Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage an GrS: Abzug eines vom Erblasser nicht ausgenutzten Verlustes durch den (die) Erben (Erbengemeinschaft)? Dem Großen Senat des BFH werden gemäß § 11 Abs. 3 und 4 FGO die folgenden Rechtsfragen zur Entscheidung vorgelegt:

 

Leitsatz (amtlich)

1. Kann der Erbe einen vom Erblasser nicht ausgenutzten Verlust bei seiner eigenen Veranlagung zur Einkommensteuer geltend machen?

2. Falls die 1. Rechtsfrage bejaht wird: Steht im Falle einer Erbengemeinschaft der Abzug nur demjenigen zu, der die Einkunftsquelle(n) fortführt, die den Verlust verursacht hat (haben)? Gelten für den Fall einer Sondererbfolge in die Verlust verursachende Einkunftsquelle Besonderheiten?

 

Normenkette

EStG § 10d

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG (Urteil vom 21.09.1999; Aktenzeichen III 23/95; EFG 1999, 1221)

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 17.12.2007; Aktenzeichen GrS 2/04)

 

Tatbestand

A. Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Landwirt. Er ermittelt den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der 1983 verstorbene Vater des Klägers hatte ihn testamentarisch zum alleinigen Hoferben bestimmt. Der Erbteil des Klägers am hoffreien Vermögen betrug 10 v.H., die restlichen Erbteile entfielen auf seine Mutter (50 v.H.) und seine vier Geschwister (je 10 v.H.). In den Jahren 1980 bis 1982 waren dem Erblasser Verluste in Höhe von insgesamt 107 165 DM entstanden, von denen im Wege des Verlustabzugs 1983 lediglich 16 431 DM berücksichtigt werden konnten.

In seinen Einkommensteuererklärungen für die Kalenderjahre 1983 bis 1986 beantragte der Kläger, die beim Erblasser nicht ausgeglichenen Verluste von 90 734 DM bei ihm nach § 10d EStG abzuziehen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) berücksichtigte erklärungsgemäß für 1983 bis 1985 Verlustabzüge in Höhe von insgesamt 32 050 DM und für das Streitjahr 1986 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) in Höhe von 59 951 DM.

Im Anschluss an eine 1990 durchgeführte Außenprüfung änderte das FA den Einkommensteuerbescheid für 1986 mit der Begründung, dass kein Verlustvortrag mehr zu berücksichtigen sei, da der Kläger nur 10 v.H. der vom Erblasser nicht verbrauchten Verluste hätte abziehen dürfen.

Nach erfolglosem Einspruch machte der Kläger mit seiner Klage u.a. geltend, das Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit verlange, dass der Verlustvortrag allein ihm als dem nach der Höfeordnung bestimmten Hoferben zustehe, zumal der wesentliche Teil des Nachlasses aus dem Hof bestanden habe. Das Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge stehe zumindest im Bereich der Landwirtschaft dem nicht entgegen.

Die Klage hatte keinen Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1999, 1221). Dem Kläger sei zuzugeben, dass auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) manches dafür spreche, ihm den Verlustabzug in voller Höhe zu gewähren. Das Finanzgericht (FG) folge dem jedoch nicht; das Recht auf Verlustabzug nach § 10d EStG sei nicht vererblich. Eine Zusage sei dem Kläger nicht gemacht worden.

Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung des § 45 Abs. 1 AO 1977 und des § 10d EStG.

Er beantragt,

die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer für 1986 unter Berücksichtigung des Verlustabzugs von 59 951 DM festzusetzen.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

B. Stellungnahme des Senats zu den vorgelegten Rechtsfragen

I. Bisherige Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH) und des BFH

1. Nach der Rechtsprechung des RFH war das Recht auf Verlustvortrag an die Person dessen geknüpft, der den Verlust erlitten hatte (RFH-Urteile vom 19. Mai 1936 I A 107/36, RStBl 1936, 790, und vom 2. Juli 1941 VI 433/40, RStBl 1941, 658). Dieses Recht habe weder durch Rechtsgeschäft unter Lebenden noch von Todes wegen auf einen anderen übergehen können.

2. Die Rechtsprechung des BFH geht zurück auf seine Entscheidungen vom 15. März 1962 IV 177/60 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ―HFR― 1963, 8) und vom 22. Juni 1962 VI 49/61 S (BFHE 75, 328, BStBl III 1962, 386). In dem der Entscheidung in HFR 1963, 8 zugrunde liegenden Fall war der den Verlustabzug begründende Betrieb auf den Erben übergegangen. Der BFH stellte darauf ab, dass das Recht zur Inanspruchnahme des Verlustabzugs kein unvererbliches höchstpersönliches Recht sei. Es stehe vielmehr wegen der mit dem Verlustabzug verfolgten Annäherung an eine mehrjährige Durchschnittsbesteuerung in engstem Zusammenhang mit der betrieblichen Gewinnermittlung, bei der Erbe und Erblasser insbesondere hinsichtlich der stillen Reserven wie ein und dieselbe Person behandelt würden. Demgegenüber führte der BFH in BFHE 75, 328, BStBl III 1962, 386 ―unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 17. Februar 1961 VI 66/59 U (BFHE 72, 630, BStBl III 1961, 230)― aus, zwar sei die Fortführung des Betriebs des Erblassers durch den Erben nicht Voraussetzung für den Abzug eines in der Person des Erblassers begründeten Verlustes, wohl aber sei beim Erblasser und beim Erben Voraussetzung, dass der Verlust auch wirklich von ihnen getragen werde.

Dem folgten der I. Senat mit Urteil vom 17. Mai 1972 I R 126/70 (BFHE 105, 483, BStBl II 1972, 621) sowie der VIII. Senat in der nicht veröffentlichten Entscheidung vom 25. April 1974 VIII R 61/69. In den Urteilen vom 10. April 1973 VIII R 132/70 (BFHE 109, 342, BStBl II 1973, 679) und vom 13. November 1979 VIII R 193/77 (BFHE 129, 262, BStBl II 1980, 188) ist der BFH von der Vererblichkeit des Verlustabzugs ausgegangen, ohne dass die Frage dort entscheidungserheblich war. In seinem zu § 10a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) ergangenen Urteil vom 7. Dezember 1993 VIII R 160/86 (BFHE 173, 371, BStBl II 1994, 331) hat der VIII. Senat offen gelassen, ob es gerechtfertigt sei, dass mit der Rechtsprechung zu § 10d EStG der Grundsatz durchbrochen werde, wonach der Abzug des Verlustes nur demjenigen zustehe, der ihn erlitten habe.

Der XI. Senat, auf den die Zuständigkeit für § 10d EStG zwischenzeitlich übergegangen war, hat in seinem Urteil vom 5. Mai 1999 XI R 1/97 (BFHE 189, 57, BStBl II 1999, 653) offen gelassen, ob er sich der bisherigen Rechtsprechung des BFH anschließe; der Erbe könne den vom Erblasser nicht verbrauchten Verlust steuerrechtlich jedenfalls dann nicht geltend machen, wenn er ihn "nicht wirklich trägt".

3. In dem Beschluss vom 29. März 2000 I R 76/99 (BFHE 191, 353, BStBl II 2000, 622) hat der I. Senat die Ansicht vertreten, die Rechtsprechung zur "Vererblichkeit" des Verlustabzugs sollte aufgegeben werden und beim IV., VIII. und XI. Senat angefragt, ob diese Senate an der bisherigen Rechtsprechung festhielten. Die drei Senate haben sich mit einer abweichenden Entscheidung des I. Senats einverstanden erklärt. Gleichwohl ist der I. Senat abschließend zu dem Ergebnis gekommen, ein vom Erblasser mangels positiver Einkünfte nicht ausgeglichener Verlust sei bei der Veranlagung des Erben für das Jahr des Erbfalls zu berücksichtigen (Urteil vom 16. Mai 2001 I R 76/99 (BFHE 195, 328, BStBl II 2002, 487; vgl. hierzu Strnad, Finanz-Rundschau ―FR― 2001, 1053; Buciek, Deutsche Steuer-Zeitung ―DStZ― 2001, 751; Schmidt/Heinicke, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 24. Aufl. 2004, § 10d Rz. 4, m.w.N.).

