Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Die Verkehrsüblichkeit ist als objektiver Beurteilungsmaßstab dafür, wann eine Darlehnsgewährung eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzt, auch dann abzulehnen, wenn sie sich auf statistische Ergebnisse über die Eigenkapitalfinanzierung des betreffenden oder verwandten Erwerbszweigs stützen kann.

Da Grundlage der wirtschaftlichen Betätigung jeder Gesellschaft in aller Regel ihr Anlagevermögen ist, ist es nach Sinn und Zweck des KVStG geboten, alle Aufwendungen der Gesellschafter (oder ihnen zuzurechnende Aufwendungen) für das Anlagevermögen der Gesellschaftsteuer zu unterwerfen.

Der Investitionsbedarf einer Gesellschaft kann nur dann aus eigenen Mitteln gedeckt werden, wenn das Eigenkapital sowohl das vorhandene Anlagevermögen als auch die beabsichtigten Investitionen deckt.

Eine Vorfinanzierung aus Betriebsmitteln nimmt einem Investitionsdarlehen nicht den kapitalersetzenden Charakter.

 

Normenkette

KVStG § 3 Abs. 1-2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob zwei im Jahre 1952 aufgenommene Darlehen, für die der Alleingesellschafter Sicherheit geleistet hat, eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung im Sinne von § 3 Abs. 1 und 2 des Kapitalverkehrsteuergesetzes vom 16. Oktober 1934 (KVStG 1934) ersetzt haben.

Die seit 1922 bestehende E-AG (Bgin.) befaßte sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Eisen-, Stahl- und Tempergußwaren aller Art. Diese Aufgaben übertrug sie ab 1. April 1953 ihrer Betriebsfirma. Sie selbst beschränkte sich von da an auf die Verpachtung ihrer Betriebsanlagen und die Verwaltung ihres Vermögens. Die Betriebsanlagen, darunter der Elektro-Ofen, waren durch Bomben stark beschädigt worden. Der Betrieb hatte auch auf der Demontageliste gestanden.

Die B-Bank hat der Bgin. im Dezember 1951 ein Investitionsdarlehen von 120.000 DM gegen übernahme u. a. der selbstschuldnerischen Bürgschaft des Alleingesellschafters zur Beseitigung von Demontageschäden zugesagt. Dieses Darlehen war insbesondere für die Reparatur und die Neuinstallation des Elektro-Ofens einschließlich der Kraftstromzuleitungen und die Anschaffung eines Kranes sowie eines Transformators bestimmt. Die Valuta wurde im Januar 1952 ausgezahlt. Der Kredit war ab 15. September 1952 in vierteljährlichen Raten von 3.750 DM zu tilgen. Die letzte Rate war am 15. Juni 1960 fällig.

Zur Schaffung von zusätzlichen 93 Dauerarbeitsplätzen erhielt die Bgin. u. a. gegen selbstschuldnerische Bürgschaft des Alleingesellschafters gemäß Vertrag vom 7. Juli 1952 am 19. August 1952 ein Darlehen aus Mitteln des Soforthilfefonds in Höhe von 400.000 DM. Dieser Kredit war ab 1. Oktober 1954 in halbjährlichen Raten von 25.000 DM bis zum 30. September 1962 zu tilgen.

Wegen dieser beiden Kredite und eines anderen, nicht mehr im Streit befangenen Darlehens zog das Finanzamt die Bgin. durch Steuerbescheid vom 14. Februar 1955 auf Grund der §§ 3, 8 und 9 KVStG 1934 zu einer Gesellschaftsteuer von 16.350 DM heran.

Der Einspruch führte zur Herabsetzung der Steuer auf 15.600 DM (3 v. H. von 520.000 DM), blieb also wegen der zu beurteilenden Darlehen ohne Erfolg.

