf, von vornherein (so z.B. Zöllner a.a.O., S. 327 f.; ders. in Baumbach/Hueck a.a.O., § 52 RdNr. 155), sei es auf dem Wege der Beschlußfassung nach § 111 Abs. 4 Satz 3 AktG (vgl. z.B. Hommelhoff a.a.O., S. 152 f.; Kaiser a.a.O., § 25 RdNr. 81 m.w.N.; ders. in Hachenburg a.a.O., § 52 RdNr. 287; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 3. Aufl. RdNr. 333) – von den Gesellschaftern überspielt werden können. Ebenso bleibt das für die Struktur der GmbH charakteristische Weisungsrecht der Gesellschafter gegenüber den Geschäftsführern auch in der mitbestimmten GmbH bestehen (vgl. Lutter/Krieger a.a.O., RdNr. 332; Raiser a.a.O., § 25 RdNr. 80; Baumbach/Hueck/Zöllner a.a.O., § 52 RdNr. 153 ff.). Da die Kompetenz für die Abberufung in die Hand des Aufsichtsrats gelegt ist, können diese Weisungen zwar nicht durch den unmittelbar wirksam werdenden Widerruf der Bestellung durchgesetzt werden; den Gesellschaftern stehen aber andere Möglichkeiten zu Gebote, z.B. die Drohung mit der Verweigerung der Entlastung oder mit der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen die Geschäftsführer, um diese zur Beachtung der Entschließungen der Gesellschafterversammlung anzuhalten.

Ist danach der Aufsichtsrat der mitbestimmten GmbH kein neben der Gesellschaft bestehendes besonderes Organ, sondern in ihre hierarchische Verfassung eingebunden (vgl. Lutter/Krieger a.a.O., RdNr. 349), in welcher die Gesellschafterversammlung in den wesentlichen Fragen das letzte Entscheidungsrecht hat, dann besteht ein nachhaltiges Bedürfnis für die umfassende Information nicht nur der Gesellschafter insgesamt, sondern auch jedes einzelnen, damit die Mitgliedschaftsrechte im Interesse des Unternehmens und des einzelnen sachgerecht wahrgenommen werden können (vgl. Lutter, Information … a.a.O., S. 241).

c) Das Beschwerdegericht hat obendrein den Sinn der den Aufsichtsratsmitgliedern der mitbestimmten GmbH auferlegten Verschwiegenheitspflicht nicht zutreffend erfaßt.

Die von ihm gegebene Begründung für die Versagung des von den Antragstellern beanspruchten Einsichtsrechts erfaßt zum einen nicht nur das individuelle, auf § 51 a GmbHG gestützte Informationsrecht, sondern gilt in gleicher Weise auch für die kollektive Unterrichtung der Gesellschafterversammlung. In diesem Verhältnis der Gesellschaftsorgane untereinander besteht indessen die Schweigepflicht nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG nach allgemeiner Ansicht nicht (vgl. KK/Mertens, 2. Aufl. § 93 RdNr. 78; Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff § 93 RdNr. 18; Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, 2. Aufl. § 25 RdNr. 107; Raiser a.a.O., § 25 RdNr. 118).