Dementsprechend hat der I. Senat auf Anfrage des erkennenden Senats mit Beschluss vom 22. Oktober 2003 I ER -S- 1/03 (BFHE 203, 496, BStBl II 2004, 414) einer Abweichung von seiner Rechtsprechung nicht zugestimmt. Der I. Senat sieht in dem aus einem Verlust (gegebenenfalls) resultierenden zukünftigen Steuerminderungseffekt eine quantifizierbare vermögenswerte Rechtsposition, die handelsbilanziell aktivierbar und damit vererbbar sei. Er verweist darauf, dass auch in anderen Fällen ohne ausdrückliche gesetzliche Anweisung bestimmte Besteuerungsmerkmale, die (nur) in der Person des Erblassers begründet sind, bei der Besteuerung des Erben berücksichtigt würden. Dies gelte etwa für § 24 Nr. 2 EStG hinsichtlich der Einkunftsart. Ferner habe der BFH wiederholt entschieden, dass vom Erben nachträglich gezahlte Vermögensteuer oder Kirchensteuer Sonderausgaben des Erben darstellten, wenn und soweit dem Erblasser für einen entsprechenden von ihm selbst gezahlten Betrag der Sonderausgabenabzug zugestanden hätte. Entsprechendes gelte im Hinblick auf den Verbrauch von Freibeträgen oder die steuerschädliche Verwendung eines Wirtschaftsguts durch den Erblasser. Der I. Senat hält es "vor allem deshalb" für angezeigt, die bisherige Rechtsprechung aufrechtzuerhalten, weil diese im wirtschaftlichen Ergebnis einer Überbesteuerung des Erblassers entgegenwirke (BFH-Urteil in BFHE 195, 328, BStBl II 2002, 487, unter II. 4. a cc). Denn der beim Erblasser entstandene nicht ausgeglichene Verlust sei letztlich Ausdruck des Umstands, dass der Erblasser ―gemessen an seiner Leistungsfähigkeit― zu viel an Steuern gezahlt habe. Der I. Senat verweist darauf, eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung könnte insbesondere dann zu Folgeproblemen führen, wenn der nicht ausgeglichene Verlust mit erhöhten Abschreibungen des Erblassers zusammenhänge, die beim Erben infolge der Buchwertverknüpfung (§ 6 Abs. 3 EStG) zu erhöhten Einkünften führen würden. Er sieht darin offenbar die Gefahr einer Überbesteuerung beim Erben.

Die Finanzverwaltung folgt der bisherigen BFH-Rechtsprechung; der Erbe kann die Verluste des Erblassers jedoch nur dann ausgleichen bzw. abziehen, wenn er durch sie wirtschaftlich belastet ist (Einkommensteuerhandbuch, H 115 (Verlust im Erbfall) ―EStH―; BMF-Schreiben vom 26. Juli 2002 IV A 5 -S 2225- 2/02, BStBl I 2002, 667).

II. Äußerungen im Schrifttum

In der Literatur ist die Rechtsprechung des BFH weit überwiegend auf Kritik gestoßen:

Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 45 AO 1977 Rz. 33; Brandt in Lademann, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 10d Anm. 233; Geserich in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 2 Rn. D 163 (Mai 2002); von Groll in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, a.a.O., § 10d Rdnr. B 190 f.; Lambrecht in Kirchhof Kompakt-Kommentar, 4. Aufl., § 10d Rz. 6; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl., § 8 III 1 b bb; Orth in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 10d EStG Anm. 119; Raupach/ Schencking in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 2 EStG Anm. 553 "Erbe"; Müller-Franken, Steuer und Wirtschaft (StuW), 2004, 109; Ring, DStZ 1981, 24; Ruppe, Einkommensteuerrechtliche Positionen bei Rechtsnachfolge in Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft, Bd. 10, 1987, S. 45 ff., 94 f.; Schmitz, Betriebs-Berater (BB) 1996, 987; wohl auch Schmieszek in Bordewin/Brandt, Einkommensteuergesetz, § 10d Rz. 72; Stadie, Die persönliche Zurechnung von Einkünften, S. 78; Strnad, FR 1998, 935; 1999, 1070, und 2001, 1053; Tipke/Lang, Steuerrecht, 13. Aufl., S. 207; Trzaskalik, StuW 1979, 97, 102 ff.; Wasmer, Die Zurechnung von Einkünften bei der unentgeltlichen Übertragung von Betriebsvermögen durch Erbfall und Schenkung, S. 43.

Für die Rechtsprechung des BFH haben sich ausgesprochen:

Borggreve in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 10d EStG Rz. 40 f.; Frotscher, Steuern im Konkurs, 4. Aufl., S. 103 f.; Horlemann in Blümich, Einkommensteuergesetz, § 10d Tz. 32; Lang in Tipke/Lang, a.a.O., 16. Aufl., § 9 Rz. 65; unentschieden in Tipke/Lang a.a.O., 17. Aufl., § 9 Rz. 63; Laule in Festschrift für Karl Beusch, S. 467 und Deutsches Steuerrecht (DStR) 2002, 1373; Nickel/Hilgers, FR 2004, 457; Rößler, DStZ, 2000, 761.

III. Auffassung des vorlegenden Senats

Der erkennende Senat hält die dogmatischen und systematischen Einwände gegen den Übergang der Verlustabzugsmöglichkeit auf den Erben für so schwerwiegend, dass er die bisherige Rechtsprechung aufgeben will. Sie stellt eine Durchbrechung des allgemeinen Grundsatzes der Rechtsprechung von BFH und Bundesverfassungsgericht (BVerfG) dar, dass nur derjenige Steuerpflichtige Aufwendungen und Verluste steuermindernd geltend machen kann, der sie getragen hat (vgl. BVerfG-Beschluss vom 26. März 1969 1 BvR 512/66, BStBl II 1969, 331). Der Senat teilt die Auffassung des I. Senats des BFH in dessen Anfragebeschluss in BFHE 191, 353, BStBl II 2000, 622, unter III.

1. Normativer Rahmen

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Erbe Aufwand des Erblassers abziehen kann. Gemäß § 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 EStG kann der Aufwand abgezogen werden, der betrieblich bzw. beruflich veranlasst ist. Gemäß § 10 Abs. 1 EStG kann der Steuerpflichtige Sonderausgaben abziehen. Dabei geht das EStG stets davon aus, dass nur eigener Aufwand abgezogen werden kann; sog. Drittaufwand ist grundsätzlich nicht abziehbar. § 10d EStG ist eine Regelung, die den Abzug von Aufwand über den Veranlagungszeitraum hinaus ermöglicht; § 10d EStG betrifft aber immer nur eigenen Aufwand. § 6 Abs. 3 EStG (im Streitjahr § 7 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung ―EStDV―) erlaubt bei unentgeltlicher Betriebsübertragung die Fortführung der Buchwerte; dadurch wird beim Betriebsübernehmer Aufwand des Betriebsübergebers berücksichtigt, er muss aber auch die aus dem Betrieb entstehenden Einnahmen erfassen und versteuern. Gemäß § 24 Nr. 2 EStG gehören zu den Einkünften i.S. des § 2 Abs. 1 auch Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 oder aus einem früheren Rechtsverhältnis i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 bis 7, und zwar auch dann, wenn sie dem Steuerpflichtigen als Rechtsnachfolger zufließen. Gemäß § 45 Abs. 1 AO 1977 gehen bei Gesamtrechtsnachfolge die Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis auf den Rechtsnachfolger über; was Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis sind, folgt aus § 37 AO 1977.

