Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Auch bei einem landwirtschaftlichen Betrieb können Wertpapiere gewillkürtes Betriebsvermögen sein.

Die übernahme eines Wirtschaftsguts ins Betriebsvermögen ist ein Betriebsvorgang, der in der Regel nur durch einen anderen Betriebsvorgang (Entnahme) mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben werden

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1

 

Tatbestand

Zu entscheiden ist bei den Einkommensteuerveranlagungen 1957 und 1958, ob Wertpapiere zum gewillkürten Betriebsvermögen eines landwirtschaftlichen Betriebes gemacht werden können.

Die Bfin. ist Inhaberin eines im Handelsregister eingetragenen Weingutes. Vor ihr war ihr Ehemann Inhaber dieser Firma. Er ist im Jahre 1959 verstorben.

Bis zu einer Betriebsprüfung im Jahre 1959 hatte das Finanzamt die Einkünfte des Weingutes als gewerbliche Einkünfte behandelt. Auf Grund dieser Betriebsprüfung sah es die Einkünfte rückwirkend ab 1952 als solche aus Land- und Forstwirtschaft an.

Der Gewinn aus dem Betrieb des Weingutes wurde durch Vermögensvergleich (ß 4 Abs. 1 EStG) ermittelt. Gewinnermittlungszeitraum war das Wirtschaftsjahr vom 1. Juli bis 30. Juni.

Im Wirtschaftsjahr 1956/57 erwarb der Ehemann der Bfin. (E.) mit Mitteln des Betriebes Wertpapiere im Werte von 205 697 DM. Er verbuchte sie auf ein betriebliches Depotkonto und aktivierte sie in der Bilanz vom 30. Juni 1957. Einen Teil dieser Wertpapiere verkaufte E. im Wirtschaftsjahr 1957/58 mit einem Gewinn von 10.751 DM. In der Bilanz vom 30. Juni 1958 erschien unter den Aktiva der Restbestand der Wertpapiere mit 171 435 DM. In der Verlust- und Gewinnrechnung für das Wirtschaftsjahr 1957/58 waren der Veräußerungsgewinn von 10 751 DM und die sonstigen Erträgnisse der Wertpapiere in Höhe von 11 499 DM, die auf betriebliche Konten gebucht worden waren, als Erträge ausgewiesen. Sie waren auch in der Einkommensteuererklärung 1957 entsprechend der Verlust- und Gewinnrechnung vom 30. Juni 1958 zur Hälfte enthalten. Bei der Einkommensteuererklärung 1958 stellte sich die Bfin. auf den Standpunkt, die Wertpapiere hätten von Anfang an nicht zum Betriebsvermögen gehört, die Bilanzen seien also zu berichtigen. Aus dem Gewinn des Wirtschaftsjahres 1957/58 seien der Veräußerungsgewinn und die Wertpapiererträge auszuscheiden. Es seien daher in den Veranlagungszeiträumen 1957 und 1958 nur die entsprechend ermäßigten Gewinne als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, der Veräußerungsgewinn als in der privaten Sphäre liegend überhaupt nicht und die Wertpapiererträge als Einkünfte aus Kapitalvermögen - und zwar die jeweils in den Veranlagungszeiträumen, nicht in den abweichenden Wirtschaftsjahren erzielten Erträge - zu versteuern.

Das Finanzamt legte bei der endgültigen Veranlagung 1957 und der vorläufigen Veranlagung 1958, bei denen E. und die Bfin. antragsgemäß als Eheleute zusammen veranlagt wurden, die nicht streitigen Ergebnisse der Betriebsprüfung zugrunde. Es behandelte den Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf der Wertpapiere und die Erträge aus diesen Papieren als betriebliche Gewinne.

Hiergegen richtete sich die Sprungberufung der Bfin., die ohne Erfolg blieb.

Das Finanzgericht führte aus, die Wertpapiere hätten zum gewillkürten Betriebsvermögen gemacht werden können. Nicht nur Gewerbetreibende, die ihren Gewinn nach § 5 EStG ermitteln, könnten gewillkürtes Betriebsvermögen haben, sondern auch Steuerpflichtige, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG feststellten. Auch ein landwirtschaftlicher Betrieb könne Wertpapiere zum Betriebsvermögen ziehen. Die Wertpapiere hätten auch in einem gewissen objektiven Zusammenhang mit dem landwirtschaftlichen Betrieb gestanden und seien diesen zu fördern bestimmt und geeignet gewesen. Es liege eine Umwandlung betrieblicher Barmittel in Wertpapiere vor, deren Erträge das Betriebsvermögen hätten erhöhen und den Betrieb mit einem größeren Bestand an flüssigen Mitteln hätten versehen sollen. Der Wert der angeschafften Papiere stehe in einem angemessenen Verhältnis zum sonstigen Betriebsvermögen. Einer Bilanzsumme von 385 598 DM im Wirtschaftsjahr 1956/57 stehe zwar ein sehr hoher Wertpapierbestand von 205 697 DM gegenüber. Dieser Bestand könne jedoch nicht als zu hoch angesehen werden, wenn man berücksichtige, daß in der Bilanz wegen der Einschränkung des § 4 Abs. 1 EStG der Wert des gesamten Grund und Bodens nicht enthalten sei. Daß die Wertpapiere zum gewillkürten Betriebsvermögen hätten gemacht werden sollen, ergebe sich daraus, daß sowohl die buchungs- als auch die bilanzierungstechnischen und die steuerlichen Folgerungen gezogen worden seien. Die somit in rechtmäßiger Weise vollzogene Einreihung der Wertpapiere in das Betriebsvermögen könne nicht mehr durch eine Bilanzänderung rückgängig gemacht werden. Die Wertpapiere könnten nur durch Privatentnahme mit Wirkung für die Zukunft aus dem Vermögen entnommen werden. Ein Ausnahmefall, in dem der Bundesfinanzhof die Rückgängigmachung von Betriebsvorgängen zugelassen habe, liege nicht vor.

