Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Bundesfinanzhof hält an der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs fest, wonach bei Postpaketnachnahmesendungen als vom Absender der Sendung vereinnahmtes Entgelt der vom Empfänger entrichtete unverkürzte Nachnahmebetrag anzusehen ist, aus dem als steuerfrei beim Vorliegen der formalen Voraussetzungen nur die Beförderungsgebühr (Paketgebühr), nicht auch die Vorzeigegebühr und die Zahlkarten- (Postanweisungs-) Gebühr ausgeschieden werden können.

 

Normenkette

UStG § 5 Abs. 1, 4 Ziff. 1; UStDB §§ 10, 49/1; UStG § 10/1

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.) betreibt den Versand pharmazeutischer Artikel. Die Ware wird dem Besteller ausschließlich gegen Nachnahme geliefert. Die Nachnahmespesen gehen nach den auf den Bestellzetteln abgedruckten Verkaufsbedingungen zu Lasten des Empfängers der Ware. ... Streitig ist,

ob die Zahlkartengebühr (Postanweisungsgebühr) zu dem steuerpflichtigen Entgelt für die Warenlieferung gehört;

ob die Vorzeigegebühr vom Entgelt für die Warenlieferung nach § 5 Abs. 4 Ziff. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1934 als Aufwendung für die Beförderung und die Versicherung der Ware steuerfrei abgesetzt werden kann.

Gestützt auf das Urteil des Reichsfinanzhofs V A 373/34 vom 26. Juni 1935 (Slg. Bd. 38 S. 108, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1935 S. 1116) ... hat das Finanzamt die erstere der streitigen Fragen bejaht, die letztere verneint. Das Finanzgericht ist ... der Auffassung des Finanzamts in vollem Umfange beigetreten. Daß die Beförderungsgebühr (Paketgebühr) zu dem nach § 5 Abs. 4 Ziff. 1 des Gesetzes als steuerfrei absetzbaren Aufwand für die Beförderung des Lieferungsgegenstandes gehört, ist nicht streitig.

 

Entscheidungsgründe

Auch die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.

