Leitsatz (amtlich)

Als "Eigenkapital" im Sinne des § 19 GewStDV kann nur ein positiver Wert in Betracht kommen. Ist das "Eigenkapital" negativ, so können Dauerschulden bei Kreditinstituten höchstens in Höhe des Ansatzes der zum Anlagevermögen gehörenden Grundstücke und Beteiligungen angenommen werden.

 

Normenkette

GewStG § 12 Abs. 2 Nr. 1; GewStDV § 19

 

Tatbestand

Bei der Revisionsbeklagten (Steuerpflichtigen), einer in der Rechtsform der Genossenschaft betriebenen Raiffeisenkasse, überwiegt das Geldgeschäft (Kreditgeschäft) das Warengeschäft. Die Steuerpflichtige ist als Kreditinstitut im Sinne des Gesetzes über das Kreditwesen vom 10. Juli 1961 - KWG - (BGBl I 1961, 881) anerkannt.

Der Einheitswert für den gewerblichen Betrieb der Steuerpflichtigen wurde vom Revisionskläger (FA) auf den 1. Januar 1963 auf minus 34 000 DM (negativer Einheitswert) festgestellt. Zwischen den Beteiligten besteht im Hinblick auf diesen negativen Einheitswert Streit darüber, wie die Dauerschulden der Steuerpflichtigen zu berechnen sind.

Die Steuerpflichtige ermittelte ihre Dauerschulden für den streitigen Erhebungszeitraum 1963 wie folgt:

A n l a g e v e r m ö g e n :

a) Betriebsgrundstücke (Einheitswert) 42 450 DM

b) Beteiligungen 24 617 DM

Dauerschulden nach § 19 der Gewerbe-

steuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) 67 067 DM

Das FA bezog demgegenüber den negativen Einheitswert des gewerblichen Betriebs der Steuerpflichtigen in die Berechnung der Dauerschulden mit ein und nahm somit Dauerschulden in Höhe von (67 067 DM + 34 000 DM =) 101 067 DM an, die es der Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrags 1963 zugrunde legte.

Nachdem der Einspruch der Steuerpflichtigen ohne Erfolg geblieben war, setzte das FG auf die Berufung der Steuerpflichtigen unter Abänderung der Einspruchsentscheidung und des angefochtenen Gewerbesteuermeßbescheids den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag herab. Seine Entscheidung begründete es wie folgt:

Nach § 19 GewStDV seien bei Kreditinstituten, zu denen die Steuerpflichtige wegen des Umfangs ihres Geldgeschäfts gehöre, Dauerschulden nur insoweit anzunehmen, als der Ansatz der zum Anlagevermögen gehörigen Betriebsgrundstücke (einschließlich Gebäude) und dauernden Beteiligungen das Eigenkapital überschreite. Unter "Eigenkapital" im Sinne des § 19 GewStDV könne nur ein positiver Wert verstanden werden. Das ergebe sich einmal aus dem Sinn der Bestimmung, zum anderen aber auch daraus, daß nach der Wortbedeutung und dem kaufmännischen Sprachgebrauch Eigenkapital nichts anderes sei als der Überschuß der Besitzposten über die Verbindlichkeiten. Von Eigenkapital, also einem Kapital, das einem zu eigen sei, könne nicht mehr gesprochen werden, wenn die Schulden überwiegen würden. Dann handle es sich um Fremdkapital. Der negative Einheitswert des Betriebsvermögens sei kein Eigenkapital im Wortsinne und könne daher kein Eigenkapital im Sinne des § 19 GewStDV sein.

Nach dem Sinn und Zweck des § 19 GewStDV seien Dauerschulden nur insoweit anzunehmen, als das in Betriebsgrundstücken und dauernden Beteiligungen angelegte Kapital das vorhandene (positive) Eigenkapital überschreite und damit Fremdkapital in diesen Daueranlagen festgelegt sei.

