Leitsatz (amtlich)

Aufwendungen der Eltern für den Unterhalt ihres aufgrund seiner Wehrpflicht Wehrdienst leistenden Sohnes können als außergewöhnliche Belastung berücksichtigungsfähige Unterhaltsaufwendungen sein, wenn die eigenen Einkünfte und Bezüge des Sohnes die in § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG festgesetzten Höchstbeträge nicht überschreiten. Als eigene Bezüge des Sohnes sind der Wehrsold und das Weihnachtsgeld anzusetzen; Naturalleistungen wie Verpflegung und Unterkunft sind mit den festgesetzten Sachbezugswerten zu erfassen.

 

Normenkette

EStG 1977 § 33a Abs. 1, § 33 Abs. 2; LStDV 1975 § 3 Abs. 2

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Der Sohn des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) war im Streitjahr 1977 bei der Bundeswehr als Wehrpflichtiger. Er bezog einen Wehrsold von 2 481 DM zuzüglich Weihnachtsgeld von 215 DM. Außerdem erhielt er eine Sparpauschale von 600 DM; für 139 Tage Eigenverpflegung wurden ihm 556 DM ausgezahlt.

In seinem Antrag auf Lohnsteuer-Ermäßigung für 1977 beantragte der Kläger, ihm für seinen Sohn einen Unterhaltsfreibetrag gemäß § 33 a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 1977 (EStG) zu gewähren. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -FA- ) lehnte dies ab. Der Einspruch blieb erfolglos.

Mit der Klage begehrte der Kläger weiterhin die Eintragung eines Unterhaltsfreibetrages von 1 520 DM auf der Lohnsteuerkarte. Er machte geltend, daß er seinen Sohn mit monatlich 250 DM unterstütze.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte im wesentlichen aus: Es sei glaubhaft, daß der Kläger seinem Sohn, für den er keine Leistungen nach dem Bundeskindergeldgesetz erhalte, monatlich 250 DM für dessen Unterhalt zahle. Die Unterhaltsleistungen des Klägers seien zwangsläufig im Sinne des § 33 Abs. 2 EStG in Verbindung mit § 33a Abs. 1 EStG. Denn in der letztgenannten Vorschrift habe der Gesetzgeber eine typisierende Regelung aufgestellt. Danach seien eigene Einkünfte und Bezüge der unterhaltenen Person für die Gewährung des Freibetrags stets unschädlich, soweit sie den Betrag von 3 600 DM nicht überstiegen; darüber hinausgehende Einkünfte und Bezüge des Unterhaltenen schlössen eine Steuerermäßigung für den Unterhaltsleistenden nicht von vornherein aus; sie minderten lediglich den Unterhaltshöchstbetrag von 3 000 DM. Erst bei eigenen Einkünften und Bezügen ab 600 DM entfalle der Freibetrag gemäß § 33 a Abs. 1 EStG ganz. Da im Streitfall die eigenen Bezüge des wehrpflichtigen Sohnes des Klägers den absolut schädlichen Betrag von 6 800 DM nicht erreichten, sei unabhängig vom Bestehen eines bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruchs die Zwangsläufigkeit der Unterhaltsleistungen des Klägers nach § 33 a Abs. 1 EStG zu bejahen und eine Steuerermäßigung zu gewähren. Damit befinde sich der Senat in Übereinstimmung mit dem Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BdF) vom 18. August 1975 (Deutsches Steuerrecht 1975 S. 584 - DStR 1975, 584 - ).

Zu den zu berücksichtigenden Bezügen des Sohnes des Klägers rechneten der Wehrsold und das Weihnachtsgeld von zusammen 2 696 DM, ferner der Sachbezugswert für freie Verpflegung und Unterkunft in Höhe von 2 564 DM, insgesamt also 5 260 DM, wovon noch ein Unkostenpauschbetrag von 360 DM abgesetzt werden könne, so daß als verfügbare Bezüge 4 900 DM verblieben. Die Sparpauschale nach § 7 Abs. 2 Nr. 7 des Unterhaltssicherungsgesetzes - USG - (BGBl I 1975, 661) müsse bei den Bezügen des Sohnes des Klägers außer Ansatz bleiben, weil es sich insoweit um festgelegte Beträge handele, die nicht zur Bestreitung des Unterhalts des Sohnes zur Verfügung stünden. Auch die für die urlaubsbedingte Abwesenheit des Sohnes ausgezahlten Beträge für Eigenverpflegung seien nicht anzusetzen.

