Leitsatz (amtlich)

In dem Antrag auf Gewährung einer Investitionszulage nach § 1 Abs. 1 InvZulG 1969 ist das Investitionsvorhaben, für das Investitionszulage begehrt wird, nach Art und Ort zu bezeichnen. Die Angabe der Investitionssumme ist nicht erforderlich (Einschränkung des BFH-Urteils vom 16. Juli 1976 III R 158/73, BFHE 119, 543).

 

Normenkette

InvZulG 1969 § 1 Abs. 1, § 3

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) baute in den Jahren 1972 und 1973 eine neue Fabrikhalle. Hierfür wandte sie ihren Angaben zufolge einen Betrag von rd. 2 Mio. DM auf. Der Aufwand wurde vom Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft in Frankfurt (Main) als förderungswürdige Investition im Sinne des Investitionszulagengesetzes vom 18. August 1969 - InvZulG 1969 - (BGBl I 1969, 1211, BStBl I 1969, 477), geändert durch Art. 3 des Steueränderungsgesetzes vom 26. Juni 1973 - StÄndG 1973 - (BGBl I 1973, 678, BStBl I 1973, 547), anerkannt.

Mit Schreiben vom 16. April 1974 beantragte die Klägerin beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) für die Jahre 1972 und 1973 die Gewährung von Investitionszulagen für Investitionen von insgesamt 201 137 DM. Diesem Schreiben war u. a. die Ablichtung eines an das FA gerichteten Schreibens vom 21. Februar 1973 beigefügt, das folgenden Wortlaut hat:

"Namens und im Auftrag meiner Mandantin beantrage ich die Gewährung einer Investitionszulage für die Kalenderjahre 1972 und 1973 für durchgeführte und durchzuführende Investitionen für die Erstellung einer Fabrikhalle in A und für die Anschaffung von Maschinen und Einrichtungen.

Der Antrag auf Erteilung einer Bescheinigung nach § 1 Abs. 4 des Investitionszulagengesetzes wurde bei dem Regierungspräsidenten in B gestellt.

Die Ergänzungen zum heutigen Antrag und die Rechnungen zum Nachweis der Gesamtkosten werden nach Erteilung dieser Bescheinigung durch Vorlage nachgewiesen."

Gleichzeitig beantragte die Klägerin unter Hinweis auf eine Erkrankung ihres steuerlichen Beraters in der Zeit vom 20. März 1974 bis 6. April 1974 die Gewährung von Nachsicht für die verspätete Einreichung des Investitionszulageantrags 1973.

Das FA lehnte die Anträge ab. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) konnte es dahingestellt bleiben, ob das Schreiben vom 21. Februar 1973 dem FA zugegangen war. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, so könne dieses Schreiben nicht als ein wirksamer Investitionszulageantrag angesehen werden, weil es keine Angaben zur Höhe der Investitionssumme enthalte. Da im Zeitpunkt des Antrags (16. April 1974) seit dem Ende der Ausschlußfrist (31. März 1973) mehr als ein Jahr vergangen sei, sei wegen der Regelung des § 86 Abs. 3 der Reichsabgabenordnung (AO) die Gewährung von Nachsicht ausgeschlossen.

Für das Jahr 1973 habe die Klägerin deshalb keinen Anspruch auf Gewährung von Investitionszulage, weil sie den Antrag verspätet gestellt habe und die Voraussetzungen für die Gewährung von Nachsicht (§ 86 AO) nicht gegeben seien.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung der §§ 3 Abs. 3 Satz 3 InvZulG 1969, 86 AO und 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Nach Ansicht der Klägerin enthält das Schreiben vom 21. Februar 1973 einen wirksamen Investitionszulageantrag für die Jahre 1972 und 1973.

a) Dieses Schreiben sei dem FA entgegen dessen Behauptung zugegangen. Folglich sei es beim FA verlorengegangen. Dieser Verlust des Schreibens könne aber nicht zu Lasten der Klägerin gehen.

b) Nach Ansicht der Klägerin erfordert ein wirksamer Investitionszulageantrag entgegen der Auffassung des Senats (Urteil vom 16. Juli 1976 III-R 158/73, BFHE 119, 543, BStBl II 1976, 757) nicht die Angabe der Gesamtkosten des Investitionsvorhabens. Das Gesetz fordere lediglich Konkretisierbarkeit, keine Konkretisierung. Wenn der Senat einerseits auf die Bezeichnung der einzelnen Wirtschaftsgüter verzichte, insbesondere damit das Gesetz leicht, sicher und verständlich gehandhabt werden könne, er andererseits aber die Angabe der Investitionskosten verlange, die letztlich nichts anderes seien als die finanzielle Summe dieser Wirtschaftsgüter, so verberge sich darin ein Widerspruch. Die Klägerin weist ferner darauf hin, daß nunmehr auch die Finanzverwaltung nicht mehr die Angabe der Investitionskosten verlange (vgl. Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BdF - vom 10. März 1977 IV B 2-S 1988-77/77, BStBl I 1977, 90; Tz. 69 des BdF-Schreibens vom 5. Mai 1977 IV B 2-S 1988-150/77, BStBl I 1977, 246). Diese Verwaltungsanweisungen seien auch im Streitfall anzuwenden.

