Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Vereinbarung und Durchführung eines Vermögensübergabevertrages

 

Leitsatz (NV)

1. Die steuerrechtliche Anerkennung einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen setzt voraus, daß insbesondere der Umfang des übertragenen Vermögens, die Höhe der Versorgungsleistungen und die Art und Weise der Zahlung vereinbart sind.

2. Die Versorgungsleistungen müssen wie vereinbart erbracht werden, und zwar in der Weise, daß der Gläubiger über die zugeflossenen Einnahmen auch tatsächlich verfügen kann. An der vorausgesetzten Durchführung fehlt es, wenn der Schuldner den Gläubiger "nach dessen aktuellem Bedarf" versorgt.

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a, § 12 Nr. 2

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die für die Streitjahre 1984 bis 1986 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Die Mutter des Klägers hatte diesem mit Vertrag vom 11. Dezember 1973 die Spedition A übertragen. Der Kläger verpflichtete sich, "als Gegenlei stung" an seine Mutter bis zu deren Tode eine monatliche Rente in Höhe von 200 DM sowie 2 v. H. vom Nettoumsatz des Unternehmens zu zahlen.

Zum 30. Juni 1979 gab der Kläger den Betrieb der Spedition auf. Er erbrachte jedoch weiterhin die folgenden Zahlungen an seine Mutter: 16 581 DM (1984), 7 569 DM (1985) und 19 276 DM (1986). In ihren Einkommensteuererklärungen 1984 bis 1986 beantragten die Kläger, diese Zahlungen zum Abzug als dauernde Last (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 des Einkommensteuergesetzes -- EStG --) zuzulassen. In den nach einer Außenprüfung berichtigten endgültigen Bescheiden vom 8. und 26. August 1988 versagte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) den Abzug, da es sich um freiwillige Unterhaltszahlungen (§ 12 Nr. 2 EStG) handele. Mit dem Einspruch und der Klage trugen die Kläger vor: Auch nach Aufgabe des Betriebes hätten die wiederkehrenden Zahlungen auf der im Übergabevertrag übernommenen Verpflichtung beruht. Er, der Kläger, sei auch nach diesem Zeitpunkt zivilrechtlich verpflichtet gewesen, Zahlungen "etwa in der seinerzeit vereinbarten Höhe" zu erbringen. Wenn er Zahlungen in unterschiedlicher Höhe geleistet habe, so sei dies darauf zurückzuführen, daß der Unterhaltsbedarf der Mutter in den einzelnen Jahren unterschiedlich hoch gewesen sei.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Der Vertrag vom 11. Dezember 1973 sei ein "besonderer Verpflichtungsgrund" i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG gewesen. Nach dem 30. Juni 1979 sei die vereinbarte Bemessungsgrundlage für die Zahlungen an die Mutter weggefallen, ohne daß die Vertragsparteien eine neue Bemessungsgrundlage für die weiterhin zu erbringenden Zahlungen vereinbart hätten. Vielmehr habe der Kläger der Höhe nach stark schwankende Zahlungen erbracht, die sich an den notwendigen Ausgaben der Mutter orientiert hätten. Solche ausschließlich nach dem Bedarf bemessene Leistungen unterlägen dem Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG. Der Abzug von Unterhaltsleistungen an Angehörige als Sonderausgaben sei nur möglich, wenn diese sowohl dem Grunde wie der Höhe nach auf einem besonderen Verpflichtungsgrund beruhten. Ein solcher fehle nach der Einstellung des Speditions betriebes.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts. Sie tragen u. a. vor: Auch nach Aufgabe des Betriebs hätten die Zahlungen an die Mutter auf der im notariellen Übergabevertrag übernommenen Verpflichtung beruht. Hieran ändere die Tatsache nichts, daß die vertraglich vereinbarte Bemessungsgrundlage weggefallen sei. Zivilrechtlich habe die Unterhaltsverpflichtung fortbestanden. Dieser Verpflichtung sei der Kläger auch weiterhin nachgekommen. § 12 Nr. 1 und 2 EStG sei nicht anwendbar. Nach dem Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15. Juli 1991 GrS 1/90 (BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78) genüge es für die Anerkennung einer dauernden Last, daß sich die Abänderbarkeit aus der Rechtsnatur des Versorgungsvertrages ergebe. Solches sei hier der Fall. Im Jahre 1979 hätte die Finanzverwaltung einen Nachtrag bzw. Änderungsvertrag nicht akzeptiert, weil der unmittelbare Zusammenhang mit dem Übergabevertrag nicht anerkannt worden sei. Das FA könne ihnen, den Klägern, ein entsprechendes Versäumnis nicht entgegenhalten.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Zwar treffe zu, daß mit der Aufgabe der Spedition nicht der "besondere Verpflichtungsgrund" entfallen sei. Indes gebe es seither keine Bemessungsgrundlage für die Leistungen des Klägers. Die Vertragsparteien hätten versäumt, auf der Grundlage des Übergabevertrages eine Ersatz-Bemessungsgrundlage zu schaffen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist im Ergebnis unbegründet. Sie ist zurückzuweisen.

