Leitsatz (amtlich)

Nach § 16 Abs. 5 EStG ist die Einkommensteuer vom Veräußerungsgewinn nur wegen der von demselben Steuerpflichtigen als Steuerschuldner entrichteten Erbschaftsteuer zu ermäßigen oder zu erlassen. Wegen der durch frühere Erbfälle ausgelösten Erbschaftsteuer ist die Einkommensteuer vom Veräußerungsgewinn nicht zu kürzen, auch wenn der Steuerpflichtige sie als Nachlaßverbindlichkeit getragen hat. Darin liegt keine unbillige sachliche Härte i. S. des § 131 Abs. 1 AO.

 

Normenkette

EStG § 16 Abs. 5; AO § 131 Abs. 1 S. 1

 

Tatbestand

Streitig ist im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1965, ob die Einkommensteuer der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) aus der Veräußerung eines von ihrem Vater ererbten Betriebes auch wegen der schon vom Vater geschuldeten und von der Klägerin als Nachlaßverbindlichkeit übernommenen und entrichteten Erbschaftsteuer zu ermäßigen oder zu erlassen ist.

Die Schwester des Vaters der Klägerin, E, verstarb am 14. Juli 1965. E wurde von ihrer Schwester und ihrem Bruder, E H, dem Vater der Klägerin, je zur Hälfte beerbt. Zum Nachlaß der Frau E gehörten eine Tankstelle und eine Mineralölhandlung. E H verstarb am 11. August 1965. Seine Erben sind seine Ehefrau und seine Tochter, die Klägerin, zu je 1/2 Anteilen.

Nach dem Tode des E H verkauften die Erben der Frau E in ungeteilter Erbengemeinschaft den zu deren Nachlaß gehörenden Gewerbebetrieb.

Der laufende Gewinn des Jahres 1965 und der bei der Betriebsveräußerung erzielte Veräußerungsgewinn wurden einheitlich und gesondert festgestellt. Auf die Klägerin entfielen ein Anteil am laufenden Gewinn in Höhe von 3 109 DM und ein Anteil am Veräußerungsgewinn in Höhe von 22 810 DM. Mit der Einkommensteuererklärung für 1965 beantragte die Klägerin, die auf den Veräußerungsgewinn entfallende Einkommensteuer gemäß § 16 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes 1965 (EStG) i. V. m. § 131 Abs. 1 AO zu erlassen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) setzte unter Zugrundelegung der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung die Einkommensteuer der Klägerin auf 2 568 DM fest, ohne dem Ermäßigungs- bzw. Erlaßantrag der Klägerin zu entsprechen. Der Einspruch blieb erfolglos.

Mit der Klage begehrte die Klägerin den Erlaß der auf den Veräußerungsgewinn entfallenden Einkommensteuer.

Das FG hat die Klage im wesentlichen abgewiesen. Nur soweit die Klägerin in Höhe von 9,77 DM eigene Erbschaftsteuer gezahlt hatte und diese Steuer die später mit Einkommensteuer belasteten stillen Reserven des auf die Klägerin entfallenen Nachlaßanteils betraf, hat das FG die Einkommensteuer niedriger festgesetzt.

Mit der Revision rügt die Klägerin im wesentlichen, das FG habe § 16 Abs. 5 EStG einengend ausgelegt, obwohl nach der im Steuerrecht gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise und der verfassungsrechtlich vorgeschriebenen Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen ein Erlaß gemäß § 16 Abs. 5 EStG auszusprechen gewesen wäre. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers müßten der Erwerb des Betriebes, die Entrichtung der Erbschaftsteuer und die Veräußerung des Betriebes in der Person der Steuerpflichtigen zusammentreffen. Im Streitfall seien diese Voraussetzungen in der Person des Erblassers erfüllt, da bereits der Erblasser "die Verkaufsgespräche und Verkaufsansätze" veranlaßt habe.