c) Die Klägerin macht ferner geltend, das FA hätte sie nach Zugang des Schreibens vom 21. Februar 1973 pilichtgemäß auf die seiner Ansicht nach fehlenden Antragserfordernisse hinweisen müssen. Wäre es dieser Verpflichtung nachgekommen, so hätte sie, die Klägerin, noch rechtzeitig einen wirksamen Antrag gestellt. Da das FA dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sei, sei es ihm verwehrt, sich auf die Fristversäumnis zu berufen.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und der Klage stattzugeben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Der dem Revisionsverfahren beigetretene BdF vertritt die Ansicht, daß die Auslegung des § 3 Abs. 3 Satz 3 InvZulG 1969 durch den Senat in der Entscheidung III R 158/73 nicht Rechtens sei. Die Entscheidung stehe mit dem Gesetzeswortlaut nicht im Einklang; denn dieser spreche eindeutig dafür, daß auch die Investitionszulage nach § 1 InvZulG 1969 nicht für ein bestimmtes Investitionsvorhaben, sondern - wie die Investitionszulage nach § 19 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) - für bestimmte Wirtschaftsgüter sowie Ausbauten und Erweiterungen an Gebäuden gewährt werde. Die Rechtsauffassung des Senats stehe auch nicht mit dem Sinn und Zweck der verfahrensrechtlichen Vorschriften des Investitionszulagengesetzes und mit deren Entstehungsgeschichte im Einklang. Hinzu komme, daß die Anwendung der vom erkennenden Senat aufgestellten Rechtsgrundsätze bei den anderen im Investitionszulagengesetz geregelten Investitionen nicht möglich sei, weil es bei diesen Investitionszulagen nicht darauf ankomme, daß Investitionen im Rahmen eines bestimmten Investitionsvorhabens durchgeführt werden. Die Anwendung der Grundsätze der Entscheidung III R 158/73 allein bei der Investitionszulage nach § 1 InvZulG 1969 und das Festhalten an den bisherigen wesentlich strengeren Antragserfordernissen bei allen anderen Investitionszulagen hätte zu einer Ungleichbehandlung gleichgelagerter Fälle geführt, die mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zu vereinbaren gewesen sei. Außerdem hätten bei einer solchen Handhabung unvertretbare Verwaltungserschwerungen in Kauf genommen werden müssen. Diese Überlegungen hätten schließlich zu der Regelung im BdF-Schreiben vom 10. März 1977 IV B 2-S 1988-77/77 (a. a. O.) geführt, dessen Inhalt später unverändert in die Tz. 69 bis 71 des BdF-Schreibens vom 5. Mai 1977 IV B 2-S 1988-150/77 (a. a. O.) übernommen worden sei.

Die erstmalige Anwendung der Neuregelung sei zwar in den genannten BdF-Schreiben nicht geregelt. Gleichwohl könne die Anwendung dieser Grundsätze frühestens für Anträge in Betracht kommen, für die die am 31. März 1977 endende Antragsfrist gelte. Der Anlaß für die Neuregelung sei nicht eine Änderung der Rechtsauffassung, sondern allein die bei Anwendung des BFH-Urteils III R 158/73 sich ergebende Unterschiedlichkeit der Antragsvoraussetzungen bei den einzelnen Investitionszulagen. Die Anwendung der Neuregelung bei vor der Veröffentlichung des genannten Urteils gestellten Anträge komme aus Gründen der Gleichbehandlung nicht in Betracht.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Entgegen der Ansicht des FG ist es entscheidungserheblich, ob das Schreiben vom 21. Februar 1973 dem FA rechtzeitig zugegangen ist; denn dieses Schreiben erfüllt die an einen wirksamen Investitionszulageantrag zu stellenden Anforderungen.

