Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsstättenbegriff: Abgrenzungskriterien, Rohrleitung zum Transport von Rohöl als Betriebstätte i.S. von § 12 AO 1977 und DBA-Niederlande - Zurechnung von Wirtschaftsgütern zum inländischen Betriebsvermögen beschränkt Steuerpflichtiger im Rahmen der Einheitsbewertung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine unterirdisch verlaufende Rohrleitung stellt eine "feste" Geschäftseinrichtung i.S. des § 12 Satz 1 AO 1977 dar. Der Betriebstättenbegriff erfordert nicht, daß die Geschäftseinrichtung oder Anlage einen Bezug zur Erdoberfläche hat und deshalb dort auch sichtbar sein muß.

2. Eine Anlage oder Geschäftseinrichtung dient der Tätigkeit eines Unternehmens i.S. von § 12 Satz 1 AO 1977, wenn der Unternehmer diese für eine gewisse Dauer zu unternehmerischen Zwecken benutzt. Diese Voraussetzungen liegen bereits beim bloßen Durchleiten (Transport) von Rohöl durch eine Pipeline vor.

 

Orientierungssatz

1. Der Betriebsstättenbegriff in § 121 Abs.2 Nr.3 BewG bestimmt sich nach § 12 AO 1977. Eine Betriebsstätte setzt eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit fester Beziehung zur Erdoberfläche voraus, die von einer gewissen Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die der Steuerpflichtige nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat. Geschäftseinrichtung ist jeder körperliche Gegenstand bzw. jede Zusammenfassung körperlicher Gegenstände, die geeignet ist, Grundlage einer Unternehmenstätigkeit zu sein. Eine "feste" Betriebsstätte liegt vor, wenn eine feste Verbindung zum Erdboden besteht bzw. die Geschäftseinrichtung oder Anlage sich für eine gewisse Dauer an einem bestimmten Ort befindet. Dabei kann sich die örtliche Fixierung aus mechanischer Verbindung mit der Erde oder aus bloßer Belegenheit an derselben Stelle ergeben.

2. Für die Annahme einer Betriebsstätte ist nicht in jedem Fall der Einsatz von Personal (Unternehmer, Arbeitnehmer, fremdes weisungsabhängiges Personal, Subunternehmer) in oder an der Geschäftseinrichtung erforderlich, vielmehr reicht bei vollautomatisch arbeitenden Einrichtungen das Tätigwerden des Unternehmens mit der Geschäftseinrichtung aus. Daher kann auch der inländische Teil einer Pipeline, die von Steuerungseinrichtungen im Ausland aus bedient wird, Betriebsstätte sein (im Streitfall: inländische Pipeline einer holländischen Aktiengesellschaft Betriebsstätte sowohl im Sinne des § 12 AO 1977 als auch des DBA-Niederlande).

3. Zum inländischen Betriebsvermögen i.S. des § 121 Abs.2 Nr.3 BewG rechnen nicht alle im Inland befindlichen Wirtschaftsgüter beschränkt Steuerpflichtiger, ohne Rücksicht darauf, ob und in welchem Umfang sie einem inländischen Gewebebetrieb dienen; vielmehr kommt es für die Zuordnung einzelner Wirtschaftsgüter zu einer inländischen Betriebsstätte allein darauf an, ob das jeweilige Wirtschaftsgut dieser Betriebsstätte dient, mit anderen Worten, ihr wirtschaftlich zuzuordnen ist. Eine Zuordnung stillgelegter Teile scheidet nur dann aus, wenn diese endgültig und auf Dauer aus dem betrieblichen Organisationszusammenhang ausgeschieden sind.

 

Normenkette

AO 1977 § 12 S. 1; BewG 1974 § 121 Abs. 2 Nr. 3, § 95 Abs. 1, § 97 Abs. 3; DBA NLD Art. 2 Abs. 1 Nr. 2; StAnpG § 16 Abs. 4; VStG 1974 § 2 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf (Entscheidung vom 10.09.1991; Aktenzeichen 9 K 524/86 BB)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) --eine Aktiengesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in den Niederlanden-- betreibt den Transport von Rohöl und Rohölprodukten durch ihr gehörende, in den Niederlanden und in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) gelegene unterirdische Rohrleitungen.

