Leitsatz (amtlich)

Ein Ergebnisabführungsvertrag steht einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluß nicht gleich.

 

Normenkette

KStG § 19 Abs. 3

 

Tatbestand

Revisionsklägerin ist die A.-KG, vertreten durch ihren persönlich haftenden Gesellschafter A., als Rechtsnachfolgerin der H.-GmbH, der Klägerin. Streitig ist die steuerrechtliche Auswirkung des Ergebnisabführungsvertrages, den die Klägerin am 16. Juli 1965 mit der G.-KG geschlossen hatte.

Gesellschafter der Klägerin waren die Eheleute G. Sie waren zu 95 v. H. und zu 5 v. H. am Stammkapital der Klägerin beteiligt und im gleichen Beteiligungsverhältnis Komplementär und Kommanditistin der am 1. Juli 1965 gegründeten vorgenannten G.-KG. Am 16. Juli 1965 schloß die Klägerin mit der KG mit Wirkung vom 1. Juli 1965 ab einen Organschafts- und einen Ergebnisabführungsvertrag, demzufolge die Klägerin die in ihren Jahresabschlußbilanzen ausgewiesenen Betriebsergebnisse an die KG abzuführen hatte. Demgemäß erklärte die Klägerin für das Streitjahr (1965) weder einen Gewinn noch einen Verlust.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) erkannte den Ergebnisabführungsvertrag vom 1. Juli 1965 ab als steuerrechtlich wirksam an, behandelte indes den auf das erste Halbjahr 1965 entfallenden, mangels einer Bilanz zum 30. Juni 1965 umsatzanteilig ermittelten Gewinn als verdeckte Gewinnausschüttung (Bescheid vom 29. Oktober 1969). Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das FG führte aus:

Die KG habe nach dem Ergebnisabführungsvertrag den Gewinn der Klägerin erst für die Zeit nach dem 30. Juni 1965 zu beanspruchen, da sie erst am 1. Juli 1965 ihre Tätigkeit aufgenommen habe (Urteil des BFH vom 16. März 1965 I 9/63 U, BFHE 82, 383, BStBl III 1965, 386). Da hinsichtlich des Gewinns der Klägerin für die Zeit bis zum 30. Juni 1965 ein den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechender Gewinnverteilungsbeschluß nicht vorliege, sei dieser Teil ihres Gewinns der KG als einer den Gesellschaftern der Klägerin nahestehenden Person verdeckt zugewendet (BFH-Urteil vom 21. Januar 1970 I R 125/67, BFHE 98, 470, BStBl II 1970, 466) und als verdeckte Gewinnausschüttung dem Steuersatz von 51 v. H. zu Recht unterworfen worden; eine Umdeutung des Ergebnisabführungsvertrags in einen der Vorschrift des § 19 Abs. 3 KStG entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluß sei nicht möglich (BFH-Urteil vom 17. Dezember 1969 I 252/64, BFHE 98, 152, BStBl II 1970, 257 [262]).

Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision der Klägerin mit dem Antrag, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Körperschaftsteuer in Abänderung des Bescheides vom 29. Oktober 1969 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. November 1970 auf 52 670 DM festzusetzen. Zur Begründung läßt sie vortragen:

