Entscheidungsstichwort (Thema)

Zahlung aufgrund unwirksamen Steuerbescheids

 

Leitsatz (NV)

1. Zur Entstehung und zum Eintritt der Zahlungsverjährung von Erstattungsansprüchen, die auf Steuerzahlungen aufgrund von unwirksamen bzw. nichtigen Steuerbescheiden beruhen.

2. Erläßt das FA nach Ablauf der Festsetzungsverjährung einen wirksamen Steuerbescheid, der später durch das FG auf gehoben wird, und verrechnet es die zuvor geleisteten Zahlungen mit den darin fest gesetzten Steuern, so beginnt die Zahlungsverjährung für den Erstattungsanspruch erst mit der rechtskräftigen Aufhebung des Steuerbescheids zu laufen.

3. Zur Frage, ob die Grundsätze von Treu und Glauben der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs entgegenstehen.

 

Normenkette

AO 1977 § 37 Abs. 2, §§ 47, 169 Abs. 1 S. 1, § 220 Abs. 2 S. 1, § 226 Abs. 1, 3, § § 228 ff., § 229 Abs. 1 S. 1, § 232

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Rechtsnachfolgerin einer GmbH, die rückwirkend zum 31. Dezember 1973 auf die Klägerin umgewandelt worden war. Zwischen der Klägerin und dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt -- FA --) ist streitig, ob Ansprüche der Klägerin auf Erstattung der für die GmbH entrichteten Körperschaftsteuer, Stabilitätszuschlag und Ergänzungsabgabe 1973 und 1974 aufgrund Zahlungsverjährung erloschen sind.

Die GmbH leistete 1973 aufgrund eines an sie gerichteten Vorauszahlungsbescheides Körperschaftsteuervorauszahlungen für 1973. Durch Bescheid vom 31. August 1976 veranlagte das FA die GmbH für 1973 zur Körperschaftsteuer. Den Bescheid richtete das FA an die -- inzwischen nicht mehr existierende -- GmbH. Die Klägerin leistete aufgrund dieses Bescheides eine Körperschaftsteuerabschlußzahlung. Am 4. September 1979 erließ das FA einen geänderten Körperschaftsteuerbescheid für 1973 und einen erstmaligen Körperschaftsteuerbescheid für 1974. Die Klägerin entrichtete aufgrund dieser Bescheide, die wiederum an die GmbH gerichtet waren, weitere Körperschaftsteuer für 1973 und für 1974. Aufgrund des Einspruchs gegen diese Bescheide erließ das FA im Jahre 1981 einen Körperschaftsteueränderungsbescheid 1973. Die Klägerin zahlte aufgrund der Rechtsbehelfsentscheidungen und des Änderungsbescheides im Jahre 1981 erneut Körperschaftsteuer für 1973 und für 1974. Die Rechtsbehelfsentscheidungen und der Änderungsbescheid waren an die GmbH gerichtet und wurden in deren Namen durch Klage angefochten (Aktenzeichen des Klageverfahrens: III 129/81).

Zusätzlich zu diesen Körperschaftsteuerbeträgen entrichtete die GmbH bzw. die Klägerin aufgrund der an die GmbH gerichteten Bescheide bzw. Einspruchsentscheidungen noch Stabilitätszuschlag und Ergänzungsabgabe zur Körperschaftsteuer.

Nachdem das FA aufgrund eines Hinweises des Finanzgerichts (FG) in dem Klageverfahren III 129/81 erkannt hatte, daß die ab 1976 an die GmbH gerichteten Körperschaftsteuerbescheide und Einspruchsentscheidungen nicht wirksam bekanntgegeben worden waren, erließ es am 16. März 1984 einen an die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der GmbH gerichteten Sammelbescheid über Körperschaftsteuer sowie Ergänzungsabgabe und Stabilitätszuschlag zur Körperschaftsteuer für die Jahre 1973 und 1974. Der gegen diesen Bescheid gerichteten Klage gab das FG durch Urteil vom 21. Juli 1986 III K 162/84 wegen Festsetzungsverjährung statt. Das FG- Urteil wurde nach Rücknahme der Revision durch das FA im Jahre 1988 rechtskräftig.

Daraufhin beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 29. Dezember 1988 und 17. März 1989 beim FA die Erstattung der geleisteten Steuern. Das FA entschied durch Verwaltungsakt -- Abrechnungsbescheid -- vom 11. Mai 1989, daß die Erstattungsansprüche wegen Nichteinhaltung der Ausschlußfrist des § 152 Abs. 3 der Reichsabgabenordnung (AO) bzw. wegen Eintritts der Zahlungsverjährung erloschen seien, und lehnte die Erstattung ab. Einspruch und Klage gegen den Abrechnungsbescheid blieben erfolglos.

Das FG entschied, das FA habe die beantragte Erstattung zu Recht abgelehnt; denn die Klägerin habe die Erstattungsansprüche verspätet geltend gemacht.

