Leitsatz (amtlich)

Eine Zweckzuwendung liegt nicht vor, wenn der Bedachte ein Sparguthaben mit der Auflage erhält, die zu Lebzeiten mit dem Erblasser vereinbarte Pflege seines Grabes zu besorgen.

 

Orientierungssatz

1. Freigebige Zuwendungen unter Lebenden i.S. des § 8 ErbStG 1974 sind alle Zuwendungen i.S. des § 7 Abs. 1 ErbStG 1974. Eine Zuwendung unter Lebenden setzt voraus, daß die Vermögensübertragung zu Lebzeiten des Zuwendenden erfolgt (vgl. BFH-Urteil vom 13.3.1953 III 29/52 U).

2. Tatbestandliche Voraussetzung für die Annahme eines Erwerbs von Todes wegen (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG 1974) durch einen Vertrag zugunsten Dritter ist die Erlangung eines Vermögensvorteils; wie bei Zuwendungen unter Lebenden ist Voraussetzung eine objektive Bereicherung des Erwerbers (vgl. RFH-Gutachten vom 21.5.1931 I D 1/30; Literatur). Soweit die Bereicherung (§ 10 ErbStG 1974) gemindert wird durch eine Auflage, die Zuwendung zu einem bestimmten Zweck zu verwenden, unterliegt diese Zuwendung in diesem Umfang als Zweckzuwendung der Erbschaftsteuer. Ob bei einem Vertrag zugunsten Dritter die erhaltene Leistung im Verhältnis von Versprechensempfänger und Erwerber einen Vermögensvorteil darstellt, bestimmt sich nach dem Valutaverhältnis.

 

Normenkette

ErbStG 1974 § 1 Abs. 1 Nr. 3, §§ 8, 7 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 4, § 10

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf (Entscheidung vom 13.03.1985; Aktenzeichen IV 374/81 Erb)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) hat mit der Erblasserin einen Dauergrabpflegevertrag mit dem Inhalt geschlossen, daß die Klägerin für die Dauer von 25 Jahren für die Pflege des Grabes der Erblasserin durch Vergabe eines entsprechenden Auftrags an eine genau bezeichnete Gärtnerei und für die Überwachung der Ausführung zu sorgen hat. Zur Deckung der entstehenden Pflegekosten (9 820 DM Grabpflege und 982 DM für die Durchführung des Auftrags) hatte die Erblasserin vereinbarungsgemäß ein Sparkonto errichtet und mit dem Kreditinstitut vereinbart, daß bei ihrem Ableben das Guthaben auf die Klägerin übergehen sollte.

Für den Fall, daß nach Ablauf des Vertrags aus der hinterlegten Gesamtsumme noch ein Guthaben vorhanden sein sollte, war die Klägerin verpflichtet, diesen Betrag für soziale Zwecke der Stadt zur Verfügung zu stellen.

Nach dem Tode der Erblasserin beauftragte die Klägerin eine Gärtnerei mit der Grabpflege. Die von der Gärtnerei in Rechnung gestellten Beträge läßt die Klägerin von dem Sparkonto überweisen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) sah in der vertraglichen Vereinbarung und Überlassung des Sparguthabens eine Zweckzuwendung i.S. des § 8 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) und nahm die Klägerin mit Erbschaftsteuerbescheid vom 11.Dezember 1980 auf Zahlung von 1 660 DM Erbschaftsteuer in Anspruch. Den Einspruch der Klägerin, mit dem sie geltend machte, der Dauergrabpflegevertrag sei ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag mit Vorleistung der Erblasserin und deshalb keine Zweckzuwendung i.S. des § 8 ErbStG, wies das FA zurück.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Eine Zweckzuwendung setze voraus, daß der der Zuwendung beigefügte Zweck nicht einem eigenen Interesse des Zuwendenden entspreche; im Streitfall habe die Erblasserin selbst ihr Vermögen im eigenen Interesse (Pflege ihres Grabes) verwendet und nur die Erledigung der Klägerin vertraglich übertragen (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1985, 397).

Mit der vom FG zugelassenen Revision macht das FA die Verletzung des § 1 Abs.1 Nr.3 i.V.m. § 8 ErbStG 1974 geltend.

Eine Zweckzuwendung i.S. des § 8 ErbStG bestehe darin, daß dem Empfänger Vermögen mit der Verpflichtung zugewendet werde, dieses nicht für eigene Zwecke und auch nicht für eine oder bestimmte andere Personen, sondern für einen unbestimmten Personenkreis oder sonstigen Zweck zu verwenden, der auch ein in der Person des Erblassers liegender sein könne. Diese Voraussetzungen lägen im Streitfall vor, denn der Klägerin sei Vermögen mit der Auflage der Verwendung zu einem der Klägerin fremden Zweck überlassen worden. Daß der Vertrag mit der Klägerin einen Geschäftsbesorgungsvertrag darstelle, sei unerheblich, da die Zweckzuwendung typischerweise die Besorgung eines Geschäftes, nämlich die Verwendung und Verwaltung des Zugewendeten zu einem bestimmten Zweck zum Gegenstand habe.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet.