Der Gewinn, den die Klägerin im ersten Halbjahr 1965 erzielt habe, sei auf Grund des Ergebnisabführungsvertrags an die KG abgeführt worden. Wie das FG Hamburg im Urteil vom 9. Dezember 1971 II 17/71 (EFG 1972, 201) ausgeführt habe, seien Leistungen auf Grund eines Ergebnisabführungsvertrags ihrem materiellen Gehalt nach Gewinnverwendungen, so daß es eines den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschlusses nicht bedürfe; ein Verstoß gegen die Vorschriften der §§ 58 Abs. 4 und 291 Abs. 3 AktG liege darin nicht. Hinzu komme, daß der Ergebnisabführungsvertrag seiner Natur nach ein Vertrag gesellschaftsrechtlicher Art sei, der nur wie ein betrieblicher Vorgang behandelt werde (BFH-Gutachten vom 27. November 1956 I D 1/56 S, BFHE 64, 368, BStBl III 1957, 139). Es könne hier deshalb nichts anderes gelten als für die garantierte Dividende, die ebenfalls ohne Vorliegen eines den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschlusses als offene - berücksichtigungsfähige - Ausschüttung anerkannt sei (BFH-Urteil vom 25. Juli 1961 I 104/60 S, BFHE 73, 597, BStBl III 1961, 483). Schließlich hätten die Gesellschafter der Klägerin mit Abschluß des Ergebnisabführungsvertrags ihre künftigen Forderungsrechte auf den Reingewinn an die KG abgetreten, so daß diese Rechte nunmehr "in der Hand der KG" entstanden seien. Nach alledem sei der von der Klägerin selbst zu versteuernde Gewinn des ersten Halbjahrs 1965 mit nur 15 v. H. der Steuer zu unterwerfen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es könne dahinstehen, ob der Ergebnisabführungsvertrag seiner Natur nach ein Vertrag gesellschaftsrechtlicher Art sei; die Durchführung des Ergebnisabführungsvertrags sei jedenfalls ein betrieblicher Vorgang. Der Ergebnisabführungsvertrag ersetze einen förmlichen Gewinnverteilungsbeschluß nicht und sei auch mit der garantierten Dividende nicht vergleichbar.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Die Beteiligten gehen - nunmehr - angesichts der Tatsache, daß die KG erst mit ihrer Gründung am 1. Juli 1965 existent geworden ist und demgemäß bis zum 30. Juni 1965 keinen Betrieb unterhalten haben konnte, in den das Unternehmen der Klägerin hätte eingegliedert gewesen sein können (vgl. zu dieser Voraussetzung das BFH-Urteil I 252/64), übereinstimmend davon aus, daß der Ergebnisabführungsvertrag für die Zeit, für die ein Organverhältnis zwischen der Klägerin und der KG noch nicht bestand, keine Rechtswirkungen äußere (vgl. BFH-Urteil vom 18. Juni 1969 I R 110/68, BFHE 96, 54, BStBl II 1969, 569). Er sei jedoch - so die Revisionsklägerin - für die Frage nach der Berücksichtigungsfähigkeit der Ausschüttung des im ersten Halbjahr 1965 erzielten Gewinns der Klägerin an die KG einem Gewinnverteilungsbeschluß nach § 46 Nr. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) gleichzuachten.

2. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil I 252/64 unter Bezug auf das BFH-Urteil vom 30. November 1966 I 310/62 (BFHE 87, 394, BStBl III 1967, 152) ausgeführt: "Die verdeckte Gewinnausschüttung, die in der Gewinnabführung ohne steuerlich anerkannte Organschaft liegt, kann nicht in eine ordentliche Gewinnausschüttung umgewandelt oder umgedeutet werden ... Berücksichtigungsfähige Ausschüttungen sind nach § 19 Abs. 3 KStG nur die auf Grund eines den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschlusses vorgenommenen Gewinnausschüttungen, nicht aber Gewinnabführungen auf Grund eines steuerlich nicht anerkannten Ergebnisabführungsvertrags, mag dieser auch als gesellschaftsrechtlicher Vertrag zu beurteilen sein."

Diese in der Literatur weithin in Frage gestellte Rechtsauffassung (Hinweis auf die Ausführungen bei Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 7a KStG, Anm. 114-115) hat ihre Grundlage in folgenden Erwägungen. Der Bestimmung durch die Gesellschafter unterliegen nach § 46 Nr. 1 GmbHG "die Feststellung der Jahresbilanz und die Verteilung des aus derselben sich ergebenden Reingewinns". Danach erweist sich der in § 19 Abs. 3 KStG angesprochene, den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechende Gewinnverteilungsbeschluß als eine von Jahr zu Jahr erneut zu treffende Entscheidung der Gesellschafter der GmbH über die Verwendung des Bilanzgewinns. Mit dem Abschluß eines Ergebnisabführungsvertrags befinden dagegen die Gesellschafter nicht über die Verwendung des Bilanzgewinns, der weder in allen Fällen in vollem Umfang zur Verteilung an die Gesellschafter gelangen muß noch gelangt. Vielmehr verpflichtet sich die Gesellschaft - und das auf Jahre hinaus -, ihren Gewinn während der Zeit der Geltung des Ergebnisabführungsvertrags an den beherrschenden Gesellschafter in vollem Umfang abzuführen. Soweit nach herrschender handelsrechtlicher Auffassung in den Leistungen auf Grund des Ergebnisabführungsvertrags kein Verstoß gegen §§ 29, 30, 46 Nr. 1 GmbHG liegt, kann in diesen Leistungen doch keine Gewinnverwendung i. S. des § 46 Nr. 1 GmbHG gesehen werden. Hier wird weder der Bilanzgewinn "festgestellt" noch einem Gewinnverteilungsbeschluß entsprechend "verwendet". Vielmehr wird eine - wenn auch der Höhe nach dem hypothetischen Bilanzgewinn der GmbH entsprechende - Verpflichtung erfüllt, deren Ausweis das Entstehen eines verteilbaren Bilanzgewinns verhindert.

Demgegenüber kann auch nicht auf die steuerrechtliche Behandlung der garantierten Dividende verwiesen werden, die der erkennende Senat mit Urteil I 104/60 S als berücksichtigungsfähige Ausschüttung anerkannt hat. Die Abführung des "Gewinns" der GmbH auf Grund eines Ergebnisabführungsvertrags und die Ausschüttung (Zahlung) einer garantierten Dividende (die bekanntlich auch seitens des Organträgers erfolgen kann und in aller Regel auch erfolgt) sind in diesem Zusammenhang nur insofern vergleichbar, als in beiden Fällen die Zuweisung von Gewinn an die Gesellschafter nicht in verschleierter Form erfolgt. Das heißt aber nicht, daß jede nicht verschleierte Gewinnausschüttung eine "offene" Gewinnausschüttung sein muß, nicht auch eine "verdeckte" Gewinnausschüttung sein könne und insbesondere als eine "auf Grund eines den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschlusses vorgenommene" Gewinnausschüttung eingeordnet werden müsse.

Die dem Urteil I 104/60 S zugrunde liegende "wirtschaftliche Auslegung des Begriffs der berücksichtigungsfähigen Ausschüttung" ist allein in Fortführung der Überlegungen verständlich, die zur Anerkennung der Gewinnminderung auf Grund eines Ergebnisabführungsvertrags bei Vorliegen eines Organverhältnisses geführt haben. Denn die garantierte Dividende stellt für die Minderheitsgesellschafter den Ertrag ihrer Beteiligung an der GmbH dar (vgl. Gutachten des BFH I D 1/56 S). Inzwischen hat der erkennende Senat in einer ganzen Reihe von Entscheidungen dargelegt, daß als berücksichtigungsfähige Ausschüttung im Sinne von § 19 Abs. 3 KStG nur eine Gewinnausschüttung angesehen werden kann, die - was nach Maßgabe des Handelsrechts zu beurteilen ist - auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluß beruht (BFH-Urteile vom 18. November 1970 I R 88/69, BFHE 100, 40, BStBl II 1971, 73; vom 12. Juli 1972 I R 205/70, BFHE 107, 186, BStBl II 1973, 59 mit weiterer Rechtsprechung).

Knüpft das Gesetz - wie in § 19 Abs. 3 KStG - eine steuerliche Vergünstigung an die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen, so kann diese Vergünstigung nur in Anspruch nehmen, wer auch die Voraussetzungen ihrer Inanspruchnahme erfüllt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70828

BStBl II 1974, 323

BFHE 1974, 410

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