Das Rohrleitungssystem der Klägerin verläuft in den Niederlanden von X nach Y und verzweigt sich dort in zwei in das Inland weiterführende Strecken, die untereinander nicht verbunden sind. Das der Klägerin nicht gehörende Rohöl wird durch eine Pumpstation in Y (Niederlande) in die inländischen Rohrleitungen gepumpt. Die eine Rohrleitung endet in A (Inland) und geht dort in das Rohrleitungsnetz eines anderen Unternehmens über. Aufgrund eines zwischen der Bundesrepublik und den Niederlanden durchgeführten Verständigungsverfahrens wird der Wert dieser Rohrleitungsstrecke im Inland nicht erfaßt. Die zweite Rohrleitung führt über B (Inland) nach C (Inland). Durch diese Leitung wurden bis B (Streckenlänge 103 km) inländische Mineralölunternehmen mit Rohöl beliefert. Die Übernahmestationen wurden von den inländischen Abnehmern unterhalten. Die Klägerin berechnete ihren Kunden den Preis für den Rohöltransport nach Tonnenkilometern. Die sich von B nach C fortsetzende Leitung (Streckenlänge 156 km), die eine dortige Raffinerie mit Rohöl versorgte, wurde am 15. September 1982 stillgelegt und zum 30. Dezember 1989 für 2 Mio DM verkauft.

Neben insgesamt 38 Absperrschiebern, Reinigungs- und Inspektionsöffnungen befanden sich im Inland zwei Zwischenpumpstationen, nämlich in D und in E. Die Pumpstationen bestanden aus oberirdischen Anlagen mit Betriebsgebäuden, zugehörigen technischen Betriebsvorrichtungen und je einem Hubschrauberlandeplatz. In F befanden sich zudem noch Tanks zur Zwischenlagerung des Rohöls. Die Anlagen arbeiteten vollautomatisch und waren nicht ständig mit Personal besetzt. Am 30. Juni 1982 legte die Klägerin die Pumpstation in D still; die Pumpstation in E stellte am 15. September 1982 den Betrieb ein. Die Pumpstationen wurden von der Ölleitung getrennt. Die Pumpstation F wurde am 1. April 1984 für 4 435 649 DM veräußert.

Seit der Stillegung der Pumpstationen wird der für den Transport erforderliche Druck nur noch in Y erzeugt; von dort aus werden auch die gesamten inländischen Rohrleitungen der Klägerin durch einen Prozeßrechner zentral ferngesteuert. Die Klägerin, deren technische und kaufmännische Verwaltung sich ausschließlich in den Niederlanden befindet, beschäftigt im Inland kein eigenes Personal. Wartung und Reparatur der Rohrleitungen im Inland werden ausschließlich durch fremde Unternehmen ausgeführt.

Mit Bescheid vom 3. Januar 1986 stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) den Einheitswert des gewerblichen Betriebs der Klägerin auf den 1. Januar 1983 auf 21 500 000 DM fest. Während des Klageverfahrens hat er den Einheitswert mit Änderungsbescheid vom 13. März 1991 auf 16 688 000 DM herabgesetzt. Der Änderungsbescheid wurde Gegenstand des Klageverfahrens.

Die Klage, mit der die Klägerin die Aufhebung der Einheitswertfeststellung mit der Begründung begehrt, mangels Betriebstätte habe sie kein inländisches Betriebsvermögen, hat das Finanzgericht (FG) mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 1992, 717 veröffentlichten Urteil abgewiesen.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Sie rügt Verletzung materiellen Rechts.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG Düsseldorf vom 10. September 1991 9 K 524/86 BB, die Einheitswertbescheide vom 3. Januar 1985 und 13. März 1991 sowie die Einspruchsentscheidung vom 31. Oktober 1986 aufzuheben.

Das FA beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

Der Senat hat durch Beschluß vom 28. Juni 1995 das Bundesministerium der Finanzen (BMF) gemäß § 122 Abs.2 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufgefordert, dem Verfahren beizutreten.

