Leitsatz (amtlich)

Aus erworbenen Schwefelkiesabbränden gewonnenes Purpurerz kann als bei einer begünstigten Verhüttung auf Nichteisenmetalle angefallenes Nebenerzeugnis nach § 4 Ziff. 4 UStG in Verbindung mit § 28 Abs. 2 Ziff. 12c, § 29 Abs. 1 Ziff. 6 und Abs. 2 UStDB 1938 (§ 29 Abs. 2 Ziff. 13c, § 30 Abs. 1 Ziff. 9 und Abs. 2) steuerfrel weitergeliefert werden, sofern das Purpurerz selbst nicht mehr in steuerlich schädlicher Weise bearbeitet worden ist.

 

Normenkette

UStG § 4 Ziff. 4; UStDB 1938 § 28 Abs. 2 Ziff. 12c, § 29 Abs. 1 Ziff. 6, Abs. 2; UStDB 1951 § 29 Abs. 2 Ziff. 13c, § 30 Abs. 1 Ziff. 9, Abs. 2

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige gewinnt aus erworbenen Schwefelkiesabbränden Zinkoxyd und Purpurerz. Die Abbrände enthalten etwa 5 % Schwefel, 50 % Eisen und 45 % NE-Metalle, vor allem Kupfer, Zink, Blei, Mangan sowie Spurenmetalle, außerdem geringfügige Mengen Gold und Silber. Im Betriebe der Steuerpflichtigen werden die Abbrände unter Zusatz von Kochsalz in Röstöfen aufgeschlossen. Dadurch werden die meist unlöslichen Verbindungen von NE-Metallen und Schwefel in lösliche Sulfate und Chloride, die Schwefelverbindungen des Eisens in praktisch unlösliches Oxyd übergeführt. Anschließend wird das Röstgut gelaugt, wodurch die NE-Metalle wie Kupfer, Zink und andere lösliche Metallsalze gelöst werden. Bei der weiteren Verarbeitung der NE-Metalle nach der Laugung wird zunächst die Kupferfällung vorgenommen und durch hüttenmäßige Verarbeitung im Schmelzofen Kupfer gewonnen. Außerdem werden verschiedene andere Metalle der Lauge entzogen. Danach erfolgt im Zinkwerk aus der Lauge die Fällung des Zinkhydrats, das durch Kalzinierung im Drehrohrofen in Zinkoxyd übergeführt wird. Als unlölicher Bestandteil der Abbrände verbleibt nach der Laugung das Purpurerz mit 60 bis 65 % Eisengehalt.

Die Steuerpflichtige hat im gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1934 verkürzten Veranlagungszeitraum Januar 1950 Zinkoxyd und Purpurerz an gewerbliche Abnehmer veräußert und Umsätze von 425 155 DM und 659 276 DM erzielt, für die sie Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 4 UStG in Anspruch nimmt. Das Finanzamt hat die Entgelte beider Lieferungen mit 3 % zur Umsatzsteuer herangezogen. Die hiergegen eingelegte Sprungberufung hatte Erfolg.

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts richtet sich nur gegen die Freistellung der Umsätze an Purpurerzen. Das Finanzgericht hat das von der Steuerpflichtigen angewandte Verfahren zur Gewinnung des Purpurerzes unabhängig davon, daß es sich zum Teil um ein nasses Verfahren handelt, als Verhüttung im Sinne des § 29 Abs. 1 Ziff. 6 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) 1938 angesehen, da es ausschließlich der Trennung der nutzbaren Metalle voneinander und von den nicht nutzbaren Stoffen diene und deshalb eine Aufbereitung der Metalle darstelle. Für die Steuerfreiheit der Purpurerzlieferungen sei weiterhin entscheidend, daß das gesamte von der Steuerpflichtigen angewandte Verfahren eine Verhüttung metallhaltiger Zwischenerzeugnisse im Sinne des § 28 Abs. 2 Ziff. 12 c UStDB darstelle, Purpurerz nach der Zolltarif-Nr. 237 als Erz zollfrei sei und schließlich unter den Begriff Rohstoffe oder Halberzeugnisse im Sinne des § 28 Abs. 2 UStDB falle, da es ein bei der Verhüttung entstandenes, zur Verhüttung bestimmtes metallhaltiges Zwischenerzeugnis im Sinne des § 28 Abs. 2 Ziff. 12 c UStDB darstelle.

