Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Leistungsklage vor Feststellung des Bestehens von Steuererstattungsansprüchen durch Verwaltungsakt

 

Leitsatz (NV)

Die Klage des Pfändungsgläubigers gegen das FA auf Auszahlung gepfändeter Steuererstattungsansprüche ist nicht begründet, wenn die Erstattungsansprüche nicht durch Steuerbescheid festgesetzt sind und nicht durch Abrechnungsbescheid festgestellt worden ist, daß sie noch nicht erloschen sind.

 

Normenkette

AO 1977 § 37 Abs. 1-2, § 218 Abs. 1-2; ZPO § 840

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwirkte wegen einer vollstreckbaren Forderung in Höhe von 700 DM gegen seinen Schuldner L beim zuständigen Amtsgericht einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß, mit dem die angeblichen Ansprüche des L gegen den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) auf Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs, auf Auszahlung von Lohn- und Kirchensteuer sowie auf Erstattung von Einkommensteuer und Vermögensteuer für das Kalenderjahr 1997 und frühere Jahre gepfändet und ihm zur Einziehung überwiesen wurden. In seiner Drittschuldnererklärung vom 11. Februar 1998 erkannte das FA den gepfändeten Einkommensteuererstattungsanspruch 1997 in noch unbekannter Höhe an und erklärte sich --unter Vorbehalt der Aufrechnung-- bereit, bei Fälligkeit Zahlung zu leisten. Die Pfändung für die Jahre vor 1997 erkannte es nicht an, weil der gepfändete Anspruch nicht eindeutig genug bezeichnet worden sei, und für die Vermögensteuer 1. Januar 1997 deshalb nicht, weil ab diesem Zeitpunkt Vermögensteuer nicht mehr erhoben werde.

Die Klage des Klägers mit dem Antrag, das FA zu verurteilen, an ihn 700 DM nebst 12 % Zinsen zu bezahlen, hilfsweise festzustellen, daß das FA verpflichtet sei, den Pfändungs- und Überweisungsbeschluß bei der künftig fällig werdenden Auszahlung von Guthaben des L auch aus den Jahren vor 1997 zu berücksichtigen, blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) hielt die Leistungsklage für nicht begründet, weil im Zeitpunkt seiner Entscheidung ein fälliger Erstattungsanspruch für 1997 nicht bestehe; für die Jahre vor 1997 ("frühere Jahre") sei die Pfändung mangels hinreichender Bestimmtheit der gepfändeten Forderung unwirksam. Aus denselben Gründen sei auch der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag unbegründet.

Mit der Revision gegen das Urteil des FG hält der Kläger seine Leistungsklage gegen das FA aufrecht.

Die Beteiligten sind während des Revisionsverfahrens durch Schreiben des Senatsvorsitzenden vom 20. Mai 1999 auf das Urteil des Senats vom 1. April 1999 VII R 82/98 (BFHE 188, 137, BStBl II 1999, 439) hingewiesen worden, mit dem entschieden worden ist, daß ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluß, durch den der Steuerart nach bezeichnete Erstattungsansprüche für das abgelaufene und "alle früheren Kalenderjahre" gepfändet werden, nicht wegen inhaltlicher Unbestimmtheit der gepfändeten Forderungen nichtig ist. Das FA hat daraufhin seine Drittschuldnererklärung vom 11. Februar 1998 dahin ergänzt, daß es den gepfändeten Einkommensteuer- und Vermögensteuererstattungsanspruch für die Jahre vor 1997 in noch unbekannter Höhe anerkennt und --vorbehaltlich der Aufrechnung-- bereit ist, bei Fälligkeit Zahlung zu leisten. Hinsichtlich der Fragen, ob und welche Ansprüche andere Personen an die gepfändete Forderung geltend machen und ob und wegen welcher Ansprüche die Forderung bereits für andere Gläubiger gepfändet ist, hat das FA auf die Tz. 3.1 und 3.2 seiner Drittschuldnererklärung vom 11. Februar 1998 Bezug genommen, mit der insoweit bereits Angaben zu den die Jahre vor 1997 betreffenden Erstattungsansprüchen gemacht worden sind, obwohl deren Pfändung damals nicht anerkannt worden war. Das FA hat der Anregung des Senatsvorsitzenden entsprechend die Hauptsache für erledigt erklärt.