Zwar seien die Einheitswerte des Betriebsvermögens in allen Fällen, in denen zum Betriebsvermögen Betriebsgrundstücke gehörten, gemessen an den heutigen Verkehrswerten zu niedrig festgestellt. Diese Wertfeststellung entspreche jedoch den gesetzlichen Vorschriften (§§ 54, 57, 63 BewG; § 12 Abs. 1 GewStG). Es gehe nicht an, diese Werte nur im Falle eines negativen Einheitswerts des Betriebsvermögens bei Kreditinstituten zu erhöhen, in allen anderen Fällen aber die, gemessen an den Verkehrswerten, zu niedrigen Einheitswerte der Berechnung des Gewerbekapitals zugrunde zu legen, zumal sich eine bestimmte Relation zwischen dem negativen Einheitswert, dem Verkehrswert oder Buchwert der Grundstücke und den Dauerschulden nicht feststellen lasse. Auch unter diesem Gesichtspunkt könne daher das den gesetzlichen Vorschriften widersprechende Verfahren des FA nicht zulässig sein.

Mit der Revision beantragt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben. Zur Begründung führt es aus, daß zwar nach Wortbedeutung und kaufmännischem Sprachgebrauch Eigenkapital nichts anderes sei als der Überschuß der Besitzposten über die Verbindlichkeiten, also ein positiver Wert. Diese Begriffsbestimmung des Eigenkapitals sei vom RFH im Urteil I 448/39 vom 16. April 1940 (RStBl 1940, 749) aber nur für die Frage gebilligt worden, ob zum Eigenkapital einer öffentlichen Sparkasse auch der Gewinn des Jahres zu rechnen sei. Im vorliegenden Falle gehe es jedoch darum, wie Dauerschulden bei einem negativen Betriebsvermögen eines Kreditinstitutes zu errechnen seien. Als Dauerschuld solle nur der Betrag des Fremdkapitals angesehen werden, der in Betriebsgrundstücken und Beteiligungen festgelegt sei und das Eigenkapital übersteige. Bei einem negativen Einheitswert übersteige der Wert der Betriebsgrundstücke und dauernden Beteiligungen das Eigenkapital aber nicht nur bis auf 0 DM, sondern noch weiter bis zur Höhe des negativen Betriebsvermögens. Es sei daher nur folgerichtig, den negativen Einheitswert dem Wert der Grundstücke und dauernden Beteiligungen hinzuzurechnen.

Die Steuerpflichtige beantragt, im wesentlichen unter Bezugnahme auf die Vorentscheidung, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

Gemäß § 12 Abs. 1 GewStG gilt als Gewerbekapital grundsätzlich der Einheitswert des gewerblichen Betriebs im Sinne des BewG. Abweichungen hiervon ergeben sich jedoch u. a. insofern, als dem Einheitswert solche Verbindlichkeiten hinzuzurechnen sind, die wirtschaftlich mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebs (Teilbetriebs) oder eines Anteils am Betrieb oder mit einer Erweiterung oder Verbesserung des Betriebs zusammenhängen oder der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen (§ 12 Abs. 2 Nr. 1, § 8 Nr. 1 GewStG). Wann Verbindlichkeiten solcher Art vorliegen, ist im allgemeinen von Fall zu Fall den Gesamtumständen zu entnehmen. Handelt es sich bei dem in Betracht kommenden Steuerpflichtigen um ein Unternehmen, für das die Vorschriften des KWG gelten, so sind nach § 19 GewStDV Dauerschulden nur insoweit anzunehmen, als der Ansatz der zum Anlagevermögen gehörigen Betriebsgrundstücke (einschließlich Gebäude) und dauernden Beteiligungen das Eigenkapital überschreitet.

Schon der Wortlaut dieser Bestimmung zwingt - entgegen der Auffassung des FA - nicht dazu, auch das sogenannte "negative Eigenkapital" bei der Berechnung der Dauerschulden zu berücksichtigen; denn der mitunter sprachlich ungenau als "negatives Eigenkapital" bezeichnete Überschuß der Verbindlichkeiten über die Besitzposten ist kein Eigenkapital. Dem FG ist zuzustimmen, wenn es als Eigenkapital im Sinne von § 19 GewStDV nur ein Kapital versteht, das dem Gewerbetreibenden zu eigen ist.