2. Einkommensteuerrechtliche Prinzipien

Eingebettet sind diese Regelungen in ein System einkommensteuerrechtlicher Prinzipien.

a) Das Einkommensteuerrecht beruht auf den Grundsätzen der Individualbesteuerung und der Besteuerung nach der persönlichen "Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuerpflichtigen" (vgl. BVerfG-Beschluss vom 10. November 1998 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246, 260, m.w.N.; BFH-Urteil in BFHE 173, 371, BStBl II 1994, 331; BVerfG-Beschluss vom 29. Mai 1990 1 BvL 20, 26, 84, 4/86, BVerfGE 82, 60, 86). Die Einkommensteuer ist eine Personensteuer (vgl. BFH-Urteil in BFHE 189, 57, BStBl II 1999, 653), die nach dem Einkommen veranlagt wird, das der Steuerpflichtige im Veranlagungszeitraum bezogen hat (§ 25 Abs. 1 EStG). Einkommen ist der Gesamtbetrag der ―positiven und negativen (§ 2 Abs. 3 EStG)― Einkünfte des Steuerpflichtigen (§ 2 Abs. 1 EStG), vermindert um die Sonderausgaben und die außergewöhnlichen Belastungen (§ 2 Abs. 4 EStG). Die Einkünfte i.S. des § 2 EStG werden subjektbezogen ermittelt (vgl. BFH-Urteil vom 13. März 1996 VI R 103/95, BFHE 180, 139, BStBl II 1996, 375, m.w.N.). Die personale Anknüpfung der Einkommensteuer ist das technische Mittel, die Beachtung des Verfassungsgebots der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit umzusetzen (Lehner/Waldhoff in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, a.a.O., § 1 Rz. A 6). Erbe und Erblasser sind verschiedene Rechtssubjekte, die jeder für sich getrennt zur Einkommensteuer veranlagt werden; der Begriff der Rechtsnachfolge setzt die Nichtidentität von Rechtsvorgänger und Rechtsnachfolger geradezu voraus. Selbst zusammen veranlagte Eheleute werden prinzipiell als selbständige Steuerpflichtige behandelt.

b) Das Einkommensteuerrecht stellt auf die Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuerpflichtigen ab. Die für die Lastengleichheit im Einkommensteuerrecht maßgebliche finanzielle Leistungsfähigkeit bemisst der einfache Gesetzgeber nach dem objektiven und dem subjektiven Nettoprinzip. Abziehbar ist nach Maßgabe des sog. Belastungsprinzips nur der selbst erbrachte Aufwand. Es entspricht allgemeinen Grundsätzen des Einkommensteuerrechts, dass ein Steuerpflichtiger Aufwendungen und Verluste anderer nicht geltend machen kann (Ring, DStZ 1981, 24; Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 4 Rz. 500 ff., m.w.N.; vgl. zum Abzug sog. Drittaufwendungen Beschlüsse des Großen Senats des BFH vom 23. August 1999 GrS 1/97, BFHE 189, 151, BStBl II 1999, 778, unter C. I. 2. b und II. 2. a, und GrS 3/97, BFHE 189, 172, BStBl II 1999, 787, unter C. I. 1.; zur notwendigen Belastungssituation beim Sonderausgabenabzug vgl. unten 4.c bb). Die individuelle Leistungsfähigkeit ist mit der Person des Steuerpflichtigen unlösbar verknüpft, sie geht mit dessen Tod unter und kann deshalb nicht mehr auf den Erben übergehen.

c) Der Einkommensteuer liegt weiter das Prinzip der Abschnittsbesteuerung zu Grunde (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats des BVerfG vom 20. Dezember 1989 1 BvR 1269/89, HFR 1990, 517). Das Jahressteuerprinzip entspricht nicht nur erhebungstechnischen Notwendigkeiten, sondern drückt ein materielles Prinzip der Einkommensbesteuerung aus (Kirchhof, Einkommensteuergesetz, Kompakt-Kommentar, 3. Aufl., § 2 Rz. 17); es verfolgt eine gleichmäßige Heranziehung der Steuerpflichtigen zur Sicherstellung der aktuellen staatlichen Finanzierungsbedürfnisse und gewährleistet insoweit "Gleichbehandlung in der Zeit" (Müller-Franken, StuW, 2004, 109, 122).

Mit der Regelung des § 10d EStG berücksichtigt der Gesetzgeber, dass die im Zeitablauf mitunter gegebene Verteilung von positiven und negativen Einkünften auf verschiedene Veranlagungszeiträume auch von Zufälligkeiten und wirtschaftlichen Zwangsläufigkeiten abhängt und es bei Besteuerung der positiven Einkünfte einiger Jahre ohne Berücksichtigung der in anderen Jahren entstandenen Verluste zu einer verzerrten Erfassung der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen kommen würde (vgl. Knobbe-Keuk, a.a.O., 9. Aufl., 8 III 1).

Wenn das BVerfG vor diesem Hintergrund § 10d EStG im Spannungsverhältnis zwischen dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung und dem Grundsatz des abschnittsübergreifenden Nettoprinzips als Ausfluss des Leistungsfähigkeitsprinzips sieht, so beschränkt sich das abschnittsübergreifende Nettoprinzip auch hier auf die durchschnittliche mehrjährige Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats des BVerfG vom 2. Juli 1991 1 BvR 313/88, HFR 1992, 423). Der Gesetzgeber ist dem BVerfG zufolge nicht verpflichtet, den Wertungswiderspruch zwischen dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung und dem der Besteuerung nach dem Nettoprinzip einseitig zugunsten des Nettoprinzips zu lösen (so aber der I. Senat im BFH-Beschluss in BFHE 203, 496, BStBl II 2004, 414, unter 3. b aa). Steht danach bereits das sich auf den einzelnen Steuerpflichtigen beziehende Nettoprinzip unter dem verfassungsrechtlich weitgehend zulässigen Vorbehalt der Abschnittsbesteuerung, so ist für eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit der Vererblichkeit des Verlustvortrags nichts ersichtlich.

3. Keine Rechtsgrundlage für die Aufwandsübertragung vom Erblasser auf den Erben

Auf der Grundlage dieses Rechts- und Normgefüges ist nach Auffassung des Senats eine gesetzliche Grundlage, die eine Übertragung des beim Erblasser entstandenen und allein diesem zuzurechnenden Aufwands auf den Erben erlaubt, nicht vorhanden. Gerade das Steuerrecht in seiner Eigenschaft als Eingriffsrecht muss in besonderer Weise auf rechtsstaatliche Grundsätze Bedacht nehmen. Eingriffe und Entlastungen bedürfen stets der gesetzlichen Grundlage.

a) Verluste resultieren aus Aufwandsüberschüssen eines Veranlagungszeitraums, die nicht durch entsprechende Einnahmen ausgeglichen werden konnten (Weber-Grellet, Die Steuerberatung 2004, 31). Das EStG erlaubt nur den Abzug eigenen Aufwandes und dementsprechend eigener Verluste. Drittaufwand ist nicht abziehbar; das gilt gleichermaßen für Betriebsausgaben, für Werbungskosten und auch für Sonderausgaben. Die vom Erblasser nicht verbrauchten Verlustabzugsbeträge sind auf dessen Betriebsausgaben oder Werbungskosten beruhende (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 189, 151, BStBl II 1999, 778, unter C. I. 1.) Aufwandsüberschüsse. Diese Verluste des Erblassers sind für den Erben Aufwand eines Dritten.

b) Nach Wortlaut und Zweck des § 10d EStG kommt eine Vererblichkeit des Verlustvortrags, die die Übertragung des Erblasseraufwands auf den Erben beinhaltet, nicht in Betracht.

Nach der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung sind nicht ausgeglichene Verluste, deren Abzug nach § 10d Sätze 1 bis 3 EStG in den beiden vorangegangenen Veranlagungszeiträumen nicht möglich ist, in den folgenden fünf Veranlagungszeiträumen wie Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen. Zur Übertragung von Verlusten auf den Erben enthält § 10d EStG keine Aussage.

Die Vererblichkeit des Verlustvortrags ergibt sich auch nicht aus dem Zweck der Vorschrift, die darauf abzielt, die Besteuerung periodenübergreifend an der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen auszurichten und einer mehrjährigen Durchschnittsbesteuerung anzunähern (vgl. BFH-Gutachten III/50, vom 25. Januar 1951 I D 4/50 S, BStBl III 1951, 68, 72: "im begrenzten Rahmen eine Durchschnittsbesteuerung für mehrere Jahre" herbeizuführen; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats des BVerfG in HFR 1992, 423; Knobbe-Keuk, a.a.O., 9. Aufl., 8 III 1; von Groll in Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 10d EStG Rdnr. B 195 ff.; Orth in Hermann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 10d EStG Anm. 119 ff., Borggreve in Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 10d EStG Rz. 40 f.). Steuerpflichtiger ist das einzelne Individuum, dessen Steuerpflicht den Zeitraum von seiner Geburt bis zum Tode umfasst. Eine periodenübergreifende Besteuerung des Steuerpflichtigen kann sich allenfalls auf diesen Zeitraum beziehen. § 10d EStG ist daher personenbezogen auszulegen und ermöglicht lediglich die Durchbrechung des Prinzips der Abschnittsbesteuerung, bietet aber keine Rechtsgrundlage für die Übertragung von Erblasseraufwand auf den Erben. Das zeigt sich mit besonderer Deutlichkeit, wenn der Erblasseraufwand in dem Veranlagungszeitraum entstanden ist, in dem ihn der Erbe abziehen will.