Das BMF ist am 24. August 1995 dem Verfahren beigetreten und hat die Auffassung vertreten, die unterirdische Rohrleitung der Klägerin einschließlich aller sonstigen Einrichtungen stelle inländisches Betriebsvermögen i.S. von § 121 Abs.2 Nr.3 des Bewertungsgesetzes (BewG) dar. Dies gelte auch bezüglich der zum streitigen Stichtag stillgelegten Einrichtungen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs.3 Nr.2 FGO).

Der Senat folgt im Grundsatz der Rechtsauffassung des FG, die Klägerin habe am maßgeblichen Stichtag (1. Januar 1983) im Inland eine Betriebstätte i.S. von § 12 der Abgabenordnung (AO 1977) unterhalten. Die Feststellungen des FG reichen jedoch nicht aus, um abschließend prüfen zu können, ob die stillgelegten inländischen Geschäftseinrichtungen oder Anlagen der Klägerin zum maßgeblichen Stichtag dem inländischen Betriebsvermögen zuzurechnen sind und --falls diese nicht zum inländischen Vermögen gehören-- welchen Einfluß dies auf die Höhe des Einheitswerts hat.

1. Die Klägerin ist eine nach niederländischem Recht gegründete Aktiengesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in den Niederlanden. Zum maßgeblichen Stichtag war sie damit eine Körperschaft i.S. des § 2 Abs.1 Nr.2 des Vermögensteuergesetzes, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland hatte. Entsprechend war sie im Inland nur mit ihrem inländischen Vermögen i.S. von § 121 BewG beschränkt vermögensteuerpflichtig. Zum Inlandsvermögen gehört nach § 121 Abs.2 Nr.3 Satz 1 BewG u.a. das inländische Betriebsvermögen. Dementsprechend bestimmt § 97 Abs.3 BewG, daß nur die zum inländischen Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter die wirtschaftliche Einheit "Gewerbebetrieb" bilden und deshalb auch nur für diese --und nicht etwa unter Einbeziehung auch im Ausland befindlichen Betriebsvermögens-- ein Einheitswert festzustellen ist.

Als inländisches Betriebsvermögen gilt nach § 121 Abs.2 Nr.3 Satz 2 BewG nur dasjenige Vermögen, das einem im Inland betriebenen Gewerbe dient, soweit hierfür im Inland eine Betriebstätte unterhalten wird oder --was hier nicht der Fall ist-- ein ständiger Vertreter bestellt ist. Der hier im Streit befindliche inländische Teil der Rohrleitung stellt in diesem Sinne dem Grunde nach inländisches Betriebsvermögen der Klägerin dar.

a) Entgegen der Auffassung der Klägerin wurde von ihr am maßgeblichen Stichtag mit der Rohrleitung im Inland eine Betriebstätte unterhalten. Für den Begriff der "Betriebstätte" i.S. von § 121 Abs.2 Nr.3 Satz 3 BewG ist die Begriffsbestimmung in § 12 AO 1977 maßgebend. Danach ist "Betriebstätte" jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) setzt die Annahme einer Betriebstätte eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche voraus, die von einer gewissen Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die der Steuerpflichtige nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat (vgl. BFH-Urteil vom 3. Februar 1993 I R 80-81/91, BFHE 170, 263, BStBl II 1993, 462).

aa) Der im Inland befindliche Teil der Pipeline der Klägerin erfüllt das Merkmal der Geschäftseinrichtung oder Anlage. Allgemein wird als Geschäftseinrichtung jeder körperliche Gegenstand bzw. jede Zusammenfassung körperlicher Gegenstände behandelt, die geeignet sind, Grundlage einer Unternehmenstätigkeit zu sein (vgl. BFH in BFHE 170, 263, BStBl II 1993, 462 unter Hinweis auf Lüdicke in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 49 Rdnr.288; Tipke/ Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 12 AO 1977 Rdnr.1 a). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die hier im Streit befindliche Rohrleitung ist generell geeignet, der unternehmerischen Betätigung der Klägerin, die im Transport von Rohöl besteht, zu dienen und stellt die (wesentliche) Betriebsgrundlage der Klägerin dar.

