Leitsatz (amtlich)

Arbeitnehmer, die mit einem eigenen Kraftfahrzeug täglich zu ständig wechselnden Bau- oder Montagestellen fuhren, hatten auch vor dem 1. Januar 1971 die Möglichkeit, die tatsächlichen Aufwendungen für die Benutzung des Kraftfahrzeugs für diese Fahrten oder statt dessen die Pauschbeträge in Abschn. 21 Abs. 11 LStR 1970 (vgl. das Urteil des BFH vom 31. Oktober 1973 VI R 98/73 – BFHE 111, 76 –) als Werbungskosten ohne Begrenzung auf eine Entfernung von 40 km zu beanspruchen.

 

Normenkette

EStG 1969 § 9 Abs. 1 Nr. 4; LStDV 1970 § 20 Abs. 2 Nr. 2; LStR 1970 Abschn. 25 Abs. 2, Abschn. 21 Abs. 1, 11

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Streitjahr 1970 als Raupenfahrer bei einem Fuhrunternehmen tätig und auf 20 verschiedenen, ständig wechselnden Baustellen eingesetzt, wobei die jeweilige Tätigkeit sich oft nur auf wenige Tage erstreckte, die Baustellen lagen in unterschiedlicher, durchwegs erheblicher Entfernung, sowohl vom Wohnort des Klägers (zwischen 11 km und 105 km) als auch vom Firmensitz der Arbeitgeberin. Der Kläger fuhr täglich mit eigenem PKW zu den jeweiligen Einsatzstellen. Beim Lohnsteuer-Jahresausgleich erkannte der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt – FA –) die Fahrtkosten unter Begrenzung auf eine Entfernung von 40 km täglich mit 0,36 DM je Entfernungskilometer als Werbungskosten an.

Im Einspruchsverfahren beantragte der Kläger, seine täglichen Fahrten als Dienstfahrten zu behandeln und die Aufwendungen ohne entfernungsmäßige Begrenzung mit 25 Pfennig je Kilometer zu berücksichtigen. Das FA lehnte dies ab mit der Begründung, Dienstfahrten lägen beim Kläger nicht vor.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) erkannte als Werbungskosten einen Kilometersatz von 25 Pfennig ohne Begrenzung auf eine Entfernung von 40 km an.

Mit der Revision rügte das FA Verletzung des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1969.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Der Senat hat im Urteil vom 31. Oktober 1973 VI R 98/73 (BFHE 111, 76) entschieden, daß bei Arbeitnehmern, die ständig auf wechselnden Bau- oder Montagestellen tätig sind, die tatsächlichen Aufwendungen für die Fahrten mit eigenem Kfz zu den jeweiligen Arbeitsstätten als Werbungskosten abzugsfähig sind und daß statt dessen in der Regel die Pauschsätze in Abschn. 21 Abs. 11 LStR 1970 abgezogen werden können. Die Ausführungen in der Begründung dieses Urteils gelten auch für den Streitfall. Auf sie wird Bezug genommen.

Aus den Ausführungen in diesem Urteil, wonach diese Fahrten zu wechselnden auswärtigen Bau- und Montagestellen Besonderheiten aufweisen, ergibt sich, daß in diesen Fällen auch die Begrenzung des Abzugs der Fahrtkosten auf eine Entfernung von 40 km nicht zu einem sinngemäßen Ergebnis führt. Der zur Rechtfertigung dieser Grenze bei der früheren Regelung, bei der die Grenze nicht im Gesetz, sondern – ohne ausdrückliche Ermächtigung – nur in § 20 Abs. 2 Nr. 2 LStDV 1965 bestimmt war, vom BFH angeführte Gesichtspunkt, daß für das Wohnen in weiter Entfernung von der Arbeitsstätte in der Regel Gründe der persönlichen Lebenshaltung maßgebend seien (vgl. u. a. das Urteil vom 16. Mai 1958 VI 33/58 U, BFHE 67, 81, BStBl III 1958, 303), scheidet hier in der Regel völlig aus. Der Senat hält es deshalb für vertretbar, die Fälle ständig wechselnder Bau- und Montagestellen ohne feste Arbeitsstätte von der einschränkenden 40-km-Regelung auszunehmen. Nur so wird die nach Auffassung des Senats erforderliche Gleichbehandlung mit den Arbeitnehmern erreicht, die eine ständige Arbeitsstätte haben und für die die Fahrten zu wechselnden Einsatzstellen Dienstreisen sind, für die die einschränkende 40-km-Grenze nicht gilt.

Die Außerachtlassung der 40-km-Grenze erscheint dem Senat aber auch noch aus einem anderen Grund geboten. In vielen Fällen – wie auch im Streitfall – fährt der Arbeitnehmer nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit nach Hause zurück, wenn die Entfernung nicht zu groß ist, übernachtet aber an der Baustelle oder in deren Nähe, wenn die Länge der zurückzulegenden Fahrtstrecke eine Heimfahrt nicht sinnvoll erscheinen läßt. Beide Fälle unterscheiden sich hinsichtlich der Fahrtaufwendungen nicht so grundlegend voneinander, daß eine verschiedene Behandlung in diesem Punkt geboten wäre. Der Senat hat schon im Urteil vom 17. Dezember 1971 VI R 12/70 (BFHE 104, 238) entschieden, daß die Sonderregelung der 40-km-Grenze dann nicht gilt, wenn der Arbeitnehmer erst nach einer oder mehreren Übernachtungen am Arbeitsort an seinen Wohnort zurückkehrt. Der Senat hat damals ausgeführt, für diese Auslegung spreche insbesondere der Umstand, daß bei Benutzung eines eigenen Kfz ausdrücklich auf die je Arbeitstag anfallenden Aufwendungen abgestellt werde.

 

Fundstellen

Haufe-Index 514859

BFHE 1974, 79

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