Leitsatz (amtlich)

Eine Hinzurechnung der Teilwerte von lizenzmäßig genutzten Erfindungen (Patenten) zum Gewerbekapital entfällt jedenfalls dann, wenn entgeltliche Lizenzverträge vorliegen.

 

Normenkette

GewStG § 12 Abs. 2 Nr. 2

 

Tatbestand

Die drei Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Erben des am 26. September 1966 verstorbenen V, der bis zum 31. Dezember 1965 eine …fabrik als Einzelunternehmen betrieb. Der Erblasser hatte 1951 mit seinem Sohn U (Kläger zu 2.) vier Lizenzverträge und 1955 einen weiteren Lizenzvertrag abgeschlossen. Gegenstand der Lizenzverträge waren Erfindungen (…konstruktionen), die auf Ideen des Klägers zu 2. beruhten und von dem Chefkonstrukteur des Erblassers ausgearbeitet worden waren. Der Kläger zu 2. hatte dem Erblasser in den Verträgen das ausschließliche Recht zur Nutzung der durch Patente geschützten Erfindungen eingeräumt. Der Erblasser hatte als Lizenzgebühren eine prozentuale Beteiligung an den durch die Erfindungen erzielten Umsätzen zu zahlen.

Der Beklagte und Revisionskläger (FA) rechnete bei den endgültigen Gewerbesteuermeßbetragsveranlagungen 1964 und 1965 gemäß § 8 Nr. 7 GewStG die Hälfte der in diesen Jahren gezahlten Lizenzgebühren den Gewerbeerträgen und gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG die Teilwerte der genutzten Patente dem jeweiligen Gewerbekapital hinzu. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das FG, dessen Urteil in den EFG 1971, 501 veröffentlicht ist, gab der Klage teilweise statt. Es hielt die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 7 GewStG für ungerechtfertigt und bestätigte die Hinzurechnung nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG. Es hat ausgeführt: Es folge dem Urteil des BFH vom 17. Februar 1965 I 174/60 S (BFHE 81, 641, BStBl III 1965, 230) darin, daß Miet- und Pachtzinsen im Sinne des § 8 Nr. 7 GewStG nur Leistungen aufgrund von Verträgen seien, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Mietoder Pachtverträge des bürgerlichen Rechts seien. Lizenzverträge fielen nicht hierunter. Unerheblich sei entgegen dem BFH-Urteil vom 7. Mai 1965 VI 356/62 U (BFHE 82, 654, BStBl III 1965, 483), daß der Lizenzgeber außer der Überlassung der Patentrechte keine sonstigen wesentlichen Rechtspflichten übernommen habe. Hingegen könne der BFH-Rechtsprechung nicht darin gefolgt werden, daß auch eine Hinzurechnung der Teilwerte der Patentrechte zu dem jeweiligen Gewerbekapital nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG ausscheide. Die Patente hätten entsprechend dem Wortlaut des Satzes 1 dieser Vorschrift im Eigentum eines Dritten (des Klägers zu 2.) gestanden und dem Betrieb des Erblassers gedient. Satz 3 der Vorschrift, der ausdrücklich von Wirtschaftsgütern spreche, die ein Vermieter oder Verpächter dem Mieter oder Pächter zur Nutzung überlasse, beziehe sich nicht auf Satz 1, sondern auf Satz 2.

Das FA rügt mit der Revision Verletzung des § 8 Nr. 7 GewStG: Es sei entgegen dem BFH-Urteil I 174/60 S dem BFH-Urteil VI 356/62 U zu folgen.

Das FA beantragt,

die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Sie halten die Vorentscheidung insoweit für zutreffend.

Außerdem beantragen sie,

die Vorentscheidung "hinsichtlich der Hinzurechnung des Teilwertes der Lizenzrechte zum Gewerbekapital 1964 und 1965 dahin gehend abzuändern, daß eine Hinzurechnung des Teilwertes der Lizenzrechte zum Gewerbekapital gem. § 12 (2), Ziff. 2 GewStG nicht vorgenommen wird".

