Entscheidungsstichwort (Thema)

Verbösernde KraftSt-Änderungsfestsetzung

 

Leitsatz (NV)

1. Bei Verletzung der finanzamtlichen Ermittlungspflicht scheidet eine verbösernde (KraftSt-)Änderungsfestsetzung aus (Bestätigung der Rspr.).

2. Nimmt das FG aus nachvollziehbaren Gründen Ermittlungsmängel (1.) an, so ist diese tatsächliche Bewertung revisionsrechtlich unangreifbar.

 

Normenkette

AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 118 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), seit 29. Oktober 1993 Halterin eines Kraftfahrzeugs Typ "Toyota J 7", das zunächst als Personenkraftwagen eingestuft und als solcher von dem beklagten und revisionsklagenden Finanzamt (FA) hubraumbesteuert worden war, ließ ihr Fahrzeug wenig später umbauen (Ausbau der Rücksitzbank und der hinteren Sitzgurte), worauf es am 29. November 1993 verkehrsrechtlich als Lastkraftwagen anerkannt und vom FA gewichtbesteuert wurde. Im Rahmen einer allgemeinen Überprüfung der umgestuften Fahrzeuge erhielt das FA von der Zulassungsstelle nähere Daten -- Hersteller und Typennummern --, die zu der Erkenntnis führten, daß -- weiterhin -- ein Personenkraftwagen vorliege. Der auf §173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützte Änderungsbescheid (vom 16. Februar 1996, bestätigt durch Einspruchsentscheidung vom 7. August 1996), mit dem das FA das Halten des Fahrzeugs rückwirkend ab 29. November 1993 wieder der Hubraumbesteuerung unterwarf, wurde vom Finanzgericht (FG), das die Klage als gegen die Rückwirkung der Steuerfestsetzung gerichtet ansah, hinsichtlich der Veranlagung für die Zeit vom 29. November 1993 bis 15. Februar 1996 aufgehoben. Die rückwirkende Änderungsfestsetzung könne -- so das FG -- nicht auf die neuen Tatsachen gestützt werden, da diese bei gehöriger Ermittlung schon vorher hätten festgestellt werden können. Die Ummeldung eines zunächst als Personenkraftwagen zugelassenen Fahrzeugs (in LKW) ohne gleichzeitigen Halterwechsel, also nur wegen eines Umbaus, stelle einen Ausnahmefall dar, der sich vom Massenverfahren abhebe. Die gebotenen Ermittlungen seien im Hinblick auf die Anzahl derartiger Fallgestaltungen und den Ermittlungsumfang zumutbar gewesen. Aufgrund aufsichtsbehördlicher Weisung seien die Finanzämter schon im Spätsommer 1993 gehalten gewesen zu prüfen, ob der verkehrsrechtlichen Zuordnung gefolgt werden könne. Wäre die Unkenntnis der Kraftfahrzeugsteuerstelle durch organisatorische Maßnahmen (Einschaltung nur des Rechenzentrums) veranlaßt, so läge ein dem FA zuzurechnender Organisationsmangel vor.

Mit der vom FG zugelassenen Revision trägt das FA vor, die Vorentscheidung stehe in Widerspruch zu der einschlägigen kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Rechtsprechung des FG München. Ein (ermittlungsbedürftiger) "Ausnahmefall vom Massenverfahren" liege nicht vor. Besondere Gründe für eine Überprüfung seien nicht ersichtlich, strengere Maßstäbe in Umbaufällen, die erst hätten ermittelt werden müssen, nicht gerechtfertigt. Die aufsichtsbehördliche Weisung habe wegen der erforderlichen Abstimmung mit den Verkehrsbehörden und wegen der Programmierung in den Rechenzentren erst ab Ende 1995 umgesetzt werden können.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist, weil nicht begründet, zurückzuweisen (§126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Das FG hat aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen, die einschließlich ihrer tatsächlichen Würdigung revisionsrechtlich bindend sind (§118 Abs. 2 FGO), rechtsfehlerfrei erkannt, daß eine Änderungsfestsetzung gemäß §173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977, der einzigen hier in Betracht kommenden Rechtsgrundlage, im Streitfall ausscheidet, weil bei der auf den Umbau folgenden Kraftfahrzeugsteuerveranlagung (LKW) der amtlichen Ermittlungspflicht nicht genügt worden ist.

In seinem Urteil vom 29. April 1997 VII R 1/97 (BStBl II 1997, 627, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1997, 598) hat der Senat entschieden, daß die Finanzbehörde ihre Ermittlungspflicht verletzt -- mit der Folge, daß eine verbösernde Änderungsfestsetzung ausscheidet --, wenn der Kraftfahrzeugsteuerveranlagung unter Verzicht auf für die Beurteilung notwendige Daten die verkehrsrechtliche Einstufung des umgebauten Fahrzeugs (LKW) zugrunde gelegt wird. Dies gilt allerdings, wie der Senat mit Bezug auf sein Urteil vom 10. Dezember 1991 VII R 10/90 (BFHE 166, 395, 397, BStBl II 1992, 324) herausgestellt hat, nur, wenn die Finanzbehörde Zweifeln, die sich nach Sachlage aufdrängen mußten, nicht nachgeht. Der Senat hat seine Rechtsprechung inzwischen mehrfach bestätigt. Das Vorbringen der Revision veranlaßt keine gegenteilige Beurteilung. Das gilt auch im Hinblick auf die vom FA angeführte -- frühere -- finanzgerichtliche Rechtsprechung, in der die Frage der finanzamtlichen Ermittlungspflicht in Kraftfahrzeugsteuersachen noch nicht näher behandelt worden ist. Aus der Verwendung des Datenträgeraustauschverfahrens (für die Datenübermittlung von der Zulassungs- zur Finanzbehörde) läßt sich kein Rechtsgrund herleiten, der die Ermittlungspflicht des FA einzuschränken vermöchte.

Die Vorinstanz ist von den in BFHE 166, 395 entwickelten Grundsätzen ausgegangen und hat einen ermittlungsbedürftigen "Ausnahmefall" mit Erwägungen bejaht (frühere PKW-Besteuerung, kein Halterwechsel, hieraus erkennbarer Umbau eines PKW; dies in Verbindung mit einer für einschlägig erachteten aufsichtsbehördlichen Überprüfungsanweisung), die nachvollziehbar sind und Rechtsfehler nicht erkennen lassen. Soweit das FA einen Ermittlungsbedarf verneint, setzt es seine eigene Würdigung an die Stelle der tatrichterlichen Bewertung. Letztere ist indessen als Bestandteil der Tatsachenfeststellung für den Senat bindend, da zulässige und begründete Revisionsrügen insoweit nicht erhoben worden sind. Allerdings könnte es sich fragen, ob aus den Gründen der Vorentscheidung die Änderungsfestsetzung auch für die Zeit vom 16. Februar 1996 bis zum Ende eines noch laufenden Entrichtungszeitraums zu unterbleiben hätte (falls der Rahmen des Klageantrags entsprechend zu bestimmen wäre; vgl. §96 Abs. 1 Satz 2 FGO). Der Senat braucht dieser Frage aber nicht nachzugehen, da das revisionsklagende FA insoweit nicht beschwert ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66816

BFH/NV 1998, 423

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