Für den Streitfall folge das Gericht der vom Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 25. Oktober 1988 VII R 21/87 (BFH/NV 1989, 412) vertretenen Auffassung, daß der Erstattungsanspruch mit Eintritt der Verjährung des Steueranspruchs entstehe. Daraus ergebe sich, daß die geltend gemachten Erstattungsansprüche erst nach dem 31. Dezember 1976 entstanden seien. Gemäß Art. 97 § 14 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO 1977) seien daher für sie die Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977) über die Zahlungsverjährung anzuwenden. Hinsichtlich der Körperschaftsteueransprüche für 1973 und 1974 habe das FG bereits mit Urteil vom 21. Juli 1986 III K 162/84 festgestellt, daß die Festsetzungsverjährung Ende 1980 bzw. 1982 eingetreten sei. Folglich seien die Erstattungsansprüche für 1973 mit Ablauf des Jahres 1980 und die für 1974 mit Ablauf des Jahres 1982 entstanden, soweit die Zahlungen für die betreffenden Veranlagungszeiträume bis zum Ablauf dieser Kalenderjahre geleistet worden seien. Soweit die Zahlung erst nach Eintritt der Festsetzungsverjährung erfolgt sei -- hier die in 1981 gezahlte Körperschaftsteuer 1983 in Höhe von ... DM --, sei der Erstattungsanspruch im Zeitpunkt der Zahlung entstanden. Die streitigen Erstattungsansprüche seien somit mit Ablauf der Jahre 1980, 1981 bzw. 1982 entstanden.

Als die Klägerin erstmals in 1988 die Erstattung beantragt habe, sei die fünfjährige Zahlungsverjährungsfrist (§ 228 Satz 2 AO 1977) bereits abgelaufen gewesen. Die Frist habe mit Ablauf des Kalenderjahres begonnen, in dem der jeweilige Erstattungsanspruch erstmals fällig geworden sei (§ 229 Abs. 1 Satz 1 AO 1977). Soweit es -- wie im Streitfall -- an einer besonderen Regelung über die Fälligkeit fehle, sei der Anspruch mit seiner Entstehung fällig geworden (§ 220 Abs. 2 Satz 1 AO 1977). Der Beginn der Verjährung sei entgegen der Auffassung der Klägerin nicht gemäß § 229 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 hinausgeschoben worden. Die geltend gemachten Erstattungsansprüche seien nicht Folge des Bescheides vom 16. März 1984. Sie hätten sich vielmehr dadurch ergeben, daß die Klägerin aufgrund der von Anfang an rechtsunwirksamen Steuerfestsetzungen und somit ohne rechtlichen Grund i. S. des § 37 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 Zahlungen erbracht habe.

Mit der Revision macht die Klägerin geltend, das Urteil des FG verletze materielles Recht.

Das FG habe die Bedeutung der Verrechnung der in den Jahren 1973 bis 1981 geleisteten Zahlungen auf die durch den Bescheid vom 16. März 1984 begründeten Steueransprüche verkannt und dadurch gegen §§ 47, 37 Abs. 2, 38, 220, 229 Abs. 1 AO 1977 verstoßen. Aufgrund der Verrechnung seien die ursprünglich gegebenen ersten Erstattungsansprüche erfüllt worden. Mit Ablauf des Jahres, in dem der Bescheid vom 16. März 1984 rechtskräftig aufgehoben worden sei, seien zweite Erstattungsansprüche in gleicher Höhe entstanden. Diese zweiten Ansprüche seien noch nicht verjährt, da die Klägerin sie vor Ablauf der Verjährungsfrist geltend gemacht habe.

Die Steuerzahlungen, die aufgrund des Vorauszahlungsbescheides 1973 sowie der in den Jahren 1976 bis 1981 erlassenen Steuerbescheide erbracht worden seien, seien durch den gleichzeitig mit dem Steuerbescheid vom 16. März 1984 erlassenen "Abrechnungsbescheid"(gemeint: die zugehörigen Abrechnungen der Finanzkasse) auf die durch den Steuerbescheid festgesetzten Steuerbeträge angerechnet worden. Mit dieser als Aufrechnung zu wertenden Verrechnung, der die Klägerin zur Vermeidung von Vollstreckungsmaßnahmen konkludent zugestimmt habe, seien die ersten, sich aus der Unwirksamkeit der Bescheide der Jahre 1976 bis 1981 ergebenden Erstattungsansprüche gemäß § 47 AO 1977 erloschen und die aus dem wirksamen Bescheid vom 16. März 1984 erwachsenen Zahlungsansprüche des FA in gleicher Höhe erfüllt worden.

Der rechtswidrige, aber wirksame Bescheid vom 16. März 1984 sei der Rechtsgrund der von der Klägerin geltend gemachten zweiten Erstattungsansprüche. Diese seien erst mit der rechtskräftigen Aufhebung dieses Bescheides entstanden und fällig geworden und somit vor Ablauf ihrer Zahlungsverjährung geltend gemacht worden. Das FG habe die Frage der Verrechnung der ersten Erstattungsansprüche mit den Ansprüchen aufgrund des Bescheides vom 16. März 1984 nicht erörtert, obwohl die Verrechnung in den Einspruchs- und Klagebegründungen ausdrücklich angesprochen worden sei.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG und den Abrechnungsbescheid des FA in der Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben und das FA zu verpflichten, ihr X DM Körperschaftsteuer 1973, Körperschaftsteuer 1974, Stabilitätszuschlag und Ergänzungsabgabe zur Körperschaftsteuer 1973 und 1974 zu erstatten.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Es meint, die dem Bescheid vom 16. März 1984 beigefügten Abrechnungen seien Kassenabrechnungen und keine Aufrechnungen i. S. des § 226 AO 1977. Eine Aufrechnung habe weder das FA noch die Klägerin erklärt. Sie sei bei Erteilung des Bescheides vom 16. März 1984 auch nicht möglich gewesen, da die Klägerin weder Erstattungsansprüche geltend gemacht habe noch Erstattungsansprüche festgesetzt worden seien. Die Kassenabrechnungen hätten somit entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zum Erlöschen von Erstattungsansprüchen und zum Entstehen neuer Erstattungsansprüche geführt. Der Bescheid vom 16. März 1984 habe für die Zahlungsverjährung keine Bedeutung.