c) Nach § 45 Abs. 1 AO 1977 gehen bei Gesamtrechtsnachfolge die Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis auf den Rechtsnachfolger über. Zu den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis zählen nach § 37 Abs. 1 AO 1977 der Steueranspruch, der Steuervergütungsanspruch, der Haftungsanspruch, der Anspruch auf eine steuerliche Nebenleistung, der Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO 1977 sowie die in Einzelsteuergesetzen geregelten Steuererstattungsansprüche. Das Recht zum Verlustvortrag nach § 10d EStG, das sich noch nicht in einem ―geminderten― Steueranspruch realisiert hat (zur Frage der Bewertbarkeit des Steuerminderungsanspruchs vgl. unten 4. b), gehört nicht zu den nach § 45 AO 1977 auf den Rechtsnachfolger übergehenden Ansprüchen (so auch BFH-Urteil in BFHE 195, 328, BStBl II 2002, 487, unter II. 4. a bb).

d) Ein Übergang der vom Erblasser noch nicht verbrauchten Verlustvorträge ergibt sich auch nicht aus der zivilrechtlichen Stellung des Erben als Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers gemäß § 1922 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ―BGB― (so auch BFH-Urteil in BFHE 195, 328, BStBl II 2002, 487, unter II. 4. a bb). Die (Gesamt-)Rechtsnachfolge allein hat der BFH schon bisher nicht als Grund für den Übergang des Rechts zum Verlustabzug angesehen (BFH-Urteil in BFHE 173, 371, BStBl II 1994, 331, m.w.N., bestätigt durch BFH-Beschluss vom 26. Juni 1997 VIII B 70/96, BFH/NV 1997, 897, und BVerfG-Kammerbeschluss vom 26. Mai 1998 1 BvR 1651/97, Steuer-Eildienst 1998, 547). Gegen den Übergang sprechen darüber hinaus folgende Gründe:

aa) Wegen des personenbezogenen (vgl. Boeker in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, a.a.O., § 45 AO 1977 Rz. 33; von Groll, a.a.O., Rdnr. 190 ff.) Zuschnitts der Vergünstigung des § 10d EStG ist diese zumindest wie ein höchstpersönliches Recht anzusehen und die Vererblichkeit zu verneinen (zum Grundsatz der Personenidentität vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 1991 I R 74/89, BFHE 166, 342, BStBl II 1992, 432, und zur notwendigen Identität von Unternehmen und Unternehmer bei § 10a GewStG BFH-Urteil in BFHE 173, 371, BStBl II 1994, 331; BFH-Beschluss in BFH/NV 1997, 897).

bb) Abgesehen davon, dass § 45 AO 1977 eine Spezialregelung enthält, die der Anwendung des § 1922 BGB vorgeht, ist der beim Erblasser entstandene Verlust als solcher weder ein Recht noch eine Verbindlichkeit, die vererbt werden könnten. Der Aufwand ist in der Vergangenheit entstanden und abgewickelt; seine Bedeutung für den Erben erhält er nur dann, wenn der Erbe ihn als eigenen Aufwand abziehen kann. Dafür, den Aufwand auf den Erben übergehen zu lassen, gibt es keine Rechtfertigung. Es genügt nicht, dass der Erbe Rechtsnachfolger ist und dass der Erblasser den Aufwand nicht steuerlich wirksam werden lassen konnte. Die ―zivilrechtlichen― Vorschriften der Rechtsnachfolge sind nicht dazu bestimmt, das steuerliche Belastungsprinzip außer Kraft zu setzen (Müller-Franken, StuW, 2004, 111 f.).

cc) Der Verlustvortrag ist nicht durch Rechtsgeschäft unter Lebenden übertragbar (vgl. BFH-Urteil vom 17. Juli 1991 I R 74-75/90, BFHE 165, 82, BStBl II 1991, 899; BVerfG-Beschluss vom 26. März 1969 1 BvR 512/66, BVerfGE 25, 309, 313 f.; Schmidt/ Heinicke, a.a.O., § 10d Rz. 4), und zwar nicht einmal auf den die Verlustquelle fortführenden zukünftigen Erben, auch nicht im Falle einer vorweggenommenen Erbfolge.

Damit ist es unvereinbar, dass der Verlustvortrag nach der bisherigen Rechtsprechung auf den Erben übergeht, unabhängig davon, ob die Gesamtrechtsnachfolge auf Gesetz, Testament oder Erbvertrag, also einem Rechtsgeschäft unter Lebenden, beruht und ob außer dem Verlustvortrag sonst noch etwas zu vererben ist (vgl. Buciek, DStZ, 2001, 751).

dd) Ein Übergang nicht wirksam gewordener Verluste des Erblassers auf den Erben ergibt sich auch nicht daraus, dass der Erbe nach der BFH-Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteile in BFHE 189, 57, BStBl II 1999, 653, m.w.N., und in BFHE 75, 328, BStBl III 1962, 386) materiell-rechtlich und verfahrensrechtlich in die abgabenrechtliche Stellung des Rechtsvorgängers eintritt (BFH-Urteil in 195, 328, BStBl II 2002, 487, unter II. 4. a bb). Er übernimmt demzufolge die einzelnen Vermögenspositionen in der steuerlichen Ausprägung, die sie vom Erblasser erfahren haben. Die objektbezogenen einkommensteuerrechtlichen Tatumstände beim Erblasser (Besteuerungsmerkmale, vgl. BFH-Urteil in BFHE 195, 328, BStBl II 2002, 487, unter II. 4. a bb) setzen sich beim Erben fort, so z.B. die Anschaffungskosten und Buchwerte von Wirtschaftgütern, das negative Kapitalkonto nach § 15a EStG, laufende Fristen bezüglich konkreter Rechtssachverhalte, ausgeübte Wahlrechte u.a., die den jeweiligen Wirtschaftgütern und (Rechts-)Verhältnissen rechtlich anhaften bzw. diese steuerrechtlich bestimmen (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 1957 VI 234/56 U, BFHE 66, 182, BStBl III 1958, 72, in dem die Fortführung der § 7b EStG-Sonderabschreibung darauf gestützt wird, der Erbe habe keine Anschaffungskosten, sondern nur die Herstellungskosten des Rechtsvorgängers, vom 21. März 1969 VI R 208/67, BFHE 96, 19, BStBl II 1969, 520, und vom 17. Juni 1997 IX R 30/95, BFHE 183, 470, BStBl II 1997, 802). Für den verbliebenen Verlustvortrag des Erblassers kann dies nicht gelten, er ist nicht auf einzelne Sachverhalte oder Rechtsverhältnisse des Erblassers, sondern auf diesen als Person und Steuersubjekt bezogen. Der verbliebene Verlustabzug ist weder (Bestand-)Teil einer speziellen Vermögensposition oder einer Einkunftsquelle des Erblassers noch ein unabhängig von diesem isoliert bewertbarer Vermögensgegenstand (vgl. unten 4. d).

e) Der Übergang der Verlustabzugsmöglichkeit ergibt sich auch nicht daraus, dass der Erbe beim Übergang eines Betriebes, Teilbetriebes oder Mitunternehmeranteils sowie von nicht zu einem Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgütern an die Buchwerte des Erblassers gebunden ist (§ 7 Abs. 1 EStDV und § 11d Satz 1 EStDV in der im Streitjahr geltenden Fassung; nunmehr § 6 Abs. 3 EStG).

Diese Buchwertverknüpfung hat nur eine bestimmte Quelle einer einzelnen Einkunftsart zum Gegenstand. Nach der Rechtsprechung, die dem Erben einen vom Erblasser abgeleiteten Verlustabzug zugesteht, wird der Verlustabzug aber nicht auf Verluste aus einem fortgeführten Betrieb oder aus einer anderen geerbten Einkunftsquelle beschränkt; der Erbe kann vielmehr auch dann die Verluste des Erblassers geltend machen, wenn die den Verlust verursachende Einkunftsquelle nicht auf ihn, sondern etwa auf einen Miterben übergegangen ist (Trzaskalik, StuW 1979, 97, 104) oder der Betrieb noch vom Erblasser aufgegeben worden ist. Ein Zusammenhang zwischen dem "geerbten" Verlustabzug und dem Übergang einer Einkunftsquelle und einer dort stattfindenden Buchwertverknüpfung besteht demnach nicht. Die Berechtigung zum Abzug des vom Erblasser nicht genutzten Verlustabzugs durch den Erben kann nicht aus der Buchwertverknüpfung gefolgert werden (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 191, 353, BStBl II 2000, 622).

