Leitsatz (amtlich)

Sind die Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft, die Waren produziert und den Großhandel mit diesen Waren betreibt, im gleichen Verhältnis an einer Aktiengesellschaft italienischen Rechts beteiligt, die fast ausschließlich für die Personenhandelsgesellschaft produziert, so dienen die Aktien der Gesellschafter dem Betrieb der Personenhandelsgesellschaft und gehören zum Sonderbetriebsvermögen der Personenhandelsgesellschaft.

 

Orientierungssatz

Der Vorbehalt in Nr. 7 des Schlußprotokolls zum DBA-Italien wird als gegenstandslos betrachtet (Literatur).

 

Normenkette

BewG 1965 §§ 95, 97 Abs. 1 Nr. 5; DBA ITA Art. 3, 12; DBASchlProt ITA Nr. 7

 

Verfahrensgang

FG Hamburg (Entscheidung vom 21.04.1982; Aktenzeichen VI 49/79)

 

Tatbestand

Die Klägerin ist eine KG, an der A als persönlich haftender Gesellschafter und seine Ehefrau als Kommanditistin beteiligt sind (Gewinnverteilungsschlüssel 80 : 20). Gegenstand der Gesellschaft ist die Fabrikation und der Großhandel.

1966 errichteten die Eheleute A in Italien eine Aktiengesellschaft italienischen Rechts (SpA), an der sie sich ebenfalls im Verhältnis 80 : 20 beteiligten. Diese Gesellschaft stellt Waren her und läßt solche herstellen. Die Waren werden fast ausschließlich an die Klägerin geliefert, die sie weitervertreibt. Die Eheleute A behandeln die Aktien als Teil ihres Privatvermögens.

Im Rahmen einer 1973 bis 1976 durchgeführten Betriebsprüfung kam der Prüfer zu der Auffassung, daß die Aktien Betriebsvermögen der Klägerin seien. Den Wert der Aktien schätzte er unter Zugrundelegung des sog. Stuttgarter Verfahrens.

Unter Berücksichtigung dieser Werte stellte das beklagte Finanzamt (FA) die Einheitswerte des Betriebsvermögens der Klägerin auf den 1.Januar 1969, den 1.Januar 1970, den 1.Januar 1971 und den 1.Januar 1972 fest.

Nach erfolglosem Einspruch hat die Klägerin Klage erhoben und die Auffassung vertreten, daß eine Heranziehung der Aktien in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) schon wegen des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Italien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) nicht in Betracht komme. Im übrigen gehörten die Aktien nicht zu ihrem (der Klägerin) notwendigen Betriebsvermögen, da diese Aktien für die Funktion ihres Betriebs nicht wesentlich oder gar unentbehrlich seien. Schließlich seien sie auch zu hoch bewertet. Sie hat beantragt, die Einheitswerte jeweils um den Wert der Aktien herabzusetzen.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1983, 9).

Die Klägerin hat Revision eingelegt und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und nach den Klaganträgen zu erkennen.

Auf Aufforderung durch den Senat ist der Bundesminister der Finanzen (BMF) dem Revisionsverfahren beigetreten und hat im Ergebnis dahin Stellung genommen, daß die Erfassung der italienischen Aktien als sogenanntes Sonderbetriebsvermögen zumindest gewohnheitsrechtlich verfestigt sei und deshalb für die Zeit vor 1984 an der bisherigen Behandlung des Sonderbetriebsvermögens bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens von Personengesellschaften festgehalten werden sollte. Auch das DBA stehe der Erfassung der den Gesellschaftern der Klägerin gehörenden Aktien nicht entgegen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Aktien gehören zu ihrem Sonderbetriebsvermögen.

1. Wie der Senat im Anschluß an das Urteil des III.Senats (vgl. das Urteil vom 7.Dezember 1984 III R 35/79, BFHE 143, 87, BStBl II 1985, 236) bereits ausgesprochen hat (vgl. das Urteil vom 7.Mai 1986 II R 137/79, BFHE 147, 70, BStBl II 1986, 615), waren Wirtschaftsgüter, die im Eigentum eines oder mehrerer oder aller Gesellschafter einer Personengesellschaft standen und dem Betrieb dieser Gesellschaft dienten, auch vor dem Inkrafttreten des nunmehrigen § 97 Abs.1 Nr.5 Satz 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) Sonderbetriebsvermögen der Personengesellschaft. Diese Voraussetzungen trafen im vorliegenden Fall auf die Aktien zu.

