Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsaufspaltung: Halle als wesentliche Betriebsgrundlage

 

Leitsatz (NV)

Eine der Fabrikation dienende Betriebshalle stellt im Rahmen einer Betriebsaufspaltung regelmäßig eine wesentliche Betriebsgrundlage dar, deren Überlassung an das Betriebsunternehmen zur sachlichen Verflechtung führt. Dies gilt auch dann, wenn Grundstück und Halle nur teilweise von dem Betriebsunternehmen für die Fabrikation genutzt werden.

 

Normenkette

EStG § 15

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Alleineigentümer eines Grundstücks in E. Im Jahre 1973 hatte er auf diesem unbebauten Grundstück ein Gebäude (Halle I) errichtet, das er an die X-GmbH vermietete. An diesem Unternehmen ist der Kläger zu 75 v.H. der Anteile beteiligt. Die X-GmbH betrieb auf dem Grundstück ein Kunststoffspritzgußunternehmen. Zu diesem Zweck nutzte sie 70,5 v.H. (= 1143 qm) der Gebäudefläche selbst, während sie die übrige Fläche an Weiterverarbeitungs- bzw. Zulieferfirmen, nämlich die Z-GmbH und die Y-KG, sowie eine im Gebäude befindliche Wohnung an den Kläger (bis Ende 1982) bzw. dessen Tochter und Schwiegersohn (ab 1983) weitervermietete. An der Z-GmbH und der Y-KG war der Kläger ebenfalls beteiligt, und zwar - unmittelbar - an der Z-GmbH zu 48 v.H. (seine Ehefrau hielt die restlichen Anteile) und - mittelbar - an der Y-KG über eine 52%ige Beteiligung an der Y-GmbH (Y-GmbH), die der Kläger wiederum mit 60 v.H. ihrer Anteile beherrschte.

Im Jahre 1980 errichtete der Kläger auf dem Grundstück eine weitere - mittels Durchbruch mit der ersten Halle verbundene - Halle (Halle II), die er ebenfalls an die X-GmbH - als Lager für das für die Fabrikation benötigte Kunststoffgranulat und für Kunststofformen - vermietete. Der von der X-GmbH genutzte Anteil an den insgesamt zur Verfügung stehenden Gebäudeflächen erhöhte sich dadurch auf 73,3 v.H. (= 1955 qm).

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) nahm an, bei der Vermietung des Grundstücks und der beiden Hallen handele es sich um eine unechte Betriebsaufspaltung, so daß die daraus erzielten Einkünfte den Einkünften aus Gewerbebetrieb zuzurechnen seien. Dementsprechend setzte er für die Streitjahre (1978 bis 1983) durch Bescheide vom 20. Dezember 1985 (für 1978), vom 5. Januar 1987 (für 1979 bis 1981) und vom 29. Juni 1987 (für 1982 und 1983) die einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge fest.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Vorverfahren hiergegen erhobenen Klage statt.

Mit seiner Revision rügt das FA mangelnde Sachaufklärung und Verletzung von § 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Die Grundstücksvermietung durch den Kläger ist eine gewerbliche Tätigkeit (§ 15 EStG), die im Rahmen einer Betriebsaufspaltung entfaltet wurde.

Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Betriebsaufspaltung anzunehmen, wenn einer Kapitalgesellschaft zumindest eine wesentliche Grundlage ihres Betriebes überlassen wird (sachliche Verflechtung) und die hinter dem Besitzunternehmen stehenden Personen ihren Willen auch in der Betriebsgesellschaft durchsetzen können (persönliche Verflechtung; vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63).

An der persönlichen Verflechtung bestehen im Streitfall keine Zweifel. Der Kläger hält 75 v.H. der Anteile an der X-GmbH und ist damit deren beherrschender Gesellschafter.

Im Gegensatz zu der Auffassung des FG handelt es sich bei dem der X-GmbH überlassenen (bebauten) Grundstück um eine wesentliche Betriebsgrundlage für das Betriebsunternehmen.

