Leitsatz (amtlich)

1. Zur Restitutionsklage im steuergerichtlichen Verfahren.

2. Der BFH ist für eine Restitutionsklage nach § 134 FGO, § 580 Nr. 7b ZPO zuständig, wenn er durch Beschluß die Revision als unzulässig verworfen hatte und der Stpfl. sich mit der Klage gegen tatsächliche Feststellungen wendet, die der Verwerfung der Revision zugrunde lagen.

2. Der VI. Senat tritt der Ansicht des V. Senats im Beschluß V S 9/67 vom 14. September 1967 (BFH 89, 332, BStBl III 1967, 615) darin bei, daß ein neuer Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unzulässig ist, wenn der Senat zuvor durch rechtskräftigen Beschluß die Revision als unzulässig verworfen und den Wiedereinsetzungsantrag abgelehnt hatte.

 

Normenkette

FGO §§ 56, 121, 134; ZPO § 580 Nr. 7b, §§ 584, 586-587, 589-590

 

Tatbestand

Der Senat hat durch den nicht veröffentlichten Beschluß VI R 269/66 vom 12. Mai 1967 die Revision der Stpfl., einer Anstalt des öffentlichen Rechts, als unzulässig verworfen, weil die Revisionsbegründungsfrist versäumt war. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde abgelehnt, da die Krankheit des Geschäftsführers der Stpfl. den Bevollmächtigten nicht gehindert hätte, gemäß § 120 Abs. 1 Satz 2 FGO vor dem Ablauf der Begründungsfrist beim Vorsitzenden des Senats eine Fristverlängerung zu beantragen. Im übrigen wurde bemerkt, dem Wiedereinsetzungsantrag könne auch deshalb nicht stattgegeben werden, weil der Bevollmächtigte die Revisionsbegründung bis jetzt noch nicht eingereicht habe.

In einem Parallelprozeß hat der Senat die Revision des Geschäftsführers der Stpfl., der vom gleichen Bevollmächtigten vertreten war, durch den nicht veröffentlichten Beschluß VI R 268/66 vom 12. Mai 1967 ebenfalls als unzulässig verworfen.

Die Stpfl. erhob am 21. Juli 1967 beim Senat Klage mit dem Antrag, das Verfahren VI R 269/66 wieder aufzunehmen. Sie bringt vor, ihr Bevollmächtigter habe am 5. Dezember 1966 für die Verfahren VI R 269/66 und VI R 268/66 je eine Revisionsbegründung gefertigt und ihr zugesandt; ihr Bürovorsteher habe die beiden Schriftsätze mit der gleichen Post an den BFH abgesandt. Sie habe erst aus den Beschlüssen des Senats vom 12. Mai 1967 entnommen, daß die Revisionsbegründung zwar in der Sache VI R 268/66, nicht aber in der Sache VI R 269/66 beim BFH eingegangen sei. Die verlorengegangene Begründungsschrift sei eine Urkunde im Sinne des § 580 Nr. 7b ZPO, die sie erst jetzt habe benutzen können und die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Sie beantragt wegen der versäumten Revisionsbegründungsfrist in der Sache VI R 269/66 erneut Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

Nach § 134 FGO kann ein rechtskräftig beendetes Verfahren nach den Vorschriften des IV. Buches der ZPO wieder aufgenommen werden. Die Wiederaufnahme des Verfahrens setzt voraus, daß ein Beteiligter die Nichtigkeitsklage nach § 579 ZPO oder die Restitutionsklage nach § 580 ZPO erhebt. Ist die Klage zulässig und begründet, so wird das alte Verfahren, soweit es von dem Anfechtungsgrund betroffen ist, nach § 590 ZPO fortgesetzt. Der alte Prozeß wird in die Lage vor dem Erlaß des Urteils oder des Beschlusses zurückversetzt (Baumbach-Lauterbach, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 29. Aufl., § 590 Anm. 2).

