Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Beteiligungen, die die Anerkennung als personenbezogene Kapitalgesellschaft im Sinne des § 19 Abs. 1 Ziff. 2 KStG 1958 ausschließen, sind nicht schon beim Besitz einzelner Aktien verschiedener Aktiengesellschaften, sondern erst dann gegeben, wenn die Beteiligung ein gewisses, ins Gewicht fallendes Mitspracherecht in der Gesellschafterversammlung gewährt.

 

Normenkette

KStG § 19 Abs. 1 Ziff. 2

 

Tatbestand

Die steuerpflichtige GmbH hat ein Stammkapital von 24 000 DM. Bei der Veranlagung 1958 hat das Finanzamt den Antrag, den Steuersatz nach § 19 Abs. 1 Ziff. 2 KStG für personenbezogene Kapitalgesellschaften anzuwenden, abgelehnt, weil die Steuerpflichtige Aktien im Nominalbetrag von mehr als 200 000 DM besitze. Der Begriff der "Beteiligung" sei hier, weil keine besondere Beteiligungsart (wesentliche Beteiligung, Schachtelbeteiligung) genannt sei, in dem Sinne eines jeden Gesellschaftsrechts auszulegen, das einen Anteil am Gesellschaftsvermögen und Liquidationserlös sowie am Gewinn und die üblichen Mitgliedschaftsrechte (z. B. das Stimmrecht in der Versammlung der Gesellschaft) gewähre, so daß es auf die Anzahl der Anteilsrechte, welche die Steuerpflichtige an den einzelnen Kapitalgesellschaften erworben habe, nicht ankomme, sondern auch jeweils nur ein einziges genüge.

Die Steuerpflichtige hat vorgetragen, sie besitze Aktien von etwa 30 bedeutenden Gesellschaften, welche jeweils keinen höheren Nennbetrag als 1 000 DM bis 10 000 DM und daher nur Promille- Anteile an dem gesamten Kapital der Aktiengesellschaften ausmachten. Es handle sich auch nicht um Anlagevermögen, sondern um die vorübergehende Festlegung flüssiger Mittel, die sie unter Verzicht auf Ausschüttungen für ein größeres, bisher noch nicht ausgeführtes Bauvorhaben angesammelt habe; die versteuerte zweckbestimmte Rücklage sei auf der Aktivseite der Bilanz durch die unter dem Umlaufsvermögen erscheinenden Wertpapiere gedeckt, die wirtschaftlich nicht anders als die auf dem Kassen- oder Bankkonto angesammelten Mittel beurteilt werden könnten. Dies sei aber keine "Beteiligung" im Sinne des § 19 Abs. 1 Ziff. 2 KStG. Hier könnten nur Beteiligungen im Sinne des § 60 Abs. 2 BewG gemeint sein, deren Wert der Gesetzgeber bei der Fünf-Millionen- DM-Grenze habe einbeziehen wollen.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg, das Finanzgericht hat dagegen der Berufung stattgegeben und der Steuerpflichtigen den Steuersatz von 49 v. H. gewährt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts rügt unrichtige Rechtsanwendung, ist aber unbegründet.

Nach § 19 Abs. 1 Ziff. 2 KStG kommt der begünstigte Steuersatz nicht zur Anwendung, wenn die Nennwerte der zum Betriebsvermögen gehörenden Beteiligungen insgesamt das Nennkapital übersteigen. Der Beschwerdeführer sagt zutreffend, daß es im vorliegenden Falle entscheidend darauf ankommt, was unter dem Wort "Beteiligung" zu verstehen ist. Behrens (Deutsche Steuer-Rundschau 1958 S. 553) und Thiel (Der neue Körperschaftsteuer-Tarif, Köln, 1959 S. 9) sind der Ansicht, daß zu den Beteiligungen alle Anteile an Kapitalgesellschaften zu rechnen seien, gleichgültig, ob sie zum Anlage- oder Umlaufsvermögen gehörten; aus § 131 Abs. 1 A II 6 des Aktiengesetzes (AktG) könne kein Schluß gezogen werden.

