Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlehnsgewährung als gewillkürtes Betriebsvermögen

 

Leitsatz (NV)

Eine Darlehensgewährung kann nicht mehr zum gewillkürten Betriebsvermögen gezogen werden, wenn die Einbuchung zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem der Darlehensrückforderungsanspruch durch Zahlungsunfähigkeit des Darlehensnehmers wertlos geworden ist.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, § 5

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt ein Einzelunternehmen. Der Sohn der Klägerin war alleiniger Gesellschafter, Geschäftsführer und Kommanditist der N-KG. Die beiden Unternehmen sind in unterschiedlichen Branchen tätig und stehen nicht in geschäftlicher Verbindung.

Anfang 1972 fanden zwischen der Klägerin und ihrem Sohn Gespräche über die Gewährung eines Darlehens statt, das die N-KG für die Finanzierung eines Bauvorhabens benötigte und das von der Klägerin gewährt werden sollte.

In der Folgezeit kam es zum Abschluß von zwei schriftlichen Verträgen zwischen der Klägerin und der N-KG, wobei die Klägerin unter dem Namen ihrer Firma auftrat. In einem unter dem Datum vom 1. April 1972 gefertigten Vertrag verpflichtete sich die Klägerin, der N-KG ein Darlehen von 150 000 DM zu gewähren. Nach einem auf den 3. April 1972 datierten Vertrag sollte ein Darlehen von 200 000 DM gewährt werden. Die Verträge enthalten hinsichtlich Laufzeit, Verzinsung und Sicherheitsleistung unterschiedliche Bedingungen.

Die Klägerin beschaffte sich den Darlehensbetrag von 200 000 DM mit einem Bankkredit; sie ließ den Auszahlungsbetrag dem bei dieser Bank geführten Konto der N-KG gutschreiben.

Die N-KG und ihre Komplementär-GmbH wurden am 10. August 1973 zahlungsunfähig; die Komplementär-GmbH war spätestens seit diesem Zeitpunkt überschuldet. Der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens wurde am 19. Oktober 1973 mangels Masse abgelehnt.

Die Klägerin erfaßte die Vorgänge der Darlehnsgewährung und der Refinanzierung buchmäßig erstmals bei der Erstellung des Jahresabschlusses 1972 im Sommer 1974. Dabei wurde die Darlehensforderung mit 200 000 DM eingebucht. Gleichzeitig wurde auf diese Forderung per 31. Dezember 1972 eine Wertberichtigung von 100 000 DM vorgenommen. Per 31. Dezember 1973 wurde der restliche Betrag von 100 000 DM wertberichtigt. Die für den Refinanzierungskredit in den Streitjahren (1972 bis 1976) gezahlten Zinsen behandelte die Klägerin als Betriebsausgaben.

Im Anschluß an eine Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, weder die Darlehensforderung noch die Refinanzierungsschuld seien Betriebsvermögen. Die Wertberichtigungen auf die Darlehensforderung in den Jahren 1972 und 1973 erkannte das FA nicht an; die für den Refinanzierungskredit gezahlten Schuldzinsen ließ das FA nicht als Betriebsausgaben zum Abzug zu. Für die Jahre 1972 und 1973 berücksichtigte das FA diese Zinsen als Sonderausgaben.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Das FG hat die von der Klägerin für die Streitjahre 1972 und 1973 begehrte Abschreibung der umstrittenen Darlehensforderung auf den niedrigeren Teilwert zu Recht versagt. Denn diese Darlehensforderung ist kein Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens der Klägerin.

1. Eine Darlehensforderung zählt zum notwendigen Betriebsvermögen, wenn die Gewährung des Darlehens auf einem Vorgang beruht, der in den betrieblichen Bereich fällt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Juli 1966 VI 12/65, BFHE 86, 482, BStBl II 1966, 542). Eine solche tatsächliche Beziehung zum Betrieb (vgl. BFH-Urteil vom 4. Februar 1960 IV 247/58 U, BFHE 70, 370, BStBl III 1960, 139) wurde z.B. angenommen, wenn die Gewährung des Darlehens den Erwerb eines Betriebsgrundstücks oder eines für betriebliche Zwecke zur Verfügung stehenden Grundstücks ermöglichen sollte (vgl. BFH-Urteile vom 12. Juni 1974 I R 212/73, BFHE 113, 279, BStBl II 1974, 734; vom 26. Februar 1975 I R 50/73, BFHE 115, 432, BStBl II 1975, 573).

Im Streitfall beruht die Darlehensgewährung nicht auf einem solchen betrieblichen Vorgang.

2. Ein Darlehen kann zum gewillkürten Betriebsvermögen gehören, wenn es objektiv dem Betrieb des Kaufmanns zu dienen geeignet und subjektiv (nach Widmung und buchmäßiger Behandlung) ihm zu dienen oder ihn zu fördern bestimmt ist (vgl. BFH-Urteile vom 27. März 1968 I 154/65, BFHE 92, 217, BStBl II 1968, 522; vom 21. Oktober 1976 IV R 71/73, BFHE 120, 374, BStBl II 1977, 150). In diesem Sinne kann auch ein Darlehen zum gewillkürten Betriebsvermögen gezogen werden (vgl. BFH-Urteil vom 28. April 1970 VI R 183/67, BFHE 99, 196, BStBl II 1970, 621). Handelt es sich um Darlehensforderungen an nahestehende Personen, können sie nur dann als gewillkürtes Betriebsvermögen behandelt werden, wenn zwischen den Beteiligten wirtschaftliche Beziehungen bestehen, klare und eindeutige Abmachungen getroffen sind, die Vereinbarungen hinsichtlich Verzinsung, Kündbarkeit und Sicherung nicht ungewöhnlich sind und die Begründung gleichartiger Forderungen auch gegenüber Dritten denkbar wäre (BFH-Urteil vom 17. Januar 1973 I R 65/71, BFHE 108, 335, BStBl II 1973, 303, m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt das umstrittene Darlehen nicht.