Mit der Rb. wird geltend gemacht, daß das angefochtene Urteil auf einem Verstoß wider den klaren Inhalt der Akten und unrichtiger Anwendung des bestehenden Rechts beruhe. Insbesondere wird gerügt, daß das Finanzgericht seine Auffassung, das von der Steuerpflichtigen angewandte Verfahren stelle eine Verhüttung von NE-Metallen und deren Zwischenerzeugnissen dar, auf das Wertverhältnis der im Schwefelkies enthaltenen Stoffe gründe, wonach der Wert der Nichteisenmetalle überwiege. Diese Betrachtung werde der Sachlage nicht gerecht, verstoße auch gegen den klaren Inhalt der Akten. Die Steuerpflichtige selbst habe in einem Schriftsatz vom 26. Juni 1950 hervorgehoben, daß "nach den verschiedenen Laugeprozessen ein sehr reines hochprozentiges Eisenerz verbleibe". Man könne daher den Eisenbestandteil der Abbrände nicht, wie es in dem von der Steuerpflichtigen beigebrachten Gutachten geschehe, als unangenehmen Begleiter und als Abfallprodukt der Verhüttung auf NE-Metalle ansprechen. Im Unternehmen der Steuerpflichtigen hätten vielmehr die Schwefelkiesabbrände als Rohstoff für die Eisengewinnung zumindest die gleiche Bedeutung wie für die Nichteisengewinnung. Das gehe daraus hervor, daß die Steuerpflichtige auch über alle Einrichtungen, wie Sinteranlagen und Hochöfen, verfüge, die der Gewinnung von Eisen dienten. Purpurerz stelle deshalb ein Zwischenerzeugnis der nicht begünstigten Verarbeitung auf Eisen dar. Die Rb. beruft sich für die Bedeutung der Eisengewinnung auf die Niederschrift über eine Betriebsbesichtigung bei der Steuerpflichtigen am 4. November 1949 und auf Produktionszahlen der in den Zeiträumen 1946, 1947 und I/1948 aus den Schwefelkiesabbränden gewonnenen Erzeugnisse. Schließlich ist sie der Ansicht, daß das Urteil des Reichsfinanzhofs V A 61/25 vom 10. Mai 1926 (Slg. Bd. 19 S. 134) ihre Auffassung bestätige. Demgegenüber beruft sich die Steuerpflichtige auf zwei Gutachten, aus denen die Richtigkeit der Vorentscheidung hervorgehe. Sie hält für die Bedeutung der Eisengewinnung nicht das Mengen-, sondern das Wertverhältnis für maßgeblich und bringt hierüber zahlenmäßige Angaben aus dem Jahre 1951 bei, die von der Rb. nicht bestritten, aber durch Wertangaben über die Produktion der Jahre 1947 und I/1948 von Eisen- und Nichteisenmetallen ergänzt werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Soweit die allein noch streitigen Lieferungen von Purpurerz in Betracht kommen, ergibt sich die Steuerfreiheit aus § 4 Ziff. 4 UStG 1934 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 und Abs. 2 Ziff. 12c, § 29 Abs. 1 Ziff. 6 und Abs. 2 UStDB 1938. Hiernach muß es sich bei den Lieferungen um einen Gegenstand handeln, der im § 28 Abs. 2 aufgeführt und keiner oder nur einer im § 29 Abs. 1 besonders zugelassenen Bearbeitung unterzogen worden ist, wobei der durch diese Bearbeitung entstandene Gegenstand gleichfalls im § 28 Abs. 2 a. a. O. genannt sein muß. Zutreffend geht die Vorentscheidung davon aus, daß das von der Beschwerdegegnerin (Bgin.) angewandte Verfahren eine Verhüttung im Sinne des § 29 Abs. 1 Ziff. 6 UStDB 1938 darstellt. Der Umstand, daß die Lösung der NE-Metalle durch ein nasses Verfahren, d. h. durch Laugung, erreicht wird, steht nach Auffassung des erkennenden Senats dem Begriff "Verhüttung" nicht entgegen; denn bei einheitlicher Betrachtung des gesamten Vorgangs kann das vorhergehende Aufschließen der Abbrände im Röstofen, also mittels typisch hüttenmännischer Einrichtung, nicht unberücksichtigt bleiben. Es sei auch darauf hingewiesen, daß in den UStDB 1951 (§ 30 Abs. 1 Ziff. 9 Satz 2) das Laugen ausdrücklich zu den Verhüttungsmaßnahmen gerechnet wird. Im Streitfall muß aber auch unter dem Geltungsbereich der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz 1938 der Vorgang jedenfalls als Aufbereitung, d. h. als Trennen der nutzbaren Mineralien von den nichtnutzbaren und der nutzbaren voneinander und damit ohne weiteres als Teil der Verhüttung angesehen werden (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs V 667/37 vom 24. August 1938, Reichssteuerblatt -- RStBl. -- 1938 S. 917). Da die erworbenen Schwefelkiesabbrände Verhüttungsmaterialien im Sinne des § 28 Abs. 2 Ziff. 12a UStDB 1938 sind, die einer gem. § 29 Abs. 1 Ziff. 6 a. a. O. besonders zugelassenen Bearbeitung unterzogen worden sind, bleibt zu untersuchen, ob es sich um eine Verhüttung auf unedle NE-Metalle handelt, und ob der Liefergegenstand gleichfalls noch zu den in § 28 Abs. 2 aufgeführten notwendigen Rohstoffen und Halberzeugnissen gehört.

