Entscheidungsstichwort (Thema)

Überlassung eines leeren Briefbogens ist keine Rechnungsausstellung

 

Leitsatz (NV)

Wer einem Dritten einen leeren Briefbogen (hier: des Unternehmens seiner Mutter) überlässt, stellt keine Rechnung aus, wenn der Dritte auf diesem Papier unabgesprochen eine unrichtige Rechnung erstellt und dieses Handeln dem Überlassenden auch sonst nicht zurechenbar ist.

 

Normenkette

UStG 1993 § 13 Abs. 1 Nr. 4, § 14 Abs. 3

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf (Urteil vom 25.06.2003; Aktenzeichen 5 K 5868/99 U; EFG 2004, 227)

 

Tatbestand

I. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Umsatzsteuerfestsetzung gemäß § 14 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1993.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Streitjahr 1994 nicht unternehmerisch tätig. Er überließ dem Zeugen Z einen Blankobriefbogen des Einzelunternehmens C seiner Mutter ohne deren Wissen und Einverständnis. Der Kläger hatte mit diesem Unternehmen seiner Mutter beruflich nichts zu tun.

Den Vordruck nutzte Z zur Erstellung einer auf den 2. Januar 1994 datierten --nicht unterschriebenen-- Rechnung über … DM zzgl. gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer in Höhe von … DM über den Verkauf einer …maschine an die A-GmbH. Das Unternehmen C hatte eine derartige Lieferung nicht erbracht. Die A-GmbH machte in ihrer Umsatzsteuererklärung für 1994 aus dieser Rechnung den Vorsteuerabzug geltend. Die Umsatzsteuerfestsetzung gegen die A-GmbH wurde zwar im September 1999 geändert und die Vorsteuerbeträge aufgrund des bekannt gewordenen Sachverhalts gekürzt, jedoch wurden die sich hieraus ergebenden Nachzahlungsbeträge von der --zwischenzeitlich erloschenen-- A-GmbH nicht mehr entrichtet. Eine Berichtigung der streitigen Rechnung erfolgte weder durch den Kläger, noch durch Z.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) nahm den Kläger als Nichtunternehmer und Rechnungsaussteller durch Umsatzsteuerbescheid 1994 vom 16. März 1999 für die in der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer gemäß § 14 Abs. 3 UStG in Anspruch.

Einspruch und Klage gegen diesen Umsatzsteuerbescheid hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) ließ bei seiner Entscheidung in tatsächlicher Hinsicht offen, ob der Kläger den Briefbogen dem Z gab, um diesen lediglich in die Lage zu versetzen, einen "Herkunftsnachweis" der …maschine für ein Leasingunternehmen erbringen zu können oder ob dem Kläger bewusst war, dass der Zeuge Z damit eine unrichtige Rechnung ausstellen werde. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) liege eine zurechenbare "Begebung" einer Rechnung i.S. des § 14 Abs. 3 UStG bereits dann vor, wenn jemand einem anderen einen "Blankovordruck" zum Ausfüllen übergebe und der andere hierin einen Umsatzsteuerbetrag gesondert ausweise, ohne dass ihm dies ausdrücklich untersagt worden wäre. Der Kläger habe dies dem Zeugen Z aber in jedem Fall nicht ausdrücklich untersagt. Vielmehr habe er es ausschließlich und ohne weitere Kontrolle dem Zeugen Z überlassen, in welcher Form und mit welchem Inhalt dieser den überlassenen Briefbogen zur Erstellung eines Herkunftsnachweises verwenden würde. Hierdurch habe der Kläger gleichermaßen wissentlich einen Gefährdungstatbestand gesetzt, der einen Missbrauch des Papiers ermöglicht und ihn verpflichtet habe, sich einen derartigen Missbrauch zurechnen zu lassen. Damit seien die Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 UStG in seiner Ausprägung als Gefährdungstatbestand erfüllt. Dabei werde nicht übersehen, dass neben dem Kläger auch Z einen --sogar weit überwiegenden-- Beitrag zur Ausstellung einer unrichtigen Rechnung erbracht habe; obwohl in diesen Fällen alle an der Mitwirkung einer unrichtigen Rechnung Beteiligten als Gesamtschuldner (§ 44 Abs. 1 i.V.m. § 38 der Abgabenordnung --AO 1977--) der unberechtigt ausgewiesenen Umsatzsteuer anzusehen seien, der Fiskus diese aber nur einmal erheben dürfe, stehe dem FA kein Auswahlermessen zu, gegen wen die Steuer nach § 14 Abs. 3 UStG festgesetzt werde. Dies stelle aber lediglich eine Frage der Steuererhebung dar.

Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 2004, 227 veröffentlicht.

Mit der Revision macht der Kläger geltend, dass er an der Ausstellung einer unrichtigen Rechnung nicht mitgewirkt habe; er habe Z lediglich in die Lage versetzen wollen, einen Herkunftsnachweis für die genannte Maschine zu erbringen, was dieser als Zeuge vor dem FG auch bestätigt habe. Darüber hinaus habe der Zeuge Z auch bestätigt, dass die Verwendung des Briefbogens als Rechnung absprachewidrig erfolgt sei. Seine --des Klägers-- Inanspruchnahme nach § 14 Abs. 3 UStG gehe jedenfalls zu weit, weil andernfalls auch derjenige in Anspruch genommen werden müsste, dem Rechnungsvordrucke gestohlen würden.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des Urteils des FG Düsseldorf vom 25. Juni 2003 den Umsatzsteuerbescheid 1994 vom 16. März 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. August 1999 aufzuheben.

