Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Fortschreibungsveranlagung des Grundsteuermeßbetrages ist auch zum Zwecke einer Fehlerbeseitigung zulässig. Die Fortschreibungsveranlagung setzt keine Fortschreibung des Einheitswertes voraus, wenn bereits ein Einheitswert für den Stichtag, auf den die Fortschreibungsveranlagung durchzuführen ist, besteht.

Die Benutzung eines unbebauten Grundstückes durch Arbeitnehmer eines gewerblichen Betriebes zum Abstellen ihrer Fahrzeuge ist eine Nutzung zu gewerblichen Zwecken.

 

Normenkette

GrStG § 14; GrStDV § 33

 

Tatbestand

Streitig ist, ob bei der Festsetzung des Grundsteuermeßbetrags auf den 1. Januar 1958 für ein der Bfin. gehöriges Grundstück die Steuermeßzahl 10 v. T. oder 5 v. T. anzuwenden ist.

Die Bfin. betreibt eine Maschinenfabrik. Getrennt von der Fabrik und von dieser etwa 200 m entfernt liegt das Grundstück, das die Bfin. im Jahre 1954 erworben hat. Die Zurechnungsfortschreibung und Fortschreibungsveranlagung des Grundsteuermeßbetrags wurden auf den 1. Januar 1955 durchgeführt, wobei zur Festsetzung des Grundsteuermeßbetrags die Steuermeßzahl 10 v. T. (ß 33 Ziff. 1 GrStDV) auf den Einheitswert angewendet wurde. Auf den Einspruch änderte das Finanzamt gemäß § 94 AO den Steuermeßbetrag in der Weise, daß es nunmehr die Steuermeßzahl von 5 v. T. (ß 33 Ziff. 2 GrStDV) anwendete und dementsprechend den Steuermeßbetrag um die Hälfte ermäßigte, weil das Grundstück nicht unmittelbar betrieblich genutzt werde.

Im Jahre 1959 änderte das Finanzamt seine Auffassung über die anzuwendende Steuermeßzahl. Es vertrat nunmehr den Standpunkt, das Grundstück werde unmittelbar für betriebliche Zwecke genutzt, weil es den Betriebsangehörigen zum Abstellen von Motorrädern und Fahrrädern zur Verfügung gestellt werde. Deshalb sei die Steuermeßzahl 10 v. T. anzuwenden. Dementsprechend führte das Finanzamt eine Fortschreibungsveranlagung des Steuermeßbetrags auf den 1. Januar 1958 durch.

Einspruch und Berufung blieben erfolglos. Mit der Rb. wird vorgetragen, die Voraussetzungen für eine Nachveranlagung des Steuermeßbetrags gemäß § 15 GrStG seien nicht gegeben, weil sich weder der aktenkundige Sachverhalt noch die Rechtsprechung geändert hätten. Die Anwendung der Steuermeßzahl 5 v. T. beruhe auch nicht auf einem Rechtsirrtum, der unter Umständen eine Fortschreibungsveranlagung rechtfertigen könnte. Die Vorinstanz gehe davon aus, daß die allgemeine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ihn verpflichte, den Arbeitnehmern einen Parkplatz für Fahrräder, Motorräder und Kraftfahrzeuge bereitzustellen. Arbeitsrechtlich sei nicht geklärt, ob die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers soweit gehe. Aber selbst wenn man diese Frage bejahe, könne daraus nicht gefolgert werden, daß die Gestellung bzw. die Benutzung von Parkplätzen ein unmittelbares gewerbliches Geschehen sei. Die Fürsorgepflicht eines Arbeitgebers treffe jeden - auch Privatpersonen -, der Personen beschäftige. Sie sei nicht an eine gewerbliche Tätigkeit gebunden, sondern allein in der Stellung als Arbeitgeber begründet. Deshalb sei ihre Erfüllung - wie die Zurverfügungstellung von Parkplätzen - nur ein mittelbares gewerbliches Geschehen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unbegründet.