Darüber hinaus gilt die Buchwertverknüpfung nicht nur für den Erbfall, sondern ebenso bei einer Übertragung aufgrund eines Vermächtnisses (§ 2147 BGB) oder bei einer unentgeltlichen Übertragung unter Lebenden (§ 6 Abs. 3 EStG); letztere führt jedoch nach allgemeiner Auffassung nicht zum Übergang des Verlustabzugs (Knobbe-Keuk, StuW 1973, 74, 85; Strnad, FR 1998, 935, 936). Die Buchwertverknüpfung kann demnach nicht Grund des Übergangs eines Verlustvortrags des Erblassers auf den Erben sein.

Diese Beurteilung wird zusätzlich gestützt durch einen Blick auf die Behandlung der Problematik im Gewerbesteuerrecht: Die Gewerbesteuer ist als Objektsteuer (BFH-Beschluss vom 3. Mai 1993 GrS 3/92, BFHE 171, 246, BStBl II 1993, 616, 620) stärker als die Einkommensteuer auf den einzelnen Betrieb bezogen. Dies könnte in besonderem Maße dafür sprechen, dass dort ein einmal entstandener Verlustabzug dem Betrieb als solchem anhaftet und auf einen den Betrieb fortführenden Erben übergeht. Dennoch ist anerkannt, dass dieser wegen § 10a Satz 2 i.V.m. § 2 Abs. 5 GewStG seinen Gewerbeertrag nicht um Fehlbeträge kürzen kann, die zu Lebzeiten des Erblassers entstanden sind (BFH-Beschluss in BFHE 191, 353, BStBl II 2000, 622, m.w.N.). Das gilt ungeachtet dessen, dass die Verpflichtung zur Buchwertfortführung sich auch im Gewerbesteuerrecht auswirkt (§ 7 Abs. 1 GewStG). Ist aber selbst bei der "betriebsorientierten" Gewerbesteuer die Buchwertverknüpfung nicht geeignet, einen Übergang des Verlustabzugs auf den Erben zu begründen, dann muss dies erst recht für die Einkommensteuer gelten. Anderenfalls hätte die Pflicht zur Buchwertfortführung bei der Einkommensteuer weitergehende Folgen als bei der Gewerbesteuer, obwohl sie sich bei dieser unmittelbarer auswirkt. Der Betrieb als solcher ist zudem gerade nicht Subjekt der Einkommensteuer und deshalb ungeeignet, Verluste vom Erblasser zum Erben zu "transportieren".

4. Auseinandersetzung mit der Rechtsauffassung des I. Senats des BFH

Die vom I. Senat im Urteil in BFHE 195, 328, BStBl II 2002, 487 und im Beschluss in BFHE 203, 496, BStBl II 2004, 414 angeführten und nach seiner Auffassung für eine Beibehaltung sprechenden Gründe vermögen den erkennenden Senat nicht zu überzeugen.

a) Die Verlässlichkeit der Rechtsordnung ist zweifelsohne ein gewichtiger Gesichtspunkt. Sie gebietet aber nicht, eine Rechtsprechung aufrechtzuerhalten, für die eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage fehlt und die auch nicht mit den tragenden Prinzipien des Einkommensteuerrechts in Einklang steht.

Die Anerkennung der Vererblichkeit des Verlustabzugs ist, wie der I. Senat selbst einräumt, im Schrifttum ganz überwiegend und auch in der Rechtsprechung auf Kritik gestoßen. So hatten auch die drei Senate, bei denen der I. Senat angefragt hatte, erklärt, nicht mehr an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten (BFH-Beschlüsse vom 24. August 2000 IV ER -S- 1/00, juris, StRE200050939; vom 24. Oktober 2000 VIII ER -S- 1/00, juris, StRE200051140, und vom 6. September 2000 XI ER -S- 3/00, juris, StRE200051085). Die Änderung einer seit langem umstrittenen Rechtsprechung ist nicht geeignet, das Vertrauen in die Verlässlichkeit der Rechtsordnung zu erschüttern.

Der VIII. Senat hat sich zwar nunmehr mit Beschluss vom 14. Oktober 2003 VIII ER ‐S- 2/03 (juris, StRE200351481) im Hinblick auf die Entscheidung des I. Senats in BFHE 195, 328, BStBl II 2002, 487 aus Gründen der Rechtssicherheit für die Beibehaltung der bisherigen Rechtsprechung ausgesprochen; dass er die Vererblichkeit auch in der Sache für gerechtfertigt hält, ergibt sich daraus aber nicht. Rechtssicherheit und Vertrauen können indes letztlich nur durch eine als richtig erkannte Rechtsprechung gewährleistet werden.

Hinzu kommt, dass § 10d EStG seit den Entscheidungen des BFH in HFR 1963, 8, in BFHE 75, 328, BStBl III 1962, 386 und in BFHE 105, 483, BStBl II 1972, 621, als die Regelung noch auf Verluste aus Gewinneinkünften mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 und § 5 EStG beschränkt war, einschneidende gesetzliche Änderungen erfahren hat. Die Regelung gilt nunmehr für alle Einkunftsarten, der Verlustvortrag wurde um den Verlustrücktrag ergänzt und seit dem Wegfall der zeitlichen Begrenzung kann der Verlustvortrag auf unbegrenzte Dauer fortgeführt werden. Verlustabzugspotentiale, die der Erblasser wegen seiner Einkommensverhältnisse auf Dauer nicht mehr nutzen kann, erlangen erst dank ihrer Vererblichkeit wirtschaftliche Bedeutung und werden durch entsprechende Testaments- und Erbvertragsregelungen übertragbar und nutzbar, vorausgesetzt der Erblasser kümmert sich um alljährliche Verlustfeststellungsbescheide (vgl. hierzu Meyer, DStR 1989, 191, mit Beispielen; vgl. auch Kanzler, FR 2000, 875, m.w.N.).

b) Der I. Senat will ―so in seinem Beschluss in BFHE 203, 496, BStBl II 2004, 414 unter 2.― in dem aus einem Verlust (gegebenenfalls) resultierenden zukünftigen Steuerminderungseffekt eine quantifizierbare vermögenswerte Rechtsposition ableiten, die handelsbilanziell aktivierbar und damit vererbbar sei. Zu Recht hat der I. Senat demgegenüber in seinem Beschluss in BFHE 191, 353, BStBl II 2000, 622 darauf hingewiesen, dass die Verwertbarkeit des verbliebenen Verlustabzugspotentials beim Erblasser maßgeblich von dessen weiterem wirtschaftlichen Erfolg abhänge und damit nur eine unwägbare Aussicht auf einen zukünftigen steuerlichen Vorteil darstelle. Wegen eben dieser Ungewissheiten ist bisher der "vererbte" Verlustvortrag auch nicht der Erbschaftsteuer unterworfen worden.

Der XI. Senat hält bereits den Verlustvortrag an sich nicht für ein steuerrechtlich bewertbares Wirtschaftsgut, sondern für Aufwand, der sich mangels ausreichender Erträge steuerlich nicht ausgewirkt hat. Die im Schrifttum angestellten Überlegungen zur Bewertung eines Verlustvortrags betreffen lediglich den Fall, dass ein Unternehmen den Verlustvortrag selbst in Kürze sicher nutzen wird (von Eitzen/Helms, BB, 2002, 823; Drukarcyk, DStR 1997, 464) oder dass es mitsamt seinem Verlustvortragspotential von einem anderen, wirtschaftlich (ertrags-) starken Unternehmen übernommen wird. Sie setzen zum einen eine Identität der Unternehmen voraus, die zwischen Erblasser und Erbe nicht besteht, zum anderen die sichere und ausreichende Ertragskraft des Übernehmers. Für eine steuerrechtlich anzuerkennende Bewertung von Verlustvorträgen "an sich" bei dem den Verlust bringenden Unternehmen des Erblassers ergibt sich daraus nichts.