Eine "hinausgeschobene" Fälligkeit sei auch nicht hinsichtlich der aufgrund des wirksamen Vorauszahlungsbescheides gezahlten Steuerbeträge gegeben. Der rechtliche Grund für ihre Zahlung sei nicht nachträglich weggefallen. Sei der Jahressteuerbescheid unwirksam oder werde er aufgehoben und könne wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist kein Jahressteuerbescheid mehr ergehen, bleibe der Vorauszahlungsbescheid Rechtsgrundlage für die Erhebung der Vorauszahlungen. Er verliere seine Wirksamkeit nur durch ausdrückliche Aufhebung oder durch den Erlaß des Jahressteuerbescheides.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist im wesentlichen begründet.

Das FG ist zwar zutreffend davon ausgegangen, daß hinsichtlich der ursprünglichen Erstattungsansprüche, die infolge der Zahlungen der Klägerin auf die unwirksamen Steuerbescheide, die gegenüber der nicht mehr existierenden GmbH bekanntgegeben worden sind, im Zeitpunkt ihrer Geltendmachung durch die Klägerin -- erstmals Ende 1988 -- Zahlungsverjährung eingetreten war.

Die Vorinstanz hat aber zu Unrecht außer Betracht gelassen, daß im Zeitpunkt des Ergehens des wirksam gegenüber der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der GmbH bekanntgegebenen Sammelbescheides über Körperschaftsteuer, Ergänzungsabgabe und Stabilitätszuschlag zur Körperschaftsteuer für die Jahre 1973 und 1974 vom 16. März 1984 die vorgenannten Erstattungsansprüche noch nicht verjährt (erloschen) waren und sie bzw. die geleisteten Zahlungen mit den im Sammelbescheid festgesetzten Steuern verrechnet worden sind. Eine erneute Zahlungsverjährung hinsichtlich der geltend gemachten Erstattungsansprüche begann erst mit der rechtskräftigen Aufhebung des Sammelbescheids (wegen Festsetzungsverjährung) zu laufen. Sie war im Zeitpunkt der Geltendmachung durch die Klägerin noch nicht abgelaufen; die Erstattungsansprüche sind also nicht verjährt.

1. Die Steuerzahlungen, die die streitigen Erstattungsansprüche begründen sollen, sind geleistet worden in 1973 -- insoweit als Vorauszahlungen auf den wirksam gegenüber der damals noch bestehenden GmbH bekanntgegebenen Körperschaftsteuervorauszahlungsbescheid 1973 -- und in den Jahren 1976, 1979 und 1981 aufgrund von Steuerbescheiden und Rechtsbehelfsentscheidungen, die unwirksam sind, weil sie nicht gegenüber der Klägerin als Rechtsnachfolgerin und nunmehr materiell Betroffene, sondern gegenüber der nicht mehr bestehenden GmbH bekanntgegeben worden sind (§§ 122 Abs. 1, 124 Abs. 1 AO 1977). Nach der Rechtsprechung des BFH begründet die aufgrund eines unwirksamen oder nichtigen Steuerbescheides geleistete Zahlung des Steuerpflichtigen einen Erstattungsanspruch (vgl. Urteil des Senats in BFH/NV 1989, 412, 413 -- schon zu § 152 Abs. 1 AO --, m. w. N.). Die Vorinstanz hat sich hinsichtlich der Frage, wann Erstattungsansprüche aufgrund der von der Klägerin im Ergebnis nicht geschuldeten und damit ohne rechtlichen Grund geleisteten Zahlungen (§ 37 Abs. 2 AO 1977) entstanden sind und wann demnach ihre Zahlungsverjährung eingetreten ist, der Auffassung des erkennenden Senats im Urteil in BFH/NV 1989, 412 angeschlossen.

a) In dieser Entscheidung hat der Senat für die Entstehung des Erstattungsanspruchs nach dem Gesetz (vgl. § 38 AO 1977) offengelassen, ob zusätzlich die formelle Rechtslage (Steuerfestsetzung, Aufhebung oder Änderung) dem angepaßt sein muß oder ob dies nur für die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs (vgl. § 218 Abs. 1 AO 1977) erforderlich ist. Bei Steuerzahlungen aufgrund unwirksamer Bescheide -- wie im Streitfall --, die aber der materiellen Rechtslage nach dem Steuergesetz entsprechen, kann das FA einem Erstattungsbegehren dadurch begegnen, daß es die entsprechenden Bescheide -- nachträglich -- wirksam bekannt gibt (vgl. im Streitfall den gegenüber der Klägerin bekanntgegebenen Sammelbescheid vom 16. März 1984). Dieses Recht erlischt erst mit dem Ablauf der (Festsetzungs-)Verjährungsfrist. Erst von diesem Zeitpunkt an können die Steueransprüche nicht mehr wirksam festgesetzt werden (§ 148 AO, §§ 47, 169 Abs. 1 Satz 1 AO 1977). Daraus hat der Senat in dem vom FG zitierten Urteil gefolgert, daß der Erstattungsanspruch erst mit dem Eintritt der Verjährung des Steueranspruchs materiell-rechtlich entsteht.