Sie machen geltend, die geschützten Konstruktionen wären gem. § 59 Nr. 2 BewG a. F. nicht einmal dann Betriebsvermögen gewesen, wenn sie dem Erblasser zugestanden hätten.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die Revision des FA ist zulässig. Der nach Ablauf der Revisionseinlegungsfrist eingegangene Schriftsatz der Kläger, mit dem eine Abänderung der Vorentscheidung hinsichtlich des Gewerbekapitals begehrt wird, ist als unselbständige Anschlußrevision zu werten (dazu BFH-Urteil vom 12. Januar 1968 IV R 111/66, BFHE 91, 145, BStBl II 1968, 207). Auch die Anschlußrevision ist zulässig. Entgegen der Ansicht des FA mußte der Rechtsbehelf nicht ausdrücklich als Anschlußrevision bezeichnet werden. Der Antrag der Kläger läßt erkennen, daß in dem vom FA anhängig gemachten Revisionsverfahren über die Revisionszurückweisung hinaus eine Abänderung der Vorentscheidung zugunsten der Kläger erstrebt wird. Die Anschlußrevision ist ausreichend begründet worden. Sie verneint die Möglichkeit einer Hinzurechnung nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG unter Hinweis auf § 59 Nr. 2 BewG a. F.

II.

1. Die Revision des FA ist unbegründet.

Das FG hat es zu Recht abgelehnt, die Hälfte der Lizenzgebühren nach § 8 Nr. 7 GewStG dem Gewerbeertrag hinzuzurechnen. Der Senat hat mit Urteil vom 14. Februar 1973 I R 85/71 (BFHE 108, 370, BStBl II 1973, 412) an seiner in dem Urteil I 174/60 S vertretenen Auffassung festgehalten, daß Lizenzverträge keine Pachtverträge sind, gleichviel, ob die Lizenzgeber weitere Leistungen übernehmen oder nicht. Das BFH-Urteil VI 356/ 62 U enthält entgegen der Auffassung des FG keine Einschränkung dieser Rechtsprechung. Es legt vielmehr -- wie in dem Urteil I R 85/71 ausgeführt ist -- dar, wann insbesondere die Einordnung von Lizenzverträgen unter die Typen des Miet- und Pachtvertrags nicht gegeben ist.

2. Die Anschlußrevision der Kläger ist hingegen begründet.

Eine Hinzurechnung nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG kommt ebensowenig in Betracht wie eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 7 (früher Nr. 8) GewStG (BFH-Urteile I 174/ 60 S, I R 85/71). § 12 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 GewStG spricht allerdings, isoliert gesehen, dafür, daß alle Überlassungsverträge die Hinzurechnung begründen. Dieser Satz kann jedoch -- wie der Senat im Urteil I 174/60 S, der seinerzeitigen Stellungnahme des BdF folgend, ausgeführt hat -- nicht isoliert gesehen werden. Er ist vielmehr aus dem Zusammenhang der Hinzurechnungsvorschriften einengend zu verstehen. § 8 Nr. 7 GewStG und § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG sind jedenfalls -- soweit es sich um entgeltliche Überlassungen handelt -- korrespondierende Vorschriften. Es wäre sinnwidrig, sie insoweit unterschiedlich aufzufassen. Beide Vorschriften verfolgen das Ziel, diejenigen Gewerbetreibenden, die mit fremden Gegenständen wirtschaften, gewerbesteuerrechtlich wenigstens teilweise so zu stellen wie Gewerbetreibende, die mit eigenen Gegenständen wirtschaften. Der Gesetzgeber hat diesen Zusammenhang stets beachtet. Beide Vorschriften sind immer gleichzeitig und aufeinander abgestimmt geändert worden (vgl. Art. I § 1 Nr. 6 und 12 des Gewerbesteueränderungsgesetzes vom 27. Dezember 1951, BGBl I, 996, BStBl I 1952, 2; Art. 6 Nr. 5 und 10 des Steueränderungsgesetzes 1961, BGBl I 1961, 981, BStBl I 1961, 444). Der Zusammenhang kommt überdies im Wortlaut des § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG zum Ausdruck. Satz 3 erwähnt den Vermieter und Verpächter seit dem Gewerbesteueränderungsgesetz 1951, Satz 2 seit dem Steueränderungsgesetz 1961. Diese beiden Sätze bezwecken zwar eine gerechtere Verteilung des Gewerbesteueraufkommens zwischen den beteiligten Gemeinden. Sie geben indes auch einen Hinweis auf das Verständnis des Satzes 1. Das gilt um so mehr, als Satz 2 bis zum Steueränderungsgesetz 1961 wie Satz 1 nur von dem "Überlassenden" sprach und sonach auch nach Auffassung des FG nur das Überlassen durch Vermieten oder Verpachten meinen konnte. § 12 Abs. 3 Nr. 3 GewStG ergibt nichts für die Auslegung des § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG; er knüpft an § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG und die für diese Vorschrift maßgebliche Auslegung an.

III.

Die Gewerbesteuermeßbeträge sind wie folgt neu festzusetzen:...

 

Fundstellen

Haufe-Index 70695

BStBl II 1974, 37

BFHE 1974, 427

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