Der Kläger hat keine Erledigungserklärung abgegeben. Er ist der Auffassung, die Drittschuldnererklärung des FA entspreche auch nach ihrer Ergänzung im Revisionsverfahren nicht den gesetzlichen Voraussetzungen des § 840 der Zivilprozeßordnung. Die Erstattungsansprüche dürften dem FA inzwischen nicht mehr unbekannt sein und auch über ihre Fälligkeit dürfte keine Unklarheit mehr bestehen. Der mit der Klage geltend gemachte Zahlungsanspruch sei begründet. Da das FA weder die Höhe noch die Fälligkeit der gepfändeten Ansprüche bestritten habe, müßten Höhe und Fälligkeit der geltend gemachten Forderung als unstreitig unterstellt werden. Wenn der Pfändungsgläubiger keine oder keine ausreichende Auskunft des Drittschuldners --hier des FA-- erhalte, dürfe er von der fälligen Zahlungsverpflichtung des Drittschuldners ausgehen und müsse sich nicht auf irgendwelche "Vorschaltverfahren" (hier: das Verfahren über einen Abrechnungsbescheid) verweisen lassen.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung das FA zu verurteilen, an ihn 700 DM nebst 12 % Zinsen hieraus seit dem 22. Januar 1998 zu bezahlen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Es macht geltend, die inzwischen ergänzte Drittschuldnererklärung entspreche den gesetzlichen Anforderungen. Fällige und der Höhe nach bekannte Ansprüche des Steuerpflichtigen (Erstattungsgläubigers) hätten weder im Zeitpunkt der Drittschuldnererklärung am 11. Februar 1998 noch zu dem ihrer Ergänzung am 30. August 1999 vorgelegen. Die Leistungsklage gehe deshalb fehl; zudem sei über Streitigkeiten, die einen durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluß zuerkannten Erstattungsanspruch betreffen, durch Abrechnungsbescheid zu entscheiden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das FG hat es im Ergebnis zu Recht abgelehnt, das FA zur Auszahlung eines gepfändeten Steuererstattungsbetrages des Vollstreckungsschuldners L nebst Zinsen an den Kläger zu verurteilen. Die mit der Revision allein noch aufrechterhaltene Leistungsklage ist auch unter Berücksichtigung der inzwischen vorgenommenen Ergänzung der Drittschuldnererklärung des FA, mit der nunmehr auch die Pfändung der Erstattungsansprüche des L, die die Kalenderjahre vor 1997 betreffen, dem Grunde nach anerkannt worden sind, nicht begründet. Denn es ist nicht festgestellt worden, ob solche Steuererstattungsansprüche des L überhaupt bestehen, ob sie fällig sind, ob die in der Drittschuldnererklärung einschließlich ihrer Ergänzung angegebenen Rechte anderer Personen oder vorrangige Pfändungen anderer Gläubiger das Pfändungspfandrecht des Klägers zunichte machen und ob und inwieweit etwaige Erstattungsansprüche durch Aufrechnungen, die sich das FA vorbehalten hat, erloschen sind. Entgegen der Auffassung des Klägers können diese Fragen nicht in dem vorliegenden Verfahren der allgemeinen Leistungsklage --auch nicht im Wege der Zurückverweisung an das FG zur Nachholung fehlender Feststellungen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--)-- entschieden werden.

Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis, zu denen auch die Erstattungsansprüche gehören (§ 37 Abs. 1 und 2 der Abgabenordnung --AO 1977--), d.h. für ihre Erfüllung im Steuererhebungsverfahren, ist nach § 218 Abs. 1 AO 1977 ein entsprechender im Steuerfestsetzungsverfahren ergangener Bescheid. Daraus folgt, daß eine auf Steuererstattung gerichtete Leistungsklage nur dann begründet sein kann, wenn der Erstattungsanspruch durch Bescheid i.S. des § 218 Abs. 1 AO 1977 festgesetzt worden ist (Urteil des erkennenden Senats vom 12. Juni 1986 VII R 103/83, BFHE 147, 1, BStBl II 1986, 702). Nach der Drittschuldnererklärung des FA vom 11. Februar 1998 einschließlich ihrer Ergänzung vom 30. August 1999 kann nicht davon ausgegangen werden, daß Steuererstattungsansprüche zugunsten des Vollstreckungsschuldners L durch Steuerbescheide festgesetzt worden sind, denn die Anerkennung der Pfändung bezieht sich auf Ansprüche "in noch unbekannter Höhe", deren Fälligkeit noch nicht eingetreten ist.

Als weitere Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis kommen im Steuererhebungsverfahren ergehende Abrechnungsbescheide in Betracht (vgl. Senatsurteil in BFHE 147, 1, BStBl II 1986, 702). Für diese sieht § 218 Abs. 2 AO 1977 ein besonderes Verwaltungsverfahren vor. Danach entscheidet über Streitigkeiten, die die Verwirklichung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis betreffen, die Finanzbehörde durch Verwaltungsakt. Dies gilt auch, wenn die Streitigkeit einen Erstattungsanspruch betrifft (§ 218 Abs. 2 Satz 2 AO 1977). Der Verwaltungsakt nach § 218 Abs. 2 AO 1977, der sog. Abrechnungsbescheid, wird in diesem Fall zur Grundlage für die Verwirklichung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis i.S. des § 218 Abs. 1 AO 1977 (vgl. Senatsurteil in BFHE 147, 1, BStBl II 1986, 702, m.w.N.).