Entgelt im Sinne des UStG ist alles, was der Empfänger einer Lieferung aufwendet, um die Lieferung zu erhalten (ß 10 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz - UStDB - 1938). Der umsatzsteuerrechtliche Entgeltsbegriff deckt sich also nicht mit dem Preis der gelieferten Ware im eigentlichen Sinne, umfaßt vielmehr darüber hinaus auch den Ersatz von Auslagen, die nach den Lieferungsbedingungen dem Lieferungsempfänger zur Last fallen. Das wird von der Bfin. auch nicht grundsätzlich verkannt. Denn sie nimmt für die vom Lieferungsempfänger mit dem Nachnahmebetrag erstattete Paketgebühr und Vorzeigegebühr Absetzung nach § 5 Abs. 4 Ziff. 1 UStG in Anspruch und läßt damit erkennen, daß auch sie den auf die Erstattung dieser Gebühren entfallenden Teil des Nachnahmebetrags als an sich zum Lieferungsentgelt gehörig ansieht. Wenn die Rechtsbeschwerde das gleiche nicht auch für die Zahlkartengebühr gelten lassen will, so beruht das wohl auf Erwägungen, die im bürgerlichen Recht wurzeln. Die insoweit vorgebrachten Einwendungen sind nämlich, wie es scheint, beeinflußt von dem Gedanken, daß nach bürgerlichem Recht (ß 270 Abs. 1 BGB), der Schuldner einer Geldleistung, also auch eines Lieferungsentgelts, das Geld im Zweifel auf seine Gefahr und auf seine Kosten dem Gläubiger (dem Lieferer) an dessen Wohnsitz zu übermitteln hat. Der Rechtsbeschwerde ist zuzugeben, daß bei einer Warenlieferung, die nicht unter Nachnahme erfolgt, die vom Warenempfänger nach § 270 Abs. 1 BGB aufgewendeten Kosten für die übermittlung des Kaufpreises ohne Bedeutung für die Höhe des vom Lieferer vereinnahmten Entgelts sind. Daraus lassen sich aber für die hier streitige Frage Folgerungen nicht herleiten. Die Rechtsbeschwerde übersieht insoweit, daß die - ohnehin nur im Zweifel geltende - Norm des § 270 Abs. 1 BGB durch die den Nachnahmeverkehr regelnden postrechtlichen Vorschriften in gewissem Umfange durchbrochen wird. Es kann dahingestellt bleiben, ob die für den Nachnahmeverkehr vorgesehene Art der übermittlung des von der Post eingezogenen Nachnahmebetrags von Einfluß auf die Frage ist, wer die Gefahr der übermittlung zu tragen hat. Sicher jedenfalls ist, daß nach den einschlägigen postrechtlichen Vorschriften von der Post der Absender der Nachnahmesendung (der Lieferer der Ware) für die übermittlungsgebühr (Zahlkartengebühr, Postanweisungsgebühr) in Anspruch genommen wird und nicht, wie es der Norm des § 270 Abs. 1 BGB entsprechen würde, der Empfänger der Ware, der der Schuldner der Geldleistung, nämlich des Nachnahmebetrags ist. Das folgt eindeutig aus § 21 Abschn. XI Abs. 2 Satz 2 der insoweit noch in ursprünglicher Fassung geltenden Postordnung vom 30. Januar 1929 (Reichsgesetzblatt - RGBl. - I S. 33), wo es heißt, daß die Postanweisungsgebühr und die Zahlkartengebühr von dem von der Post eingezogenen Betrag einbehalten werden, Der Aufwand für die Abgeltung der übermittlung des von der Post eingezogenen Nachnahmebetrags entsteht also primär beim Lieferer der unter Nachnahme versandten Ware. Ist der Lieferer, wie es bei der Bfin. der Fall ist, nach seinen Verkaufsbedingungen in der Lage, den durch den Versand unter Nachnahme verursachten Aufwand auf den Lieferungsempfänger abzuwälzen, so erhöht sich durch die Abwälzung der Betrag, den der Lieferungsempfänger auf Grund der Verkaufsbedingungen aufwenden muß, um die Ware zu erlangen. Demgemäß gehört nach der Abgrenzung des Entgeltsbegriffs im § 10 UStDB 1938 auch der der Zahlkartengebühr (Postanweisungsgebühr) entsprechende Teil des Nachnahmebetrags zu dem vom Lieferer vereinnahmten Entgelt für die gelieferte Ware. Inwiefern hierin ein Gesetzesmißbrauch liegen soll, wie die Bfin. meint, ist nicht erfindlich.

Es ist hiernach rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz im Einklang mit dem Urteil des Reichsfinanzhofs vom 26. Juni 1935 die in den Nachnahmebetrag eingerechnete Zahlkartengebühr als Teil des von der Bfin. vereinnahmten Entgelts für die Warenlieferung behandelt hat. Daß die Voraussetzungen für eine Absetzung dieser Gebühr als steuerfrei nach § 5 Abs. 4 Ziff. 1 UStG nicht gegeben sind, hat die Vorinstanz zutreffend daraus gefolgert, daß, wie auch die Rechtsbeschwerde zugibt, diese Gebühr mit der Beförderung oder der Versicherung des Lieferungsgegenstandes zweifellos nichts zu tun hat.