Für den Streitfall ergibt sich daraus -- wie das FG zutreffend entschieden hat --, daß für die hier zu beurteilenden Erstattungsansprüche die Vorschriften der AO 1977 über die Zahlungsverjährung gelten, da sie erst nach dem 31. Dezember 1976 entstanden sind und folglich ihre Verjährung nach diesem Stichtag begonnen hat (Art. 97 § 14 Abs. 1 EGAO 1977). Denn nach den Feststellungen der Vorinstanz steht aufgrund des zwischen den Beteiligten ergangenen und deshalb diese bindenden rechtskräftigen Urteils des FG vom 21. Juli 1986 III K 162/84 fest, daß hinsichtlich der Steueransprüche für das Streitjahr 1973 mit Ablauf des Jahres 1980 und derjenigen für das Streitjahr 1974 mit Ablauf des Jahres 1982 Festsetzungsverjährung eingetreten ist (§§ 110 Abs. 1, 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Daraus folgt, daß die entsprechenden Erstattungsansprüche, jedenfalls soweit sie auf vor Eintritt der Festsetzungsverjährung geleisteten Zahlungen beruhen, mit Ablauf der Jahre 1980 bzw. 1982 entstanden sind. Nach den Feststellungen des FG ist nach Ablauf der vorgenannten Fristen für die Festsetzungsverjährung allein auf die Körperschaftsteuer 1973 im Jahre 1981 noch eine Zahlung (in Höhe von ... DM) aufgrund eines unwirksamen Steuerbescheides erfolgt. Da diese Zahlung sowohl formell als auch materiell ohne Rechtsgrund geleistet worden ist (§ 37 Abs. 2 AO 1977), hat sie unmittelbar zur Entstehung des entsprechenden Erstattungsanspruchs geführt. Die demnach mit Ablauf der Jahre 1980 bzw. 1982 und in 1981 entstandenen Erstattungsansprüche sind mit ihrer Entstehung auch fällig geworden, da es insoweit an einer besonderen gesetzlichen Regelung über die Fälligkeit fehlt (§ 220 Abs. 2 Satz 1 AO 1977). Die fünfjährige Frist für die Zahlungsverjährung gemäß § 228 Satz 2 AO 1977, die mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem der jeweilige (Erstattungs-)Anspruch erstmals fällig geworden ist (§ 229 Abs. 1 Satz 1 AO 1977), wäre somit mit Ablauf der Jahre 1985, 1986 und 1987 -- und damit vor der erstmaligen Geltendmachung der Ansprüche durch die Klägerin in 1988 -- abgelaufen. Ein Hinausschieben der Fälligkeit und damit der Zahlungsverjährungsfrist nach § 229 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 hat das FG schon deshalb zu Recht verneint, weil diese Vorschrift als Sonderregelung für sog. Fälligkeitssteuern auf den Streitfall keine Anwendung findet (vgl. Ruban in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 229 AO 1977 Rz. 8).

b) Die vorstehend dargelegte materiell- rechtliche Auffassung vom Zeitpunkt der Entstehung und Fälligkeit der Erstattungsansprüche, die der Vorentscheidung und dem Senatsurteil in BFH/NV 1989, 412 zugrunde liegt, wird in Rechtsprechung und Schrifttum nicht ausnahmslos geteilt. Nach einer rein formellen Betrachtungsweise sollen Erstattungsansprüche, die sich -- wie im Streitfall -- aus der Zahlung aufgrund eines nichtigen oder wegen Bekanntgabemangels unwirksamen Steuerbescheids nach § 37 Abs. 2 AO 1977 ergeben, bereits mit der Zahlung entstehen und fällig werden (§ 220 Abs. 2 Satz 1 AO 1977), unabhängig davon, ob noch innerhalb der Festsetzungsfrist ein wirksamer Steuerbescheid hätte erlassen werden können (vgl. Niedersächsisches FG, Urteil vom 17. Januar 1989 I 407/88, Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1989, 266; Ruban in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. O., § 228 AO 1977 Rz. 7 und § 229 AO 1977 Rz. 7). Der Streitfall gibt keinen Anlaß, zu den unterschiedlichen Ansichten über die Entstehung derartiger Erstattungsansprüche abschließend Stellung zu nehmen. Denn nach dieser zuletzt dargelegten formellen Betrachtungsweise hätte die fünfjährige Zahlungsverjährung hinsichtlich der Erstattungsansprüche, die auf den in den Jahren 1976, 1979 und 1981 geleisteten Zahlungen aufgrund der unwirksamen Steuerbescheide beruhen, bereits mit Ablauf des jeweiligen Jahres der Zahlung -- und damit überwiegend früher als nach der oben dargestellten materiell-rechtlichen Auffassung -- zu laufen begonnen, so daß sie im Zeitpunkt der Geltendmachung der Ansprüche durch die Klägerin (Ende 1988) ebenfalls abgelaufen wären.