Zutreffend hat das FG erkannt, daß als Grundlage für den Steueranspruch nur eine Zweckzuwendung (§ 1 Abs.1 Nr.3 i.V.m. § 8 ErbStG 1974) in Betracht kommt, deren Voraussetzungen im Streitfall jedoch nicht vorliegen.

Zweckzuwendungen sind nach § 8 ErbStG 1974 Zuwendungen von Todes wegen oder freigebige Zuwendungen unter Lebenden, die mit der Auflage verbunden sind, zugunsten eines bestimmten Zwecks verwendet zu werden, soweit hierdurch die Bereicherung des Erwerbers gemindert wird. Voraussetzung ist danach zunächst das Vorliegen einer Zuwendung von Todes wegen oder eine freigebige Zuwendung unter Lebenden, die nur deshalb oder insoweit nicht der Erbschaftsteuer oder Schenkungsteuer unterliegt, weil die Bereicherung ganz oder zum Teil durch eine Zweckauflage gemindert wird.

Freigebige Zuwendung unter Lebenden i.S. des § 8 ErbStG 1974 sind alle Zuwendungen i.S. des § 7 Abs.1 ErbStG 1974. Eine Zuwendung unter Lebenden setzt jedoch voraus, daß die Vermögensübertragung zu Lebzeiten des Zuwendenden erfolgt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13.März 1953 III 29/52 U, BFHE 57, 366, BStBl III 1953, 144). Eine solche Zuwendung liegt nicht vor, da die Klägerin die umstrittene Geldforderung aus dem Sparkonto aufgrund eines Vertrages zugunsten Dritter auf den Todesfall erhalten hat (vgl. § 331 Abs.1 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--). Denn nach dem Vertrag mit der Bank war vereinbart, daß die Rechte aus dem Sparkonto erst mit dem Tode der Erblasserin auf die Klägerin übergehen sollten, ein Vermögensübergang zu Lebzeiten des Zuwendenden daher nicht erfolgte. Daß zivilrechtlich für diese Verträge zugunsten Dritter, wenn der Begünstigte aufgrund der Vereinbarungen zwischen Bank und Erblasser den Anspruch mit dem Todesfall erwerben soll, hinsichtlich der Frage des Valutaverhältnisses nicht Erbrecht, sondern Schuldrecht maßgebend ist (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 19.Oktober 1983 IVa ZR 71/82 (KG), Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1984, 480, m.w.N.), ist insoweit ohne Bedeutung.

Als Erwerb von Todes wegen gilt gemäß § 3 Abs.1 Nr.4 ErbStG auch jeder Erwerb eines Vermögensvorteils, der aufgrund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrages bei dessen Tode von einem Dritten unmittelbar erworben wird. Tatbestandliche Voraussetzung für die Annahme eines Erwerbs von Todes wegen durch einen Vertrag zugunsten Dritter ist jedoch die Erlangung eines Vermögensvorteils; wie bei Zuwendungen unter Lebenden ist daher Voraussetzung eine objektive Bereicherung des Erwerbers (vgl. Gutachten des Reichsfinanzhofs --RFH-- vom 21.Mai 1931 I D 1/30, RStBl 1931, 599; bereits Kipp, Erbschaftsteuergesetz, 1927, § 2 ErbStG 1925 Anm.85; Meincke/Michel, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 7.Aufl., 1981, § 3 ErbStG Anm.48; Moench, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, § 3 ErbStG Anm.13; Troll, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz-Kommentar, 3.Aufl., § 3 ErbStG Anm.65; Petzold, Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz, 2.Aufl., 1986, § 3 Anm.138; Kapp, Kommentar zum Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 9.Aufl., § 3 ErbStG Anm.264). Soweit die Bereicherung (§ 10 ErbStG) gemindert wird durch eine Auflage, die Zuwendung zu einem bestimmten Zweck zu verwenden, unterliegt diese Zuwendung in diesem Umfang als Zweckzuwendung der Erbschaftsteuer (vgl. Kipp, a.a.O., zu § 4 ErbStG 1925 Anm.3).