Für die weitere Frage, ob die Vorzeigegebühr nach § 5 Abs. 4 Ziff. 1 a. a. O. als steuerfrei vom Lieferungsentgelt abgesetzt werden kann, kommt es darauf an, ob sich diese Gebühr als zur Paketgebühr hinzutretender Aufwand für Beförderung oder Versicherung des Lieferungsgegenstandes auffassen läßt. Die Bfin. bejaht dies; ihre Ansicht findet in den postrechtlichen Vorschriften keine Stütze. Die Postordnung unterscheidet in ihrem § 21 unverkennbar drei Abschnitte der Behandlung von Nachnahmesendungen, nämlich die Beförderung der Nachnahmesendung vom Aufgabeort zum Empfänger am Bestimmungsort, die Vorzeigung und Aushändigung der Sendung gegen Entrichtung des Nachnahmebetrags und die übermittlung des eingezogenen Betrags an den Absender. Der Abgeltung des Beförderungsvorgangs dient die Beförderungsgebühr (Paketgebühr), die sich in ihrer Höhe von der Gebühr für gleichartige Sendungen ohne Nachnahme nicht unterscheidet; der Abgeltung des Vorzeigevorgangs dient die Vorzeigegebühr; der Abgeltung der übermittlung des eingezogenen Nachnahmebetrags dient die - umsatzsteuerrechtlich bereits oben gewürdigte - Zahlkartengebühr oder Postanweisungsgebühr (ß 21 Abschn. XI der Postordnung). Diese Gliederung des Nachnahmeverkehrs, insbesondere das deutliche Auseinanderhalten des Beförderungsvorgangs einerseits, der anschließenden Vorgänge andererseits, spricht gegen die Möglichkeit, die Vorzeigegebühr als eine zusätzliche Beförderungsgebühr anzusehen. Es ist unverkennbar, daß die Vorzeigegebühr der Abgeltung einer Phase der Nachnahmeversendung dient, die erst nach Beendigung des eigentlichen Beförderungsvorganges einsetzt (zu vgl. Schuster, Postrechtspraxis 1954 S. 109; Timm, Tarifwesen und Tarifpolitik der Deutschen Reichspost 1939 S. 126, 127). Das muß um so mehr gelten, als die Auslieferung einer Warensendung als Nachnahmepaket besondere Modalitäten in bezug auf den reinen Transportvorgang nicht auslöst; Nachnahmepakete werden ebenso wie Sendungen ohne Nachnahme befördert, sofern sie nicht, was im Streitfall nicht behauptet wird, unter Einschreiben oder mit Wertangabe aufgeliefert werden (zu vgl. Schuster, a. a. O.). Diesen Erwägungen gegenüber, die im Ergebnis mit der von der Oberpostdirektion Bremen in ihrem Gutachten entwickelten Auffassung übereinstimmen, ist es, wie die Vorinstanz mit Recht angenommen hat, ohne Bedeutung, daß die Post die im Nachnahmeverkehr anfallenden verschiedenen Gebühren posthaushaltmäßig nicht getrennt ausweist. Aber auch die Annahme, daß die Vorzeigegebühr eine Art Gebühr für die Versicherung des Nachnahmepakets darstelle, läßt sich aus dem Postrecht heraus nicht begründen. Es ist zwar richtig, daß die Versendung eines Pakets unter Nachnahme gewisse Sicherungen für den Absender mit sich bringt. Diese Sicherungen liegen aber, worauf es für die Anwendbarkeit des § 5 Abs. 4 Ziff. 1 des Gesetzes allein ankommt (ß 49 Abs. 1 Satz 1 UStDB 1938), nicht auf dem Gebiet einer erhöhten Sicherung gegen den Verlust des Nachnahmepakets während der Beförderung. Denn die Post haftet für den Verlust eines Nachnahmepakets auf dem Transport, sofern es nicht als unversiegeltes oder versiegeltes Wertpaket aufgeliefert worden ist, nur in dem gleichen Umfange wie für Pakete ohne Nachnahme auch (zu vgl. Schuster, a. a. O., ferner Aschenborn-Schneider, Das Gesetz über das Postwesen des Deutschen Reiches, 2. Aufl. 1928 S. 179). Daran scheitert die Möglichkeit, die Vorzeigegebühr etwa als eine Art Gebühr für Versicherung gegen Transportverlust aufzufassen.

Hiernach kann auch darin, daß die Vorinstanz die Voraussetzungen für eine Absetzung der Vorzeigegebühr vom steuerpflichtigen Entgelt nach § 5 Abs. 4 Ziff. 1 des Gesetzes nicht als gegeben erachtet hat, ein Rechtsirrtum nicht gefunden werden. Daß dieses mit dem Urteil des Reichsfinanzhofs vom 26. Juni 1935 in Einklang stehende Ergebnis von heutiger Sicht aus dem Rechtsempfinden widerspreche, hat die Bfin. nicht näher dargetan. Der erkennende Senat, der die vom Reichsfinanzhof entwickelte Rechtsauffassung teilt, vermag einen solchen Verstoß gegen das Rechtsempfinden nicht festzustellen.

Nach alledem ist die Rechtsbeschwerde mit der sich aus § 307 der Reichsabgabenordnung ergebenden Kostenfolge als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408029

BStBl III 1954, 353

BFHE 1955, 372

BFHE 59, 372

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