Ein solcher Abrechnungsbescheid über die gepfändeten Steuererstattungsansprüche des L ist im Streitfall auch deshalb unerläßlich, weil es nicht nur an der Festsetzung der Ansprüche durch Steuerbescheide (§ 218 Abs. 1 AO 1977) und damit an der Feststellung ihrer Fälligkeit fehlt, sondern auch unentschieden und zwischen den Beteiligten streitig ist, ob und inwieweit die Pfändung zugunsten des Klägers wegen vorgehender Rechte Dritter bzw. anderer Pfändungsgläubiger und etwaiger Aufrechnungen durch das FA, die in der Drittschuldnererklärung und ihrer Ergänzung während des Revisionsverfahrens angesprochen worden sind, zum Erfolg geführt hat. Daraus folgt für die vom Kläger erhobene Leistungsklage, daß diese nicht begründet ist, weil es an der Feststellung eines vom FA zu erfüllenden Erstattungsanspruchs durch einen Verwaltungsakt fehlt. Eine auf Zahlung gerichtete Leistungsklage kann demnach nach dem Steuerverfahrensrecht nur dann Erfolg haben, wenn aufgrund eines abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens der geltend gemachte Anspruch durch Verwaltungsakt festgestellt ist und nur seine Verwirklichung (Erfüllung) i.S. des § 218 Abs. 1 AO 1977 noch aussteht (vgl. Urteil des Senats in BFHE 147, 1, BStBl II 1986, 702, 703).

Der erkennende Senat hat wiederholt entschieden, daß das FA über eine Streitigkeit, die einen durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluß zuerkannten Steuererstattungsanspruch betrifft, durch Abrechnungsbescheid zu entscheiden hat (Urteile vom 14. Juli 1987 VII R 72/83, BFHE 150, 392, BStBl II 1987, 802, und vom 7. August 1990 VII R 120/89, BFH/NV 1991, 569, 570; ebenso: Alber in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 218 AO 1977 Rz. 92; Schmieszek in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 218 AO 1977 Rz. 26). Bescheide nach § 218 Abs. 2 AO 1977 können demnach nicht nur bei Streitigkeiten im unmittelbaren Verhältnis zwischen dem FA und dem Steuerpflichtigen (Erstattungsgläubiger), sondern auch bei Streitigkeiten über die Verwirklichung eines Erstattungsanspruchs im Verhältnis zwischen dem FA und einem Dritten, wie z.B. dem Pfändungsgläubiger, ergehen. Der Kläger ist auf diese Rechtsprechung und die Folgerungen, die sich daraus für die Begründetheit seiner Leistungsklage ergeben, durch das Schreiben des Senatsvorsitzenden vom 20. Mai 1999 hingewiesen worden. Die dennoch aufrechterhaltene Leistungsklage kann ohne die im Steuerrecht erforderliche Feststellung der bestehenden und für den Pfändungsgläubiger verbliebenen Steuererstattungsansprüche durch besonderen Verwaltungsakt (§ 218 Abs. 1 und 2 AO 1977) keinen Erfolg haben. Da das Verwaltungsverfahrensrecht sowohl für das Steuerfestsetzungsverfahren als auch bei Streitigkeiten im Steuererhebungsverfahren die Regelung der Rechtsbeziehung zwischen den Beteiligten durch Verwaltungsakt vorschreibt, kann ohne die Einhaltung der dafür vorgesehenen Verwaltungsverfahren das Bestehen von Zahlungsansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis auch zugunsten des Pfändungsgläubigers, dem die Rechte des Steuerpflichtigen nur zur Einziehung (Geltendmachung) überwiesen worden sind, nicht auf eine allgemeine Leistungsklage hin im finanzgerichtlichen Verfahren festgestellt werden (vgl. FG Bremen, Urteil vom 15. April 1986 V 98/84, Entscheidungen der Finanzgerichte 1987, 85). Im übrigen könnte auch entgegen der Auffassung des Klägers allein aus der Tatsache, daß sich das FA in der Drittschuldnererklärung nicht endgültig zum Bestehen, zur Höhe und zur Fälligkeit der gepfändeten Ansprüche geäußert hat, nicht hergeleitet werden, daß fällige Ansprüche in Höhe des geltend gemachten Zahlungsanspruchs als unstreitig unterstellt werden müssen.

Die erhobene Leistungsklage war demnach abzuweisen und der Kläger hinsichtlich der Feststellung der zu seinen Gunsten gepfändeten und noch nicht getilgten Steuererstattungsansprüche auf das Verfahren zur Erlangung eines Abrechnungsbescheids (§ 218 Abs. 2 AO 1977) zu verweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 422716

BFH/NV 2000, 412

DStRE 2000, 491

HFR 2000, 335

NVwZ 2000, 1213

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