Ob bei einem Vertrag zugunsten Dritter die erhaltene Leistung im Verhältnis von Versprechensempfänger und Erwerber einen Vermögensvorteil darstellt, bestimmt sich nach dem Valutaverhältnis, im Streitfall nach dem zwischen der Erblasserin und der Klägerin geschlossenen Dauergrabpflegevertrag. Zutreffend hat das FG diese Vereinbarung als entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB) qualifiziert. Nach der zwischen der Klägerin und der Erblasserin getroffenen Vereinbarung hat sich die Klägerin gegenüber der Erblasserin verpflichtet, die Pflege des bezeichneten Grabes der Erblasserin für eine bestimmte Dauer durch Vergabe eines entsprechenden Auftrags an eine Gärtnerei zu besorgen und zu überwachen. Für ihre eigenen Aufwendungen erhält die Klägerin vereinbarungsgemäß ein Entgelt von 982 DM. Die restlichen 9 820 DM sind Vorschuß auf die zur Ausführung des Auftrags erforderlichen Aufwendungen, die der Klägerin durch die Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtung entstehen (vgl. § 675 i.V.m. § 679 BGB).

Unerheblich ist insoweit, daß die vereinbarte Leistung der Klägerin erst nach dem Tod der Auftraggeberin erfolgen soll, denn ein Auftrag kann auch eine Leistung zum Gegenstand haben, die erst nach dem Tod des Auftraggebers ausgeführt werden soll (vgl. § 672 BGB; Staudinger/Wittmann, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12.Aufl., 1980, § 672 Anm.20, m.w.N.). Soweit Ansprüche und Verpflichtungen auf einen solchen Vertrag im Zeitpunkt des Todes nicht erfüllt sind, gehen diese, wie andere vermögensrechtliche Beziehungen mit dem Tod gemäß § 1922 BGB auf die Erben über (vgl. § 1922 BGB).

Ein Erwerb von Todes wegen gemäß § 3 Abs.1 Nr.4 ErbStG 1974 scheidet mangels Bereicherung danach aus.

Entgegen der Auffassung des FA liegt auch keine Zweckzuwendung vor. Dahingestellt bleiben kann, ob schon die Hingabe einer Leistung mit der Auflage, einen ausschließlich im Interesse des Gebers liegenden Zweck zu erfüllen --wie etwa die Hingabe einer Geldsumme zur Verwendung für das Seelenheil des Gebers-- eine Zweckzuwendung darstellt; denn die Eigenart einer Zweckzuwendung besteht darin, daß das Zugewandte nicht einer bestimmten Person und deshalb auch nicht dem Interesse des Zuwendenden, sondern einem objektiv bestimmten Zweck zugute kommen soll (vgl. Gesetzesmaterialien zu ErbStG 1922, Reichstags-Drucksache 1/4856, 13; bereits Kipp, a.a.O., § 4 ErbStG 1925 Anm.2; vgl. BFH-Urteil vom 20.Dezember 1957 III 250/56 U, BFHE 66, 204, BStBl III 1958, 79, 82; Moench, a.a.O., § 8 ErbStG Anm.2; Kapp, a.a.O., § 8 ErbStG Anm.3; Troll, a.a.O., § 8 ErbStG Anm.1). In keinem Fall liegt eine Zweckzuwendung jedoch vor, wenn das Erworbene das Entgelt für eine Leistung darstellt, die der Empfänger aufgrund eines zwischen dem Geber und dem Empfänger geschlossenen gegenseitigen Vertrages erbringt, wie im Streitfall das Entgelt für die Übernahme der Geschäftsbesorgung.

Dasselbe gilt für den Vorschuß auf Ersatz der Aufwendungen, die der Klägerin bei Durchführung des mit der Erblasserin geschlossenen Vertrages entstehen werden. Insoweit gilt nichts anderes, als wenn die Erblasserin selbst mit der Gärtnerei einen Vertrag über die Dauergrabpflege für eine bestimmte Zeit abgeschlossen und das Entgelt im voraus bezahlt hätte, denn in beiden Fällen bleibt die Durchführung des Vertrages ein eigenes Interesse der Erblasserin und eine Zweckzuwendung scheidet daher aus (ebenso Moench, a.a.O., § 8 ErbStG Anm.3; Troll, a.a.O., § 8 ErbStG Anmerkung zu Anhang R.4).

Allerdings ist in § 8 des Dauergrabpflegevertrages vereinbart, daß, soweit nach Ablauf der Pflegezeit ein Guthabenrest bestehen sollte, die Klägerin diesen für soziale Zwecke der Stadt zuführen soll. Insoweit handelt es sich um eine unter einer aufschiebenden Bedingung erfolgte Zweckzuwendung, bei der die Steuerschuld gemäß § 9 Abs.1 Nr.1 a ErbStG erst mit Eintritt des Ereignisses entsteht.

Anhaltspunkte für eine Steuerumgehung gemäß § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) hat das FG zutreffend verneint, denn weder die Höhe der Aufwendungen noch die Art der Vereinbarungen geben Anlaß, an der Übereinstimmung zwischen rechtsgeschäftlich Erklärtem und Gewolltem zu zweifeln.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61785

BStBl II 1987, 861

BFHE 151, 82

BFHE 1988, 82

DStR 1988, 782 (KT)

HFR 1988, 397 (LT1)

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