Das FA tritt der Revision entgegen und beantragt, die Revision als unbegründet abzuweisen.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet; sie führt nach § 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des FG-Urteils und des Umsatzsteuerbescheides 1994 des FA vom 16. März 1999 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. August 1999. Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Kläger an der Ausstellung einer Urkunde i.S. des § 14 Abs. 3 UStG mitgewirkt habe, in der unberechtigt Umsatzsteuer ausgewiesen wurde.

1. Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist, schuldet den ausgewiesenen Betrag (§ 14 Abs. 3 Satz 1 UStG). Das gleiche gilt, wenn jemand in einer anderen Urkunde, mit der er wie ein leistender Unternehmer abrechnet, einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt (§ 14 Abs. 3 Satz 2 UStG).

a) Zweck des § 14 Abs. 3 UStG ist es, Missbräuche durch Ausstellung von Rechnungen mit offenem Steuerausweis zu verhindern. Dementsprechend ist die Vorschrift als Gefährdungstatbestand ausgestaltet. Derjenige, der mit einer Rechnung (§ 14 Abs. 4 UStG) oder einer anderen Urkunde das Umsatzsteueraufkommen gefährdet oder schädigt, muss hierfür einstehen. Auf ein vorwerfbares Verhalten kommt es nicht an. Der gesetzliche Tatbestand verlangt weder, dass der Aussteller der Rechnung (bzw. der Urkunde) deren missbräuchliche Verwendung durch den Rechnungsempfänger kennt, noch ist eine dahin gehende Absicht erforderlich (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 16. März 1993 XI R 103/90, BFHE 171, 125, BStBl II 1993, 531, mit Nachweisen; vom 30. Januar 2003 V R 98/01, BFHE 201, 550, BStBl II 2003, 498).

§ 14 Abs. 3 UStG setzt voraus, dass jemand eine Urkunde erstellt (Ausstellung) und diese an den Adressaten aushändigt (Ausgabe, vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 4 UStG); damit betätigt der Aussteller seinen Willen, die Urkunde in den Verkehr zu bringen. Bei dieser Willensbetätigung genügt es, wenn der Aussteller in Kauf nimmt, dass der Adressat von dem Papier als Rechnung Gebrauch macht. Eine in den Regelungsbereich des § 14 Abs. 3 UStG fallende Gefährdung liegt z.B. auch dann vor, wenn dem Empfänger ein blanko unterschriebenes Papier ausgehändigt und dieser in die Lage versetzt wird, es für umsatzsteuerliche Zwecke zu verwenden (BFH-Urteil in BFHE 171, 125, BStBl II 1993, 531; BFH-Beschluss vom 28. Dezember 2004 V B 154-156/04, BFH/NV 2005, 727).

b) Im Streitfall hat der Kläger nach den vom FG getroffenen Feststellungen weder ein Rechnungspapier ausgestellt noch hat er hieran mitgewirkt.

Mit der bloßen Überlassung eines Briefbogens des Unternehmens seiner Mutter an Z hat der Kläger keine Rechnung ausgestellt. Es fehlt an der Mindestvoraussetzung, dass in dem Papier irgendeine Willenserklärung verkörpert wird, die auf den Kläger als Aussteller hinweist. Dies kann man bei blanko unterschriebenen Dokumenten deswegen annehmen, weil der Unterzeichner hiermit eine Risikoerklärung dahin gehend abgibt, dass er mit jeder nachträglich eingefügten Erklärung als Aussteller einverstanden ist; die bislang vom BFH noch als "Urkunde" beurteilten "Blankorechnungen" betreffen deshalb auch blanko unterschriebene Papiere (BFH-Urteil in BFHE 171, 125, BStBl II 1993, 531; BFH-Beschlüsse vom 25. September 1998 V B 8/98, 53/98, 65/98, V S 8/98, BFH/NV 1999, 526; in BFH/NV 2005, 727; vom 21. April 2005 V B 182/03, BFH/NV 2005, 1640). Wer jedoch gar nichts erklärt, stellt keine Urkunde aus und wirkt an ihrer Ausstellung auch nicht mit. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Sein Urteil war daher aufzuheben.

2. Die Sache ist entscheidungsreif. Nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt hat der Kläger nicht in einer nach den oben genannten Grundsätzen relevanten Weise an der Ausstellung der Urkunde mitgewirkt, in der unberechtigt Umsatzsteuer ausgewiesen wurde. Die Ausstellung und Ausgabe des Dokuments durch Z ist dem Kläger nicht zurechenbar. Nach den Feststellungen des FG haben der Kläger und Z gerade nicht vereinbart, durch gemeinsames Handeln eine "unrichtige Rechung" auszustellen. Dass der Kläger dies dem Z nicht ausdrücklich untersagt hat, rechtfertigt die Annahme eines verabredeten, gemeinschaftlichen Handelns nicht. Das FG hat auch sonst keine Beziehungen zwischen dem Kläger und Z festgestellt, die eine Zurechnung fremden Handelns begründen würden. Der Senat entscheidet daher nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO in der Sache selbst und gibt der Klage statt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1521130

BFH/NV 2006, 1365

DStR 2006, 1084

DStRE 2006, 830

HFR 2006, 808

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