c) Da der Senat aber -- wie unter 2. ausgeführt wird -- von einer Verrechnung der geleisteten Steuerzahlungen bzw. der auf diesen beruhenden Erstattungsansprüche mit den Steuerfestsetzungen aufgrund des später wirksam gegenüber der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der GmbH bekanntgegebenen Sammelbescheides vom 16. März 1984 ausgeht, kommt es -- jedenfalls für die Wirksamkeit einer Aufrechnung -- darauf an, daß die Erstattungsansprüche zum Zeitpunkt des Ergehens dieses Bescheides noch nicht gemäß § 47 AO 1977 erloschen waren. Nach der unter 1. a) dargestellten materiell-rechtlichen Betrachtungsweise war dies nicht der Fall, weil -- wie ausgeführt -- die Zahlungsverjährung der Erstattungsansprüche erst mit Ablauf der Kalenderjahre 1985, 1986 und 1987 eingetreten ist. Nach der formellen Betrachtungsweise (vgl. 1. b) waren jedenfalls die Erstattungsansprüche, die aufgrund der in den Jahren 1979 und 1981 auf die Festsetzungen in den unwirksamen Bescheiden geleisteten Zahlungen entstanden sind, zum Zeitpunkt des Ergehens des Sammelbescheides noch nicht erloschen, weil ihre Zahlungsverjährung nach dieser Auffassung mit Ablauf der Jahre 1979 und 1981 begann und mit Ablauf der Jahre 1984 und 1986 endete (§§ 228, 229 Abs. 1 Satz 1 AO 1977).

Hinsichtlich der im Jahre 1976 auf die Festsetzung in dem nicht wirksam bekanntgegebenen Körperschaftsteuerbescheid 1973 geleisteten Zahlung wäre nach der formellen Auffassung der Erstattungsanspruch schon in 1976 und damit vor Inkrafttreten der AO 1977 entstanden. Für einen solchen Anspruch würden nach Art. 97 § 14 Abs. 2 EGAO 1977 die bisherigen Vorschriften der AO über die Verjährung und die Ausschlußfristen fortgelten, so daß nicht die Vorschriften über die Zahlungsverjährung, sondern die kürzere Ausschlußfrist gemäß § 152 Abs. 3 AO das Erlöschen dieses Erstattungsanspruchs bestimmen würde (vgl. Senat in BFH/NV 1989, 412). Der Senat hält aber für den Erstattungsanspruch aufgrund einer vor dem 31. Dezember 1976 geleisteten Zahlung auf eine Festsetzung in einem unwirksamen oder nichtigen Steuerbescheid, die die in § 152 Abs. 1 AO geregelten Fällen der unzulässigen Beitreibung und der doppelten Zahlung gleichsteht, und demgemäß wie diese der Zahlung auf eine Nichtschuld entspricht (vgl. Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung, 7. Aufl., § 152 Tz. 1 und 2), an seinem hierzu ergangenen Urteil in BFH/NV 1989, 412 fest, wonach die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs dessen materiell-rechtlichen Bestand voraussetzt, so daß der Erstattungsanspruch erst mit dem Eintritt der (Festsetzungs-)Verjährung des Steueranspruchs entsteht. Ob dies auch für die nunmehr generell in § 37 Abs. 2 AO 1977 geregelten Erstattungsansprüche gilt, die nicht mehr den Ausschlußfristen der §§ 151 Satz 2, 152 Abs. 3, 153 AO, sondern der Zahlungsverjährung (§§ 228 ff. AO 1977) unterliegen, braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden. Wie oben ausgeführt (vgl. 1. a) ist hinsichtlich der Steueransprüche für 1973 die Festsetzungsverjährung mit Ablauf des Jahres 1980 und damit die Zahlungsverjährung für die sich daraus ergebenden Erstattungsansprüche mit Ablauf des Jahres 1985 eingetreten. Auch der Anspruch auf Erstattung der im Jahre 1976 auf die unwirksame Körperschaftsteuerfestsetzung für 1973 geleisteten Zahlung war damit bei Erlaß des Sammelbescheids vom 16. März 1984, der der Klägerin wirksam bekanntgegeben worden ist, noch nicht erloschen.

Auf die Entstehung und Geltendmachung des Erstattungsanspruchs bezüglich der Körperschaftsteuervorauszahlungen 1973, die -- im Gegensatz zu allen anderen Zahlungen -- aufgrund eines der damals noch bestehenden GmbH wirksam bekanntgegebenen Vorauszahlungsbescheids geleistet worden sind, wird nachfolgend unter 2. b), bb) eingegangen.

2. a) Mit dem Sammelbescheid vom 16. März 1984 sind die Steueransprüche gegen die GmbH für die Kalenderjahre 1973 und 1974 erneut festgesetzt worden. Der Bescheid ist sodann gegenüber der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der GmbH wirksam bekanntgegeben worden. Daß diese Steuerfestsetzung nach Ablauf der Festsetzungsverjährung (Ende 1980 und Ende 1982, vgl. oben 1. a) erfolgt ist, macht sie zwar rechtswidrig (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO 1977), steht aber ihrer Wirksamkeit, für die es allein auf die nach §§ 122 Abs. 1, 124 Abs. 1 AO 1977 wirksame Bekanntgabe des Bescheides ankommt, nicht entgegen. Die Festsetzung eines wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist erloschenen Steueranspruchs macht den Steuerbescheid nicht nichtig; auch solche Steueransprüche, die unter Verstoß gegen § 169 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 festgesetzt werden, unterliegen der Zahlungsverjährung (Ruban in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. O., Vor § 228 AO 1977 Rz. 2).