Nun ist es unstreitig, daß der Anteil an unedlen NE-Metallen wert mäßig höher ist als der Anteil an Eisen. Wäre es anders, so könnte nach dem Gutachten von Prof. Dr. Röntgen eine unmittelbare Verarbeitung der Schwefelkiesabbrände auf Roheisen erfolgen, wobei allerdings die Bestandteile an NE-Metallen verlorengingen. Aus wirtschaftlichen Erwägungen, die das Umsatzsteuerrecht nicht unbeachtet lassen darf, steht daher bei dem wertmäßig erheblich überwiegenden Anteil des Ausgangsproduktes an NE-Metallen deren Gewinnung im hüttenmännischen Verfahren im Vordergrunde. Diese Erwägung wird gestützt durch die gutachtliche belegte und unbestrittene Tatsache, daß der Eisenbestandteil im Verlaufe des Prozesses keine physikalische Veränderung erleidet, sondern in der gleichen Form, wie er dem Verhüttungsvorgange zugeführt wird, diesen auch verläßt. Deshalb ist es entgegen der Auffassung der Rb. nicht angängig, die Gewinnung des Purpurerzes als Vorstufe der Eisenerzeugung und das Purpurerz selbst als Zwischenerzeugnis der Eisengewinnung zu bezeichnen. Auch wenn das nach dem Entzug der NE-Metalle verbleibende Purpurerz ein hochprozentiges, wertvolles Eisenerz darstellt, schließt das nicht aus, es als zwangsläufig bei der Gewinnung der NE-Metalle anfallendes Abfallprodukt oder doch Nebenerzeugnis zu bezeichnen. Denn diese Begriffe setzen nicht die Geringwertigkeit der Stoffe voraus. Vielmehr ist, da der ganze Prozeß der Gewinnung von Kupfer, Zinkoxyd usw. dient, weil die Gewinnung von Eisen ohne die von der Bgin. vorgenommenen Bearbeitungsmaßnahmen möglich wäre, das verbleibende Purpurerz unbeschadet seiner Eignung für die Eisengewinnung eben nur ein Rückstand bei der Verhüttung auf NE-Metalle. Der insoweit von der Rb. gerügte Verstoß gegen den Inhalt der Akten ist deshalb nicht begründet.