In jedem Falle wäre für die Höhe des Vermögenswertes "Verlustvortrag" bei natürlichen Personen entscheidend, ob der Verlustvortrag vererblich ist oder nicht. Verlustabzugspotentiale, die der Erblasser wegen seiner (unzureichenden) Einkommensverhältnisse nicht mehr nutzen kann, können erst durch ihre Vererblichkeit wirtschaftliche Bedeutung erlangen. Der "ökonomische Wert der Verluste" (Beschluss in BFHE 203, 496, BStBl II 2004, 414, unter II. 2.), die der Erblasser nicht mehr nutzen kann, ist ―entgegen der Ansicht des I. Senats― ohne ihre Vererblichkeit gleich Null. Selbst im Falle der Vererblichkeit würde er auch noch von den Einkommensverhältnissen des Erben abhängen.

c) Der I. Senat verweist darauf, dass auch in anderen Fällen ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung bestimmte Besteuerungsmerkmale, die (nur) in der Person des Erblassers begründet sind, bei der Besteuerung des Erben berücksichtigt würden. Dies gelte etwa für § 24 Nr. 2 EStG hinsichtlich der Einkunftsart. Ferner habe der BFH wiederholt entschieden, dass vom Erben nachträglich gezahlte Vermögensteuer oder Kirchensteuer Sonderausgaben des Erben darstellen, wenn und soweit dem Erblasser für einen entsprechenden von ihm selbst gezahlten Betrag der Sonderausgabenabzug zugestanden hätte. Entsprechendes gelte im Hinblick auf den Verbrauch von Freibeträgen oder die steuerschädliche Verwendung eines Wirtschaftsguts durch den Erblasser.

Der erkennende Senat hält die genannten Beispiele für nicht mit dem Fall des Abzugs "ererbter Verluste" vergleichbar:

aa) Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit sind nach § 24 Nr. 2 EStG derjenigen Einkunftsart zuzuordnen, zu der die aufgegebene Tätigkeit gehörte (Schmidt/Seeger, a.a.O., § 24 Rz. 73). Dies gilt auch dann für die Bestimmung der maßgeblichen Einkunftsart, wenn die Tätigkeit noch vom Erblasser ausgeübt wurde. Erzielt erst der Erbe die Einkünfte daraus (Zufluss beim Steuerpflichtigen als Rechtsnachfolger), so wirken sich diese unmittelbar auf seine Leistungsfähigkeit aus. In den Fällen des § 24 Nr. 2 EStG erhöht sich die Leistungsfähigkeit des Erben; der Zuwachs an Leistungsfähigkeit wird besteuert. Im Fall des Verlustübergangs erhielte der Erbe einen Vorteil in Gestalt einer Steuerminderung, ohne dass seine Leistungsfähigkeit gemindert wäre. Die Norm des § 24 Nr. 2 EStG ist auf den (schmalen) Bereich zugeschnitten, in dem der Erblasser mit der Verwirklichung des einkommensteuerrechtlichen Tatbestandes begonnen hat und sich dieser mit dem Zufluss beim Erben vollendet; den Fall des bereits beim Erblasser abgeschlossenen Tatbestandes (= Verlustes) erfasst diese Regelung nicht (vgl. Müller-Franken, StuW, 2004, 109, 114).

bb) Im Rahmen des Sonderausgabenabzugs wird regelmäßig eine Belastung des den Abzug geltend machenden Steuerpflichten selbst vorausgesetzt (BFH-Urteil vom 12. November 1997 X R 83/94, BFHE 184, 499, BStBl II 1998, 148; Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 10 Rz. 4, m.w.N.). Eine solche ist in den Fällen der Übernahme von Vermögen- und Kirchensteuer des Erblassers durch den Erben gegeben, wenn dieser die Ausgaben leistet. Dass ihm durch den Erbfall möglicherweise zusätzliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zugewachsen ist, ist einkommensteuerrechtlich unbeachtlich; dieser Zuwachs ist Gegenstand einer eventuellen Erbschaftsbesteuerung.

cc) Soweit sich nach der Rechtsprechung objektbezogene einkommensteuerrechtliche Tatumstände des Erblassers (Besteuerungsmerkmale) beim Erben fortsetzen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 66, 182, BStBl III 1958, 72; in BFHE 96, 19, BStBl II 1969, 520, und in BFHE 183, 470, BStBl II 1997, 802), beruht dies darauf, dass er die konkreten einzelnen Vermögenspositionen in der steuerlichen Ausprägung übernimmt, die sie beim Erblasser erfahren haben. Dies kann nicht mit dem vom Erblasser ungenutzten Verlustvortrag gleichgesetzt werden, der nicht auf einzelne Sachverhalte oder Rechtsverhältnisse des Erblassers bezogen ist, sondern auf ihn als Person und seine Leistungsfähigkeit.

d) Der Verlustvortrag vererbt sich auch nicht als (Bestand-) Teil der vererbten Vermögenswerte. Dass der Verlustvortrag bzw. sein Steuerminderungseffekt "gegenstandsbezogen" sei (so der Beschluss in BFHE 203, 496, BStBl II 2004, 414, unter 3.a), vermag der Senat nicht zu erkennen.

Verluste sind als Saldo des wirtschaftlichen Geschehens in der Regel nicht einem einzelnen Gegenstand oder Kostenfaktor isoliert zurechenbar; das Überwiegen des Aufwands (Personal, Mieten, Kredite, Forschung und Entwicklung) gegenüber den Erlösen kann auf deren Ausfall, auf ungünstigen Kosten- und Marktentwicklungen oder vielen anderen Umständen beruhen. Verluste sind allenfalls einkunftsquellenbezogen; im Falle eines Ausgleichs zwischen mehreren Verlust- und Gewinnquellen ist auch dies zumindest fraglich. Dies gilt erst recht für den Verlustvortrag, der durch seine Einordnung unter die Sonderausgaben vom Gesetzgeber ausdrücklich aus dem Zusammenhang mit bestimmten Einkünften gelöst worden ist; er ist seiner Rechtsnatur nach keine Betriebsausgabe, sondern lediglich ein Verrechnungsposten (BFH-Gutachten, BStBl III 1951, 68, unter III. 1. c und 2.).

Eine "Gegenstandsbezogenheit" des Verlustvortrags müsste ―entgegen der ständigen Rechtsprechung― zu dessen Übertragbarkeit zwischen verschiedenen Besteuerungssubjekten führen. Auch das BVerfG hat es jedoch ausdrücklich als verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden bezeichnet, dass die Rechtsprechung von der Unübertragbarkeit des Rechts auf Verlustabzug ausgeht (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 25, 309, 313 f.). Dementsprechend hat der Große Senat des BFH in BFHE 171, 246, BStBl II 1993, 616 (zu § 10a GewStG) auch die Auffassung abgelehnt, der Verlustabzug sei grundsätzlich dem Gewerbebetrieb als solchem und nicht dem dahinter stehenden Unternehmer zuzuordnen. Träger des Rechts auf den Verlustabzug sei (ungeachtet eines Objektsteuercharakters der Gewerbesteuer) nicht der Gewerbebetrieb als solcher, sondern der Unternehmer des Betriebs. Es sei der Unternehmer, der mit dem Betrieb einen Gewerbeverlust erziele, den er, der Unternehmer und nicht der Betrieb von positiven Gewerbeerträgen späterer Jahre desselben Betriebs abziehen könne. Diese gesetzliche Regelung sei auch sachgerecht, weil sie bewirke, dass derjenige, der einen Betrieb fortführe, den Gewerbeertrag nicht um Verluste kürzen könne, die ein anderer Unternehmer erzielt habe und im Regelfall auch rechtlich und wirtschaftlich trage.

Dass sich die für den Verlustabzug auch nach Auffassung des I. Senats erforderliche Identität des Besteuerungssubjekts aus der "Gegenstandsbezogenheit" des Verlustvortrags bzw. seines Steuerminderungseffekts ergeben könnte, ist nicht zu erkennen.

Im Übrigen hätte eine "Gegenstandsbezogenheit" des Verlustvortrags zur Folge, dass nur derjenige Erbe einen vom Erblasser nicht verbrauchten Verlustvortrag geltend machen könnte, der die "verlustbringenden" Einkünfte fortsetzt ―bzw. nach der Auffassung des I. Senats― den "Verlustgegenstand" tatsächlich erbt, fortführt und "hieraus entstehende Gewinne versteuert". Auch dies würde eine Änderung der Rechtsprechung bedeuten.

e) Der I. Senat hält es "vor allem deshalb" für angezeigt, die bisherige Rechtsprechung aufrechtzuerhalten, weil diese im wirtschaftlichen Ergebnis einer Überbesteuerung des Erblassers entgegenwirke (BFH-Urteil in BFHE 195, 328, BStBl II 2002, 487, unter II. 4. a cc). Denn der beim Erblasser entstandene, nicht ausgeglichene Verlust sei letztlich Ausdruck des Umstands, dass der Erblasser ―gemessen an seiner Leistungsfähigkeit― zu viel an Steuern gezahlt habe.