Die Klägerin war demnach, solange die Steuerfestsetzung vom 16. März 1984 Bestand hatte, an der Geltendmachung und Durchsetzung der Erstattungsansprüche, die sich aufgrund der Zahlungen sowohl auf den Körperschaftsteuervorauszahlungsbescheid 1973 als auch auf die Festsetzungen in den vorausgegangenen unwirksamen Steuerbescheiden ergeben hatten, gehindert (vgl. § 218 Abs. 1 AO 1977). Es bestand für sie ein ähnliches Rechtshindernis wie in den gesetzlich geregelten Fällen, in denen die bereits angelaufene Zahlungsverjährung für einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis gehemmt oder z. B. wegen Zahlungsaufschubs, Vollstreckungsaufschubs, Stundung oder Aussetzung der Vollziehung unterbrochen wird. Wenn auch der vorliegende Tatbestand in den §§ 230, 231 AO 1977 als Fall der Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung nicht aufgeführt ist -- wohl, weil der Gesetzgeber die Auswirkungen einer Steuerfestsetzung nach Ablauf der Festsetzungsfrist auf den zuvor entstandenen Erstattungsanspruch nicht bedacht oder nicht für regelungsbedürftig erachtet hat --, so erscheint es im Ergebnis doch gerechtfertigt, daß der Klägerin die unterlassene Geltendmachung der Erstattungsansprüche vor Aufhebung des Sammelbescheids vom 16. März 1984 -- jedenfalls nach den Grundsätzen von Treu und Glauben -- nicht entgegengehalten werden kann.

Die Aufhebung einer Steuerfestsetzung im finanzgerichtlichen Verfahren wird erst mit der Rechtskraft des Urteils wirksam. Ergibt sich aus der gerichtlichen Entscheidung ein Erstattungsanspruch des Steuerpflichtigen, so beginnt die Verjährung dieses Zahlungsanspruchs mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem das Urteil rechtskräftig geworden ist (Ruban in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. O., § 229 AO 1977 Rz. 7). Das bedeutet für den vorliegenden Fall, daß die Zahlungsverjährung für den Erstattungsanspruch, der sich aus der Aufhebung des Sammelbescheids vom 16. März 1984 ergibt, mit Ablauf des Jahres 1988 begonnen hat, denn der Bescheid vom 16. März 1984 ist nach den Feststellungen des FG durch Urteil vom 21. Juli 1986 III K 162/84 aufgehoben worden, das nach Rücknahme der Revision durch das FA im Jahre 1988 rechtskräftig geworden ist. Der Erstattungsanspruch der Klägerin ist somit im Zeitpunkt seiner Geltendmachung noch nicht verjährt gewesen.

b) Das aus den vorstehenden Gründen sachgerechte Ergebnis, daß sich der Erstattungsanspruch der Klägerin und seine Zahlungsverjährung im Streitfall nach den Steuerfestsetzungen in dem ihr gegenüber ergangenen Sammelbescheid vom 16. März 1984 und seiner Aufhebung durch gerichtliches Urteil bestimmt, wird auch durch eine weitere Erwägung gestützt:

Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG sind mit dem der Klägerin gegenüber bekanntgegebenen Sammelbescheid für alle hier maßgeblichen Steuerarten und -jahre höhere Steuern festgesetzt worden, als sie von der GmbH bzw. der Klägerin gezahlt worden sind und nunmehr mit dem Erstattungsbegehren geltend gemacht werden. Daraus folgt in tatsächlicher Hinsicht, daß mit den dem Sammelbescheid beigefügten Kassenabrechnungen die bereits geleisteten (niedrigeren) Zahlungen den Steuerfestsetzungen gegenübergestellt und die jeweiligen Unterschiedsbeträge als Restzahlung zum Soll gestellt worden sind. Weitere tatsächliche Feststellungen zum Inhalt der Kassenabrechnungen, die in dem Urteil des FG nicht ausdrücklich getroffen worden sind, sind deshalb entbehrlich, da die vorstehend dargestellte Schlußfolgerung über die Verrechnung (Anrechnung) der geleisteten Zahlungen mit den Steuerfestsetzungen der Verwaltungspraxis, der geltenden Rechtslage (§ 47 AO 1977, § 49 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes -- KStG -- i. V. m. § 36 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes -- EStG --) und dem Vorbringen der Klägerin entspricht. Auch das FA hat in seiner Revisionserwiderung aufgeführt, daß durch die dem Bescheid vom 16. März 1984 beigefügten Kassenabrechnungen "-- ausgehend von den festgesetzten Steuerschulden und den für den jeweiligen Veranlagungszeitraum geleisteten Steuerbeträgen -- die noch zu entrichtenden Steuerschulden ermittelt und der Klägerin mitgeteilt worden sind". Es hat aus dieser Tatsache lediglich hinsichtlich der Wirksamkeit einer Aufrechnung andere rechtliche Schlußfolgerungen als die Klägerin gezogen. Die Tatsache der Verrechnung der geleisteten Zahlungen mit den durch den Sammelbescheid festgesetzten Steuerschulden durch das FA steht somit fest, so daß es dahingestellt bleiben kann, ob die Klägerin insoweit i. S. des § 118 Abs. 2 FGO zulässige und begründete Revisionsrügen vorgebracht hat.

