Leitsatz (amtlich)

Wird ein Gerichtsreferendar auf seinen Antrag vom Präsidenten des OLG zur Ableistung seiner Rechtsanwaltsstation einem Rechtsanwalt in Kapstadt (Südafrika) überwiesen, so sind die Kosten der Hin- und Rückreise und die Kosten der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Kapstadt Werbungskosten.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Streitjahr 1971 Gerichtsreferendar in H. Auf sein Gesuch wurde er vom Präsidenten des OLG unter Anrechnung auf die Zeit seiner Anwaltsstation im Streitjahr für die Dauer von vier Monaten einem Rechtsanwalt und Notar in Kapstadt in der Republik von Südafrika (Südafrika) zur Ausbildung überwiesen. Er erhielt für die Zeit des Auslandsaufenthalts als sogenannten Kaufkraftausgleich ein Tagegeld von 3,50 DM als Zuschuß, der bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Einnahme berücksichtigt wurde. Nach seiner Rückkehr fertigte der Kläger auflagegemäß einen Bericht an den Präsidenten des OLG über seine Tätigkeit und seinen Aufenthalt in Südafrika an. Er gab in seiner Steuererklärung an, seit Anfang 1971 eine Dissertation über den Rechtsvergleich zwischen Südafrika und Deutschland begonnen zu haben.

Der Kläger machte in seiner Einkommensteuererklärung für 1971 u. a. die Kosten der Hin- und Rückreise nach Südafrika in Höhe von 1 440 DM, Aufwendungen für Hotel und Wohnung in Kapstadt in Höhe von 850 DM, Mehraufwendungen für Verpflegung und weitere durch den Aufenthalt in Kapstadt entstandene Aufwendungen in Höhe von insgesamt 2 000 DM als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) lehnte dies ab. Die Klage hatte teilweise Erfolg.

Das FG führte in dem in den EFG 1974, 199, veröffentlichten Urteil u. a. aus, die Kosten der Reise des Klägers nach Kapstadt in Höhe von 1 440 DM und die Kosten seiner Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe von 200 DM seien Werbungskosten, da sie beruflich veranlaßt worden seien. Der Zusammenhang des Aufenthalts in Kapstadt mit der beruflichen Tätigkeit werde schon dadurch offenbar, daß der Präsident des OLG die Ableistung dieses Tätigkeitsabschnitts verfügt habe. Daß dies auf Anregung des Klägers geschehen sei, sei unerheblich. Die berufliche Veranlassung ergebe sich auch daraus, daß der Kläger während seines Aufenthalts in Südafrika einen Tagegeldzuschuß erhalten habe. Die übrigen vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen für Verpflegung, Zimmer usw. sah das FG dagegen nicht als Werbungskosten an. Das FG hat die Revision wegen Abweichung vom Urteil des BFH vom 24. April 1964 VI 301/63 U (BFHE 79, 364, BStBl III 1964, 364) zugelassen.

Mit der Revision rügt das FA unrichtige Anwendung der §§ 9 Abs. 1, 12 Nr. 1 EStG. Auch die vom FG anerkannten Fahrtkosten seien nicht beruflich veranlaßt. Bei dem mehrmonatigen Aufenthalt des Klägers in Südafrika hätten nämlich private Interessen und Neigungen des Klägers eine entscheidende Rolle gespielt. Der Kläger habe nicht dargetan, daß die Ausbildung im Ausland - wie er behaupte - für die Erreichung seines Berufszieles unerläßlich gewesen sei. Die Behauptung, er habe sich für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie für internationales Privatrecht besonders interessiert, reiche nicht aus. Die private Veranlassung der Reise werde durch die Schilderungen des Klägers im letzten Absatz des Berichts an den Präsidenten des OLG bestätigt, wo er den für ihn persönlichen Nutzen der Reise betont und das Land Südafrika als Paradies bezeichnet habe. Das FG messe der Überweisungsverfügung des Präsidenten des OLG zu Unrecht entscheidende Bedeutung bei. Entscheidend sei vielmehr, daß der Kläger aus eigenem Entschluß die Überweisung angeregt habe. Auch sei unerheblich, daß der Kläger einen Tagegeldzuschuß erhalten habe. Derartige Zuschüsse könnten den beruflichen Charakter eines Auslandsaufenthalts nicht begründen. Schließlich könne nicht außer Betracht bleiben, daß dem Kläger die Reisekosten nicht erstattet worden seien. Der Streitfall sei mit dem Sachverhalt des Urteils VI 301/63 U vergleichbar, in dem der BFH die Aufwendungen für die Ausbildung eines Referendars in Argentinien als Lebenshaltungskosten gewertet habe. Dieses Urteil sei entgegen der Auffassung des FG nicht durch die BFH-Urteile vom 10. Dezember 1971 VI R 253/68 (BFHE 104, 226, BStBl II 1972, 247) und vom 7. April 1972 VI R 58/69 (BFHE 105, 274, BStBl II 1972, 643) überholt. Der Leitsatz des Urteils VI R 253/68 lasse erkennen, daß die Ausbildung nur in benachbarten, also allenfalls in europäischen Ländern, nicht aber in außereuropäischen Ländern, zu Werbungskosten führen könne.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Der erkennende Senat faßt den Begriff der Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in ständiger Rechtsprechung nicht nur final, also zielgerichtet auf Erwerb, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen, sondern auch in Anlehnung an den Begriff der Betriebsausgaben kausal auf. Er sieht daher als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit alle Aufwendungen an, die durch das Dienstverhältnis veranlaßt sind, soweit sie nicht die allgemeine Lebenshaltung betreffen (vgl. insbesondere Urteile des Senats vom 10. Dezember 1971 VI R 180/71, BFHE 104, 241, BStBl II 1972, 257, und vom 2. März 1962 VI 79/60 S, BFHE 74, 513, BStBl III 1962, 192).