Das Finanzgericht gab der Berufung der Bgin. mit folgender Begründung zum Teil statt. Beide Darlehen seien unstreitig langfristig gegeben worden. Der Kredit von 400.000 DM sei für den Bau einer neuen Werkhalle und der Kredit von 120.000 DM für den Bau eines Elektro-Ofens verwendet worden. Daß die Bgin. die Aufwendungen für den Elektro-Ofen vorfinanziert habe, sei ohne Bedeutung, denn ohne das Darlehen hätten ihr ab Januar 1952 die Mittel für die Deckung der laufenden Betriebsausgaben in entsprechender Höhe gefehlt. Gleichfalls unbeachtlich sei der Umstand, daß die Bgin. später ihr Fabrikationsunternehmen eingestellt habe; sie könne deswegen nicht als Grundstücksverwaltungsgesellschaft angesehen werden. Entgegen der Ansicht der Bgin., die sich auf die Ausführungen von Zintzen in der Rundschau für GmbH 1956 S. 162 ff. stütze, komme es nicht darauf an, in welchem Umfange zur Zeit bei deutschen Aktiengesellschaften eine Deckung des Anlagevermögens durch eigene Mittel üblich sei, denn entscheidend sei, in welchem Umfange sie erforderlich seien. Es komme vielmehr auf das Verhältnis des Eigenkapitals zum Anlagevermögen an. Auszugehen sei bei diesem Vergleich nicht von der Bilanz, die nach Beendigung der Investitionen aufgestellt worden sei, sondern von der Bilanz, die dem Zeitpunkt der Kreditgewährung möglichst nahekomme. Im Streitfall entspreche die Bilanz vom 30. September 1952 diesen Voraussetzungen. Hiernach ständen einem Anlagevermögen von 405.294 DM als Eigenkapital das Grundkapital von 300.000 DM und die gesetzliche Rücklage von 110.127 DM abzüglich des Verlustvortrages von 85.141 DM, also ein Betrag von 324.986 DM gegenüber, so daß sich ein Fehlbetrag von 80.308 DM ergäbe. Da der Begriff "Eigenkapital" nicht dem Begriff "Betriebsvermögen" im Sinne des BewG entspreche, könnten Pensionsrückstellungen nicht zum Eigenkapital gerechnet werden. Nur Darlehen in Höhe des Unterschiedsbetrages von 80.308 DM ersetzten demnach bei der Bgin. eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung; sie lösten insoweit Gesellschaftsteuerpflicht aus, da der Alleingesellschafter sich für diese Kredite selbstschuldnerisch verbürgt habe.

Mit der Rb. erstrebt der Vorsteher des Finanzamts die Wiederherstellung der vom Finanzgericht abgeänderten Einspruchsentscheidung. Er beanstandet, daß das Finanzgericht seiner Berechnung eine Bilanz zugrunde gelegt habe, in der die Investitionen noch nicht ausgewiesen worden seien, während die Bgin. in ihr auf Grund der Investitionsdarlehen ein Bankguthaben von 405.294 DM ausweise, aus dem sie im folgenden Wirtschaftsjahr den Bau der Werkhalle und den Ankauf von Maschinen finanziert habe. Die Richtigkeit dieser überlegung ergebe sich im übrigen daraus, daß das Anlagevermögen am 30. September 1952 nur 405.294 DM, am 30. September 1953, also nach Durchführung der Investitionen aber 948.808 DM betragen habe, während noch zum 30. September 1951 eine Unterdeckung des Anlagevermögens von 96.545 DM bestanden habe.