Auf der anderen Seite ist die Sicht des Beschwerdegerichts schon im Ansatz verfehlt, daß die Verschwiegenheitspflicht bezweckt, die ungehinderte Aussprache über alle Angelegenheiten im Aufsichtsrat möglich zu machen und damit die Funktionsfähigkeit dieses Gesellschaftsorgans zu sichern. Zutreffend ist allerdings, daß die strikte Wahrung der Vertraulichkeit der Beratungen und ihrer Ergebnisse dazu führen kann, daß die einzelnen Mitglieder des Gremiums sich eher bereit finden, ihre Ansichten ohne Rücksichtnahme darauf zu äußern, ob diese z.B. von der entsendenden Gruppe geteilt werden. Dabei handelt es sich jedoch nur um eine reflexartige Wirkung, die der Gesetzgeber mit der Anordnung der Verschwiegenheitspflicht nicht unmittelbar erstrebt hat. Der Schutz der Arbeitnehmervertreter, über deren Verhalten in der Beratung und Abstimmung die Anteilseignerseite in der mitbestimmten GmbH schon deswegen informiert sein kann, weil nicht zur Geschäftsführung gehörende Gesellschafter Mitglieder des Aufsichtsrat sein können (vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner a.a.O., § 52 RdNr. 173 i.V.m. RdNr. 94; Lutter/Krieger a.a.O., RdNr. 8), vollzieht sich nach dem Gesetz vielmehr allein über § 26 MitbestG, der Benachteiligungen wegen der Tätigkeit dieser Gruppe im Aufsichtsrat verbietet. Obendrein bietet, soweit es um den Inhalt des Aufsichtsratsprotokolls geht, § 107 Abs. 2 AktG hinreichende Möglichkeiten, eine ggfs. im Interesse eines ungehinderten Meinungsaustauschs für erforderlich gehaltene Vertraulichkeit sowohl der Diskussionsbeiträge wie der Ausübung des Stimmrechts herbeizuführen (vgl. Lutter/Krieger a.a.O., RdNr. 240; KK/Mertens § 107 RdNr. 72 f.; MünchHdb.z. GesR. Bd. 4/Hoffmann-Becking § 31 RdNr. 91), so daß der Sorge des Beschwerdegerichts, wegen des Rechts des Gesellschafters auf Einsichtnahme in die Aufsichtsratsprotokolle könne die Funktionsfähigkeit dieses Gesellschaftsgremiums beeinträchtigt werden, schon deswegen die Grundlage fehlt.

Bezugspunkt der in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG niedergelegten Pflicht, Stillschweigen über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft zu wahren, ist allein das Interesse des Unternehmens als ganzem, sich davor zu bewahren, daß geheimhaltungsbedürftige Informationen an die Öffentlichkeit getragen werden und der Gesellschaft daraus Nachteile entstehen (vgl. schon BGHZ 64, 325, 330 f.; dazu Rittner, FS Hefermehl S. 365 ff., 368; Hoffmann, Der Aufsichtsrat, 3. Aufl. RdNr. 266). Die Bedeutung der Verweisung des § 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG auf §§ 116, 93 Abs. 1 Satz 2 AktG liegt nicht – wie das Beschwerdegericht anzunehmen scheint – in einer Privilegierung der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat. Vielmehr soll hierdurch die genannte Verpflichtung, die für die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrates in seiner traditionellen Zusammensetzung gilt und in ähnlicher Form bereits in § 84 AktG 1937 enthalten war, auch auf die in den Aufsichtsrat gewählten Arbeitnehmervertreter erstreckt werden. Darin kommt der gesetzgeberische Wille zum Ausdruck, den Aufsichtsrat – wie vor Inkrafttreten des MitbestG – als ein homogenes Organ von Vertretern mit identischen Rechten und Pflichten und ohne Fraktionszwang zu gestalten (BGHZ 64, 325, 330 f.; BGHZ 83, 106 ff., 112 f.; BGHZ 122, 342, 358; ferner Hachenburg/Raiser a.a.O., § 52 RdNr. 246; KK/Mertens, Anh. § 117 B § 25 MitbestG RdNr. 5 und 10 f.).

C.

Da die Sache entscheidungsreif ist und insbesondere weitere tatsächliche Feststellungen nicht erforderlich sind, bedarf es keiner Zurückverweisung an das Beschwerdegericht, vielmehr kann der Senat über die Beschwerde selbst entscheiden.

 

Unterschriften

Röhricht, Dr. Hesselberger, Dr. Goette, Dr. Kurzwelly, Kraemer

 

Fundstellen

Haufe-Index 1502354

BGHZ

BGHZ, 48

HFR 1998, 50

NJW 1997, 1985

Nachschlagewerk BGH

MDR 1997, 757

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