Der Werbungskostenbegriff erfordert demnach nicht, daß die Ausgaben auch objektiv notwendig sind. Es steht vielmehr dem Arbeitnehmer ebenso wie einem Unternehmer grundsätzlich frei zu entscheiden, welche Aufwendungen er im dienstlichen Interesse für erforderlich hält und welche Ausgaben er für seine Fortbildung machen will, sofern die Ausgaben nicht ausschließlich oder überwiegend durch die Lebensführung bedingt sind (vgl. Urteil des Senats VI R 253/68).

Auf Grund dieser Erwägungen ist der Senat wie das FG der Meinung, daß die im Revisionsverfahren noch streitigen Aufwendungen des Klägers als Werbungskosten zu berücksichtigen sind, da der Aufenthalt in Südafrika beruflich veranlaßt war. Der Senat hat bereits Mehraufwendungen von Referendaren bei Beschäftigungen im Ausland, die auf die Ausbildungszeit angerechnet wurden, als Werbungskosten anerkannt (Urteile VI R 253/68 und VI R 58/69). Dabei ging er - abweichend vom Urteil VI 301/63 U - davon aus, daß auch Aufwendungen der Referendare, die nicht der Vorbereitung auf das Zweite juristische Staatsexamen, sondern der allgemeinen Vorbereitung auf die künftige Tätigkeit als Jurist dienen, als Werbungskosten berücksichtigt werden können. Die Feststellungen des FG, an die der Senat gebunden ist, bieten keinen Anlaß, den Fall des Klägers grundsätzlich anders zu beurteilen. Entscheidend für die Annahme der dienstlichen Veranlassung des Aufenthalts des Klägers in Südafrika ist, daß der Präsident des OLG die Überweisung des Klägers dorthin unter Anrechnung auf die Zeit seiner Anwaltsstation und ersichtlich auch bei Weiterzahlung der Dienstbezüge verfügt hatte. Wie dem Schreiben des Präsidenten des OLG vom 16. August 1973 an das FG zu entnehmen ist, sollen die Referendare, von denen schätzungsweise mehr als 50 v. H. später eine Berufstätigkeit in rechtsberatenden Berufen ausüben, mit einer derartigen Überweisung in das Ausland die Möglichkeit erhalten, ihre Fähigkeiten im Umgang mit dem ausländischen Recht zu erweitern, so daß Anträgen auf Überweisung in eine Ausbildungsstelle im Ausland im Streitjahr 1971 regelmäßig entsprochen wurde, wenn nicht der betreffende Referendar ein besonders schwaches Leistungsbild bot. Wenn der Präsident des OLG demgemäß beim Kläger die Ableistung der Anwalts- und Notariatsstation bei einem Anwalt und Notar in Südafrika beruflich als förderlich ansah, so steht damit auch für die Besteuerung der Einkünfte aus dieser beruflichen Tätigkeit ausreichend fest, daß der Auslandsaufenthalt des Klägers insoweit beruflich und nicht ausschließlich oder überwiegend durch private Gründe veranlaßt war. Es ist nicht Aufgabe der Finanzbehörden und der FG, Verfügungen der für die Referendarfortbildung zuständigen Stellen dahin zu überprüfen, ob die berufliche Veranlassung der verfügten Fortbildungsmaßnahmen auch tatsächlich vorlag. Eine solche Nachprüfung könnte nur ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn besondere Umstände vorlägen, die darauf schließen lassen, daß berufliche Gründe offensichtlich nicht oder nur in geringem Umfange bestimmend waren. Solche Umstände sind im Falle des Klägers nicht zu erkennen. Der Umstand, daß der Kläger seine Anwaltsstation nicht im europäischen Ausland, sondern in Südafrika ableistete, begründet noch nicht die Vermutung, daß den Kläger überwiegend private Gründe zur Reise nach Südafrika bestimmt haben. Rechtsberatende Berufe sind aufgrund der engen politischen und wirtschaftlichen Verflechtung der Bundesrepublik Deutschland mit vielen ausländischen Staaten nicht selten gezwungen, sich mit dem Recht auch von weiter entfernt liegenden ausländischen Staaten auseinanderzusetzen. Zu diesen ist auch Südafrika zu rechnen. Ebensowenig ist der Tatsache Bedeutung beizumessen, daß der Kläger auf dem Gebiet der Rechtsvergleichung zwischen Deutschland und Südafrika eine Dissertationsarbeit anfertigte. Kosten der Promotion sind zwar als Lebenshaltungskosten Ausbildungskosten und daher nach § 12 Nr. 1 EStG nicht abzugsfähig. Wenn sich aber der Kläger gelegentlich seiner Anwaltsstation in Südafrika mit seiner Promotionsarbeit beschäftigte, so ändert dies nichts daran, daß die Ableistung der Anwaltsstation in Südafrika selbst beruflich veranlaßt war.

Aus der beruflichen Veranlassung des Aufenthalts in Südafrika folgt schließlich, daß die hierfür notwendigen Ausgaben als Werbungskosten zu berücksichtigen sind. Dazu gehören - wie das FG zutreffend entschieden hat - die Kosten für die Hin- und Rückfahrt nach Südafrika und die Kosten für die dortigen Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Über die anderen, vom FG abgelehnten Kosten braucht der Senat nicht zu entscheiden, da der Kläger nicht Revision eingelegt hat. Die Entscheidung des FG ist somit nicht zu beanstanden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71343

BStBl II 1975, 421

BFHE 1975, 55

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