Dieser Ansicht vermag der Senat nicht zuzustimmen. Zwar kann der nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2 BvH 2/52 vom 21. Mai 1952 (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 1 S. 299) für die Auslegung eines Gesetzes in erster Linie heranzuziehende Wortlaut der Vorschrift hier keinen eindeutigen Schluß rechtfertigen. Der Ausdruck "Beteiligung" wird in § 131 Abs. 1 A II 6 AktG verwendet; nach herrschender Auffassung (vgl. Gadow-Heinichen, Kommentar zum Aktiengesetz, § 131, Anm. 13) will diese Vorschrift nur unerheblichen Aktienbesitz nicht als Beteiligung betrachtet wissen; sonst hätte sie nicht bestimmen können, daß eine Beteiligung an Kapitalgesellschaften usw. in Höhe von 25 v. H. des Grundkapitals usw. im Zweifel als Beteiligung gelten soll. Die einzelne Aktie sichert dem Aktionär nicht eine Beteiligung in diesem Sinne, sondern eine Mitgliedschaft (Baumbach-Hueck, Kommentar zum Aktiengesetz, § 1, Anm. 3 D). Auch die Aufführung anderer Wertpapiere in Ziff. 7 a. a. O. deutet darauf hin, daß Beteiligungen und Wertpapiere, zu denen auch Aktien zählen, unterschiedliches bedeuten. Da aber der Gesetzgeber in § 19 Abs. 1 Ziff. 2 KStG keinen Hinweis auf die Vorschriften des AktG gegeben hat, können diese für die Auslegung nicht maßgebend sein.

Bei der Auslegung sind gemäß § 1 Abs. 2 StAnpG der Zweck und die wirtschaftliche Bedeutung des Steuergesetzes zu berücksichtigen. Der Ausschluß der Vergünstigung für den Fall, daß die Kapitalgesellschaft über das Nennkapital hinausgehende Beteiligungen hält, erschien dem Gesetzgeber notwendig, weil solche Gesellschaften ihre "Personenbezogenheit" verlieren (vgl. Steinberg, Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe A, 1958 S. 251); denn soweit die Gesellschaft in erheblichem Umfange Beteiligungen in ihrem Betriebsvermögen hat, nehmen die Gesellschafter nicht nur Einfluß auf die Gesellschaft, sondern mittelbar auch auf die Gesellschaft, an der ihre Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Bei diesen Beteiligungen muß es sich nicht nur um Schachtelbeteiligungen handeln - wie der Beschwerdeführer zutreffend ausführt -; es kann sich auch um Beteiligungen handeln, die dem Beteiligten ein gewisses Mitspracherecht in der Gesellschafterversammlung gewähren. Aber nur in diesem Falle kann der Besitz von Anteilen an Kapitalgesellschaften den Charakter der "personenbezogenen Kapitalgesellschaft" beeinträchtigen; beim Besitz von gestreuten Aktien ist dieser nicht anders als jede andere Geldanlage in Wertpapieren zu beurteilen. Dies wird im vorliegenden Falle deutlich, in dem die Aktien der Ansparung von Mitteln für ein Bauvorhaben dienten. Es ist aber nicht der Sinn der gesetzlichen Vorschrift, die Kapitalgesellschaft zur Anlage ihrer Mittel in anderen Papieren als Aktien zu veranlassen, vielmehr sicherzustellen, daß die Vergünstigung nur jenen Kapitalgesellschaften zukommt, die unzweifelhaft "personenbezogen" sind. Der Besitz einzelner Aktien beeinträchtigt die Personenbezogenheit ebensowenig wie der Besitz von Obligationen oder anderen Wirtschaftsgütern. Auch wenn die Summe der Nennbeträge der Aktien das Nennkapital übersteigt, ist die Vergünstigung nicht ausgeschlossen, sofern sich die Aktien nicht als Beteiligung im oben bezeichneten Sinne darstellen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410898

BStBl III 1963, 439

BFHE 1964, 326

BFHE 77, 326

BB 1963, 1085

DB 1963, 1344

DStR 1962/63, 642

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