Ist hiernach aber der Vorgang als gem. § 29 Abs. 1 Ziff. 6 UStDB 1938 besonders zugelassene Verhüttung anzusehen, so kann es entgegen der Auffassung der Rb. nicht mehr darauf ankommen, daß die Nämlichkeit zwischen den erworbenen Schwefelkiesabbränden und dem weiter gelieferten Purpurerz nicht mehr gegeben ist, vorausgesetzt, daß das Purpurerz selbst nicht mehr in steuerlich schädlicher Weise bearbeitet worden ist. Unstreitig ist dies bei den Lieferungen, für die die Bgin. Steuerfreiheit in Anspruch nimmt, nicht geschehen. Soweit das Purpurerz im Betriebe der Bgin. noch agglomeriert wird, werden die Lieferungen zu Recht versteuert; denn erst dieser Vorgang des Agglomerierens ist, weil der Eisen gewinnung dienend, als steuerlich schädlich anzusehen.

Die Rb. kann sich für ihre abweichende Auffassung auch nicht auf die Entscheidung des Reichsfinanzhofs V A 61/25 vom 10. Mai 1926 (Slg. Bd. 19 S. 134) berufen. In diesem Falle war unter dem Geltungsbereich des Umsatzsteuergesetzes in der Fassung des Abänderungsgesetzes vom 8. April 1922 und der Ausführungsbestimmungen in der Fassung der Abänderungsverordnung vom 6. Mai 1922 streitig gewesen, ob die Umsätze der Steuerpflichtigen mit Purpurerz erste Umsätze nach der Einfuhr des Schwefelkieses im Sinne des § 2 Ziff. 1 b UStG 1919/1922 sind. Der Reichsfinanzhof hatte diese Frage bejaht. Das damals geltende Recht ließ jedoch die Frage offen, ob die von der Steuerpflichtigen eingeführten Schwefelkiese überhaupt zu den begünstigten Erzen rechnen; der Reichsfinanzhof hatte deshalb vor allem zu untersuchen, ob die Gewinnung von Schwefel einerseits, von Metallen und Eisen anderseits im Vordergrunde der Bearbeitungsmaßnahmen stehen, so daß die dahingehenden Ausführungen keine Schlüsse auf die hier unter wesentlich geänderten gesetzlichen Bestimmungen ganz anders geartete Streitfrage zulassen, die übrigens von der Verwaltung auch unter dem Geltungsbereiche des Umsatzsteuergesetzes 1934 und der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz 1938 bisher im Sinne der Bgin. entschieden worden ist.

Mit der hier vertretenen Auffassung, daß das Purpurerz ein bei einer begünstigten Verhüttung anfallendes Nebenerzeugnis darstellt, ist aber auch die Voraussetzung des § 29 Abs. 2 UStDB 1938 dargetan, da es sich dann um ein bei der Verhüttung entstandenes Zwischenerzeugnis im Sinne des § 28 Abs. 2 Ziff. 12c a. a. O. handelt. Denn der Gegenstand "Purpurerz" ist als Nebenerzeugnis bei einer begünstigten Verhüttung angefallen. (Vgl. auch den Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 4. Oktober 1937 S 4138--385 II unter II 2 a in RStBl. 1937 S. 1090).

Darauf, ob Purpurerz im Falle der Einfuhr zollfrei wäre, kann es im Gegensatz zur Auffassung des Finanzgerichts nicht mehr ankommen. Denn § 29 Abs. 1 Ziff. 6 Satz 2 UStDB 1938 bezieht sich seinem klaren Wortlaute nach nur auf Metalle, nicht auf Zwischenerzeugnisse. Die durch die Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz 1938 beseitigte Abhängigkeit vom Zolltarif wird durch die letztgenannte Bestimmung nicht wieder eingeführt; es sollte damit vielmehr nur klargestellt werden, daß Metalle, die keinen Zollschutz genießen, auch nicht eine umsatzsteuerliche Bearbeitungsvergünstigung notwendig haben (vgl. Herting in Deutsche Steuerzeitung 1937 S. 1050 ff. unter Ziff. 3).

Der Vorentscheidung ist hiernach im Ergebnis beizutreten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 425850

BStBl III 1953, 325

BFHE 1954, 90

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