1. Die Investitionszulage wird auf Antrag gewährt (§ 1 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 3 Abs. 3 Satz 3 InvZulG 1969). Nach der Entscheidung III R 158/73 des erkennenden Senats muß dieser Antrag das Investitionsvorhaben, für das Investitionszulage begehrt wird, nach Art und Ort bezeichnen und zusätzlich die Summe der Investitionskosten aufführen. Der Senat hält jedoch nach nochmaliger eingehender Prüfung der Rechtsfrage nicht mehr in vollem Umfang an dieser Rechtsauffassung fest. Er ist zwar weiterhin der Ansicht, daß der Antrag das Investitionsobjekt nach Art und Ort bezeichnen muß. Die Angabe der Investitionssumme hält er jedoch nicht mehr für erforderlich.

a) Nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1969 setzt die Gewährung der Investitionszulage voraus, daß die Wirtschaftsgüter im Zusammenhang mit der Errichtung oder Erweiterung einer Betriebstätte angeschafft oder hergestellt werden. Darüber hinaus wird für die Wirtschaftsgüter eine Investitionszulage gewährt. Daraus ist zu folgern, daß die einzelnen Wirtschaftsgüter in ihrer Gesamtheit eine Einheit, die Gesamtinvestition (Investitionsvorhaben), bilden. Der Sinnzusammenhang mit § 1 Abs. 4 InvZulG 1969 bestätigt, daß der Gesetzgeber als Objekt der Förderung die gesamte Investition angesehen hat. Sinn und Zweck der Regelung des § 1 Abs. 1 InvZulG 1969 verdeutlichen dies weiter. Der Senat verweist insoweit auf die Begründung seiner Entscheidung III R 158/73.

Der Auslegung des Senats steht nicht entgegen, daß die Höhe der Investitionszulage gemäß § 1 Abs. 1 InvZulG 1969 nach den Anschaffungs- oder Herstellungskosten der im maßgeblichen Wirtschaftsjahr angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter bemessen wird. Sachdienlicher Anknüpfungspunkt für die Bemessung kann immer nur das einzelne Wirtschaftsgut sein, und zwar vornehmlich dann, wenn sich das Förderungsobjekt aus einer Mehrzahl von Wirtschaftsgütern zusammensetzt.

Auf die nähere Bezeichnung des Investitionsvorhabens kann nicht deshalb verzichtet werden, weil das Investitionszulagengesetz 1969 auch die Anschaffung einzelner Wirtschaftsgüter begünstigt. Sofern sich aus den unterschiedlichen Regelungen unterschiedliche Verfahrensabläufe ergeben sollten, die zu Schwierigkeiten bei der praktischen Durchführung des Gesetzes führen, ist es Sache des Gesetzgebers, diese Schwierigkeiten durch entsprechende Normgebung auszuräumen. Das Gericht selbst kann keine allgemeinen Vereinfachungsregeln schaffen (vgl. BFH-Urteil vom 23. Februar 1968 VI R 260/67, BFHE 91, 535, BStBl II 1968, 408).

b) Die Angabe der Summe der Investitionskosten hat der Senat deshalb gefordert, weil seiner Ansicht nach der Gesetzgeber es für erforderlich angesehen habe, daß die Verwaltung in angemessener Zeit einen ausreichenden Überblick über den Umfang der auf sie zukommenden Leistungsverpflichtungen erhalte. An dieser Auffassung hält der Senat jedoch nicht mehr fest. Dabei berücksichtigt er insbesondere, daß der Gesetzgeber selbst bei der Neuregelung des Inhalts eines fristwahrenden Antrags die Angabe der Investitionssumme nicht fordert (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 4 InvZulG 1975 i. d. F. der Bekanntmachung vom 2. Januar 1979, BGBl I 1979, 24, BStBl I 1979, 29).

2. Wendet man die vorstehenden Grundsätze im Streitfall an, so erweist sich, daß das Schreiben der Klägerin vom 21. Februar 1973 die an einen wirksamen Zulageantrag zu stellenden Anforderungen erfüllt. Es bezeichnet das begünstigte Investitionsobjekt nach Art und Ort.

3. Die Revision ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht auch deshalb begründet, weil nach Tz. 69 des BdF-Schreibens vom 5. Mai 1977 IV B 2-S 1988-150/77 (a. a. O.) ein wirksamer Zulageantrag lediglich den Namen und die Anschrift des Antragstellers sowie die Art der beantragten Investitionszulage enthalten muß. Diese Verwaltungsanweisung könnte allenfalls als Anpassungsregelung verstanden werden. Als solche könnte sie jedoch nur in die Zukunft wirken. Die Klägerin kann sich demnach auf sie nicht bezüglich eines bereits im Jahr 1973 gestellten Antrags berufen.

4. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Seine Entscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Der Senat kann nicht selbst entscheiden, ob das Schreiben vom 21. Februar 1973 tatsächlich beim FA eingegangen ist. Die Sache war daher nach § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73125

BStBl II 1979, 448

BFHE 1979, 482

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