Gegen diese Entscheidung legte die Bfin. Rb. ein. Sie führte aus, es werde zugestanden, daß auch Land- und Forstwirte bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG gewillkürtes Betriebsvermögen haben könnten. Wertpapiere seien jedoch dem Betrieb von Land- und Forstwirtschaft wesensfremd. Nur Kaufleute könnten flüssige Betriebsmittel in Gegenstände des gewillkürten Betriebsvermögen umwandeln. Es sei nicht erwiesen, daß die Wertpapiere den Betrieb zu fördern bestimmt und geeignet gewesen seien. Sie stellten - entgegen der Ansicht des Finanzgerichts - nicht flüssige Mittel dar, sondern eine schwerer zu realisierende Kapitalanlage. Die Bilanzierung der Wertpapiere als Betriebsvermögen zu einer Zeit, als der Betrieb noch nicht als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb anerkannt, sondern als Gewerbebetrieb behandelt worden sei, bilde keinen Hinweis dafür, daß E. die Wertpapiere auch als gewillkürtes Betriebsvermögen eines landwirtschaftlichen Betriebes hätte behandelt sehen wollen. Die Motive eines Steuerpflichtigen für die steuerliche Behandlung von Vermögensgegenständen seien zwar unbeachtlich. Hier müsse man jedoch eine Ausnahme machen, weil der Steuerpflichtige nicht nur irrtümlich gemeint habe, er müsse als Gewerbetreibender mit betrieblichen Mitteln angeschaffte Wertpapiere im Betriebsvermögen führen, sondern weil er auch noch irrtümlich davon ausgegangen sei, er sei Gewerbetreibender.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Nach der grundsätzlichen Entscheidung des VI. Senats des Bundesfinanzhofs VI 10/60 S vom 15. Juli 1960 (BStBl 1960 III S. 484, Slg. Bd. 71 S. 625), der sich der I. Senat (I 185/59 S vom 19. Juli 1960, BStBl 1960 III S. 485, Slg. Bd. 71 S.629) und der erkennende IV. Senat (IV 305/59 U vom 1. Dezember 1960, BStBl 1961 III S. 154, Slg. Bd. 72 S. 419) angeschlossen haben, können Wirtschaftsgüter, die weder zum notwendigen Betriebsvermögen noch zum notwendigen Privatvermögen gehören, nur dann zum Betriebsvermögen (gewillkürtes Betriebsvermögen) gezogen werden, wenn sie "in einem gewissen objektiven Zusammenhang mit dem Betrieb stehen und ihn zu fördern bestimmt und geeignet sind".

Es ist außer Streit und entspricht der jetzt einheitlichen Rechtsprechung der Ertragsteuersenate des Bundesfinanzhofs (Urteil IV 19/55 U vom 12. Mai 1955, BStBl 1955 III S. 205, Slg. Bd. 61 S. 18; VI 10/60 S; I 185/59 S; I 103/60 S vom 22. November 1960, BStBl 1961 III S. 97, Slg. Bd. 72 S. 259; IV 305/59 U), daß auch Betriebe, die den Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG ermitteln, gewillkürtes Betriebsvermögen haben können.

Auch bei einem landwirtschaftlichen Betrieb können die objektiven und subjektiven Voraussetzungen gegeben sein, die die gewillkürte Einreihung eines Wirtschaftsgutes in das Betriebsvermögen rechtfertigen. Es mag sein, daß die objektive Eignung eines Wirtschaftsgutes für einen landwirtschaftlichen Betrieb fraglicher sein kann, als das bei einem kaufmännischen Betrieb der Fall ist. Es mag auch sein, daß die subjektive Einstellung der Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe hinsichtlich der Zugehörigkeit von ihnen gehörenden Gegenständen zum Betriebsvermögen eine andere ist als die von Kaufleuten. An der grundsätzlichen Möglichkeit, daß Landwirte gewillkürtes Betriebsvermögen haben können, ändert das indessen nichts.

