Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Anschaffungskosten bei Kaufpreisverzicht

 

Leitsatz (NV)

Überträgt die Mutter dem Sohn den Miteigentumsanteil an einem Hausgrundstück gegen die Verpflichtung des Sohnes zur Zahlung eines Geldbetrages und tritt sie diese Geldforderung schenkweise an den Sohn und seine beiden Schwestern ab, so entstehen dem Sohn Anschaffungskosten nur in Höhe der an seine Schwestern geleisteten Zahlungen.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 7, § 7b Abs. 1 S. 1, § 21; EStDV § 11d Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

FG des Saarlandes

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war zusammen mit seiner Mutter Eigentümer (zu 1/4 Bruchteil) eines Zweifamilienhausgrundstücks. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 2. Juli 1979 verkaufte und übertrug die Mutter des Klägers diesem den ihr gehörenden 3/4 Miteigentumsanteil. Als Kaufpreis vereinbarten die Beteiligten . . . DM. Auf diesen Betrag verzichtete die Mutter des Klägers schenkweise zugunsten des Klägers und seiner beiden Schwestern und trat die Forderung an sie ab. Der Kläger hatte bis spätestens 15. Oktober 1979 jeweils . . . DM an seine Schwestern zu zahlen. Außerdem räumte der Kläger seiner Mutter lebenslänglich und unentgeltlich sowie dinglich gesichert ein Wohnrecht am gesamten Erdgeschoß des Hauses und ein Mitbenutzungsrecht an den zum gemeinschaftlichen Gebrauch bestimmten Anlagen, Einrichtungen und Räumlichkeiten ein. In seinen Einkommensteuer-Erklärungen für die Streitjahre machte der Kläger bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erhöhte Absetzungen nach § 7b des Einkommensteuergesetzes (EStG) von . . . DM geltend. Er ging von Anschaffungskosten von . . . DM aus (Kaufpreis . . . DM, Wohnrecht der Mutter . . . DM, Notarkosten . . . DM).

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) versagte die erhöhten Absetzungen, weil es sich um einen unentgeltlichen Erwerb handele. Die Einsprüche hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage im wesentlichen stattgegeben. Es führt aus, es handele sich zwar um eine vorweggenommene Erbfolgeregelung, bürgerlich rechtlich sei jedoch wirksam ein Kaufvertrag vereinbart und auch durchgeführt worden. Es liege ein entgeltliches Rechtsgeschäft vor. Anschaffungskosten bildeten der Barkaufpreis, der Kapitalwert des Nießbrauchrechts der Mutter und die Kosten der Beurkundung. Der Verzicht der Mutter auf 1/3 der Kaufpreisforderung zugunsten des Klägers mindere nicht dessen Anschaffungskosten; denn die Tilgung dieses Betrages sei durch Verrechnung des Klägers mit sich selbst herbeigeführt worden.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung der §§ 21, 9 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 Nr. 7, § 7b Abs. 1 Satz 1 EStG und § 11d Abs. 1 Satz 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV). Die höchstrichterliche Rechtsprechung nehme in Fällen der Vermögensübertragung zur vorweggenommenen Erbfolge eine Schenkung unter Auflage und damit Unentgeltlichkeit des Rechtsgeschäfts an.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet, sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Streitsache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Zutreffend hat das FG zwar den Erwerb des Grundstücksanteils durch den Kläger nicht als voll unentgeltlichen Vorgang beurteilt. Die Vorentscheidung ist jedoch aufzuheben, weil das FG rechtsfehlerhaft den Kapitalwert des Nießbrauchs und den an den Kläger abgetretenen Teil der Kaufpreisforderung den Anschaffungskosten zugeordnet hat.

Mit dem FG ist davon auszugehen, daß es sich bei dem zwischen dem Kläger und seiner Mutter unter Beteiligung seiner beiden Schwestern geschlossenen Kaufvertrag um eine vorweggenommene Erbfolgeregelung handelt. Wie der Große Senat (GrS) des Bundesfinanzhofs (BFH) mit Beschluß vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) entschieden hat, ist die Übertragung eines Grundstücks im Wege der vorweggenommenen Erbfolge gegen die Zusage von sog. Gleichstellungsgeldern an Angehörige und einer Abstandszahlung an den Übertragenden ein teilentgeltliches Rechtsgeschäft. In Höhe der zugesagten Leistungen entstehen dem Übernehmer Anschaffungskosten. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in dem genannten Beschluß unter C II.2, und 3. Dagegen erwirbt der Übernehmer das Grundstück insoweit unentgeltlich, als sich der Übertragende an dem Vermögen ein Nutzungsrecht vorbehält. Die Einräumung des Nutzungsrechts stellt keine Gegenleistung des Übernehmers für die Übertragung des Grundstücks dar; sie mindert vielmehr von vornherein das übertragene Vermögen (BFH-Urteil vom 28. Juli 1981 VIII R 124/76, BFHE 134, 130, BStBl II 1982, 378). Wie sich aus Abschn. C II.1. Buchst. c der Gründe des Beschlusses des GrS in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 ergibt, wird an dieser Rechtsauffassung festgehalten.

Bei Zugrundelegung der vorgenannten Rechtsgrundsätze sind dem Kläger Anschaffungskosten in Höhe der an seine Schwestern geleisteten Zahlungen, nicht jedoch in Höhe des Kapitalwerts des seiner Mutter eingeräumten dinglichen Nutzungsrechts entstanden. Ebensowenig liegen insoweit Anschaffungskosten vor, als die Mutter des Klägers zu dessen Gunsten auf 1/3 des vereinbarten Kaufpreises verzichtete; denn insoweit hatte der Kläger keine Aufwendungen. Durch die Vereinigung von Forderung und Schuld in seiner Person erlosch insoweit das Schuldverhältnis ipso jure. Eine zur Vermögensminderung beim Kläger führende Verrechnung kam nicht in Betracht.

Zu den Anschaffungskosten gehören auch die vom Kläger aufgewendeten Notarkosten trotz des teilentgeltlichen Erwerbs in voller Höhe; denn der Kläger mußte sie aufwenden, um den Miteigentumsanteil am Grundstück von der fremden in die eigene Verfügungsmacht zu überführen.

Der Kläger kann die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG von den auf das Gebäude entfallenden Anschaffungskosten vornehmen.

Die Sache ist an das FG zurückzuverweisen, weil der Senat nicht abschließend entscheiden kann. Der Kläger hat das Grundstück teilentgeltlich erworben. Das FG hat keine Feststellungen getroffen, die eine Berechnung der dem Kläger hinsichtlich des unentgeltlich erworbenen Teils zustehenden Absetzung für Abnutzung (AfA) gem. § 11d EStDV ermöglichen. Außerdem kann der Kläger Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nur in dem Umfang abziehen, in dem er den Tatbestand dieser Einkunftsart verwirklicht. Hinsichtlich der von seiner Mutter aufgrund des vorbehaltenen dinglichen Wohnrechts genutzten Wohnung erfüllt nur diese den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gem. § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG. Insoweit sind Aufwendungen des Klägers vom Werbungskostenabzug ausgeschlossen (BFH-Urteile vom 16. Oktober 1984 IX R 81/82, BFHE 143, 310, BStBl II 1985, 390, und vom 13. Februar 1990 IX R 99/85, BFH/NV 1990, 628, m. w. N.). Das FG wird nunmehr die entsprechenden Feststellungen nachholen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417592

BFH/NV 1991, 453

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge