Leitsatz (amtlich)

1. Der Senat hält an seiner Auffassung fest, daß § 24 Nr. 1 BewG a. F. nicht verfassungswidrig ist.

2. Wirtschaftsgüter, die im Alleineigentum eines Ehegatten stehen, aber den Zwecken des Gewerbebetriebs des anderen Ehegatten zu mehr als 50 v. H. dienen, sind in den Einheitswert des Betriebsvermögens des anderen Ehegatten einzubeziehen.

2. Ein Grundstück, das im Alleineigentum eines Ehegatten steht, aber dem Betrieb einer Personengesellchaft, an welcher nur der andere Ehegatte als Gesellschafter beteiligt ist, zu mehr als 50 v. H. dient, ist nach der Bilanzbündeltheorie als Betriebsgrundstück dem Gewerbebetrieb der Personengesellschaft zuzurechnen.

 

Normenkette

BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 24; BewG 1965 §§ 26, 99

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte zu 1. (im folgenden Klägerin zu 1.) ist Eigentümerin des Grundstücks X Straße ... in L. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) hat dieses Grundstück als Geschäftsgrundstück bewertet und den Einheitswert auf den 1. Januar 1968 auf 73 400 DM festgestellt. Gleichzeitig hat das FA das Grundstück als Betriebsgrundstück dem gewerblichen Betrieb der Klägerin und Revisionsbeklagten zu 2. zugerechnet. Da dieser Bescheid nur der Klägerin zu 1. zugestellt worden war, wurde er aufgrund der Anfechtungsklage vom FG aufgehoben. Das FA hat darauf erneut durch Bescheid vom ... 1972 die Feststellungen des aufgehobenen Bescheids wiederholt und den Bescheid nunmehr beiden Klägerinnen zugestellt.

Die hiergegen eingelegten Sprungklagen der Klägerinnen hatten Erfolg. Das FG ist in Übereinstimmung mit dem Urteil des Niedersächsischen FG vom 4. Februar 1972 I 99/69 (EFG 1972, 323) der Meinung, daß § 24 Nr. 1 BewG a. F. nur in den Fällen angewandt werden könne, wenn an der wirtschaftlichen Einheit nur die Ehegatten gemeinsam beteiligt seien. Diese Voraussetzung sei jedoch nicht gegeben, wenn das Betriebsvermögen, dem das Grundstück zugerechnet werden solle, nicht im Alleineigentum des Gesellschafterehegatten stehe, sondern im Gesamthandeigentum der KG, an der nur der Ehemann beteiligt sei. Unter Ablehnung der Rechtsprechung des BFH führt die Vorentscheidung sodann aus, bewertungsrechtlich sei allein maßgebend, daß das Betriebsvermögen der Personengesellschaft die wirtschaftliche Einheit darstelle und nicht der Anteil des einzelnen Gesellschafters. Es sei daher nicht zulässig, unter Bezugnahme auf die Vorschrift des § 24 Nr. 1 BewG a. F., das an eine Personengesellschaft vermietete Grundstück des Ehegatten eines Gesellschafters mit dem Betriebsvermögen der Personengesellschaft zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammenzufassen. Eine Einbeziehung des Grundstücks der Klägerin zu 1. in das Betriebsvermögen der Klägerin zu 2. hätte auch zur Folge, daß die Schulden beim Betriebsvermögen abzugsfähig wären, obwohl das Betriebsvermögen der Klägerin zu 2. für diese Schulden nicht hafte. Auch bei der Veranlagung zur Gewerbesteuer nach dem Gewerbekapital würde dies zu einer erheblichen Steuerminderung führen, weil nach § 12 Abs. 3 Nr. 1 GewStG der zunächst im Einheitswert des Betriebsvermögens erfaßte Einheitswert des Grundstücks wieder abzusetzen wäre, während die damit zusammenhängenden Schulden teilweise, soweit sie nicht Dauerschulden seien, weiterhin das Betriebsvermögen mindern dürften, obwohl es keine Gesellschaftsschulden und keine Schulden des Gesellschafters seien. Die Vorinstanz bezieht sich sodann auf das Urteil des erkennenden Senats zur Abzugsfähigkeit von Darlehen des Gesellschafterehegatten vom 31. Oktober 1969 III R 145/66 (BFHE 97, 561, BStBl II 1970, 197); sie ist der Auffassung, daß alle Wirtschaftsgüter gleichbehandelt werden müßten und daß ein Unterschied zwischen einem Darlehen und einem sonstigen Wirtschaftsgut eines Gesellschafterehegatten nicht gemacht werden dürfe.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, das die Behandlung des Grundstücks der Klägerin zu 1. als Betriebsgrundstück der Klägerin zu 2. für zutreffend hält. Eine entsprechende Anwendung der Entscheidung des BFH zum Ehegattendarlehen hält das FA nicht für möglich. Die Vorentscheidung stehe auch in Widerspruch zur Bilanzbündeltheorie.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