Da die anrechenbaren eigenen Bezüge des Sohnes des Klägers somit 4 900 DM betrügen, überstiegen sie den unschädlichen Betrag von 3 600 DM um 1 300 DM, so daß der Unterhaltshöchstbetrag von 3 000 DM um 1 300 DM auf 1 700 DM zu mindern sei. Da der Kläger jedoch nur einen Unterhaltsfreibetrag von 1 520 DM geltend gemacht habe, könne ihm nicht mehr zugesprochen werden (§ 96 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Mit der Revision macht das FA eine Verletzung des 335 Abs. 1 EStG geltend. Es vertritt die Auffassung, die Geld und Sachbezüge des Sohnes des Klägers seien so bemessen, daß die Leistungen des Klägers nicht zwangsläufig seien.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig Aufwendungen für den Unterhalt von Personen, für die im Veranlagungszeitraum weder er noch eine andere Person Anspruch auf Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz oder auf andere Leistungen für Kinder nach diesem Gesetz hat, so wird nach § 33 a Abs. 1 Satz 1 EStG auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, daß die Aufwendungen, höchstens jedoch ein Betrag von 3 000 DM im Kalenderjahr für jede unterhaltene Person, von dem Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Voraussetzung ist, daß die unterhaltene Person kein oder nur ein geringes Vermögen besitzt (Satz 2 der Vorschrift). Wenn die unterhaltene Person andere Einkünfte oder Bezüge hat, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind, so vermindert sich der Betrag von 3 000 DM allerdings um den Betrag, um den diese Einkünfte und Bezüge den Betrag von 3 600 DM übersteigen (Satz 3 der Vorschrift). Nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.

a) Der Senat stimmt dem FG darin zu, daß der Kläger seinem Sohn gegenüber gemäß § 1601 BGB, also rechtlich, potentiell unterhaltsverpflichtet war. Das Bestehen einer Unterhaltsverpflichtung im Einzelfall hängt von der Bedürftigkeit des potentiell Unterhaltsberechtigten - hier also des Sohnes des Klägers - ab (1602 BGB). Der Senat teilt nicht die Auffassung des FA, daß potentiell Unterhaltsberechtigte jedenfalls dann nicht unterhaltsbedürftig und Leistungen an sie deshalb nicht notwendig seien, wenn sie von der Bundeswehr freie Unterkunft und Verpflegung sowie den Wehrsold erhalten.

Der Gesetzgeber hat zwar im einzelnen nicht geregelt, unter welchen Voraussetzungen Unterhaltsaufwendungen als notwendig anzusehen sind (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20. Januar 1978 VI R 170/76, BFHE 124, 505, BStBl II 1978, 342). § 33 a Abs. 1 EStG enthält insoweit aber eine - jedenfalls für Unterhaltsaufwendungen - typisierende Regelung. Das bedeutet, daß Unterhaltsleistungen an einen potentiell Unterhaltsberechtigten insoweit als notwendig und angemessen zu beurteilen sind, als sie sich innerhalb der Grenzen halten, die in § 33 a Abs. 1 EStG aufgezeigt sind (vgl. auch Gericke in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 33 a Rz., 4; Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 33 a Anm. 45). Aus der Sicht des potentiell Unterhaltsverpflichteten sind für den Unterhaltsberechtigten notwendige und angemessene Aufwendungen als zwangsläufig anzusehen (so im Ergebnis das angeführte BdF-Schreiben vom 18. August 1975). Müßte unabhängig von den Höchstbeträgen des § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG jeweils noch geprüft werden, ob im Einzelfall trotz Nichterreichens dieser Höchstbeträge die Unterhaltsaufwendungen des potentiell Unterhaltsverpflichteten doch nicht zwangsläufig sind, würde der typisierende und damit der Steuervereinfachung dienende Charakter der Vorschrift weitgehend verlorengehen. Dem FG ist deshalb insoweit zu folgen, als es die Zwangsläufigkeit von Unterhaltsaufwendungen bis zu 3 000 DM, falls die Voraussetzungen des § 33 a Abs. 1 Satz 2 EStG nicht vorliegen, bei eigenen Einkünften und Bezügen des potentiell Unterhaltsberechtigten bis zu 3 600 DM stets voll und darüber hinaus bis zu 6 600 DM jedenfalls teilweise als gegeben ansieht.

b) Auch die Höhe des vom FG ermittelten Unterhaltsfreibetrags ist nicht zu beanstanden.

Nach dem Urteil des Senats vom 17. Oktober 1980 VI R 98/77 (BFHE 132, 34, BStBl II 1981, 158) sind bei der Auslegung des § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG unter dem Begriff "Einkünfte" die Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG zu verstehen, während unter den Begriff "Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind", alle Einnahmen fallen, die nicht im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Einkunftsermittlung erfaßt werden, also u. a. für steuerfrei erklärte Einnahmen. Der Wehrsold und das Weihnachtsgeld des Sohnes des Klägers sind nach § 3 Nr. 5 EStG steuerfrei; sie sind auch zur Bestreitung des Unterhalts geeignet, also als "Bezüge" im Sinne des § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG anzusetzen.

c) Es ist nicht zu beanstanden, daß das FG entgegen der vom BdF in dem angeführten Schreiben vom 18. August 1975 vertretenen Auffassung die nach § 7 Abs. 2 Nr. 7 USG gezahlte Sparpauschale von 600 DM bei der Berechnung der eigenen Bezüge des Sohnes des Klägers außer Ansatz ließ. Wie der Senat in dem Urteil vom 23. September 1980 VI R 53/79 (BFHE 131, 486, BStBl II 1981, 92) bestätigt hat, mindern nur solche "Bezüge", die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind, den Unterhaltshöchstbetrag. Da die Sparpauschale nicht dem Wehrpflichtigen selbst gutgebracht, vielmehr an seinen Vertragspartner, mit dem er einen begünstigungsfähigen Vertrag abgeschlossen hat, überwiesen wird, steht sie dem Wehrpflichtigen im Jahr der Überweisung nicht zur Bestreitung seines Unterhalts zur Verfügung; sie kann deshalb bei der Ermittlung der "Bezüge" des Wehrpflichtigen, hier also des Sohnes des Klägers, nicht berücksichtigt werden.