Die Bgin. hat Anschlußbeschwerde erhoben und beantragt, sie von der Gesellschaftsteuer freizustellen. Sie macht geltend, daß es für die Beurteilung der Frage, ob die Kredite eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzen, allein auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Kreditaufnahme ankomme. Zu Unrecht habe das Finanzgericht bei der Gegenüberstellung von Anlagevermögen und Eigenkapital nicht berücksichtigt, daß sowohl die Pensionsrückstellungen (entsprechend dem Urteil des Bundesfinanzhofs III 161/54 S vom 26. Juli 1957, BStBl 1957 III S. 314, Slg. Bd. 65 S 206) als auch ein früher gewährtes Darlehen von 100.000 DM dem Eigenkapital zuzurechnen seien. Gehe man von einem Anlagevermögen von 405.294 DM entsprechend 100 v. H. aus, so stehe ihm unter Berücksichtigung der Pensionsrückstellung von 66.640 DM und des früheren Darlehens von 100.000 DM ein Eigenkapital von 491.626 DM 123,3 v. H. des Anlagevermögens gegenüber. Nach der übersicht im Statistischen Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1956 S. 184 habe für die Eisen- und Stahlindustrie das gesamte Anlagevermögen 2.877,4 Millionen DM (100 v. H.) betragen. Ihm hätten Grundkapital und Rücklagen von 2.456,9 Millionen DM (= 85,4 v. H.) und langfristige Verbindlichkeiten von 347 Millionen DM (12,1 v. H.), insgesamt also 2.803,9 Millionen DM (= 97,5 v. H.) gegenübergestanden. Hiernach sei in der deutschen Eisen- und Stahlindustrie das Anlagevermögen im Jahr 1952 nur zu 85,4 v. H. durch Eigenkapital gedeckt gewesen, während die Bgin. ihr Anlagevermögen, ohne Berücksichtigung des langfristigen Kredits, zu 96,6 v. H. habe decken können. Wenn man die Verhältnisse nach Durchführung der Investitionen zugrunde lege, entspreche das Eigenkapital unter Berücksichtigung von Grundkapital, Rücklagen, Pensionsrückstellungen und des Gegenwerts der § 7 c)- Darlehen noch zu 53,7 v. H. dem Anlagevermögen von 948.808 DM. Da die Bgin. am 1. April 1953 kein Eisen- und Stahlwerk mehr betrieben habe, seien von da an nur noch die Zahlen der Kapitalstruktur der Gesellschaften im Wohnungs- und Grundstückswesen vergleichbar. Nach der Zusammenstellung der Gruppe 711 im genannten Statistischen Jahrbuch S. 186 stünden einem Anlagevermögen dieser Wirtschaftsgruppe von 2.196,8 Millionen DM (= 100 v. H.) Grundkapital und Rücklagen von zusammen nur 300,6 Millionen DM (13,7 v. H.) gegenüber. Das Deckungsverhältnis der Bgin. von 53,7 v. H. sei somit wesentlich günstiger als der Bundesdurchschnitt von nur 13,7 v. H. Für die zu entscheidende Frage, ob Darlehen eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzten, seien diese Vergleichszahlen von großer Bedeutung, denn bei einer weitestgehend auf Kredit aufgebauten Volkswirtschaft könne der nach der Sachlage gebotene Eigenkapitalbedarf nur hieraus ermittelt werden. Eigenkapitalzuführung sei nur insoweit geboten, als das Eigenkapital entweder, bezogen auf die Bilanzsumme, niedriger liege als die aus den Zahlen des Bundesamtes für Statistik ermittelten Eigenkapitalprozentsätze des betreffenden oder verwandten Erwerbszweiges oder die Relation zwischen Eigenkapital und Anlagevermögen im Einzelfall ungünstiger sei als nach dem statistischen Ergebnis der betreffenden Branche (vgl. Zintzen a. a. O. S. 166). Die Verkehrsauffassung sei Spiegelbild der Finanzierungspraxis ordentlicher Kaufleute. Wie diese Praxis zeige, sei langfristiger Kapitalbedarf für Investitionszwecke nicht allein durch Eigenkapital zu finanzieren. Die Verhältnisse der Bgin. lägen, gleichviel unter welchen Gesichtspunkten man sie untersuche, günstiger als bei dem Bundesdurchschnitt der Unternehmen des gleichen Wirtschaftszweiges.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts, deren Entscheidung mit Rücksicht auf das beim Bundesverfassungsgericht anhängig gewesene Normenkontrollverfahren 2 BvL 1/59, das durch Beschluß vom 10. Oktober 1961 (BStBl 1961 I S. 716) abgeschlossen worden ist, zurückgestellt war, hat im wesentlichen Erfolg. Dagegen ist die Anschlußbeschwerde unbegründet.