Der Umstand, daß die --hier allein zu beurteilende-- inländische Rohrleitung nur einen unselbständigen, für sich allein nicht funktionstüchtigen Teil einer Gesamtanlage "Pipeline" darstellt, steht der Beurteilung als Geschäftseinrichtung nicht entgegen. Denn die generelle Eignung der inländischen Rohrleitung, in Zusammenhang mit den in den Niederlanden vorhandenen Einrichtungen dem Rohöltransport zu dienen, wird dadurch nicht berührt.

bb) Entgegen der Auffassung der Revision handelt es sich bei der im wesentlichen unterirdisch verlaufenden Rohrleitung auch um eine "feste" Geschäftseinrichtung i.S. des § 12 Satz 1 AO 1977. Eine solche liegt vor, wenn eine feste Verbindung zum Erdboden besteht bzw. die Geschäftseinrichtung oder Anlage sich für eine gewisse Dauer an einem bestimmten Ort befindet (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 9. Oktober 1974 I R 128/73, BFHE 114, 47, BStBl II 1975, 203; vom 8. März 1988 VIII R 270/81, BFH/NV 1988, 735, sowie in BFHE 170, 263, BStBl II 1993, 462). Dabei kann sich die örtliche Fixierung aus mechanischer Verbindung mit der Erde oder aus bloßer Belegenheit an derselben Stelle ergeben (vgl. Scholtz in Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 5.Aufl., § 12 Rdnr.5). Das FG hat insoweit zutreffend festgestellt, daß die im Erdboden verlegte Rohrleitung in diesem Sinne einen auf Dauer angelegten örtlichen Bezug hat.

Der Senat vermag der Auffassung der Klägerin, der Betriebstättenbegriff erfordere, daß die Geschäftseinrichtung oder Anlage einen Bezug zur Erdoberfläche haben und deshalb auch an der Erdoberfläche sichtbar sein müsse, jedenfalls für den Bereich der Einheitsbewertung nicht zu folgen. Eine derartige Einschränkung des Betriebstättenbegriffs ist dem § 12 AO 1977 nicht zu entnehmen. Deshalb steht der Umstand, daß die unterirdisch verlegte Rohrleitung der Klägerin mit Ausnahme der notwendigen Sicherheitseinrichtungen im wesentlichen unsichtbar ist, der Annahme einer Betriebstätte nicht entgegen. Vielmehr ist davon auszugehen, daß eine unterirdische Geschäftseinrichtung in besonders qualifizierter Weise mit dem Erdboden "fest" verbunden ist.

cc) Die der Klägerin als Betriebstätte zuzurechnende Geschäftseinrichtung war auch von einer gewissen Dauer (vgl. BFH-Urteil vom 28. August 1986 V R 20/79, BFHE 148, 194, BStBl II 1987, 162). Dies ergibt sich bereits aus der Art der Geschäftseinrichtung (Pipeline), die auf langfristigen Gebrauch für betriebliche Zwecke angelegt ist. Es ist auch davon auszugehen, daß die Verlegung und das weitere Vorhandensein der Rohrleitung auf gesicherten vertraglichen Grundlagen gegenüber den jeweiligen Grundstücksberechtigten beruht und deshalb die Klägerin diesbezüglich eine Rechtsposition innehat, die ihr nicht ohne weiteres wieder entzogen werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 11. Oktober 1989 I R 77/88, BFHE 158, 499, BStBl II 1990, 166).

dd) Die inländische Rohrleitung diente --soweit die Einrichtungen nicht vor dem Bewertungsstichtag von der Klägerin stillgelegt wurden-- auch der Tätigkeit des Unternehmens der Klägerin.

Eine feste Geschäftseinrichtung dient der Tätigkeit eines Unternehmens, wenn der Unternehmer diese für eine gewisse Dauer zu unternehmerischen Zwecken benutzt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 148, 194, BStBl II 1987, 162, und in BFH/NV 1988, 735). Benutzung zu unternehmerischen Zwecken bedeutet ein unternehmensbezogenes Tätigwerden in, an oder mit der Geschäftseinrichtung. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Denn der Transport von Rohöl durch die Pipeline stellt in diesem Sinne ein unternehmensbezogenes, nämlich dem Unternehmenszweck (Öltransport) der Klägerin dienendes Tätigwerden dar.