Die bisherige Rechtsprechung hat sich im einzelnen zu der Frage geäußert, wann Wirtschaftsgüter, die Gesellschaftern gehören, dem Betrieb einer Personengesellschaft dienen. Diese Voraussetzungen sind vor allem dann erfüllt, wenn Wirtschaftsgüter der Personengesellschaft zur Nutzung überlassen worden sind (vgl. BFHE 143, 87, 92 unter 2., BStBl II 1985, 236). Darüber hinaus wird angenommen, daß Anteile an einer Kapitalgesellschaft im Eigentum der Gesellschafter einer Personengesellschaft auch dann dem Betrieb dieser Personengesellschaft dienen, wenn diese ihr Anlagevermögen an die Kapitalgesellschaft verpachtet hat und die Personengesellschaft mit Hilfe der ihren Gesellschaftern gehörenden Anteile an der Kapitalgesellschaft Einfluß auf die Geschäftspolitik der Kapitalgesellschaft nehmen kann (BFHE 143, 87, 92, BStBl II 1985, 236). Dies alles gilt nach der Rechtsprechung auch hinsichtlich der Anteile an einer Vertriebsgesellschaft, die den Gesellschaftern der als Besitzgesellschaft tätigen Personengesellschaft gehören (BFHE 143, 87, 93 unter 3 b, BStBl II 1985, 236).

Aus allem ist zu folgern, daß zur Annahme von Sonderbetriebsvermögen hinsichtlich der Anteile an einer Kapitalgesellschaft erforderlich ist, daß zwischen der Personengesellschaft und der Kapitalgesellschaft wirtschaftlich besonders enge Beziehungen bestehen, wie dies z.B. bei der Betriebsaufspaltung regelmäßig der Fall ist. Dies gilt aber auch dann, wenn eine Gesellschaft Produktionsgesellschaft und die andere Gesellschaft Vertriebsgesellschaft ist (vgl. die Urteile vom 10.April 1964 III 255/60 U, BFHE 79, 334, BStBl III 1964, 354, und vom 6.November 1980 IV R 182/77, BFHE 132, 93, BStBl II 1981, 220). Bei einer Betriebsaufspaltung mit Vertrieb der produzierten Erzeugnisse über eine besondere Vertriebsgesellschaft gehören die Anteile an der Vertriebs-GmbH zum Sonderbetriebsvermögen der Besitz-GmbH & Co. KG (vgl. das Urteil in BFHE 143, 87, 93 unter 3 b, BStBl II 1985, 236). Es macht dabei nach der Rechtsprechung keinen Unterschied, welche dieser verschiedenen Funktionen jeweils von der Personengesellschaft oder der Kapitalgesellschaft ausgeübt wird (vgl. das Urteil vom 14.August 1975 IV R 30/71, BFHE 117, 44, 48, BStBl II 1976, 88). Daß in derartigen Fällen immer die Anteile an der Kapitalgesellschaft Sonderbetriebsvermögen der Personengesellschaft sind, ist eine Folge davon, daß Sonderbetriebsvermögen nur bei Personengesellschaften, nicht aber bei Kapitalgesellschaften denkbar ist.

Die besonders engen Beziehungen zwischen einer Personengesellschaft und einer Kapitalgesellschaft, wie sie nach vorstehenden Ausführungen für die Annahme von Sonderbetriebsvermögen erforderlich sind, sind im vorliegenden Fall gegeben. Die Klägerin übernimmt nach den Feststellungen des FG nahezu die vollständige Produktion der SpA zum Vertrieb. Daraus ergibt sich, daß die SpA wirtschaftlich nahezu vollständig auf die Klägerin ausgerichtet ist. Die Fortdauer der intensiven wirtschaftlichen Beziehungen ist dadurch gewährleistet, daß sowohl die Klägerin als auch die SpA die gleichen Gesellschafter mit übereinstimmenden prozentualen Beteiligungen haben. Wegen der Gesellschafteridentität kann die Klägerin verstärkten Einfluß auf die SpA nehmen (aber auch umgekehrt). Dies rechtfertigt den Schluß, daß die Aktien dem Betrieb der Klägerin dienen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist für die Annahme von Sonderbetriebsvermögen hinsichtlich der Aktien nicht entscheidend, ob die Klägerin auf die Produkte der SpA angewiesen ist. Es reicht aus, daß tatsächlich enge wirtschaftliche Beziehungen bestehen, die den Schluß zulassen, daß die Produktion der SpA auf die Bedürfnisse der Klägerin ausgerichtet ist. Daß die Klägerin als Produktions- und Handelsgesellschaft bei einem Ausfall der Produktion der Klägerin auf eigene Produkte oder Produkte anderer Firmen ausweichen kann, ist der Annahme, daß die Aktien Sonderbetriebsvermögen sind, nicht hinderlich.

Es bedarf keiner Entscheidung, ob etwas anderes dann gilt, wenn eine Personengesellschaft gegenüber der mit ihr wirtschaftlich verbundenen Kapitalgesellschaft nur geringes wirtschaftliches Gewicht hat oder etwa festgestellt werden kann, daß die Kapitalgesellschaft die Personengesellschaft beherrscht (vgl. hierzu den Fall in BFHE 147, 70, BStBl II 1986, 615). Denn ein derartiges Ungleichgewicht besteht nicht, auch wenn der Wert des Sonderbetriebsvermögens den Wert des Gesellschaftsvermögens zum Teil nicht unerheblich übersteigt.