Nach § 3 Abs. 1 KVStG 1934 unterliegt der Gesellschaftsteuer auch die Gewährung von Darlehen an eine inländische Kapitalgesellschaft durch einen Gesellschafter, wenn die Darlehensgewährung eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzt. Leistet ein Gesellschafter für das Darlehen eines Dritten Sicherheit, so gilt gemäß § 3 Abs. 2 KVStG 1934 auch dessen Darlehen als Darlehen eines Gesellschafters.

Da alle übrigen Voraussetzungen im Streitfall unstreitig vorliegen, ist nur noch darüber zu entscheiden, ob die Darlehnsgewährung in allen Fällen eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzte. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats ersetzt ein Kredit eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung in aller Regel dann, wenn der Kredit für Investitionszwecke verwendet wird, es sich bei dem Kredit um einen mittel- oder langfristigen Kredit handelt und die Deckung des Investitionsbedarfs der Gesellschaft aus eigenen Mitteln nicht möglich ist. Dabei kommt, wenn es sich um einen Investitionskredit handelt, dem Verhältnis des Eigenkapitals zum Fremdkapital regelmäßig keine ausschlaggebende Bedeutung zu (vgl. u. a. die Urteile des erkennenden Senats II 7/53 U vom 3. September 1953, BStBl 1953 S. 283, Slg. Bd. 57 S. 743 und II 46/53 U vom 14. Oktober 1953, BStBl 1954 III S. 5, Slg. Bd. 58 S. 235, StRK, Kapitalverkehrsteuergesetz, § 3, Rechtsspruch 10, sowie das amtlich nicht veröffentlichte Urteil II 158/55 vom 14. August 1957, Deutsche Steuer-Rundschau 1957 S. 450). Zwar ist die Wirtschaftsordnung auch auf Kredit aufgebaut, was insbesondere für die Nachkriegszeit galt. Das ändert aber nichts daran, daß Investitionen in aller Regel eine Kapitalzuführung erfordern. übrigens hat auch das Bundesverfassungsgericht in dem eingangs erwähnten Normenkontrollverfahren in der Begründung seines Beschlusses vom 10. Oktober 1961, a. a. O., die vom Bundesfinanzhof für Investitionskredite aufgestellten Grundsätze aus verfassungsrechtlicher Sicht gebilligt und sie für geeignet erklärt, im Einzelfall zu ermitteln, ob der Rechtsvorgang der Darlehnsgewährung gesellschaftsteuerpflichtig ist oder nicht.

Im Streitfall dienten die Kredite nach den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts als langfristige Darlehen in vollem Umfange Investitionszwecken. Diese Feststellungen sind jedoch mit dem klaren Inhalt der Akten nicht in übereinstimmung zu bringen. Nach dem Darlehnsvertrag vom 7. Juli 1952 wurde der Kredit aus den Mitteln des Soforthilfefonds nur in Höhe von 350.000 DM für Investitionen und wegen des Restbetrages von 50.000 DM zur Stärkung der Betriebsmittel gewährt. Mangels gegenteiliger substantiierter Feststellungen kann daher nur von einem langfristig gewährten Investitionsdarlehen von 350.000 DM ausgegangen werden, dies um so mehr, als die Bgin. in ihrem "Nachweis über die Verwendung des Soforthilfekredits" unter dem 8. September 1952 eine überweisung von 50.000 DM auf ihr Konto bei der Kreissparkasse ausgewiesen hat. Da alle übrigen Posten Aufwendungen für Investitionen nachweisen, muß hieraus geschlossen werden, daß die Bgin. den Betrag von 50.000 DM bestimmungsgemäß zur Stärkung ihrer Betriebsmittel verwendet hat. Die Entscheidung des Finanzgerichts, die von einem anderen Sachverhalt ausging, ist schon wegen dieses Verstoßes gegen den klaren Inhalt der Akten aufzuheben.