1. Es kann dahingestellt bleiben, ob im Sinne der Beschlüsse des Großen Senats des BFH vom 5. Juli 1990 GrS 4--6/89 (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) und in BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78 die Überleitung "vorbehaltener Vermögenserträge" im Wege der Abziehbarkeit einer Sonderausgabe (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG) und der Versteuerung wiederkehrender Bezüge (§ 22 Nr. 1 Satz 1 EStG) nach Aufgabe des übertragenen Betriebes möglich ist. Die Abziehbarkeit einer dauernden Last scheitert jedenfalls daran, daß der Versorgungsvertrag nicht wie vereinbart durchgeführt worden ist.

2. Wie der Senat im Urteil vom 15. Juli 1992 X R 165/90 (BFHE 168, 561, 565, BStBl II 1992, 1020) ausgeführt hat, setzt die steuerrechtliche Anerkennung einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen voraus, daß ein Mindestbestand an bürgerlich-rechtlichen Rechtsfolgen vereinbart wird, der eine Qualifikation als Versorgungsvertrag erlaubt. Insbesondere müssen als wesentlicher Inhalt des Übergabevertrages der Umfang des übertragenen Vermögens, die Höhe der Versorgungsleistungen und die Art und Weise der Zahlung vereinbart sein. Für die steuerrechtliche Anerkennung eines Vermögensübergabevertrages ist daher erforderlich, daß die Vertragsparteien ihre gegenseitigen Rechte und Pflichten klar und eindeutig vereinbart haben. Die klaren und ernsthaft gewollten Vereinbarungen müssen zu Beginn des maßgeblichen Rechtsverhältnisses oder bei Änderung des Verhältnisses für die Zukunft getroffen werden; rückwirkende Vereinbarungen sind steuerrechtlich nicht anzuerkennen (vgl. BFH-Urteile vom 28. April 1987 IX R 40/81, BFH/NV 1987, 712 unter 3.; vom 20. Mai 1992 X R 207/87, BFH/NV 1992, 805, und in BFHE 168, 561, 565, BStBl II 1992, 1020, m. w. N. der Rechtsprechung des BFH). Nach den allgemeinen steuerrechtlichen Grundsätzen über die Behandlung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen steht es den Parteien des Übergabevertrages nicht frei, ob und in welchem Umfang sie ihren Vertragspflichten nachkommen wollen. Die Leistungen müssen wie vereinbart erbracht werden (Urteil in BFHE 168, 561, 565, BStBl II 1992, 1020). Auf die Anwendung dieser steuerrechtlichen Grundsätze kann nicht verzichtet werden. Zwar werden, wie der Senat in seinem Urteil (in BFHE 168, 561, 565, BStBl II 1992, 1020) ausgeführt hat, mit dem Übergabevertrag typischerweise gegenläufige Interessen von Über geber und Übernehmer des Vermögens ausgeglichen. Es ist aber zum einen zu berücksichtigen, daß solche Verträge ohnehin in der Regel nur zwischen einander verwandtschaftlich und/oder persönlich nahestehenden Personen abgeschlossen werden. Zum anderen stellt die Rechtsprechung für die Anerkennung der Steuerfolgen eines Vermögensübergabevertrages nicht darauf ab, ob der Übergeber für seine Versorgung auf die private Versorgungsrente angewiesen ist. Es erscheint generell möglich, daß der durch gegenläufige Interessen gewährleistete Mechanismus eines vertragsgemäßen Interessenausgleichs deswegen nicht wirkt, weil die Vertragspartner aus persön lichen und/oder familiären Interessen an einer korrekten Durchführung des Vertrages nicht interessiert sind. Steuerrechtliche Folgen können daher nur anerkannt werden, wenn die Parteien den Vertrag nachprüfbar durchführen.

Der Übergabevertrag muß wie vereinbart durchgeführt werden. Hierzu gehört nicht nur, daß eine Schuld in der vereinbarten Höhe zu den vertraglich vereinbarten Fälligkeitszeitpunkten gezahlt wird. Es gehört dazu auch, daß der Schuldner seine Leistung tatsächlich erbringt und daß der Gläubiger über die ihm zugeflossenen Einnahmen auch tatsächlich verfügen kann, ohne daß der Schuldner dieses Recht -- und sei es auch nur in tatsächlicher Hinsicht -- einschränken könnte (Senatsurteile in BFH/NV 1992, 805, und vom 24. März 1993 X R 4/92, BFH/NV 1993, 717).

3. An einer solchen Vereinbarung und ihrer korrekten Durchführung fehlt es hier. Die Partner des Übergabevertrages vom 11. Dezember 1973 hatten auf der Grundlage eines detaillierten Versorgungskonzepts lebenslängliche Leistungen vereinbart. Die Bemessungsgrundlage für die Versorgungsleistungen war entfallen, nachdem der Speditionsbetrieb eingestellt worden war. Dies bedeutet indes nicht, daß damit der Ver sorgungsvertrag gegenstandslos geworden wäre. Der Kläger räumt selbst ein, er sei zivilrechtlich zu Leistungen verpflichtet gewesen, die in etwa den bisher erbrachten entsprachen. Er war auch zivilrechtlich verpflichtet, das bisherige Versorgungskonzept vertragskonform anzupassen. Wenn er statt dessen dazu überging, seine Mutter nach deren aktuellem Bedarf zu versorgen, war damit die Rechtsgrundlage des Übergabevertrages verlassen (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 1992, 805).

 

Fundstellen

Haufe-Index 420217

BFH/NV 1995, 382

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