Ein Grundstück ist für das Betriebsunternehmen eine wesentliche Betriebsgrundlage, wenn es zur Erreichung des Betriebszwecks erforderlich ist und besonderes Gewicht für die Betriebsführung besitzt (BFH-Urteile vom 10. April 1991 XI R 22/89, BFH/NV 1992, 312; vom 29. Oktober 1991 VIII R 77/87, BFHE 166, 82, BStBl II 1992, 334; vom 12. Februar 1992 XI R 18/90, BFHE 167, 499, BStBl II 1992, 723; vom 26. März 1992 IV R 50/91, BFHE 168, 96, BStBl II 1992, 830). Maßgebend ist das Gesamtbild der tatsächlichen oder beabsichtigten Nutzung (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 17. November 1992 VIII R 36/91, BFHE 169, 389, BStBl II 1993, 233 m.w.N.). Danach gehören Grundstücke, die der Fabrikation dienen, zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 12. März 1970 I R 108/66, BFHE 98, 441, BStBl II 1970, 439; vom 26. Juni 1975 IV R 59/73, BFHE 116, 160, BStBl II 1975, 700; vom 15. Mai 1975 IV R 89/73, BFHE 116, 277, BStBl II 1975, 781; vom 24. Februar 1981 VIII R 159/78, BFHE 132, 472, BStBl II 1981, 379). Denn bei Fabrikgrundstücken sind die Gebäude durch ihre Gliederung oder sonstige Bauart in der Regel dauernd für den Betrieb eingerichet oder nach Lage, Größe und Grundriß auf den Betrieb zugeschnitten (Urteile vom 24. August 1989 IV R 135/86, BFHE 158, 245, BStBl II 1989, 1014 unter 7.; vom 1. Februar 1990 IV R 91/89, BFH/NV 1990, 562; in BFH/NV 1992, 312; vom 5. September 1991 IV R 113/90, BFHE 165, 420, BStBl II 1992, 349; in BFHE 166, 82, BStBl II 1992, 334, in BFHE 168, 96, BStBl II 1992, 830; in BFHE 169, 389, BStBl II 1993, 233; vgl. auch Abschn. 137 Abs. 5 Nr. 1 Satz 6 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1987 und Abschn. 137 Abs. 5 Nr. 1 EStR 1990). Dies gilt insbesondere dann, wenn das Betriebsgebäude in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Vermietung an die Betriebsgesellschaft errichtet worden ist (BFH-Urteile vom 12. September 1991 IV R 8/90, BFHE 166, 55, BStBl II 1992, 347; vom 17. September 1992 IV R 49/91, BFH/NV 1993, 95; Senatsurteil vom 16. Dezember 1992 XI R 15/92, BFH/NV 1993, 523).

Im Streitfall ist das FG nach Würdigung der von den Beteiligten gelieferten Beschreibung der beiden von dem Kläger auf dem Grundstück errichteten Hallen und der hierzu vorgelegten baulichen Unterlagen davon ausgegangen, es fehle an besonderen Herrichtungen für die Bedürfnisse der X-GmbH. Diese selbst habe nur 70,5 v.H. bzw. 73,3 v.H. der insgesamt zur Verfügung stehenden Flächen genutzt. Die Maschinen für die Produktion der Kunststoffartikel seien lediglich auf Gummipuffern gelagert und könnten je nach den Anforderungen des Betriebsablaufs umgruppiert werden. Diese Umstände reichen jedoch nicht aus, um die Voraussetzungen der wesentlichen Betriebsgrundlage für Fertigungsgebäude zu verneinen.