Eine Überbesteuerung ließe sich nur beim Erblasser selbst korrigieren, der den Tatbestand der Erzielung von Einkünften in Form von Verlusten erfüllt hat. Eine steuerliche Entlastung beim Erben beseitigt nicht eine Überbesteuerung des Erblassers. Das Nettoprinzip bezieht sich auf den einzelnen Steuerpflichtigen für die Dauer seiner Einkommensteuerpflicht. Der Versuch, eine Überbesteuerung des Erblassers durch Entlastung des Erben auszugleichen, ist auch insoweit ungeeignet, als er das Vorhandensein eines den Verlust geltend machenden Erben voraussetzt. Selbst wenn eine Nichtberücksichtigung von Verlusten im Einzelfall das Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit beim Erblasser verletzen sollte, so kann dies nicht die Vererblichkeit des Verlustvortrags begründen.

Der Begriff der "Überbesteuerung" erscheint zudem unscharf. Da in den Verlustjahren keine "Überbesteuerung" eingetreten sein kann, wäre darzulegen, dass die jeweiligen Verluste auf Sachverhalte zurückzuführen sind, die in den Vorjahren bereits der Steuer unterlegen haben und dort "überbesteuert" wurden. Dass ein Steuerpflichtiger gemäß seinem bis zu seinem Tode erzielten Totaleinkommen zur Steuerzahlung heranzuziehen ist, widerspricht dem Prinzip der Abschnittsbesteuerung. Eine Besteuerung nach dem vom Steuerpflichtigen erzielten Totaleinkommen würde nicht nur eine periodenübergreifende Berücksichtigung des objektiven, sondern auch des subjektiven Nettoprinzips (Existenzminimum, Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen, vgl. BVerfG-Beschluss vom 4. Dezember 2002 2 BvR 400/98, 1735/00, BVerfGE 107, 27) verlangen. Außerdem wären gleichbleibende Gewinnermittlungsvorschriften und die Anwendung eines "übergreifenden" Steuertarifs erforderlich. Steuerrechts- und Steuersatzänderungen unterlägen damit über den Vertrauensschutz hinaus weitreichenden Restriktionen, die den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers in unvertretbarer Weise beeinträchtigen könnten.

Schon diese Überlegungen zeigen die Zwangsläufigkeit und materielle Berechtigung einer die Gleichbehandlung in der Zeit gewährleistenden Abschnittsbesteuerung, deren Härten durch einen geeigneten Verlustvor- und -rücktrag für den jeweils betroffenen Steuerpflichtigen abzumildern sind. Das sog. Totalitätsprinzip (BFH-Beschluss in BFHE 203, 496, BStBl II 2004, 414, unter 3.b), vgl. auch BFH-Urteil vom 11. Februar 1998 I R 81/97 (BFHE 185, 393, BStBl II 1998, 485) liegt weder dem EStG zu Grunde (vgl. BFH-Gutachten III/50, vom 25. Januar 1951 I D 4/50 S, BStBl III 1951, 68, 72; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats des BVerfG in HFR 1992, 423), noch bildet es seine Leitidee. Es besteht daher keine Veranlassung, es zu "restituieren" (so aber BFH-Beschluss in BFHE 203, 496, BStBl II 2004, 414, unter 3. b aa), und erst recht nicht, es im Wege eines vererblichen Verlustvortrags sogar noch über die Dauer der Steuerpflicht eines Steuerpflichtigen hinaus zu konstituieren.

Die Annahme des I. Senat (BFH-Beschluss in BFHE 203, 496, BStBl II 2004, 414, unter 3. b bb), § 10d EStG begegne in der im Streitjahr geltenden Fassung ohne Vererblichkeit der vom Erblasser nicht ausgenutzten Verlustvorträge verfassungsrechtlichen Bedenken, findet in den Entscheidungen des BVerfG keine Grundlage. Das BVerfG hat einen sieben Jahre umfassenden Verlustverrechnungszeitraum ausdrücklich als relativ langen Zeitraum bezeichnet und als offensichtlich ausreichend angesehen (a.a.O., HFR 1992, 423 f.); dies ist auch dem BVerfG-Beschluss vom 30. September 1998 2 BvR 1818/91 (BVerfGE 99, 88, 99) zu entnehmen.

Dem steht nicht entgegen, im Rahmen der Prüfung, ob eine einzelne Einkunftsquelle überhaupt zur Gewinnerzielung geeignet ist, auf den Zeitraum der für sie typischen Gesamtnutzung abzustellen (Totalgewinn). Dies dient der Aussonderung von Verlusten, die nicht auf einem marktorientierten Verhalten beruhen und als Liebhaberei (BFH-Gutachten in BStBl III 1951, 68) unberücksichtigt bleiben (vgl. BVerfG in BVerfGE 99, 88, 99).

f) Der I. Senat verweist ferner darauf, eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung könnte insbesondere dann zu Folgeproblemen führen, wenn der nicht ausgeglichene Verlust mit erhöhten Abschreibungen des Erblassers zusammenhänge, die beim Erben infolge der Buchwertverknüpfung (§ 6 Abs. 3 EStG) ―mangels Abschreibungsmasse oder bei Veräußerung― zu erhöhten Einkünften führten. Er sieht darin offensichtlich die Gefahr einer Überbesteuerung beim Erben.

Die Möglichkeit einer solchen "Überbesteuerung" ist auf die Fälle beschränkt, in denen der Erbe Einkünfte aus der geerbten Einkunftsquelle erzielt, ihm aber (buchmäßiger) Aufwand fehlt, weil der Erblasser diesen ―so die Vorstellung des I. Senats― bereits geltend gemacht hat. Für eine solche aus der Buchwertverknüpfung folgende Steuerbelastung macht es allerdings keinen Unterschied, was die Ursache der übernommenen stillen Reserven war und ob sich der Aufwand des Erblassers bereits bei diesem steuermindernd ausgewirkt hat oder mangels positiver Einkünfte nicht mehr auswirken konnte. Ob die stillen Reserven auf normalen oder (gewählten) erhöhten Abschreibungen des Erblassers beruhen, oder darauf, dass er den Gegenstand günstig erworben hat oder aber zwischenzeitlich erhebliche Wertsteigerungen eingetreten sind, spielt für die ―steuerliche― Belastung des Erben keine Rolle. Die Belastungen, die sich aus der Buchwertverknüpfung ergeben, sind generell hinzunehmen.

Zutreffend ist allerdings, dass sich im Einzelfall aufgrund "steuer-strategischer" Überlegungen gebildete (unechte) Verluste des Erblassers insofern als Fehlmaßnahme erweisen können, als dieser sie nicht mehr nutzen kann und im Interesse des Erben besser geringere Abschreibungen vorgenommen hätte (zum Aspekt der Buchwertverknüpfung vgl. Kanzler, FR 2000, 875-876, zum Verlust wegen überhöhter Abschreibungen vgl. Beiser, DStR 2000, 1505-1507). Dass eine solche Fehldisposition, die den Erben nicht anders trifft als anderweitige Fehldispositionen des Erblassers, Anlass zu steuerlichen Billigkeitsmaßnahmen sein müsste, ist nach Auffassung des vorlegenden Senats nicht zu erkennen; Gründe für eine Besserstellung "unechter" Verluste gegenüber "echten" sind nicht ersichtlich. Selbst in diesen Fällen ließe sich die Vererblichkeit der vom Erblasser nicht genutzten Verluste allenfalls dann rechtfertigen, wenn diese Verluste auf Maßnahmen des Erblassers beruhen, die zu den niedrigeren Buchwerten geführt haben und wenn beim Erben aufgrund der niedrigeren Buchwerte dementsprechend höhere Gewinne entstehen. Dies kann aber kein Grund sein, an dem bisherigen generellen Abzug vom Erblasser nicht verbrauchter Verluste durch den Erben festzuhalten.