Das angefochtene Urteil verletze den Gleichheitssatz, da es von der zu ähnlichen oder gleichgelagerten Fällen ergangenen Rechtsprechung abweiche, auf die in der Klageschrift hingewiesen worden sei. Nach den Urteilen des RFH vom 17. Februar 1943 VI 185/42 (RStBl 1943, 294) und des BFH vom 15. Mai 1968 I 197/65 (BFHE 92, 482, BStBl II 1968, 606) bezwecke das Gesetz, die kurzfristige Doppelbelastung der stillen Reserven mit Erbschaft- und Einkommensteuer zu vermeiden. Ferner sei das BFH-Urteil vom 17. Mai 1972 I R 126/70 (BFHE 105, 483, BStBl II 1972, 621), das den Verlustausgleich nach § 10 d EStG betreffe, sinngemäß auf den Streitfall anwendbar. Die Entscheidung I R 126/70 müsse unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Streitfalles zum Erlaß der Steuer gemäß § 16 Abs. 5 EStG führen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Einkommensteuer in Höhe von 2 558 DM zu erlassen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ermäßigung der Einkommensteuer gemäß § 16 Abs. 5 EStG in Höhe der von ihrem Vater geschuldeten und von ihr als Nachlaßverbindlichkeit entrichteten Erbschaftsteuer. Nach dieser Vorschrift wird die Einkommensteuer vom Veräußerungsgewinn auf Antrag ermäßigt oder erlassen, wenn der Steuerpflichtige den veräußerten Betrieb oder Teilbetrieb oder den veräußerten Anteil am Betriebsvermögen innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veräußerung erworben und infolge des Erwerbs Erbschaftsteuer entrichtet hat. Der BFH hat im Urteil I 197/65 ausgesprochen, bei Anwendung des § 16 Abs. 5 EStG sei die Einkommensteuer vom Veräußerungsgewinn nur soweit zu kürzen, als die bei der Veräußerung aufgedeckten stillen Reserven bereits der Erbschaftsteuer unterlegen hätten. Im Streitfall sind nach der Berechnung des FA die auf die Klägerin übergangenen stillen Reserven mit 469,67 DM Erbschaftsteuer infolge des Erwerbs des Vaters belastet, so daß eine Herabsetzung der Einkommensteuer, soweit die Klage auf § 16 Abs. 5 EStG gestützt ist, nur in dieser Höhe in Betracht käme. Aber auch hinsichtlich dieses Betrages ist eine Ermäßigung der Einkommensteuer nach § 16 Abs. 5 EStG nicht möglich.

a) Das Gesetz erlaubt seinem Wortlaut nach, auf den das FG zu Recht entscheidend abgestellt hat, die Kürzung der Einkommensteuer nur, wenn der Veräußerer Erbschaftsteuer auf den eigenen Erwerb, nicht auf den eines früheren Erben, entrichtet hat.

b) Auch nach der dem EStG zugrunde liegenden Systematik und der Stellung der Vorschrift des § 16 Abs. 5 EStG im Gesetz ergibt sich kein Anhaltspunkt für eine abweichende Auslegung. Der BFH geht in seiner Rechtsprechung grundsätzlich davon aus, daß der Erbe einkommensteuerrechtlich in die Rechtsstellung des Erblassers eintritt (vgl. z. B. das BFH-Urteil I R 126/70). Es läge in der Konsequenz dieses Grundsatzes, worauf das FA zutreffend hingewiesen hat, den den ererbten Betrieb usw. veräußernden Erben genauso zu behandeln wie den Erblasser, d. h. ihm eine Möglichkeit zur Minderung der Einkommensteuer durch "Anrechnung" von Erbschaftsteuer nicht einzuräumen. Die diese Konsequenz außer acht lassende gesetzliche Regelung des § 16 Abs. 5 EStG bedeutet eine Durchbrechung des Grundsatzes, daß der Erbe (auch) einkommensteuerrechtlich der Rechtsnachfolger des Erblassers ist. Mit der Berufung nur auf den Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge kann deshalb die Kürzung eigener Einkommensteuer wegen Belastung eines früheren Erben mit Erbschaftsteuer nicht begründet werden.