Der Sinn des § 19 GewStDV spricht zudem nach Auffassung des Senats eindeutig gegen eine Berücksichtigung des "negativen Eigenkapitals" bei der Berechnung der Dauerschulden. Die Bestimmung grenzt, wie der RFH im Urteil I 153/38 vom 31. Mai 1938 (RStBl 1938, 787) ausgeführt hat, den Begriff Dauerschulden für den Bereich der Kreditinstitute erschöpfend ab. Diese Abgrenzung beruht auf der Überlegung, daß die Kreditinstitute wirtschaftlich nur Durchlaufstellen des Geld- und Kreditverkehrs sind, also nach der Grundregel des Kreditgeschäfts keinen anders gearteten Kredit geben sollen, als sie nehmen. Artmäßig sollen das Aktiv- und das Passivgeschäft der Banken übereinstimmen. Auf der Passivseite steht das - kurzfristige und langfristige - Fremdkapital, wobei es keinen Unterschied ausmacht, ob es sich um Spareinlagen, Depositen, kurz-, mittel- oder langfristige Kredite, Kontokorrentkredite, Anleihen, Hypotheken oder Pfandbriefschulden handelt. Das Aktivgeschäft bilden demgegenüber die ausgeliehenen Geldbeträge der verschiedensten Form. Als Dauerschulden soll nur der Betrag des Fremdkapitals angesehen werden, der in Betriebsgrundstücken und Beteiligungen festgelegt ist (vgl. RFH-Urteil I 153/38, a. a. O.).

Die zum Anlagevermögen gehörenden Grundstücke und dauernden Beteiligungen werden in der Regel voll durch Eigenkapital und durch langfristige Verbindlichkeiten finanziert. In Anwendung dieses Erfahrungssatzes wird in den Fällen, in denen das Eigenkapital geringer als der Buchwert der zum Anlagevermögen gehörenden Grundstücke und Beteiligungen ist, unterstellt, daß der nicht durch Eigenkapital gedeckte Teil des Ansatzes der Grundstücke und Beteiligungen durch langfristige Verbindlichkeiten finanziert wurde, d. h. durch Verbindlichkeiten, die wirtschaftlich mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebs oder eines Anteils am Betrieb oder mit der Erweiterung oder Verbesserung des Betriebs zusammenhängen. Nur diese Verbindlichkeiten, die im allgemeinen aus den verschiedenartigen Schulden des Kreditinstituts nicht gegenständlich ausscheidbar sind, gelten als Dauerschulden.

Das Eigenkapital stellt im Rahmen der Ermittlung der als Dauerschuld anzusehenden Verbindlichkeiten nur eine von zwei rechnerischen Größen dar. Die Höhe der fiktiven Dauerschulden wird jedoch stets begrenzt durch die andere Größe, nämlich den Wertansatz der zum Anlagevermögen gehörenden Grundstücke und Beteiligungen; denn nur hinsichtlich dieser Teile des Anlagevermögens gilt der Erfahrungssatz, daß sie mit Eigenkapital oder langfristigen Verbindlichkeiten finanziert wurden, uneingeschränkt.

Die rechnerische Größe "Eigenkapital", die bei Kreditinstituten schon als Folge der Vorschriften des KWG in der Regel nur einen positiven Wert darstellt, nämlich den Überschuß des Vermögens über die Schulden, kann aus mannigfachen Gründen gelegentlich negativ sein. Tritt dieser Fall ein, so können, will man der oben angeführten gedanklichen Voraussetzung für die in § 19 GewStDV vorgenommene Fiktion der Dauerschulden bei Kreditinstituten entsprechen, Dauerschulden gleichwohl nur in Höhe des Ansatzes der zum Anlagevermögen gehörenden Grundstücke und Beteiligungen angenommen werden. Würde man zur Ermittlung der Dauerschulden diesem Ansatz die Höhe des "negativen Eigenkapitals" hinzurechnen, so würden im Ergebnis nicht nur die Grundstücke und Beteiligungen, sondern darüber hinaus auch andere Aktivposten als mit langfristigen Verbindlichkeiten finanziert betrachtet werden. Dies widerspräche aber dem dargestellten Sinn der in § 19 GewStDV getroffenen Regelung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68657

BStBl II 1969, 667

BFHE 1969, 409

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