I. - Der durch Anwendung der Steuermeßzahl von 10 v. T. geänderte Steuermeßbetrag wurde nicht durch eine Nachveranlagung nach § 15 GrStG, sondern durch eine Fortschreibungsveranlagung in entsprechender Anwendung des § 14 GrStG festgesetzt. Eine Fortschreibungsveranlagung des Steuermeßbetrags setzt zwar nach § 14 GrStG grundsätzlich die Fortschreibung des Feststellungsbescheides über einen Einheitswert voraus. Für die Nachveranlagung des Steuermeßbetrags nach § 15 GrStG bestimmt § 34 GrStDV, daß diese auch dann vorzunehmen ist, wenn der Grund für die Befreiung des Steuergegenstandes von der Grundsteuer wegfällt, eine Nachfeststellung des Einheitswertes aber deswegen nicht in Betracht kommt, weil der Einheitswert auf den letzten Hauptfeststellungszeitpunkt oder einen späteren Feststellungszeitpunkt bereits festzustellen war (vgl. auch Urteile des Reichsfinanzhofs III 115/41 vom 3. September 1941, RStBl 1941 S. 770; III 64/42 vom 18. Juni 1942, RStBl 1942 S. 1084). Der dieser Bestimmung zugrunde liegende Grundsatz muß, wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, dazu führen, daß in solchen Fällen, in denen eine Fortschreibung des Einheitswertes nicht erforderlich ist - auch nicht für Grundsteuerzwecke -, auch ohne vorausgehende Fortschreibung des Einheitswertes der Grundsteuermeßbetrag grundsätzlich neu veranlagt werden kann. Ebenso wie eine Fortschreibung des Einheitswertes zum Zwecke einer Fehlerbeseitigung möglich und zulässig ist (Entscheidung des Bundesfinanzhofs III 237/60 S vom 20. Juli 1962, BStBl 1962 III S. 530, Slg. Bd. 75 S. 721), ist auch eine Fortschreibung des Steuermeßbetrags zum Zwecke einer Fehlerbeseitigung zulässig. Die Fortschreibung des Grundsteuermeßbetrags auf den 1. Januar 1958 ist deshalb in formeller Hinsicht zulässig.

II. - Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht ist die Fortschreibungsveranlagung in Ordnung. Nach § 33 Ziff. 1 GrStDV beträgt die Steuermeßzahl für unbebaute Grundstücke 10 v. T., wenn sie für eigene oder fremde gewerbliche oder betriebliche Zwecke genutzt werden oder Vorratsgelände öffentlicher oder gewerblicher Betriebe sind. Im vorliegenden Falle geht es nur darum, ob der Parkplatz für eigene gewerbliche oder betriebliche Zwecke der Bfin. genutzt wird. Der erkennende Senat hat bereits in der Entscheidung III 172/53 S vom 7. Mai 1954 (BStBl 1954 III S. 214, Slg. Bd. 59 S. 14) ausgeführt, daß die Anwendung der Steuermeßzahl 10 v. T. nicht davon abhängt, ob das unbebaute Grundstück zu einem gewerblichen Betrieb gehört, sondern von der Nutzung zu gewerblichen oder betrieblichen Zwecken. Er hat in diesem Urteil auch bereits entschieden, daß Nutzung eines unbebauten Grundstücks zu gewerblichen Zwecken im Sinne des § 33 Ziff. 1 GrStDV vorliegt, wenn eine unmittelbare gewerbliche oder betriebliche Nutzung objektiv besteht, d. h., wenn sich ein gewerbliches Leben sichtbar auf dem Grundstück abspielt. In der Entscheidung III 270/55 U vom 27. Januar 1956 (BStBl 1956 III S. 177, Slg. Bd. 62 S. 477) ist an dieser Auffassung festgehalten worden und ergänzend ausgeführt, unter Nutzung im Sinne des § 33 Ziff. 1 GrStDV sei demnach zu verstehen, daß unter Ausnutzung der Sachherrschaft, die der Besitz des Grundstücks verleiht, von diesem selbst für gewerbliche Zwecke Gebrauch gemacht werde. Somit ist zu prüfen, ob das Grundstück am Stichtag zu gewerblichen Zwecken im angeführten Sinn genutzt worden ist. Die Vorinstanz stützte ihre Entscheidung darauf, daß sich auf einem Grundstück unmittelbar ein gewerbliches oder betriebliches Leben nicht nur dann abspiele, wenn auf ihm selbst eine Fabrikation betrieben werde, oder dieses unmittelbar Fabrikationszwecken diene. Eine unmittelbare betriebliche Nutzung finde auch auf solchem Gelände statt, das der Arbeitgeber in Ausübung der ihm obliegenden Fürsorgepflicht seinen Arbeitnehmern zur Aufbewahrung solcher Sachen zur Verfügung stelle, die der Arbeitnehmer berechtigterweise an die Arbeitsstätte mitgebracht habe. Die Fürsorgepflicht erstrecke sich auf den gesamten durch das Arbeitsverhältnis erfaßten Lebensbereich, innerhalb dessen sich die Tätigkeit des Arbeitnehmers abspiele. Die Benutzung der auf Grund der Fürsorgepflicht geschaffenen Betriebseinrichtungen durch den Arbeitnehmer stelle mithin eine unmittelbare betriebliche Nutzung dar. Der Vorentscheidung ist darin zuzustimmen, daß eine unmittelbare gewerbliche oder betriebliche Nutzung eines Grundstücks nicht nur dann gegeben ist, wenn auf ihm die dem Betrieb eigentümliche Tätigkeit ausgeübt wird. Eine unmittelbare gewerbliche oder betriebliche Nutzung im Sinne des § 33 Ziff. 1 GrStDV liegt vielmehr auch dann vor, wenn der Grundbesitz allgemein den gewerblichen Zwecken dient. Dementsprechend hat der erkennende Senat in der bereits angeführten Entscheidung III 270/55 U vom 27. Januar 1956 (a. a. O.) eine gewerbliche Nutzung als gegeben angesehen, wenn von dem Grundbesitz für gewerbliche Zwecke Gebrauch gemacht wird. Es kann dahingestellt bleiben, ob das unbebaute Grundstück, der Parkplatz, als Betriebseinrichtung auf Grund der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers den Arbeitnehmern zur Verfügung gestellt wird. Entscheidend ist das Tatsächliche, nämlich ob das Grundstück für gewerbliche Zwecke genutzt wird. Im Urteil III 379/60 U vom 11. Oktober 1963 (BStBl 1963 III S. 571, Slg. Bd. 77 S. 686) hatte der erkennende Senat darüber zu entscheiden, ob eine von der Bundespost betriebene Kantine unmittelbar für den öffentlichen Dienst oder Gebrauch benutzt wird, d. h. ob diese Kantine unmittelbar der Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe dient. Er hat diese Frage bejaht, nicht weil die Bundespost die Kantine in Erfüllung ihrer Fürsorgepflicht für ihre Beamten und Angestellten unterhält, sondern in erster Linie, um einen geregelten Postbetrieb aufrechterhalten zu können. Diese Ausführung gilt entsprechend für die Frage, ob ein Parkplatz für Betriebsangehörige dem Betrieb unmittelbar dient. Die Tatsache, daß bei der allgemeinen Motorisierung die Arbeitnehmer zum Arbeitsplatz vielfach mit Kraftfahrzeugen fahren, macht es aus betrieblichen Gründen notwendig, daß der Unternehmer Parkplätze schafft. Der Parkplatz kommt somit dem Betrieb zugute und dient ihm. Der Parkplatz dient damit ebenso betrieblichen Zwecken, wie z. B. die Aufenthaltsräume, Waschanlagen und dergleichen für die Arbeitnehmer. Daß die Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, ihre Fahrzeuge evtl. auch auf öffentlichen Straßen abzustellen und dies auch teilweise tun, kann hieran nichts ändern. Denn es kommt darauf an, daß der Parkplatz dem Betrieb tatsächlich dient. Ebensowenig kann die Nutzung des Grundstücks für gewerbliche Zwecke deshalb verneint werden, weil etwa gelegentlich auch Privatpersonen das Grundstück zum Abstellen ihrer Fahrzeuge benutzen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411239

BStBl III 1964, 412

BFHE 1964, 493

BFHE 79, 493

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