Der Einsatz von Personen (Unternehmer, Arbeitnehmer, fremdes weisungsabhängiges Personal, Subunternehmer) in oder an der Geschäftseinrichtung ist nicht in jedem Fall erforderlich, vielmehr reicht insbesondere bei vollautomatisch arbeitenden Einrichtungen das Tätigwerden des Unternehmens mit der Geschäftseinrichtung aus (vgl. hierzu Scholtz in Koch/Scholtz,a.a.O., § 12 AO 1977 Rdnr.6; Tipke-Kruse, a.a.O., § 12 AO 1977 Tz.8; Birk in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 12 AO 1977 Rz.22). Es ist deshalb unschädlich, daß die von der Klägerin im Inland vorgenommene Benutzung der Rohrleitung, d.h. der Rohöltransport durch die Rohrleitung, nicht durch im Inland tätige Arbeitnehmer oder sonst weisungsabhängiges Personal vorgenommen wurde, sondern durch im Ausland befindliche automatische Steuerungseinrichtungen bzw. durch eine Fernsteuerung der Anlage aus dem Ausland (vgl. BFH-Urteil vom 12. Oktober 1977 I R 227/75, BFHE 124, 65, BStBl II 1978, 160,162).

Dem Urteil des I Senats des BFH vom 12. Oktober 1977 I R 226/75 (BFHE 123, 500, BStBl II 1978, 111), wonach das bloße Durchführen von Rohrleitungen eines Ölunternehmens nur Transportfunktion habe und keine Ausübung eines Gewerbebetriebes darstelle, soweit nicht eine Abgabe des Transportgutes erfolge, kommt nach dem Wegfall des § 16 Abs.4 des Steueranpassungsgesetzes --zumindest für das Bewertungsrecht-- keine Bedeutung mehr zu. Vielmehr reicht das bloße Durchleiten (Transportieren) der flüssigen Stoffe durch die Leitung aus, um annehmen zu können, die Anlage (Rohrleitung) werde zu unternehmerischen Zwecken benutzt.

b) Das Besteuerungsrecht für das inländische Betriebsvermögen der Klägerin steht den inländischen Finanzbehörden nur unter den Voraussetzungen des Art.19 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlanden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiet (BGBl II 1960, 1782, BStBl I 1960, 382) --DBA-Niederlande-- zu. Danach ist es erforderlich, daß die Klägerin eine Betriebstätte i.S. von Art.2 Abs.1 Nr.2 DBA-Niederlande im Inland unterhalten hat (vgl. Art.5 Abs.1 DBA-Niederlande).

Der Betriebstättenbegriff in Art .2 Abs.1 Nr.2 DBA-Niederlande knüpft vor allem an die feste Geschäftseinrichtung an und ist insoweit mit dem entsprechenden Begriff des § 12 Satz 1 AO 1977 identisch. Darüber hinaus werden in Art.2 Abs.1 Nr.2 b DBA-Niederlande gewisse Hilfstätigkeiten nicht als betriebstättenbegründend angesehen. Zwar ist der Betriebstättenbegriff des § 12 Satz 1 AO 1977 insoweit weiter. Im Streitfall liegen aber die einschränkenden Voraussetzungen des Art. 2 Abs.1 Nr.2 b DBA-Niederlande nicht vor. Insbesondere liegt auch der in Art.2 Abs.1 Nr.2 b aa DBA-Niederlande geregelte Ausnahmefall nicht vor, weil die Klägerin die Ölleitung nicht zur Auslieferung ihr gehörender Güter oder Waren benutzt, sondern ausschließlich fremdes Öl transportiert.

c) Als inländisches Betriebsvermögen eines beschränkt Steuerpflichtigen gilt nach § 121 Abs.2 Nr.3 Satz 2 BewG nur dasjenige Vermögen, welches "einem im Inland betriebenen Gewerbe dient". Dies hat das FG verkannt und --ohne weitere Prüfung-- auch diejenigen im Inland befindlichen Einrichtungen der Klägerin zum inländischen Betriebsvermögen gerechnet, die von der Klägerin vor dem maßgeblichen Stichtag stillgelegt worden waren. Der Senat vermag sich dieser Auffassung nicht anzuschließen, insbesondere auch nicht der Rechtsmeinung des beigetretenen BMF, wonach alle im Inland befindlichen Wirtschaftsgüter beschränkt Steuerpflichtiger ohne Rücksicht darauf, ob und in welchem Umfang sie einem Gewerbebetrieb dienen, zum inländischen Betriebsvermögen i.S. von § 121 Abs.2 Nr.3 BewG gehören.