d) Die vom FG durchgeführte Ermittlung des Sachbezugswerts für freie Kost und Unterkunft des Sohnes des Klägers ist vom FA nicht beanstandet worden. Es bestehen hiergegen auch keine Bedenken.

Nach § 3 Abs. 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) können die für die Finanzverwaltung zuständigen obersten Landesbehörden den Wert von bestimmten Sachbezügen unter Berücksichtigung von Durchschnittswerten festsetzen und bekanntgeben. Sie können die Festsetzung und Bekanntgabe auch den Oberfinanzdirektionen (OFD) übertragen (§ 3 Abs. 2 Satz 2 LStDV). Die zuständige OFD hat für das Streitjahr hiervon in einer Verwaltungsanweisung Gebrauch gemacht (vgl. BStBl I 1977, 48). Nach dem Wortlaut der Verfügung gilt diese allerdings nur "für die Berechnung der Lohnsteuer" bzw. beim "Steuerabzug vom Arbeitslohn". Daraus könnte gefolgert werden, daß diese Sachbezugswerte für die Ermittlung der "Bezüge" im Sinne von § 335 Abs. 1 Satz 3 EStG nicht anzusetzen sind. Der Senat könnte sich indessen einer solchen Auffassung nicht anschließen. Er hielte es für ein unvertretbares Ergebnis, bei der Besteuerung des Arbeitslohns die von der OFD festgesetzten Sachbezugswerte als zutreffenden Besteuerungsmaßstab zu beurteilen, sie hingegen bei der Höhe der "Bezüge" im Sinne des § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG als unmaßgeblich anzusehen. Es dient der Gleichmäßigkeit und der Vereinfachung der Besteuerung, die in der OFD-Verfügung festgesetzten Sachbezugswerte auch im Rahmen des § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG zu berücksichtigen. Davon geht im Ergebnis offenbar auch das BdF-Schreiben vom 18. August 1975 (a. a. O.) aus.

e) Soweit das FG die dem Sohn des Klägers für urlaubsbedingte Abwesenheiten ausgezahlten Beträge für Eigenverpflegung in Höhe von insgesamt 556 DM - 4 DM je Abwesenheitstag - außer Ansatz ließ, hält der Senat dies ebenfalls für zutreffend. Das FG hat die anzurechnenden Sachbezüge für die Zeit, in der sich der Sohn des Klägers nicht in der Kaserne befunden hat und demgemäß nicht in der Kaserne verpflegt wurde, nicht gekürzt, da auch in dieser Zeit ein Anspruch des Sohnes auf freie Verpflegung bestanden hat. Die Tatsache, daß der Sohn von diesem Angebot keinen Gebrauch gemacht hat und sich statt dessen den Essenswert auszahlen ließ, führt deshalb nicht zu einer anderen Erfassung, weil die Barauszahlung nur gelegentlich und vorübergehend (für Urlaubstage und Wochenenden) erfolgte und weil sie nicht höher war als der Wert der angesetzten Sachbezüge (vgl. hierzu Abschn. 18 Abs. 4 der Lohnsteuer-Richtlinien 1981 - LStR - ; ebenso Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort "Sachbezüge" B. II. 3. am Ende). Die Barauszahlung von täglich 4 DM für Eigenverpflegung (556 DM für 139 Tage) lag unter den auf die tägliche Verpflegung entfallenden und im Rahmen der Ermittlung der "Bezüge" des Sohnes - trotz der Abwesenheiten - berücksichtigten Sachbezugswerten, wie sich aus der hier maßgebenden Verfügung der zuständigen OFD für die Zeit vom 1. Januar 1977 ergibt (vgl. BStBl I 1977, 48). Denn danach war für ein Mittagessen ein Sachbezugswert von 30 v. H. aus 8,90 DM und für ein Abendessen sowie ein Frühstück je ein Sachbezugswert von 20 v. H. aus 8,90 DM anzusetzen, so daß allein für ein Mittag- und ein Abendessen ein höherer Wert (4,45 DM) als Sachbezugswert erfaßt worden ist, als der Sohn des Klägers für die Eigenverpflegung je Tag in bar erhalten hat. Wurde aber die Verpflegung des Sohnes des Klägers bereits voll im Rahmen der Erfassung der Sachbezugswerte berücksichtigt, kann sie nicht erneut als "Bezug" erfaßt werden, wenn der Sohn ausnahmsweise statt des Sachbezugs Barzuwendungen für Eigenverpflegung erhalten hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413695

BStBl II 1981, 805

BFHE 1981, 273

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