Der Senat verkennt nicht, daß seine Auffassung zur Folge hat, daß das gesamte Vermögen der SpA über die Bewertung der Aktien bis einschließlich 1971 der deutschen Gewerbesteuer unterworfen wird. Bei der Entscheidung des Gesetzgebers, erst ab 1972 eine Abzugsmöglichkeit wegen ausländischer Beteiligungen über § 12 Abs.3 Nr.4 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) zu eröffnen, handelt es sich um eine rechtspolitische Entscheidung, die die vorher bestehende Rechtslage bis 1971 weiter gelten ließ, obwohl die Neuregelung, wie es in der Regierungsbegründung heißt, nahe lag. Denn nach dem bisherigen Recht erfaßte "die Gewerbesteuer, obwohl sie wesensmäßig nur inländische Betriebe betrifft, auch die vom inländischen Unternehmen gehaltenen Beteiligungen an Auslandsgesellschaften und die darauf entfallenden Auslandsanteilserträge" (BTDrucks VI/2883 S.22 Tz.44). Der Senat sieht sich gleichwohl nicht in der Lage, durch eine restriktivere Auslegung des Begriffes des Sonderbetriebsvermögens jedenfalls die Belastung der Beteiligungen mit Gewerbekapitalsteuer, die nicht der Personengesellschaft gehören, auch für die Zeit vor 1972 zu vermeiden.

Ob sich gewerbesteuerrechtlich Folgerungen daraus ergeben, daß bis 1971 Beteiligungen an inländischen und ausländischen Kapitalgesellschaften unterschiedlich behandelt wurden (vgl. § 12 Abs.3 Nr.2 a einerseits und den erst ab 1972 geltenden § 12 Abs.3 Nr.4 GewStG andererseits), hat der Senat nicht zu entscheiden (vgl. das Urteil vom 19.Juli 1972 I R 164/68, BFHE 106, 441, BStBl II 1972, 858).

2. Aus dem maßgebenden deutsch-italienischen DBA ergeben sich keine Einschränkungen hinsichtlich der Erfassung der Aktien als Teil des Betriebsvermögens der Klägerin.

Soweit der Einheitswert für die Vermögensteuer maßgebend ist, ergibt sich die Erfassung der Aktien im Rahmen der Feststellung des Betriebsvermögens aus Art.12 Abs.2 Buchst.c i.V.m. Art.3 DBA. Die Klägerin hat in Italien keine Betriebstätte, der die Aktien zugeordnet werden könnten. Über die Zugehörigkeit der Aktien zu dem Betrieb der inländischen Betriebstätte befindet allein das deutsche Steuerrecht.

Die Aktien sind auch nach dem DBA nicht von der Gewerbekapitalsteuer freigestellt mit der Folge, daß für die Zwecke der Gewerbekapitalsteuer ein besonderer Einheitswert festzustellen wäre. Die Klägerin beruft sich hier zu Unrecht auf die Nr.7 des Schlußprotokolls zum DBA. Diese Vorschrift wäre im vorliegenden Fall nach dem eindeutigen Wortlaut nur dann anwendbar, wenn die italienischen Steuergesetze die SpA als Betriebstätte der Klägerin behandelten. In diesem Fall wäre Art.3 DBA auf die SpA als Betriebstätte der Klägerin anwendbar, der im übrigen nach Auffassung des Senats im vorliegenden Fall auch Gewerbekapitalsteuer betrifft (gegebenenfalls über Art.12 Abs.1 i.V.m. Art.1 Abs.5 Nr.1 e DBA). Über die Behandlung der Klägerin selbst folgt hieraus nichts.

Im übrigen hat die Klägerin auch nicht vorgetragen, daß die SpA in Italien als ihre Betriebstätte angesehen wird, zumal es dort keine der Gewerbesteuer vergleichbare Steuer gibt. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß der Vorbehalt in Nr.7 des Schlußprotokolls ohnehin als gegenstandslos betrachtet wird (vgl. Korn/Dietz, Kommentar zur Doppelbesteuerung, DBA-Italien, Art.3 Anm.5).

3. Unbegründet sind auch die Einwendungen gegen die Bewertung der Aktien. Gestritten wird über die Frage, ob bei der Bewertung, bei der das Stuttgarter Verfahren angewendet worden ist, ein besonderer Abschlag gemäß Abschn.79 Abs.3 der Vermögensteuer-Richtlinien gerechtfertigt ist. Die Ausführungen des FG, daß keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, die einen Abschlag rechtfertigen könnten, enthalten keinen Rechtsfehler. Insbesondere rechtfertigt die Ausrichtung der SpA auf die Klägerin keinen Abschlag (vgl. hierzu das Urteil vom 8.Mai 1985 II R 184/80, BFHE 144, 268, 271 unter 2., BStBl II 1985, 608, 610 unter 2.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 61468

BStBl II 1987, 99

BFHE 148, 72

BFHE 1987, 72

BB 1987, 187

BB 1987, 187-187 (S)

DB 1987, 617-617 (T)

HFR 1987, 114-115 (ST)

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