Der Senat hat insoweit bereits in seinem Urteil vom 1. April 1987 II R 186/80 (BFHE 150, 65, BStBl II 1987, 550) entschieden, daß nicht generell alle Wirtschaftsgüter, die eine Beziehung zum Inland aufweisen, einer bestehenden inländischen Betriebstätte eines beschränkt Steuerpflichtigen zuzuordnen sind; vielmehr kommt es für die Zuordnung einzelner Wirtschaftsgüter zu einer inländischen Betriebstätte allein darauf an, ob das jeweilige Wirtschaftsgut dieser Betriebstätte dient, mit anderen Worten, ihr wirtschaftlich zuzuordnen ist.

An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Die Fassung des § 121 Abs.2 Nr.3 Satz 2 BewG läßt eine andere Wertung nicht zu. Der Hinweis des FA und des BMF auf § 95 Abs.1 BewG geht fehl, weil § 97 Abs.3 BewG hinsichtlich des Betriebsvermögens von beschränkt steuerpflichtigen Körperschaften ausdrücklich auf den (eingeschränkten) Betriebsvermögensbegriff des § 121 Abs.2 Nr.3 BewG verweist. Auch die ertragsteuerrechtlich (wegen der stillen Reserven) fortbestehende steuerrechtliche Verstrickung stillgelegter Betriebseinrichtungen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 17. Oktober 1991 IV R 97/89, BFHE 166, 149, BStBl II 1992, 392) ist --entgegen der Auffassung des BMF-- wegen der eindeutigen Regelung in § 121 Abs.2 Nr.3 BewG auf den Bereich des Bewertungsrechts nicht übertragbar.

Das auf einer hiervon abweichenden Rechtsbeurteilung beruhende Urteil des FG ist aufzuheben.

2. Die Sache ist nicht spruchreif.

Das FG hat keine ausreichenden Feststellungen getroffen, die es dem Senat ermöglichen, abschließend zu prüfen, ob die von der Klägerin vor dem maßgeblichen Stichtag stillgelegten Teile der Rohrleitungsanlage der inländischen Betriebstätte der Klägerin noch zuzurechnen sind. Allein die --dem Vortrag der Klägerin entnommene-- Feststellung, die Anlagenteile seien "stillgelegt" worden, reicht hierfür nicht aus. Vielmehr bedarf es insoweit einer differenzierteren Betrachtung, weil eine nur vorübergehende, die Möglichkeit jederzeitiger Inbetriebnahme offenhaltende Stillegung der Anlagenteile noch nicht die Annahme rechtfertigen würde, das Wirtschaftsgut diene nicht mehr der inländischen Betriebsstelle. Denn solange eine solche Anlage noch für eine weitere Verwendung in der Betriebstätte des Steuerpflichtigen vorgehalten wird, ist sie diesem auch wirtschaftlich zuzuordnen. Eine Zuordnung stillgelegter Teile einer Betriebstätte zum inländischen Betriebsvermögen kommt somit nur dann nicht mehr in Betracht, wenn diese endgültig und auf Dauer aus dem betrieblichen Organisationszusammenhang ausgeschieden sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 65853

BFH/NV 1997, 75

BStBl II 1997, 12

BFHE 181, 356

BFHE 1997, 356

BB 1997, 138-140 (Leitsatz und Gründe)

DB 1997, 310-312 (Leitsatz und Gründe)

DStRE 1997, 217-219 (Leitsatz und Gründe)

DStZ 1997, 422-423 (Leitsatz und Gründe)

HFR 1997, 212-214 (Leitsatz)

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