Die X-GmbH betrieb in den in den Jahren 1973 bzw. 1980 errichteten Hallen - unter Einbeziehung der Streitjahre - über einen Zeitraum von rd. 10 Jahren ein Kunststoffspritzgußunternehmen. Bereits daraus wird ersichtlich, daß die Hallen nach Größe und Grundrissen für die Zwecke der X-GmbH besonders geeignet und zugeschnitten waren. Dementsprechend sind die Hallen unmittelbar nach ihrer Errichtung an die X-GmbH vermietet worden. Daß die benötigten Maschinen nicht auf festen Sockeln montiert, sondern auf Gummipuffern gelagert waren, steht der Annahme einer wesentlichen Betriebsgrundlage nicht entgegen. Es reicht aus, daß die Hallen nach Größe und Grundriß die Möglichkeit boten, die notwendigen Produktionsanlagen aufzubauen. Es ist auch ohne Bedeutung, daß die X-GmbH nicht die insgesamt zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten allein nutzte, sondern zu einem - geringeren - Teil untervermietete. Abgesehen davon, daß die untermietenden Firmen - ein weiterverarbeitendes und ein zulieferndes Unternehmen - in die Produktionsabläufe der X-GmbH eingebunden waren, ist die Alleinnutzung eines Grundstücks für die Annahme einer Betriebsaufspaltung nicht erforderlich (vgl. auch BFH-Urteil vom 17. November 1992 VIII R 36/91, BFHE 169, 389, BStBl II 1993, 233). Es gilt insoweit der Grundsatz, daß die dem Betrieb dienenden Grundstücksteile auch dann nicht getrennt betrachtet oder beurteilt werden dürfen, wenn nur einige von ihnen besonderes wirtschaftliches Gewicht für die Tätigkeit der Betriebsgesellschaft haben (BFH-Urteil in BFHE 169, 389, BStBl II 1993, 233). Nicht von Bedeutung ist schließlich, daß die beim Bau der Hallen erteilten behördlichen Auflagen (insbesondere die Brand-, Arbeits- und Lärmschutzauflagen) und die darin zum Ausdruck kommenden Anforderungen an das Produktionsgebäude nach Auffassung des FG nicht derart spezifiziert seien, daß die X-GmbH nicht jederzeit am Markt entsprechende Räumlichkeiten hätte erwerben oder kaufen können. Wie der BFH wiederholt entschieden hat (Urteile vom 23. Januar 1991 X R 47/87, BFHE 163, 460, BStBl II 1991, 405; BFHE 165, 420, BStBl II 1992, 349), erfordert die für die Annahme einer sachlichen Verflechtung gebotene Gestaltung lediglich Baumaßnahmen, die es dem Betriebsunternehmen ermöglichen, seinen Geschäftsbetrieb aufzunehmen und auszuüben. Es bedarf keiner branchenspezifischen Ausgestaltung derart, daß Baulichkeiten nur noch und ausschließlich von dem Betriebsunternehmen genutzt werden können. Darauf, daß die in der Halle befindlichen Betriebsvorrichtungen im Falle eines erforderlich werdenden Umzuges ohne besondere Schwierigkeiten in einem anderen Gebäude wieder aufgebaut werden können, kommt es nicht entscheidend an (Senatsurteil vom 16. Dezember 1992 XI R 15/92, NV). In diesem Lichte ist auch das in der Rechtsprechung des BFH (z.B. Urteil vom 29. Oktober 1991 VIII R 77/87, BFHE 166, 82, 84, BStBl II 1992, 334; vom 29. Oktober 1991 VIII R 78/87, BFH/NV 1992, 247; vom 26. Juni 1992 III R 91/88, BFH/NV 1993, 167; s.a. in BFHE 168, 96, 99, BStBl II 1992, 830; in BFH/NV 1993, 95) gelegentlich zum Ausdruck gekommene Merkmal zu sehen, ob das Betriebsunternehmen jederzeit am Markt ein für seine Belange gleichwertiges Grundstück mieten oder kaufen könne.

2. Den verfahrensrechtlichen Einwendungen des Klägers ist nicht zu folgen.

a) Das FA war nicht durch § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) gehindert, die angefochtenen Gewerbesteuermeßbescheide zu erlassen. Bei den Bescheiden handelte es sich um erstmalige Bescheide. § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO 1977 schützt das Vertrauen des Steuerpflichtigen bei geänderter Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofs des Bundes in die bisherige Rechtsprechung aber nur bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheides. Es kann also dahinstehen, ob sich die Rechtsprechung des BFH zu den Voraussetzungen der persönlichen und sachlichen Verflechtung im Rahmen einer Betriebsaufspaltung seit den Streitjahren geändert hat. Die Vorschrift des § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO 1977 wäre auch dann nicht einschlägig, wenn es sich so verhielte.

b) Der Kläger bezieht sich auch zu Unrecht auf die steuerliche Behandlung seiner Vermietungseinkünfte in den für die Streitjahre ergangenen Einkommensteuerbescheiden. Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer und bei der Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages handelt es sich um zwei getrennte, selbständige Verfahren. Das FA ist in seiner Beurteilung in dem einen Verfahren nicht an die in dem anderen Verfahren gebunden. Auch durch § 35b des Gewerbesteuergesetzes - GewStG - (Änderung des Gewerbesteuermeßbescheides infolge Änderung des Einkommensteuerbescheides) ist eine solche Bindung nicht geschaffen worden; die Vorschrift dient lediglich der Verfahrensvereinfachung (z.B. BFH-Urteil vom 27. April 1961 IV 336/59 U, BFHE 73, 34, BStBl III 1961, 281). Es kommt sonach nicht darauf an, ob die Tätigkeit des Klägers im Rahmen der für die Streitjahre vorgenommenen Einkommensteuerveranlagungen vom FA als gewerblich behandelt worden ist oder nicht.

3. Nach allem war die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419306

BFH/NV 1994, 303

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