c) Auch der Zweck der Vorschrift kann deren erweiternde Auslegung oder analoge Anwendung nicht rechtfertigen. Der Zweck des § 16 Abs. 5 EStG besteht darin, die stillen Reserven, die im Zeitpunkt des Erbfalles mit Erbschaftsteuer belastet werden, bei ihrer Realisierung nicht nochmals einer erheblichen (einkommen-) steuerlichen Belastung zu unterwerfen. Daraus wird geschlossen, es liege nicht eine "persönliche", sondern eine "sachliche" Begünstigungsnorm des Inhalts vor, daß die Einkommensteuer vom Veräußerungsgewinn auch dann zu kürzen sei, wenn die Erbschaftsteuer in der Person des Rechtsvorgängers (oder mehrerer Rechtsvorgänger) entstanden sei und erst der Erbeserbe den Betrieb unter Aufdeckung mit Erbschaftsteuer belasteter stiller Reserven veräußere (in diesem Sinne Brockhoff, BB 1973, 192; ihm folgend Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 16 EStG Rdnr. 470; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 11. Aufl., § 16 Rdnr. 122; Kapp/Ebeling, Handbuch der Erbengemeinschaft, III 723 und 729; a. A. anscheinend Troll, Rechts- und Wirtschaftspraxis, 14 SteuerR D II B 101 Einzelfragen - ab 1964 -§ 35 EStG - neu - S. 1527 f., zu II a. E.). Diese Meinung übersieht jedoch, daß es in § 16 Abs. 5 EStG im Anschluß an Abs. 4 ausschließlich darum ging, die persönliche steuerliche Doppelbelastung des Veräußerers eines Betriebsvermögens hinsichtlich des Veräußerungsgewinns mit Erbschaftsteuer und Einkommensteuer zu beseitigen. Das war erforderlich, weil diese Doppelbelastung in Erbfällen dem Sinn und Zweck der §§ 16, 34 EStG, derartige Veräußerungsgewinne steuerlich besonders zu begünstigen, zuwiderlaufen würde. Von diesem Zusammenhang her gesehen konnte es nicht Zweck des § 16 Abs. 5 EStG sein, die durch die Veräußerung von Betriebsvermögen anfallende Einkommensteuer auch in Höhe der steuerlichen Nachlaßverbindlichkeiten des Veräußerers zu erlassen.

Troll (a. a. O. zu I) und Klotz (DStZ A 1974, 347) heben hervor, daß Vermögen in der Regel aus versteuertem Einkommen gebildet wird. Eine Doppelbelastung mit Einkommensteuer und Erbschaftsteuer ergibt sich nur, wenn der Erbfall infolge der Veräußerung des Nachlasses durch den Erben auch zu Einkünften i. S. des § 2 Abs. 3 EStG führt (wegen der einzelnen Fälle der Doppelbelastung vgl. Troll, a. a. O.). Denn wenn ein Betrieb aufgrund eines Erbfalles zum Buchwert auf den Erben übergeht und danach von diesem veräußert oder aufgelöst wird, ergibt sich neben der Steuerpflicht nach dem ErbStG auch eine Steuerpflicht nach dem EStG, wenn und soweit in dem Betrieb stille Reserven enthalten sind. Da das Gesetz die Doppelbelastung mit Erbschaftsteuer und Einkommensteuer grundsätzlich nicht zu beseitigen bestrebt ist, sondern eine Milderung nur im Rahmen zweier tatbestandlich genau umschriebener Vorschriften zuläßt, nämlich in §§ 16 Abs. 5, 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG i. V. m. § 30 ErbStG 1959, ist eine über den Wortlaut hinausgehende berichtigende Auslegung oder analoge Anwendung des § 16 Abs. 5 EStG nicht möglich. Zudem würde, wenn man (wie Brockhoff, a. a. O.) entscheidend auf die Verkaufsabsicht des ersten Erben abstellen wollte, ein zusätzliches im Gesetz nicht vorgesehenes Tatbestandsmerkmal geschaffen. Wollte man aber unabhängig von der etwaigen Verkaufsabsicht des ersten Erben - und konsequenterweise aller innerhalb der Fünfjahresfrist verstorbenen Erben - wegen der infolge dieser Erbfälle entstandenen Erbschaftsteuer die Einkommensteuer kürzen, so wäre auch dies ein mit dem Wortlaut nicht mehr zu vereinbarendes Ergebnis, da eine Ermäßigung von Einkommensteuer wegen gezahlter Erbschaftsteuer nicht gewährt werden soll, wenn der Erbe den Betrieb ohne Veräußerungsabsicht fortführt und erst nach seinem Tode der Betrieb veräußert wird.

