Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer, Verfahrensrecht, Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Ist für eine wirtschaftliche Einheit des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens ein Einheitswert festgestellt und dabei im Falle der Verpachtung eine gesonderte anteilsmäßige Feststellung im Sinne der §§ 30 Abs. 2 Satz 3 BewG, 216 Abs. 1 Ziff. 2 AO unterblieben, so kann der als "Einspruch" bezeichnete Antrag eines der beteiligten Eigentümer auf Nachholung dieser Feststellung, sofern nicht zugleich der Einheitswert der wirtschaftlichen Einheit im Ganzen angefochten wird, nur als Antrag auf Erlaß eines Ergänzungsbescheids im Sinne des § 216 Abs. 2 AO angesehen werden. Bei der Entscheidung über diesen Antrag ist daher für eine Verböserung des die ganze wirtschaftliche Einheit betreffenden Feststellungsbescheids kein Raum.

 

Normenkette

BewG § 30 Abs. 2, § 34/4, § 49/1; AO § 216 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2

 

Tatbestand

I. -

Der Beschwerdeführer (Bf.) besitzt im Bezirk des Finanzamts X gelegene Ländereien, für die zum 1. Januar 1946 nach einem Bestand von 58.04 ha ein Einheitswert von 182.800 RM festgestellt worden war. Daneben besitzt er umfangreiche Ländereien in den Bezirken der Finanzämter A und B und - offenbar weniger umfangreiche - landwirtschaftlich genutzte Flächen im Bezirk des Finanzamts C. Mit diesem Grundbesitz war der Bf. nach dem Gesetz vom 15. Oktober 1946 zur Beschaffung von Siedlungsland und zur Bodenreform (Hessisches Gesetz- und Verordnungsblatt - GVBl. - 1946 S. 218) landabgabepflichtig. Gemäß § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur beschleunigten Durchführung der Bodenreform vom 28. November 1947 (Hessisches GVBl. 1947 S. 107) erließ das Kulturamt Wiesbaden als untere Siedlungsbehörde den Enteignungsbeschluß vom 5. Dezember 1947, inhaltlich dessen bestimmt bezeichnete Parzellen im Gesamtumfang von 128,5689 ha des in Hessen gelegenen Grundbesitzes des Bf. enteignet wurden. Gegen diesen Enteignungsbeschluß haben sowohl der Bf. als auch die zum Siedlungsträger bestimmte Nassauische Siedlungsgesellschaft mbH. Beschwerde eingelegt, wobei der Bf. weniger Land abgeben, die Siedlungsgesellschaft zum Teil besser geeignete Parzellen übertragen erhalten wollte. Zur Erledigung dieser Beschwerden schlossen die Beteiligten vor dem Vorsteher des Kulturamts Wiesbaden am 13. April 1949 einen Kaufvertrag, inhaltlich dessen der Bf. zur Erfüllung der ihm durch das Gesetz zur Beschaffung von Siedlungsland und zur Bodenreform auferlegten Landabgabe Grundstücke und Trennstücke in einer Gesamtgröße von 93,7025 ha mit einem anteiligen Einheitswert von 123.363,20 RM an die Siedlungsgesellschaft "verkaufte". Die Festsetzung des "Kaufpreises" sollte gemäß Art. VIII Ziff. 4 des Gesetzes zur Beschaffung von Siedlungsland und zur Bodenreform erfolgen. In § 6 des Kaufvertrages wird festgestellt, daß die übergabe der Grundstücke zum 1. Januar 1948 erfolgt sei, da die Käuferin sich von diesem Tag an selbst in den Besitz der Grundstücke setzen konnte. Ab 1. Januar 1948 sollten alle öffentlich-rechtlichen und besonders übernommenen privatrechtlichen Verpflichtungen auf die Käuferin übergehen.