Die Sache ist bei freier Beurteilung spruchreif. Nach dem oben Gesagten ist davon auszugehen, daß die Bgin. langfristige Kredite von zusammen 470.000 DM (120.000 DM und 350.000 DM) für Investitionszwecke verwendet hat. Gesellschaftsteuerpflicht ist nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats gegeben, wenn der Bgin. die Deckung des Investitionsbedarfs der Gesellschaft aus eigenen Mitteln nicht möglich ist. Maßgebender Zeitpunkt, in dem Deckung für den Investitionsbedarf gegeben sein muß, ist der Tag des Zufließens der darlehnsweise überlassenen Mittel (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs II 69/53 U vom 3. September 1953, BStBl 1953 III S. 284, Slg. Bd. 57 S. 747), im Streitfall also ein aus den Akten nicht feststellbarer Tag im Januar 1952 und der 19. August 1952. Da mangels entsprechender Wertfeststellung am Stichtag die Notwendigkeit einer Kapitalzuführung im allgemeinen nicht beurteilt werden kann, ist, wie das Finanzgericht mit Recht hervorhebt, von der Bilanz auszugehen, die dem Zeitpunkt der Kreditgewährung möglichst nahekommt. Das ist im Streitfall die Bilanz vom 30. September 1952. Was das Finanzgericht jedoch übersehen hat, ist der Umstand, daß der Investitionsbedarf einer Gesellschaft nur dann aus eigenen Mitteln gedeckt werden kann, wenn sowohl das vorhandene Anlagevermögen als auch die beabsichtigten Investitionen in ihrem Wert dem Eigenkapital entsprechen. Es hätte daher bei der Gegenüberstellung von Anlagevermögen und Eigenkapital nicht von dem bilanzmäßig ausgewiesenen Wert des Anlagevermögens ausgehen dürfen, selbst dann nicht, wenn man wegen der Geringfügigkeit der Abweichungen im Streitfall davon absieht, daß Grundlage eines derartigen Vergleichs nicht die steuerliche Erfolgsbilanz, sondern eine nach den Grundsätzen der allgemeinen Bewertungsvorschriften des BewG (§§ 2 bis 17 BewG) aufgestellte Vermögensbilanz zu sein hat. Die Vorinstanz hätte aus diesem Grunde dem in der Bilanz zum 30. September 1952 ausgewiesenen Anlagevermögen von 405.294 DM noch den Betrag hinzusetzen müssen, der am Stichtag erforderlich erschien, um die beabsichtigten Investitionen zu finanzieren. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte können dabei die tatsächlichen Kosten zugrunde gelegt werden, die in der Bilanz ihren Niederschlag gefunden haben, die nach Beendigung der Investitionen aufgestellt worden ist. Im Streitfall ergibt sich aus der Bilanz zum 30. September 1953 ein Zuwachs an Anlagevermögen im Wert von 543.514 DM (948.808 DM ./. 405.294 DM). Somit ist von einem Anlagevermögen und einem Investitionsbedarf an den Stichtagen von rund 948.000 DM auszugehen. Dem stand, wie das Finanzgericht zutreffend festgestellt hat, nur ein Eigenkapital von rund 325.000 DM gegenüber. Die Angriffe der Bgin. gegen diese Wertfeststellung der Vorinstanz gehen fehl. Das zur Verfügung stehende Eigenkapital errechnet sich durch Abzug des Wertes aller Verbindlichkeiten von dem Wert des Vermögens. Bei Beachtung der für die Gesellschaftsteuer maßgebenden Bewertungsgrundsätze des BewG ist entgegen der Auffassung der Bgin. kein Raum für eine Erhöhung des Ansatzes für das Eigenkapital durch Berücksichtigung von Pensionsrückstellungen und Wertberichtigungen für § 7 c)- Darlehen. Hinsichtlich der Pensionsrückstellungen ist den Akten nicht zu entnehmen, ob es sich insoweit um laufende Pensionen oder Pensionsanwartschaften handelt. Laufende Pensionsverpflichtungen gehören zu den Betriebsschulden. Aber auch Rückstellungen für Pensionsanwartschaften können nicht als Eigenkapital behandelt werden, selbst wenn sie in etwa eigenkapitalähnliche Züge aufweisen und von Unternehmen für Investitionszwecke benutzt werden sollen. Das von der Bgin. angeführte Urteil des Bundesfinanzhofs III 161/54 S vom 26. Juli 1957 ist durch das Urteil III 125/61 S vom 8. September 1961 (BStBl 1962 III S. 19) überholt. Wegen des Darlehens nach § 7 c EStG sei darauf hingewiesen, daß er erstmals an der hier nicht interessierenden Bilanz zum 30. September 1953 ausgewiesen wird und somit schon aus diesem Grunde an den Stichtagen im Januar und August 1952 nicht berücksichtigt werden kann.

Der Fehlbestand an Eigenkapital beträgt somit bei der Gegenüberstellung eines Anlagevermögens und eines Investitionsbedarfs von zusammen rund 948.000 DM und eines Eigenkapitals von rund 325.000 DM etwa 623.000 DM. Er ist demnach höher als die gewährten langfristigen Investitionskredite von zusammen 470.000 DM.

Die Bgin. wendet sich unter Berufung auf zahlreiches statistisches Material zu Unrecht gegen den vom erkennenden Senat in ständiger Rechtsprechung aufrechterhaltenen Grundsatz, daß Anlagevermögen in erster Linie durch Eigenkapital und nur in Ausnahmefällen ergänzend durch langfristiges Fremdkapital finanziert werden soll, um Liquiditätsschwierigkeiten besonders in etwaigen Krisenzeiten zu vermeiden. Die Finanzierung von Anlagevermögen durch langfristiges Fremdkapital ist gesellschaftsteuerrechtlich bisher in begrenztem Umfang nur beim Wohnungsbau und beim Schiffsbau anerkannt worden (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs II 56/52 S vom 7. Mai 1952, BStBl 1952 III S. 181, Slg. Bd. 56 S. 468, StRK, Kapitalverkehrsteuergesetz, § 3, Rechtsspruch 2; II 176/57 U vom 28. März 1962, BStBl 1962 III S. 236, und II 201/52 U vom 4. März 1953, BStBl 1953 III S. 129, Slg. Bd. 57 S. 327, StRK, Kapitalverkehrsteuergesetz, § 3, Rechtsspruch 6). Alle übrigen Investitionen in das Anlagevermögen lösen hiernach Gesellschaftsteuer aus. Weder der zu entscheidende Sachverhalt noch die Ausführungen der Bgin. geben dem Senat Veranlassung, von dieser Regel abzuweichen. Die statistischen Zahlen, die die Bgin. vorgetragen hat, können nur belegen, welche Finanzierungsmethoden von den Unternehmern einer Branche in einem bestimmten Zeitraums gewählt worden sind, welche Finanzierungen also verkehrsüblich waren. Wie der Senat stets betont hat, kommt es nach dem Gesetz nicht entscheidend auf die Verkehrsüblichkeit, sondern auf das nach der Sachlage Gebotene an (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs II 56/52 S vom 7. Mai 1952, a. a. O.). Der Betriebswirtschaftslehre ist es allerdings bisher nicht gelungen, eine wissenschaftlich gesicherte Erkenntnismethode zur Ermittlung des wirtschaftlich gebotenen Eigenkapitals zu entwickeln (vgl. Lohmann in Die Wirtschaftsprüfung 1959 S. 141, 148, Abschn. VII, und Ewers, Die Problematik der Gesellschaftsteuerpflicht bei der Hingabe von Gesellschafterdarlehen, Düsseldorf 1962 S. 40, und Steuerberater-Jahrbuch 1960/61 S. 347, 354). Das kann aber, wie das Finanzgericht München in seiner Entscheidung IV 92/57 vom 12. Juni 1959, Entscheidungen der Finanzgerichte 1959 S. 412, und ihm folgend Ewers, a. a. O. S. 70, mit Recht hervorheben, die Anwendung bestimmter Grundsätze bei der Auslegung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs nicht hindern. Ewers (a. a. O. S. 363) ist zuzustimmen, wenn er ausführt, daß in der Rechtsordnung die Erscheinung nicht selten ist, daß im gesetzlichen Tatbestand verwendete Begriffe, die ihrer Natur nach außerrechtlichen Lebensbereichen angehören, wie etwa die strafrechtlichen Begriffe Schuld und Kausalität, durch die Rechtsentwicklung eine Ausgestaltung finden, die sie erst