1. Nach § 2 Abs. 2 BewG kommen mehrere Wirtschaftsgüter dann als eine wirtschaftliche Einheit in Betracht, wenn sie demselben Eigentümer gehören. Von diesem Grundsatz enthält § 24 Nr. 1 BewG a. F. (= § 26 Nr. 1 BewG 1965) eine Ausnahme. Nach dieser Vorschrift wird die Zurechnung mehrerer Wirtschaftsgüter zu einer wirtschaftlichen Einheit nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Wirtschaftsgüter zum Teil dem einen, zum Teil dem anderen Ehegatten gehören, wenn das Vermögen der Ehegatten zusammenzurechnen ist (§ 75 Abs. 1 BewG a. F. = § 119 Abs. 1 BewG 1965). Der erkennende Senat hat diese Grundsätze auch auf den Fall angewandt, in dem ein Grundstück, das im Alleineigentum eines Ehegatten stand, den eigengewerblichen Zwecken des Gewerbebetriebs des anderen Ehegatten zu mehr als 50 v. H. diente. Auch in diesem Fall war das Grundstück als Betriebsgrundstück zu behandeln und in den Einheitswert des gewerblichen Betriebs des anderen Ehegatten einzubeziehen (BFH-Entscheidung vom 18. Dezember 1970 III R 87/69, BFHE 101, 271, BStBl II 1971, 289, mit weiteren Nachweisen).

Der Senat bleibt auch nach erneuter Prüfung bei seiner in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung, daß § 24 Nr. 1 BewG a. F. nicht gegen das GG verstößt. Die Anwendung des § 24 Nr. 1 BewG a. F. führt bei der Feststellung der Einheitswerte für die Eheleute an sich nicht zu einer Benachteiligung; aus den §§ 24 bis 66 BewG a. F. ist nicht zu ersehen, ob und inwieweit sich § 24 Nr. 1 BewG a. F. für Ehegatten, die zur Vermögensteuer zusammen veranlagt werden, günstig oder nachteilig bei den Einzelsteuern auswirkt. Das gilt auch für die Beurteilung nach dem Gewerbesteuergesetz. Die Hinzurechnung des Grundstücks der Klägerin zu 1. zum Betriebsvermögen der Klägerin zu 2. wird durch die Kürzungsvorschrift des § 12 Abs. 3 Nr. 1 GewStG bei der Gewerbekapitalsteuer ausgeglichen. Soweit es sich bei auf dem Grundstück ruhenden Schulden um Dauerschulden handelt, die nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG dem Einheitswert des Betriebsvermögens wieder hinzuzurechnen sind, liegt keine Mehrbelastung vor, weil erst durch die Zurechnung des Grundstücks der Abzug dieser Schulden rückgängig gemacht wird, der durch die Hinzurechnung des Grundstücks als Betriebsgrundstück möglich war. Der Fall, daß Schulden, die auf dem Grundstück ruhen, bei der Gewerbesteuer nicht als Dauerschulden zu behandeln sind, wird selten sein, da in jedem Fall zunächst geprüft werden muß, ob diese Schulden überhaupt im wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Grundstück stehen (§ 62 BewG a. F.; § 103 BewG 1965). In seltenen Ausnahmefällen, in denen möglicherweise einmal ein Schuldabzug in Betracht kommen könnte, wirkt sich dieser Schuldabzug zugunsten des Steuerpflichtigen aus. Es liegt insoweit keine Beschwer eines Steuerpflichtigen vor. Entgegen der Auffassung des FG führt auch die Möglichkeit, daß der Schuldabzug in diesen Ausnahmefällen zu einer Minderung des Steueraufkommens führen könnte, nicht zu einem Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG, weil nach der Rechtsprechung des BVerfG steuerliche Folgerungen, die nur in seltenen Ausnahmefällen eintreten können, nicht zur Verfassungswidrigkeit einer Norm selbst führen. Die durch die Behandlung des Grundstücks als Betriebsgrundstück bei der Gewerbeertragsteuer entstehende Mehrbelastung muß außer Betracht bleiben, weil diese Frage sich allein nach ertragsteuerlichen Grundsätzen richtet und unabhängig von der Behandlung des Grundstücks als Betriebsgrundstück erfolgt.

2. Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb möglich, weil der erkennende Senat im Urteil III R 145/ 66 entschieden hat, daß eine Personengesellschaft ihre Verpflichtung zur Rückzahlung eines Darlehens, das der Ehegatte eines Gesellschafters gegeben hatte, bei der Einheitswertfeststellung ihres Betriebsvermögens als Schuld abziehen kann. Der Senat hatte in dieser Entscheidung darauf hingewiesen, daß § 24 Nr. 1 BewG a. F. nur eine Einschränkung des § 2 Abs. 2 BewG beinhalte, daß aber zuvor geprüft werden müsse, ob die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 BewG vorliegen. Das ist aber bei einem Darlehen eines Gesellschafter-Ehegatten nicht der Fall. Zwar geht das hingegebene Geld in das Eigentum der Gesellschaft über. Es ist aber eine andere Frage, ob das Darlehnsverhältnis ausschließlich zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern besteht und deshalb auf Grund der auch für das Bewertungsrecht geltenden Bilanzbündeltheorie eine Schuld der Gesellschaft den Gesellschaftern gegenüber beim Betriebsvermögen der Gesellschaft nicht abgezogen werden kann. Trifft dies aber, wie im Streitfall, nicht zu, so beurteilt sich die Zugehörigkeit eines Wirtschaftsgutes - wie z. B. des Anspruchs auf Rückzahlung eines Darlehens zu einer wirtschaftlichen Einhelt - zu dem Betriebsvermögen einer Personengesellschaft nach § 2 Abs. 1 BewG. Danach sind für die Zusammenfassung mehrerer Wirtschaftsgüter zu einer wirtschaftlichen Einheit die Anschauungen des Verkehrs maßgebend, wobei die örtliche Gewohnheit, die tatsächliche Übung, die Zweckbestimmung und die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen sind (§ 2 Abs. 1 Satz 3 BewG).

Nach keiner dieser Kriterien gehören Ansprüche von Personen, die nicht Gesellschafter sind, auf Rückzahlung von Schulden zum Betriebsvermögen der Gesellschaft. Das muß auch für den Gesellschafter-Ehegatten gelten.

3. Der Senat folgt auch nicht der Auffassung des FG, daß die einem Gesellschafter gehörenden Wirtschaftsgüter nicht in den Einheitswert des Betriebsvermögens einer Personengesellschaft einbezogen werden könnten. Bereits der RFH hat in der Entscheidung vom 9. März 1944 III 81/43 (RStBl 1944, 491) die Auffassung abgelehnt, daß nur die der Gesellschaft gehörenden Wirtschaftsgüter zum Betriebsvermögen einer Personengesellschaft gehören dürften. Der RFH hat schon damals entschieden, daß in das Betriebsvermögen einer Personengesellschaft regelmäßig auch die dem einzelnen Mitunternehmer gehörigen, notwendig dem Betrieb gewidmeten Wirtschaftsgüter in den Einheitswert des Betriebsvermögens einzubeziehen seien. Das trifft im Streitfall auf das der Klägerin zu 1. allein gehörende Grundstück zu, weil es zu mehr als 50 v. H. dem Gewerbebetrieb der Klägerin zu 2. dient. Bereits im Urteil vom 24. Februar 1956 III 13/ 56 U (BFHE 62, 295, BStBl III 1956, 110) hatte der erkennende Senat ausgesprochen, daß Unternehmer und Betriebsinhaber einer Personengesellschaft steuerlich nicht die Personengesellschaft, vielmehr jeder Gesellschafter mit seinem Anteil Unternehmer des Betriebes sei. Diese Auffassung hat der BFH in der Folgezeit aufrechterhalten (vgl. die grundlegende Entscheidung vom 10. April 1964 III 255/60 U, BFHE 79, 334, BStBl III 1964, 354; vom 28. August 1964 III 33/62, HFR 1965, 5, und vom 2. August 1968 III 30/65, BFHE 93, 483, BStBl II 1968, 814). Die gleiche Auffassung wird auch im Schrifttum vertreten (vgl. Gürsching-Stenger, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Kommentar, § 97 BewG Anm. 52 und 52 a). Auch das BVerfG hat zum Ertragsteuerrecht die Grundsätze der Rechtsprechung zur Bilanzbündeltheorie als eine zulässige Auslegung einkommensteuerrechtlicher Vorschriften angesehen, die nicht gegen spezifisches Verfassungsrecht verstießen (Beschluß vom 15. Juli 1969 1 BvR 457/66, BVerfGE 26, 327, BStBl II 1969, 718). Die Ausführungen des BVerfG zur Einkommensteuer gelten gleichermaßen für das gleichliegende Problem im Bewertungsrecht.

4. Die Klägerinnen berufen sich auch zu Unrecht auf die Vorschrift des § 99 Abs. 2 Satz 3 BewG 1965. Die dort getroffene Regelung, daß bei einem Grundstück, an dem neben dem Betriebsinhaber noch andere Personen beteiligt sind, auch der Anteil des Betriebsinhabers nicht als Betriebsgrundstück gelten könne, trifft auf den Streitfall nicht zu. Das Grundstück steht gar nicht im Miteigentum des Gesellschafter-Ehegatten der Klägerin zu 1., sondern in ihrem Alleineigentum. Die Vorschrift des § 99 Abs. 2 Satz 3 BewG 1965 kann daher schon nach ihrem Wortlaut auf den Streitfall keine Anwendung finden.

Da die Vorentscheidung von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, ist sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Zurechnung des Grundstücks als Betriebsgrundstück der Klägerin zu 2. ist zutreffend. Die Sprungklagen hiergegen waren daher abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70713

BStBl II 1974, 79

BFHE 1974, 158

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