5. Person des abzugsberechtigten Erben

(zu Rechtsfrage 2)

Der nach der Höfeordnung vererbte Hof (dazu vgl. BFH-Urteil vom 26. März 1987 IV R 20/84, BFHE 149, 557, BStBl II 1987, 561, m.w.N.) und das hoffreie Vermögen bilden zwei Nachlassteile, die unmittelbar zum einen auf den Hoferben und zum anderen auf die Erbengemeinschaft übergehen (vgl. Palandt/Edenhofer, Bürgerliches Gesetzbuch, 63. Aufl., § 1922 Rdnr. 7, 9). Ein Übergang des gesamten Vermögens des Erblassers als Ganzes auf die Erben (§ 1922 BGB) findet nicht statt.

Geht man weiterhin von der Vererblichkeit des Verlustvortrags aus, so stellt sich im Streitfall die Frage, ob der Abzug in voller Höhe nur dem Kläger zusteht, der die Einkunftsquelle, die den Verlust verursacht hatte, fortführt (Rechtsfrage 2) oder ob er den Verlust nur anteilig abziehen kann und wie dieser Anteil zu ermitteln ist. Dies ist nicht eine Frage des bloßen Umfangs des Verlustabzugs (so BFH-Beschluss in BFHE 203, 496, BStBl II 2004, 414, unter 1. am Ende), sondern auch der Vererblichkeit des Verlustvortrages dem Grunde nach.

- Sieht man den maßgeblichen Grund der Vererblichkeit des Verlustvortrags in der Buchwertverknüpfung und der Gefahr einer Überbesteuerung des Erben, so müsste der Verlustvortrag ―in Abweichung zur bisherigen Rechtsprechung― auf den die verlustbringende Einkunftsquelle fortführenden Erben übergehen (vgl. unten a).

- Stellt man mehr auf den Gesichtspunkt einer Überbesteuerung des Erblassers ab, so müsste der damit verbundene Anspruch, bereits gezahlte ―persönliche― Einkommensteuer des Erblassers zurückzuerhalten, auf die Erben insgesamt übergehen (vgl. unten b).

- Wird der aus dem Verlustvortrag resultierende zukünftige Steuerminderungseffekt als eine quantifizierbare vermögenswerte Rechtsposition oder als ein vererbbares, gegenstandsbezogenes Besteuerungsmerkmal angesehen, so kommt es darauf an, ob der Vermögenswert "Verlustvortrag" als Privatvermögen oder als ―gegenstandsbezogen― der Einkunftsquelle zugehörig beurteilt wird, bei der die Verluste entstanden sind; dementsprechend stünde der Verlustvortrag entweder den Erben insgesamt (vgl. unten b) oder dem die verlustbringende Einkunftsquelle fortführenden Erben bzw. Vermächtnisnehmer (vgl. unten a) zu.

a) Im Streitfall sind die beim Erblasser nicht ausgeglichenen Verluste im landwirtschaftlichen Betrieb entstanden; der Kläger trägt den Kapitaldienst für die landwirtschaftlichen Verbindlichkeiten. Bei ihm als dem Hoferben die Verluste allein und in voller Höhe zu berücksichtigen, entspräche sowohl den tragenden Überlegungen der die Vererblichkeit begründenden BFH-Entscheidungen (BFH-Urteile in HFR 1963, 8, ―engster Zusammenhang mit der betrieblichen Gewinnermittlung, bei der Erblasser und Erbe wie ein und dieselbe Person behandelt werden―, und in BFHE 75, 328, BStBl III 1962, 386, ―Erwägung, dass der Erbe die Einkunftsgrundlagen des Erblassers fortsetze―) als auch ―sofern sich die Verluste in einer Belastung nur des Betriebsvermögens und nicht des Privatvermögens des Erblassers niedergeschlagen haben― am ehesten dem Erfordernis, dass der Erbe durch die übergegangenen Verluste selbst wirtschaftlich belastet ist.

Zumindest solange der die Verluste verursachende Betrieb von einem Erben im Wege der Sondererbfolge fortgeführt wird, wie im Streitfall vom Kläger, erschiene es nicht gerechtfertigt, dass die verbliebenen Verlustvorträge nicht diesem allein zustehen, sondern ―so das FA― der Erbengemeinschaft, die mit dem Betrieb nichts mehr zu tun hat.

b) Dem steht allerdings entgegen, dass nach der Rechtsprechung die Fortführung des Betriebs des Erblassers durch die Erben nicht erforderlich ist (BFH-Urteil in BFHE 75, 328, BStBl III 1962, 386). Auch im Senatsurteil in BFHE 189, 57, BStBl II 1999, 653 wurde der Abzug des Verlustes des Erblassers durch den Erben nicht deshalb abgelehnt, weil nicht er, sondern ein Dritter die ehemalige Verlustquelle fortführte.

Diese Rechtsprechung beruht darauf, dass der Gesetzgeber den Verlustabzug durch seine Einordnung unter die Sonderausgaben ausdrücklich von dem Zusammenhang mit bestimmten Einkünften losgelöst hat (BFH-Gutachten in BStBl III 1951, 68, unter III.1.c). Demgemäss sind die nach § 10d EStG wie Sonderausgaben abziehbaren Verlustvorträge auch nicht mit den Verlusten aus einer Einkunftsquelle gleichzusetzen; ihre Höhe ergibt sich erst im Rahmen der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte. Der Verlustvortrag steht dem Erblasser als Person zu und ist weder dem Betrieb zuzurechnen noch an diesen gebunden (vgl. BFH-Urteil in BFHE 75, 328, BStBl III 1962, 386).

Allgemeiner Rechtsnachfolger des Erblassers als steuerpflichtiger Person ist im Streitfall die Erbengemeinschaft, der der Kläger mit 10 v.H. angehört. Der Kläger für sich allein ist dagegen (nur) Sonder-Rechtsnachfolger hinsichtlich des Hofes. Bei Vorrang der Erbengemeinschaft als dem allgemeinen Rechtsnachfolger müsste der Verlustvortrag dieser und damit ―so auch das FA― dem Kläger nur zu 10 v.H. zuzuerkennen sein.

c) Dem könnte der vorlegende Senat allerdings nicht folgen. Da im Streitfall ein Übergang des Vermögens des Erblassers "als Ganzes" (§ 1922 BGB) nicht stattfindet und der Kläger als Hoferbe ebenso wie die Erbengemeinschaft Rechtsnachfolger des Erblassers ist, müssten für die Zwecke der Nachfolge in den Verlustvortrag zumindest beide Nachlassteile ―der auf den Kläger übergegangene Hof und das auf die Erbengemeinschaft übergegangene hoffreie Vermögen― zusammengerechnet und der Erbanteil des Klägers hieran ermittelt werden. Entgegen der Auffassung des FA läge der Erbanteil des Klägers jedenfalls höher als sein Miterbenanteil von 10 v.H.

C. Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen

Die vorgelegten Rechtsfragen sind im Streitfall entscheidungserheblich.

Nach der vom Senat vertretenen Auffassung (Verneinung der Rechtsfrage 1) ist der Kläger nicht zum Abzug berechtigt und die Revision unbegründet.

Wird sie bejaht, so ist die Revision begründet, denn nach der bisherigen Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 189, 57, BStBl II 1999, 653, m.w.N.) ist die wirtschaftliche Belastung des Klägers gegeben.

- Die Vorentscheidung ist aufzuheben und der Klage stattzugeben, wenn der Kläger als Hoferbe allein berechtigt ist, noch nicht verbrauchte Verluste des Erblasser unbeschränkt geltend zu machen.

- Die Vorentscheidung ist ebenfalls aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen, wenn sich der Verlustabzug nach dem Erbteil richtet, der sich für den Kläger bei Zusammenrechnung der beiden Nachlassteile ergibt.

D. Rechtsgrund der Vorlage

Der Senat stützt seine Vorlage auf § 11 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Mit der vom vorlegenden Senat beabsichtigten Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung aus den unter B III. 1. bis 4. angeführten Gründen würde er von der Entscheidung des I. Senats in BFHE 195, 328, BStBl II 2002, 487 und von den Entscheidungen des VIII. Senats vom 25. April 1974 VIII R 61/69 (nicht veröffentlicht) sowie in BFHE 129, 262, BStBl II 1980, 188 abweichen. Die beiden Senate haben der Abweichung nicht zugestimmt.

Der Senat stützt die Vorlage zudem auf grundsätzliche Bedeutung (§ 11 Abs. 4 FGO). Eine Entscheidung des Großen Senats über die unter B. III. 5. näher dargelegte Rechtsfrage 2 dient der Fortbildung des Rechts und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1275605

BFH/NV 2005, 269

BStBl II 2005, 262

BFHE 207, 404

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