für die praktische Rechtsanwendung brauchbar machen. Wann demnach eine Kapitalzuführung durch die Sachlage geboten ist, ist auf Grund rechtlicher überlegungen zu ermitteln. Auszugehen ist dabei von dem Grundgedanken der Gesellschaftsteuer. Sie beruht auf der überlegung, daß die Vereinigung von Vermögensbestandteilen verschiedener Personen zu einer einheitlichen Vermögensmasse einen Mehrwert hervorbringt. Es können Erfolge erzielt werden, die für den Einzelnen zu erreichen unmöglich oder deren Verfolgung für den Einzelnen mit zu großem Wagnis verbunden ist. In Betracht kommt auch die leichte Veräußerlichkeit der entstehenden Anteile und die Beschränkung der Haftung. Alle diese Vorteile sind verbunden mit dem Gesellschaftsrecht (so Begründung zum Kapitalverkehrsteuergesetz vom 16. Oktober 1934, RStBl 1934 S. 1460, 1462 rechte Spalte zweiter Absatz). Da Grundlage der wirtschaftlichen Betätigung jeder Gesellschaft in aller Regel ihr Anlagevermögen ist, ist es nach Sinn und Zweck des Kapitalverkehrsteuergesetzes geboten, alle Aufwendungen für das Anlagevermögen der Gesellschaftsteuer zu unterwerfen. Abzulehnen ist aus diesen Gründen die Ansicht von Ewers, a. a. O. S. 72, die von der Bgin., wie ihr Vorbringen erkennen läßt, geteilt wird, daß die Verkehrsüblichkeit als objektiver Maßstab für die Beurteilung genügen müsse, wann eine Darlehnsgewährung eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzt. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem schon erwähnten Beschluß 2 BvL 1/59 vom 10. Oktober 1961 die Ansicht des Gutachtens von Lohmann, a. a. O., nicht geteilt, sondern daran festgehalten, daß Anlagevermögen in der Regel durch Eigenkapital finanziert werden soll. Kommt es demnach nur auf die Frage an, ob das Eigenkapital der Bgin. am Stichtag ausgereicht hat, das Anlagevermögen zu decken und das Investitionsvorhaben zu finanzieren, kann es auf das Vorbringen der Bgin., soweit sie Vergleiche mit den Finanzierungsmethoden branchengleicher Betriebe anstellt, nicht ankommen.

Die Bgin. hat sich in den Vorinstanzen noch darauf berufen, daß sie die Investitionen, für die das Darlehen der Industriekreditbank gewährt worden sei, schon vor Erhalt des Kredites aus eigenen Mitteln durchgeführt habe. Abgesehen davon, daß sie sich in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht mehr hierauf berufen hat, ist den Vorinstanzen darin zuzustimmen, daß eine Vorfinanzierung aus Betriebsmitteln einem Investitionsdarlehen den kapitalersetzenden Charakter nicht nehmen kann, denn ohne Aussicht auf diesen Kredit hätte die Bgin. ihre Betriebsmittel nicht vorübergehend für Investitionen einsetzen können.

Nach alledem ist der Anschlußbeschwerde der Erfolg zu versagen.

Auf die Rb. des Vorstehers des Finanzamts sind die Vorentscheidungen aufzuheben und die Gesellschaftsteuer gemäß § 3 in Verbindung mit § 8 Ziff. 5 und § 9 Abs. 1 KVStG 1934 auf 3 v. H. von 470.000 DM, mithin auf 14.100 DM festzusetzen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410577

BStBl III 1962, 445

BFHE 1963, 489

BFHE 75, 489

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