Im Hinblick auf die dargelegte Unabhängigkeit von Erbschaftsteuer und Einkommensteuer erscheint die dem § 16 Abs. 5 EStG zu entnehmende Beschränkung, die einer Anrechnung von Erbschaftsteuer auf die Einkommensteuer nur auf die durch den eigenen Erwerb des Steuerpflichtigen ausgelöste Erbschaftsteuer zuläßt, sachgerecht und mit dem Gleichheitssatz vereinbar.

Nach alldem kann die Klägerin mit ihrem auf § 16 Abs. 5 EStG gestützten Erlaßbegehren keinen Erfolg haben, soweit es sich um die als Nachlaßverbindlichkeit entrichtete Erbschaftsteuer handelt.

2. Aber auch mit ihrem auf § 131 Abs. 1 AO gestützten Erlaßantrag kann die Klägerin keinen Erfolg haben.

a) Dabei läßt der Senat dahingestellt, ob der auf § 131 Abs. 1 AO gestützte Klageantrag auf eine niedrigere Festsetzung der Steuer i. S. des § 131 Abs. 1 Satz 2 AO oder auf einen Erlaß i. S. des § 131 Abs. 1 Satz 1 AO gerichtet ist und ob im letzteren Fall die Entscheidung über den Erlaßantrag in einem selbständigen Verfahren zu ergehen hätte und das Erlaßbegehren schon aus diesem Grunde in dem anhängigen Verfahren keinen Erfolg haben könnte; denn auch wenn man davon ausgeht, daß über das Erlaßbegehren der Klägerin mit der Entscheidung über die Revision zu befinden ist, dringt die Klägerin nicht durch.

b) Die Unbilligkeit der Steuereinziehung kann in der Sache selbst oder in der Person des Steuerpflichtigen liegen.

Eine sachliche Härte ist im Streitfall nicht gegeben. Die Einkommensteuer der Klägerin auf den auf sie entfallenden Anteil des Gewinns aus der Veräußerung des Betriebes ist nach § 16 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 und § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 EStG unter Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes festgesetzt worden. Damit sind der Klägerin die bereits im EStG selbst enthaltenen Regelungen zur Vermeidung sachlicher Härten, die bei der Veräußerung eines Betriebes auftreten können, zugute gekommen. Wie oben dargestellt, kann nach § 16 Abs. 5 EStG die Einkommensteuer auf den Veräußerungsgewinn nur wegen der durch den Erbfall beim Veräußerer selbst entstandenen Erbschaftsteuer gekürzt werden. Der darin liegende Ausschluß der Kürzungsmöglichkeit wegen der durch frühere Erbfälle ausgelösten Erbschaftsteuer stellt keine unbillige sachliche Härte i. S. des § 131 Abs. 1 AO dar. Es widerspricht nicht den Grundsätzen des Einkommensteuerrechts, wegen der als Nachlaßverbindlichkeit zu entrichtenden Erbschaftsteuer die Einkommensteuer nicht zu erlassen. Das Gesetz nimmt diese Doppelbelastung - außer im Falle des § 16 Abs. 5 EStG - in Kauf.

c) Auch persönliche Billigkeitsgründe, die eine Herabsetzung der Einkommensteuer rechtfertigen würden, liegen nicht vor.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72369

BStBl II 1977, 609

BFHE 1978, 90

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