Auch Wertpapiere können (gewillkürtes) Betriebsvermögen sein. Sie sind in der Regel leicht zu veräußern. Sie dienen insofern ähnlich wie Barmittel oder Bankguthaben der Erhaltung einer Liquiditätsreserve. Sie gewähren in normalen Zeiten einen höheren Ertrag als Bankguthaben und erhöhen somit laufend die vorhandenen flüssigen Reserven. Auch bei einem Weingut, das mit Jahresumsätzen von 150 000 DM bis 200 000 DM arbeitet, ist denkbar, daß die Wertpapiere ebenso wie die vorher im Betrieb angesammelten Barmittel in irgendeiner der geschilderten Arten dem Betrieb zustatten kommen können.

Ob die zur Entstehung von gewillkürtem Betriebsvermögen erforderlichen objektiven und subjektiven Voraussetzungen im einzelnen vorliegen, kann nur nach den gesamten Umständen beurteilt werden. Hier hatte E. Wertpapiere, die nach der Lage der Sache geeignet waren, an die Stelle barer Mittel zu treten, mit baren Mitteln des Betriebsvermögens angeschafft. In einem solchen Vorgang allein kann im allgemeinen eine Entnahme nicht erblickt werden, sofern die Wertpapiere nicht deutlich erkennbar einem privaten Zweck zugeführt werden. Es ist nicht erforderlich, daß - wie im Fall des Urteils des Bundesfinanzhofs VI 10/60 S - der Steuerpflichtige die Wertpapiere nur vorübergehend zur besseren Ausnutzung der vorhandenen liquiden Mittel anschafft, um sie alsbald wieder zu veräußern und den erzielten Erlös zur Anschaffung von Gegenständen des Betriebsvermögens zu verwenden und daß er diese Gegenstände dann auch tatsächlich anschafft. Diese Besonderheit des Sachverhalts hat das genannte Urteil lediglich zur Bekräftigung seiner Auffassung über die Zugehörigkeit der mit betrieblichen Mitteln angeschafften Wertpapiere zum Betriebsvermögen im damals entschiedenen Fall betont. Der Fall des Urteils des Bundesfinanzhofs VI 244/62 vom 29. November 1963 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1964 S. 237) steht dieser Auffassung nicht entgegen. Dort hatte der Steuerpflichtige, ein Wirtschaftsprüfer, die Beteiligung an einem Fremdenheim zum Zwecke der Altersversorgung, also zu einem ausgesprochen in das Gebiet der privaten Lebenshaltung fallenden Zweck, erworben. Es ist somit davon auszugehen, daß die von E. erworbenen Wertpapiere nicht zum notwendigen Privatvermögen gehörten.

E. brachte seinen Willen, die Wertpapiere als Betriebsvermögen zu behandeln, dadurch eindeutig zum Ausdruck, daß er die Wertpapiere in der Bilanz als Betriebsvermögen auswies, den Veräußerungsgewinn aus einem Teil der Wertpapiere und die Erträgnisse der Wertpapiere in die Verlust- und Gewinnrechnung aufnahm und Veräußerungsgewinn und Erträgnisse in der Einkommensteuererklärung 1957 als betriebliche Gewinne behandelte.

Unerheblich ist, daß E. die Wertpapiere dem Betrieb zu einer Zeit widmete, als der Betrieb steuerlich noch als Gewerbebetrieb behandelt wurde. Mit der Anerkennung als landwirtschaftlicher Betrieb änderte sich in tatsächlicher Beziehung an dem Betrieb und damit auch an der objektiven Beziehung des Betriebsvermögens zum Betrieb nichts. Es ist daher auch nicht erkennbar, warum die Kenntnis von einer anderen rechtlichen Beurteilung des Betriebes oder eine schnellere Klärung des Betriebscharakters durch das Finanzamt E. veranlaßt haben würde, die Wertpapiere nicht ins Betriebsvermögen aufzunehmen oder vor Entstehung des Steueranspruchs aus dem Betriebsvermögen zu entnehmen.

Die zulässige Aufnahme der Wertpapiere ins Betriebsvermögen stellte einen Betriebsvorgang dar, der in der Bilanz richtig erfaßt wurde. Eine Aufhebung von Betriebsvorgängen kann nur durch andere Betriebsvorgänge und nur mit Wirkung für die Zukunft erfolgen. Nur in besonderen Fällen hat die Rechtsprechung von diesem im Interesse der Bilanzklarheit erforderlichen Grundsatz eine Ausnahme zugelassen (Urteile des Bundesfinanzhofs IV 278/53 U vom 22. Oktober 1953, BStBl 1953 III S. 359, Slg. Bd. 58 S. 176; IV 38/53 U vom 5. November 1953, BStBl 1954 III S. 4, Slg. Bd. 58 S. 231). Es kann keine Rede davon sein, daß hier ein solcher Ausnahmefall vorliegt. Denn E. eröffnete sich durch die Aufnahme der Wertpapiere ins Betriebsvermögen die Möglichkeit, Kursverluste vom Gewinn abzusetzen. Dann muß er auch entstehende Gewinne versteuern. In solchen Fällen besteht keine Veranlassung, zuzulassen, einen Betriebsvorgang rückgängig zu machen, wenn nur Gewinne entstanden sind, die sich steuerlich ungünstig auswirken.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411331

BStBl III 1964, 574

BFHE 1965, 274

BFHE 80, 274

DB 1964, 1649

DStR 1964, 620

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