Auf Grund dieser Vorgänge beantragte der Bf. Wertfortschreibung des Einheitswerts seines Grundbesitzes im Bereich der Finanzämter X, A, B und C zum 1. Januar 1948 bzw. 21. Juni 1948. Die Finanzämter A und C haben die Wertfortschreibung zum 1. Januar 1948 bzw. 21. Juni 1948 unter Weglassung der enteigneten Parzellen vorgenommen. Das Finanzamt B hat die Behandlung des Antrags bis zur Entscheidung über den beim Finanzamt X anhängig gewordenen Fall ausgesetzt. Das Finanzamt X um dessen Maßnahmen der vorliegende Rechtsstreit geht, hat zunächst dem Wertfortschreibungsantrag des Bf. vom 21. Juni 1949, mit dem der Bf. wegen der Enteignung von in diesem Bezirk gelegenen Grundstücken in der Gesamtgröße von 29,6116 ha eine Herabsetzung des Einheitswerts um 60.520,60 RM zum 1. Januar 1948 begehrte, stattgegeben. Gegen den stattgebenden Wertfortschreibungsbescheid legte der Bf. mit Schreiben vom 28. Dezember 1949 "Einspruch" ein, weil bei der Wertfortschreibung bezüglich der im Einheitswert enthaltenen verpachteten landwirtschaftlichen Trenngrundstücke der auf die Pächter entfallende Anteil am Einheitswert nicht ausgeschieden worden sei. Durch Einspruchsentscheidung vom 19. Mai 1951 hob das Finanzamt, ohne auf den vom Bf. gestellten Antrag einzugehen, den Wertfortschreibungsbescheid zum 1. Januar 1948 mit der Begründung auf, der Bf. sei bis zum Abschluß des "Kaufvertrages" am 13. April 1949 Eigentümer der enteigneten Parzellen geblieben. Eine Wertfortschreibung dürfe daher erst zum 1. Januar 1950 erfolgen.

 

Entscheidungsgründe

II. -

Die Berufung des Bf. hatte keinen Erfolg. Seine Rechtsbeschwerde muß zur Aufhebung der Berufungs- und Einspruchsentscheidung führen.

Der Antrag des Bf. in seinem "Einspruch" gegen den Wertfortschreibungsbescheid zum 1. Januar 1948 ging auf eine Feststellung im Sinne des § 216 Abs. 1 Ziff. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) in Verbindung mit § 30 Abs. 2 Satz 3 des Bewertungsgesetzes (Feststellung des auf den Bf. als Verpächter entfallenden Anteils am Gesamt-Einheitswert). Diese Feststellung war in dem Wertfortschreibungsbescheid unterblieben. Sie war daher gemäß dem Antrag des Bf. nach § 216 Abs. 2 AO in einem Ergänzungsbescheid nachzuholen, ohne daß dabei der die ganze wirtschaftliche Einheit betreffende Wertfortschreibungsbescheid, d. h. der Gesamtbetrag des fortgeschriebenen Einheitswerts, geändert werden durfte. Das als "Einspruch" bezeichnete Schreiben des Bf. vom 28. Dezember 1949 hatte lediglich die Bedeutung, den in § 216 Abs. 2 AO vorgesehenen Ergänzungsbescheid anzuregen; als "Einspruch" gegen den Wertfortschreibungsbescheid, d. h. die vorgenommene Herabsetzung des Einheitswerts, konnte er nicht angesehen werden, da der Bf. gegen den herabgesetzten Einheitswert als solchen nicht angegangen ist und offensichtlich auch nicht angehen wollte. Wenn also das Finanzamt den Fortschreibungsbescheid zum 1. Januar 1948 für unrichtig hielt, konnte es nur im Rahmen der §§ 92 Abs. 3, 94 Abs. 1 Ziff. 2 und 222 AO verfahren. Die Voraussetzung für eine Berichtigungsfeststellung im Sinne dieser Bestimmungen sind jedoch im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Hiernach muß es bei dem ursprünglichen Wertfortschreibungsbescheid zum 1. Januar 1948 verbleiben, der noch nach § 216 Abs. 2 AO zu ergänzen sein wird. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 309 AO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407989

BStBl III 1954, 258

BFHE 1955, 125

BFHE 59, 125

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge