Entscheidungsstichwort (Thema)

Tod eines Gesellschafters kann zur Entnahme des ihm gehörenden, der Gesellschaft als Betriebsvermögen dienenden Grundstücks führen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Grundstück, das einem Gesellschafter einer OHG gehört, aber dem Betrieb der Personengesellschaft dient, ist notwendiges Betriebsvermögen, soweit es dem Betrieb dient, ansonsten kann es gewillkürtes sein, auch wenn es nicht in der Handelsbilanz ausgewiesen ist.

2. Mit dem Tod des Gesellschafters (Erblassers) wird es entnommen, wenn die Erben nach dem Gesellschaftsvertrag nicht als Gesellschafter in die OHG eintreten, mit der Folge eines dem Erblasser zuzurechnenden Entnahmegewinns.

 

Normenkette

EStG §§ 6, 16 Abs. 1 Nr. 2

 

Gründe

Zu entscheiden ist bei der einheitlichen Gewinnfeststellung 1958, ob ein Grundstück aus dem Betriebsvermögen ausschied und wie hoch der Wert dieses Grundstücks war.

Die Revisionsklägerin zu 1. (Gesellschaft) war eine OHG, die eine … betrieb. An ihr waren die Kaufleute A. und H. (Gesellschafter) sowie der am 25. September 1958 verstorbene Kaufmann B (Erblasser) und der am 20. Dezember 1961 verstorbene Kaufmann T. beteiligt. Die Anteile der verstorbenen Gesellschafter gingen mit dem Tod auf Grund vertraglicher Vereinbarung auf die verbleibenden Gesellschafter über. Der Erblasser wurde von seiner Ehefrau, der Revisionsklägerin zu 2. (Erbin), beerbt. Sie erhielt für den Anteil, der dem Erblasser zustand, 94.405 DM.

Der Erblasser war Alleineigentümer des Grundstücks …, das zu etwa je einen Drittel von der Gesellschaft eigengewerblich genutzt wurde, dem Erblasser zu Wohnzwecken diente und an Dritte vermietet war. Das Grundstück wurde auf Veranlassung des Revisionsklägers zu 3. (Finanzamt – FA–)einkommensteuerrechtlich als Betriebsvermögen der Gesellschaft behandelt. Die Gesellschaft buchte das Grundstück im Streitjahr als Betriebsvermögen mit dem Buchwert aus.

Auf Grund einer Betriebsprüfung im Jahre 1963 vertrat das FA die Auffassung, daß das Grundstück durch den Tod des Erblassers im Jahr 1958 notwendiges Privat vermögen der Erbin geworden sei, wodurch eine Aufdeckung und Versteuerung der stillen Reserven des Grundstücks zu Lasten des Erblassers notwendig werde. Das FA schätzte den Teilwert des Grundstücks (Grund und Boden sowie Gebäude) auf insgesamt 200.000 DM. Der Buchwert des Grundstücks betrug 28.265 DM, so daß sich ein Entnahmegewinn von 171.737 DM ergab. Das FA erließ für das Streitjahr einen entsprechenden berichtigten Feststellungsbescheid, in dem es für den Erblasser außer einem Veräußerungsgewinn von 44.455 DM einen laufenden Gewinn von 207.841 DM festsetzte, in dem der Entnahmegewinn enthalten war.

Die hiergegen statt des Einspruchs eingelegten Berufungen der Gesellschaft und der Erbin hatten zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht (FG) sah das Grundstück mit dem Tod des Erblassers auf Grund der von diesem getroffenen gesellschaftsrechtlichen und testamentarischen Regelungen als entnommen an. Es ging von einem Verkehrswerft des Grundstücks von 170.000 DM aus und ermittelte den Teilwert mit 135.000 DM, weil die Lage des Grundstücks für den Betrieb einer … nicht günstig sei und weil ein gedachter Erwerber des Betriebs mit Rücksicht auf die teilweise private Nutzung des Gebäudes nicht den Verkehrswert gezahlt hätte.

Die von der Gesellschaft, der Erbin und dem FA eingelegten Rechtsbeschwerden sind als Revisionen zu behandeln (§ 184 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 115 der Finanzgerichtsordnung – FGO–). Sie führen zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Änderung des Bescheids über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung durch den Senat.

Entgegen der Auffassung der Gesellschaft und der Erbin gehörte das Grundstück bis zum Tode des Erblassers einkommensteuerrechtlich zum Betriebsvermögen der OHG. Da der Erblasser – der Alleineigentümer des Grundstücks– Gesellschafter der OHG war, war das Grundstück insoweit, als es den eigengewerblichen Zwecken der OHG diente, notwendiges Betriebsvermögen der OHG, wie sich aus der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ergibt (vgl. Urteile IV 323/59 U vom 22. November 1962, Bundessteuerblatt – BStBl– 1963 III S. 234, Slg. Bd. 76 S. 640, und VI 317/63 U vom 29. Januar 1965, BStBl 1965 III S. 179, Slg. Bd. 81 S. 496), an der der Senat festhält. Der übrige Teil des Grundstücks hätte zwar nicht als Betriebsvermögen der OHG aktiviert werden müssen. Da die Gesellschaft nach Durchführung einer Betriebsprüfung im Jahre 1951 aber auch den übrigen Teil des Grundstücks in ihren Steuerbilanzen bis zum Tod des Erblassers als Betriebsvermögen behandelte und die gesamten mit dem Grundstück zusammenhängenden Erträge und Aufwendungen in ihren Verlust- und Gewinnrechnungen berücksichtigte, war der nicht eigenbetrieblich genutzte Teil des Grundstücks bis zu diesem Zeitpunkt gewillkürtes Betriebsvermögen der Gesellschaft.

Daß die Gesellschaft das Grundstück in der Handelsbilanz nicht aktivierte, steht dem nicht entgegen. Denn einmal war sie handelsrechtlich zur Aktivierung des Grundstücks nicht berechtigt, weil es nicht ihr, sondern einem ihrer Gesellschafter gehörte (§ 124 Abs. 1. in Verbindung mit §§ 6 Abs. 1, 39, 40 HGB; vgl. BFH-Urteil I 29/61 vom 4. September 1961, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1961 S. 270), so daß sich die Steuerbilanz insoweit von der Handelsbilanz unterscheiden mußte. Zum anderen gilt der Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz nur insoweit, als in der Handelsbilanz ein Wirtschaftsgut ausgewiesen wurde; da das nicht der Fall war, hatte die Gesellschaft die Wahl zwischen mehreren einkommensteuerrechtlich zulässigen Bilanzansätzen (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs – RFH– I A 235/30 vom 24. März 1931, Reichssteuerblatt 1931 S. 304 [307]). Sie hatte deshalb die Möglichkeit, das Grundstück des Erblassers, via sie es bis zu dessen Tode tat, insoweit, als es nicht zu ihrem notwendigen Betriebsvermögen gehörte, als gewillkürtes Betriebsvermögen zu behandeln. Daran muß sie sich festhalten lassen. Gegen die unrichtige Auffassung des FA, das ganze Grundstück habe aktiviert werden müssen, hätte sie sich notfalls im Rechtsmittelverfahren wenden müssen.

Das FG sah das Grundstück mit dem Tod des Erblassers zutreffend als in sein Privatvermögen überführt an. Denn der Erblasser löste dadurch, daß er in seinem Testament seine Ehefrau, die nach dem Gesellschaftsvertrag nicht in die Gesellschaft eintreten durfte, als Erbin einsetzte, mit dem Zeitpunkt seines Todes die Beziehung des Grundstücks zu der Gesellschaft in der Weise, daß das Grundstück nach einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen nicht mehr als Betriebsvermögen der Gesellschaft behandelt werden durfte (vgl. Urteile des Senats IV 401/62 vom 12. März 1964, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 6 Abs. 1 Ziff. 4, Rechtsspruch 40, und IV 99/63 S vom 12. November 1964, BStBl 1965 III S. 46, Slg. Bd. 81 S. 128). Daß der Erblasser das Testament vor der Aufnahme des Grundstücks in die Steuerbilanzen der Gesellschaft errichtete, steht dem nicht entgegen. Hätte der Erblasser das Ausscheiden des Grundstücks aus dem Betriebsvermögen der Gesellschaft vermeiden wollen, hätte er das Testament entsprechend ändern müssen. Die von der Gesellschaft für ihre Rechtsauffassung angeführte Entscheidung des Senats IV 403/55 U vom 10. Oktober 1957 (BStBl 1958 III S. 1, Slg. Bd. 66 S. 1) betraf schon deshalb in einem erheblichen Punkt einen anderen Sachverhalt, weil sich dort an den Eigentumsverhältnissen des vom Steuerpflichtigen kraft eines Nießbrauchsrechts an einem eigengewerblich genutzten Grundstück, das seinen Töchtern gehörte, durch seinen Tod nichts änderte.

Die Tatsache, daß der Erblasser seine Ehefrau als Vorerbin einsetzte, hinderte das mit seinem Tod notwendig werdende Ausscheiden des Grundstücks aus dem Betriebsvermögen der Gesellschaft nicht. Denn auch der Vorerbe hat ein vollwertiges Erbrecht (vgl. Keidel in Palandt, Kommentar zum BGB, 24. Aufl., Anm. 2 zu § 2100). Die Vorerbin konnte nur gegenüber den Nacherben … ohne dessen Zustimmung nicht wirksam über das Grundstück verfügen (§ 2113 Abs. 1 BGB). Eine derartige Verfügung lag in der noch dem Erblasser zuzurechnenden Überführung des Grundstücks in das Privatvermögen nicht.

Die Vorentscheidung ist jedoch deshalb aufzuheben, weil das FG ebenso wie das FA das in das Privatvermögen überführte Grundstück statt mit dem gemeinen Wert mit dem Teilwert bewertete und die Gewinnrealisierung nicht bei dem Veräußerungsgewinn, sondern bei dem laufenden Gewinn des Erblassers berücksichtigte. Bei den Übergang des Geschäftsanteils des Erblassers auf die übrigen Gesellschafter handelte es sich um eine Veräußerung dieses Anteils im Sinn den § 16 Abs. 1 Ziff. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG), weil die verbleibenden Gesellschafter der Erbin hierfür eine Abfindung in Höhe des Kapitalanteils des Erblassers zahlten. Auch im Fall der Veräußerung eines Gesellschaftsanteils sind die nicht veräußerten Wirtschaftsgüter nach dem entsprechend anzuwendenden § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG mit ihrem gemeinen Wert im Zeitpunkt der Aufgabe anzusetzen (vgl. Urteile des RFH VI A 932/33 vom 27. Februar 1935, Steuer und Wirtschaft 1935, Sp. 508, sowie des BFH I 197/61 S vom 6. Februar 1962, BStBl 1962 III S. 190, Slg. Bd. 74 S. 506, und I 280/61 U vom 24. Juli 1962, BStBl 1962 III S. 418, Slg. Bd. 75 S. 414). Das mit dem Ausscheiden des Erblassers aus der Gesellschaft in sein Privatvermögen übergegangene Grundstück mußte daher bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns des Erblassers mit dem gemeinen Wert berücksichtigt werden.

Den Verkehrswert des Grundstücks ermittelte das FG auf Grund einer Ortsbesichtigung und von Sachverständigengutachten unter ausführlicher Begründung für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO) mit 170.000 DM.

Da das FA dem berichtigten Gewinnfeststellungsbescheid einen Teilwert des Grundstücks von 200.000 DM zugrunde gelegt hatte, mußte der Bescheid über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung abgeändert werden. Der Gesamtgewinn der OHG beträgt 295.720 DM. Hiervon entfallen auf den Erblasser ein laufender Gewinn von 36.104 DM und ein Veräußerungsgewinn von 186.192 DM. Die Gewinnanteile der übrigen Gesellschaften bleiben unverändert.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1170766

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