Im Streitfall ist die Restitutionsklage nach § 580 ZPO statthaft, da die Stpfl. sie form- und fristgerecht eingelegt hat (§§ 586 und 587 ZPO) und behauptet, daß ein Wiederaufnahmegrund nach § 580 Nr. 7b ZPO vorliege (Stein-Jonas-Schönke, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 18. Aufl., Bem. III 1 vor § 578). Der Senat ist für die Entscheidung über die Klage zuständig, da sich die Klage gegen eine Entscheidung des Senats richtet. Nach § 584 Abs. 1 ZPO letzter Halbsatz darf das Revisionsgericht über die Restitutionsklage zwar nur befinden, wenn eine rechtskräftige Entscheidung nach § 580 Nr. 4 oder 5 ZPO angegriffen wird. Der Wortlaut des Gesetzes ist jedoch hinsichtlich der Restitutionsgründe des § 580 ZPO nach der herrschenden Meinung erweiternd auszulegen, da der Gesetzgeber offensichtlich nicht daran gedacht hat, daß tatsächliche Feststellungen u. U. auch vom Revisionsgericht zu treffen sind (Stein-Jonas-Schönke, a. a. O., § 584 Anm. IV 1; Wieczorek, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, Bd. III, § 584, Anm. B I b 1 Satz 2). Nach dem Sinn des § 584 ZPO muß der Senat daher als Revisionsgericht auch zuständig sein, wenn der Steuerpflichtige sich mit der Klage gegen einen rechtskräftigen Beschluß des Senats wendet, durch den die Revision als unzulässig verworfen wurde und der Stpfl. mit der Restitutionsklage nicht eine Sachentscheidung, sondern wie hier die tatsächlichen Feststellungen des Senats angreift, die der Verwerfung der Revision zugrunde liegen (vgl. Urteil des BGH V ZR 56/50 vom 13. Juli 1954, BGHZ 14, 251 [257]).

Die Klage ist aber unbegründet, weil der behauptete Restitutionsgrund nicht zutrifft (Stein-Jonas-Schönke, a. a. O., Bem. III 2 vor § 578 ZPO). Die Stpfl. irrt, wenn sie meint, sie habe mit der nicht beim BFH eingegangenen Revisionsbegründungsschrift jetzt erst eine Urkunde im Sinne von § 580 Nr. 7b ZPO benutzen können, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Zweifelhaft ist, ob man eine Begründungsschrift als eine Urkunde im Sinne der ZPO ansehen kann, d. h. als ein Schriftstück, das Tatsachen beweisen soll, die bei seiner Entstehung vorlagen (Baumbach-Lauterbach, a. a. O., § 580 ZPO Anm. 4 C). Eine Begründungsschrift beweist nämlich nur ihre eigene Existenz, nicht aber außerhalb liegende Tatsachen. Schriftsätze führen nur Tatsachen in den Prozeß ein, die evtl. durch Urkunden zu beweisen sind. Der Senat kann diese Frage jedoch dahingestellt sein lassen, da die Begründungsschrift vom 5. Dezember 1966 auch dann nicht zu einer für die Stpfl. günstigeren Entscheidung geführt hätte, wenn sie wenige Tage später beim Senat eingegangen wäre. Der Senat hat die Revision in erster Linie als unzulässig verworfen, weil die Stpfl. die Begründung nicht bis zum Ablauf der Begründungsfrist am 31. Oktober 1966 eingereicht hatte. Der Senat hat damals dem Wiedereinsetzungsantrag nicht entsprochen, da der Bevollmächtigte es schuldhaft versäumt hatte, vor dem Ablauf der Begründungsfrist beim Vorsitzenden des Senats nach § 120 Abs. 1 Satz 2 FGO die Verlängerung der Frist zu beantragen. Die Versäumung der Begründungsfrist allein mußte also dazu führen, die Revision als unzulässig zu verwerfen. Diese Entscheidung des Senats konnte nicht davon berührt werden, daß die Begründung etwa Anfang Dezember 1966 beim BFH eingegangen wäre. Weggefallen wäre dann nur die zusätzliche, die Entscheidung aber nicht tragende Erwägung des Senats, daß dem Wiedereinsetzungsantrag auch deshalb nicht entsprochen werden könne, weil die Revisionsbegründung bis zur Entscheidung des Senats nicht eingegangen war.

Das Verfahren VI R 269/66 kann somit nicht wieder aufgenommen werden. Der Beschluß, durch den die Revision als unzulässig verworfen wurde, bleibt rechtskräftig. Die sachliche Rechtskraft bewirkt, daß der jetzt gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Nämlichkeit des Streitgegenstandes unzulässig ist (BFH-Beschluß V S 9/67 vom 14. September 1967, BFH 89, 332, BStBl III 1967, 615).

 

Fundstellen

Haufe-Index 412822

BStBl II 1968, 119

BFHE 1968, 454

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