aa) In rechtlicher Hinsicht stellt sich die vom FA vorgenommene Verrechnung als eine Aufrechnung der mit dem Sammelbescheid festgesetzten Steuern gegen die zum damaligen Zeitpunkt noch nicht verjährten Erstattungsansprüche der Klägerin infolge ihrer Zahlungen auf die unwirksamen Steuerbescheide dar. Wenn -- wie im Streitfall -- eine unmittelbare Anrechnung der geleisteten Zahlungen wegen eingetretener Tilgungswirkung (§ 47 AO 1977) nicht angenommen werden kann, weil die Tilgungswirkung mit Eintritt der Festsetzungsverjährung der Steueransprüche (hier mit Ablauf der Jahre 1980 und 1982) entfallen bzw. gar nicht erst eingetreten ist, weil die Zahlung erst nach der Festsetzungsverjährung geleistet worden ist (so die Zahlung in 1981 auf die Körperschaftsteuer 1973; vgl. oben 1. a), so ist in dem mit den Kassenabrechnungen zum Ausdruck gebrachten Willen zur Verrechnung jedenfalls eine Aufrechnungserklärung des FA zu sehen, die den Erstattungsanspruch und in gleicher Höhe den festgesetzten Steueranspruch zum Erlöschen gebracht hat (§ 226 Abs. 1 AO 1977 i. V. m. §§ 387, 388, 389 des Bürgerlichen Gesetzbuches -- BGB --). Die Auffassung, daß die Kassenabrechnung keinen Verwaltungsakt darstellt, steht der Annahme einer Aufrechnung nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 2. April 1987 VII R 148/83, BFHE 149, 482, BStBl II 1987, 536). Da hier die Aufrechnung durch das FA und nicht durch den Steuerpflich tigen erfolgt ist, ist es -- entgegen der Revisionserwiderung des FA -- auch unerheblich, daß der Erstattungsanspruch zuvor weder geltend gemacht noch festgesetzt worden ist (vgl. § 226 Abs. 3 AO 1977). Maßgebend für die Wirksamkeit der Aufrechnung ist allein, daß der Erstattungsanspruch zum damaligen Zeitpunkt -- wie oben (vgl. 1. c) ausgeführt worden ist -- noch nicht durch Zahlungsverjährung erloschen war und daß die wirksam gegenüber der Klägerin durch Bescheid vom 16. März 1984 festgesetzten Steueransprüche trotz eingetretener Festsetzungsverjährung bis zum Zeitpunkt der späteren Aufhebung dieses Bescheids gemäß § 218 Abs. 1 AO 1977 verwirklicht werden konnten.

bb) Die Körperschaftsteuervorauszahlungen 1973, die auf einem wirksamen gegenüber der damals noch bestehenden GmbH bekanntgegebenen Vorauszahlungsbescheid beruhen, sind zunächst formell und materiell nicht ohne Rechtsgrund geleistet worden. In Rechtsprechung und Schrifttum ist umstritten, ob hinsichtlich der geleisteten Vorauszahlungen mit Ablauf der Festsetzungsverjährung des betreffenden Steueranspruchs ein Erstattungsanspruch entsteht, weil nunmehr die Steuer für den betreffenden Veranlagungszeitraum nicht mehr festgesetzt werden darf (vgl. Urteil des Senats vom 13. Februar 1996 VII R 55/ 95, BFH/NV 1996, 454; Tipke/Kruse, a. a. O., § 37 AO 1977 Tz. 15, jeweils mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Der Senat braucht diese Frage -- ebenso wie in dem vorgenannten Urteil -- hier nicht zu entscheiden, weil das FA trotz Eintritts der Festsetzungsverjährung am 16. März 1984 einen Körperschaftsteuerbescheid 1973 gegenüber der Klägerin erlassen hat, der allerdings später durch gerichtliche Entscheidung aufgehoben worden ist. Für diesen Fall hat der Senat in dem Urteil vom 13. Februar 1996 VII R 55/95 ausgeführt, daß sich der Vorauszahlungsbescheid jedenfalls mit der Bekanntgabe des Jahressteuerbescheids gemäß § 124 Abs. 2 AO 1977 auf andere Weise erledigt. Alleinige Grundlage für die Verwirklichung des Steueranspruchs und damit für die Frage des Behaltendürfens der Vorauszahlungen durch das FA ist nunmehr der wirksam ergangene Jahressteuerbescheid, selbst wenn dieser -- wie im Streitfall -- wegen Festsetzungsverjährung nicht hätte ergehen dürfen (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO 1977) und deshalb später aufgehoben wird.

Sollte -- wie teilweise angenommen wird (vgl. Urteil des FG Hamburg in EFG 1988, 577, m. w. N.) -- mit der Festsetzungsverjährung, die hier für die Körperschaftsteuer 1973 mit Ablauf des Jahres 1980 eingetreten ist (vgl. oben 1. a), ein Erstattungsanspruch der Klägerin hinsichtlich der geleisteten Vorauszahlungen entstanden sein, so war für diesen die Zahlungsverjährung bei Erlaß des Bescheids vom 16. März 1984 noch nicht abgelaufen (vgl. oben 1. a und 1. c). Das FA konnte deshalb -- wie in der Kassenabrechnung zu dem Körperschaftsteuerbescheid 1973 vom 16. März 1984 geschehen (vgl. die vorstehenden Ausführungen unter 2. b, bb) -- mit der festgesetzten Körperschaftsteuer 1973 gegenüber dem Erstattungsanspruch auf die geleisteten Vorauszahlungen dieses Kalenderjahres aufrechnen. Bei anderer Betrachtungsweise -- keine Entstehung des Erstattungsanspruchs (so Tipke/Kruse, a. a. O., § 37 AO 1977 Tz. 15) -- ergibt sich aus der Kassenabrechnung eine unmittelbare Anrechnung der geleisteten Vorauszahlungen auf die festgesetzte Körperschaftsteuerschuld 1973 (§ 49 Abs. 1 KStG i. V. m. § 36 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 EStG).

c) Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, daß etwaige früher entstandene Erstattungsansprüche der Klägerin durch die vom FA vorgenommene Abrechnung aller Steuerzahlungen, die im Zusammenhang mit dem Sammelbescheid vom 16. März 1984 erfolgt ist, im Wege der Aufrechnung vor Eintritt ihrer Zahlungsverjährung erloschen sind. Neue Erstattungsansprüche hinsichtlich sämtlicher auf die Steueransprüche für die Veranlagungszeiträume 1973 und 1974 geleisteten Zahlungen sind -- wie oben ausgeführt (vgl. 2. a am Ende) -- mit der Aufhebung der Steuerfestsetzungen vom 16. März 1984 durch die rechtskräftige gerichtliche Entscheidung entstanden. Da das den Sammelbescheid aufhebende Urteil des FG erst im Jahre 1988 rechtskräftig geworden ist, war hinsichtlich der streitigen Erstattungsansprüche im Zeitpunkt ihrer Geltendmachung durch die Klägerin in den Jahren 1988 und 1989 noch keine Zahlungsverjährung eingetreten.

3. Die Grundsätze von Treu und Glauben stehen der Geltendmachung der Erstattungsansprüche durch die Klägerin nicht entgegen.

Der BFH hat schon im Urteil vom 9. April 1986 I R 62/81 (BFHE 146, 344, BStBl II 1986, 565, 566) für einen dem Streitfall vergleichbaren Sachverhalt (Zahlung aufgrund eines Bescheides, der an eine erloschene GmbH gerichtet war; gerichtliche Aufhebung dieses unwirksamen Bescheides; erneute Festsetzung der Körperschaftsteuer gegen die Rechtsnachfolgerin der GmbH, dann gerichtliche Aufhebung dieses Bescheides wegen Verjährung) entschieden, daß es nicht als eine gegen Treu und Glauben verstoßende Rechtsausübung angesehen werden kann, wenn ein Steuerpflichtiger die Erstattung seiner Steuerzahlungen begehrt, nachdem sich aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung die Rechtswidrigkeit des Steuerbescheids herausgestellt hat. Diese Beurteilung, der der erkennende Senat bereits in seinem Urteil in BFH/NV 1989, 412, 415 gefolgt ist, muß auch auf den Streitfall Anwendung finden.

Der X. Senat des BFH ist zwar im Falle des Urteils vom 17. Juni 1992 X R 47/88 (BFHE 169, 103, BStBl II 1993, 174, 177) zu dem Ergebnis gelangt, daß ein Kläger nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gehindert sei, aus der Nichtigkeit der Bescheide abgeleitete Erstattungsansprüche durchzusetzen, weil die Berufung auf die Nichtigkeit zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde. Dies ist damit begründet worden, ein Kläger als Rechtsnachfolger des verstorbenen Steuerschuldners habe sich vom Bekanntwerden des Erbfalls an mit dem durch ihn veranlaßten Mangel in der Bestimmtheit des Inhaltsadressaten nicht nur jahrelang abgefunden, sondern er habe ihn in seiner umfangreichen Korrespondenz mit dem FA und in förmlichen Verfahren auch aufrechterhalten. Es sei deshalb rechtsmißbräuchlich, wenn er sich nach langer Zeit des Rechtsfriedens allein zu Erstattungszwecken auf einen von ihm mitzuverantwortenden Bestimmtheitsmangel berufe, der zuvor, als es noch um die Verwirklichung der Steueransprüche ging, auch bei ihm selbst tatsächlich keine Unklarheiten bewirkt habe.

Der Streitfall ist mit dem vorstehenden Urteilsfall nicht vergleichbar. Es ist hier weder festgestellt noch ersichtlich, daß die Klägerin die Bekanntgabe der Steuerbescheide gegenüber der nicht mehr bestehenden GmbH veranlaßt hat, sie von sich aus den Irrtum des FA aufrechterhalten hat und daß ihr die Unwirksamkeit dieser Bescheide bereits vor dem Hinweis des FG in dem dagegen erhobenen Klageverfahren bekannt war. Im übrigen beruft sich die Klägerin für ihren Erstattungsanspruch auf die Aufhebung der ihr gegenüber ergangenen Bescheide vom 16. März 1984 durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist. Die Geltendmachung der Erstattungsansprüche führt hier -- ebensowenig wie in dem vergleichbaren Urteilsfall des I. Senats in BFHE 146, 344, BStBl II 1986, 565 -- nicht zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis. Aus der Tatsache, daß der X. Senat trotz des von ihm gefundenen anderen Ergebnisses in BFHE 169, 103, BStBl II 1993, 174 keine Veranlassung zur Anfrage beim I. Senat bzw. der Anrufung des Großen Senats gemäß § 11 Abs. 2 und 3 FGO gesehen hat, kann ebenfalls gefolgert werden, daß seiner Entscheidung auch nach eigener Einschätzung ein anderer Sachverhalt zugrunde lag als dem Urteil des I. Senats.

4. Da die Vorentscheidung auf einer anderen Rechtsauffassung beruht, ist sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Der angefochtene Abrechnungsbescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung ist dahin abzuändern, daß folgende Erstattungsbeträge zugunsten der Klägerin festgesetzt werden:

...

Die unmittelbar auf die Verurteilung des FA zur Erstattung gerichtete Leistungsklage war abzuweisen (vgl. Urteil des Senats vom 12. Juni 1986 VII R 103/83, BFHE 147, 1, BStBl II 1986, 702).

 

Fundstellen

Haufe-Index 421477

BFH/NV 1996, 866

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