a) Im Streitfall mangelt es bereits am subjektiven Zusammenhang der Darlehensgewährung (buchmäßige Behandlung) mit dem Betrieb der Klägerin. Nach den Feststellungen des FG, die den Senat gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) binden, wurden die Geschäftsvorfälle hinsichtlich der Darlehensforderung gegenüber der N-KG und der Kreditschuld aus der Refinanzierung nicht zeitnah und laufend gebucht. Die Geschäftsvorfälle wurden erstmalig im Rahmen der Erstellung des Jahresabschlusses 1972 im Sommer 1974 buchmäßig erfaßt. Diese Einbuchung zu einem Zeitpunkt, in dem die Darlehensforderung durch den Konkurs der Darlehensnehmerin wertlos geworden war, konnte nur noch den Sinn haben, eine steuerlich wirksame Teilwertabschreibung zu erlangen (vgl. BFH-Urteile vom 27. März 1974 I R 44/73, BFHE 112, 265, BStBl II 1974, 488; vom 15. November 1978 I R 57/76, BFHE 126, 530, BStBl II 1979, 257). Dem steht das von der Klägerin herangezogene BFH-Urteil vom 5. März 1981 IV R 94/78 (BFHE 133, 379, BStBl II 1981, 658) nicht entgegen. Dort spielten buchtechnische Schwierigkeiten bei der Einbuchung von Goldtermingeschäften eine Rolle. Der dort in diesem Sinne verwendete Begriff des ,,ungewöhnlichen Geschäftsvorfalls" ist im Streitfall entgegen der Ansicht der Klägerin nicht anwendbar; die Buchung der hier umstrittenen Geschäftsvorfälle war ohne Schwierigkeiten möglich.

Entgegen der Auffassung der Klägerin reicht es für die Annahme gewillkürten Betriebsvermögens nicht aus, daß die Darlehensverträge unter dem Namen ihrer Firma abgeschlossen worden sind (vgl. auch Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 15. Oktober 1930 VI A 1053/30, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1931, Bd. II, Sp. 124).

b) Damit kann dahinstehen, ob - wovon das FG ausgegangen ist - aus den Umständen der Darlehensgewährung auf deren private Veranlassung zu schließen wäre (vgl. hierzu RFH-Urteil vom 4. Juli 1928 VI A 124/28, StuW 1928, Bd. II, Sp. 933; BFH-Urteile vom 22. Dezember 1955 IV 537/54 U, BFHE 62, 172, BStBl III 1956, 65, und in BFHE 108, 335, BStBl II 1973, 303).

Das FG hat im Ergebnis auch eine steuermindernde Berücksichtigung von Schuldzinsen für den Refinanzierungskredit in den Streitjahren 1974 bis 1976 zu Recht versagt.

1. Die umstrittenen Schuldzinsen sind keine Aufwendungen, die durch den Betrieb der Klägerin veranlaßt sind (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG -), weil auch - wie vorstehend erörtert - die mit der Kreditaufnahme finanzierte Darlehensgewährung nicht zum Betriebsvermögen der Klägerin gehört.

2. Die Zinszahlungen können auch nicht als (nachträgliche) Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden. Im Hinblick auf die im Urteil des FG dargestellte Unklarheit der von der Klägerin und ihrem Sohn gestalteten Verhältnisse kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Schuldzinsen mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG).

Gegen die Ernsthaftigkeit des Vertragsverhältnisses spricht bereits, daß innerhalb weniger Tage zwei Darlehensverträge (vom 1. und 3. April 1972) mit stark voneinander abweichenden Bedingungen vereinbart wurden. Diese Beliebigkeit und Änderbarkeit des Vertragsinhalts und die damit verbundene Unklarheit über das tatsächlich Gewollte wäre unter fremden und ihre Interessen wahrenden Vertragspartnern nicht möglich. Auch die Unklarheit hinsichtlich der Sicherheiten sowie deren Umfang widerspricht dem, was unter Fremden üblich ist. Insoweit wurde das im ersten Vertrag Vereinbarte und im zweiten Vertrag nicht Enthaltene durchgeführt. Selbst nach den im ersten Vertrag genannten Werten wurde lediglich für einen Darlehensteilbetrag von ca. 27% Sicherheit geleistet. Auch die erst am 18. Oktober 1972 zur Sicherheit übereigneten Gegenstände hätten selbst bei Ansatz der von der Klägerin genannten Werte nur weitere ca. 27% des Darlehensbetrages gesichert. In Wirklichkeit hat die Klägerin aus diesen Sicherheiten nichts erlöst; sie waren also wertlos.

Unter diesen Umständen kann dahinstehen, aus welchen Gründen die Klägerin nicht die Erfüllung ihrer (Zins- und Rückzahlungs-)Ansprüche aus dem Darlehensvertrag verlangt hat. Auf das neue Vorbringen der Revision, solche Bemühungen wären wegen bereits bestehender Überschuldung erfolglos und nur mit Kosten verbunden gewesen, kommt es daher nicht an.

 

Fundstellen

Haufe-Index 60781

BFH/NV 1986, 80

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