Leitsatz (amtlich)

Eine nach § 64 Abs. 1 FGO schriftlich erhobene Klage muß - außer im Falle der Übermittlung durch Telegramm - vom Kläger oder seinem Prozeßbevollmächtigten handschriftlich unterzeichnet sein.

 

Normenkette

FGO § 64 Abs. 1

 

Tatbestand

Durch Steuerbescheid vom 18. März 1966 forderte das Hauptzollamt (HZA) von der in Tirol anässigen Klägerin ... DM Eingangsgabgaben für von ihr in den Jahren 1957 bis 1962 eingeführte Bauernstilmöbel nach. Im Einspruchsverfahren ermäßigte das HZA diese Abgabenforderung auf ... DM.

Die Klägerin erhob hiergegen mit Schreiben vom 18. November 1966 Klage. Die in Maschinenschrift abgefaßte Klageschrift bezeichnet auf der ersten Seite als klagende Partei die Klägerin, als beklagte Partei das HZA und als Streitgegenstand die Festsetzung einer Abgabe. Die Seiten 2 bis 5 enthalten die Begründung der Klage und den Klageantrag. Unter der Bezeichnung der klagenden Partei befindet sich der eigenhändig geschriebene Name der Klägerin. Am Schluß der Klageschrift ist ihr Name in Maschinenschrift wiederholt.

Durch Zwischenurteil vom 14. August 1968 erklärte das FG die Klage für zulässig. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus, daß der Klageschrift mit hinreichender Zuverlässigkeit entnommen werden könne, daß sie von der Klägerin herrühre, mit ihrem Wissen und Wollen dem Gericht zugeleitet worden sei und nicht nur einen Entwurf darstelle.

Mit der gegen das Urteil des FG erhobenen Revision rügt das HZA die Verletzung formellen Bundesrechts. Es verweist auf das Schrifttum zur VwGO, wonach die Klage vom Kläger oder seinem Prozeßbevollmächtigten unterschrieben sein müsse. Ferner habe der BGH in einer dem Streitfall gleichgelagerten Sache entschieden, daß die Klageschrift handschriftlich von demjenigen unterzeichnet sein müsse, der sie, sei es in eigenem oder fremdem Namen, erhebe. Die Unterschrift müsse dabei den gesamten Inhalt der Klageschrift, soweit er notwendig sei, decken, also unter den für die Klageerhebung notwendigen Angaben stehen.

Der Beklagte beantragt, das Zwischenurteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie macht geltend, daß die Form, in welcher die Klägerin im Streitfall ihre Unterschrift auf der Klageschrift angebracht habe, den Erfordernissen einer ordnungsgemäßen Klageerhebung entspreche. Durch die für diese Prozeßhandlung vorgeschriebene Schriftform solle mit hinreichender Sicherheit gewährleistet werden, daß die Klage vom Kläger oder seinem Prozeßbevollmächtigten stamme, mit seinem Wissen und Willen zum Gericht gelange und nicht etwa bloß einen Entwurf darstelle. Dies alles gehe aber aus der von der Klägerin eingereichten Klageschrift hervor, nachdem sie ihre Unterschrift am Eingang der Klage eigenhändig und an deren Schluß in Maschinenschrift angebracht habe. Sie verweist auf die Rechtsprechung des BVerfG zu § 23 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) sowie auf den Beschluß des BVerwG II C 112.65 vom 17. Oktober 1968 (Monatsschrift für Deutsches Recht 1969 S. 330 - MDR 1969, 330 -).

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision hat Erfolg. Die Anfechtungsklage gegen den Steuerbescheid des HZA wurde von der Klägerin nicht in der durch § 64 Abs. 1 Satz 1 FGO vorgeschriebenen Form erhoben und ist deshalb unzulässig.

Nach der genannten Vorschrift ist die Klage schriftlich zu erheben, wobei das Gesetz allerdings nichts Näheres über den Inhalt dieses Formerfordernisses aussagt. Für das Privatrecht bestimmt § 126 Abs. 1 BGB, daß bei gesetzlich vorgeschriebener Schriftform die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig unterschrieben werden muß. Diese für Rechtsgeschäfte geltende Vorschrift kann jedoch, worauf das FG zutreffend hinweist, nicht ohne weiteres auf Prozeßhandlungen angewandt werden. Ebensowenig läßt sich aber aus dem von der Vorinstanz herangezogenen § 130 Nr. 6 ZPO, wonach vorbereitende Schriftsätze die Unterschrift des Anwalts enthalten sollen, herleiten, daß die Klage nicht unbedingt unterschrieben sein müsse. Denn für bestimmende Schriftsätze gilt diese Bestimmung gerade nicht.

Sonach kommt es für die Frage, was unter der in § 64 Abs. 1 Satz 1 FGO für die Klage verlangten Schriftform zu verstehen ist, entscheidend darauf an, welcher Grad von Formstrenge für diese Prozeßhandlung im finanzgerichtlichen Verfahren sinnvoll zu fordern ist (vgl. BVerfG-Beschluß 1 BvR 610/62 vom 19. Februar 1963, BVerfGE 15, 288 [292]).

In dieser Hinsicht ist zu berücksichtigen, daß es sich bei der Klage um einen bestimmenden Schriftsatz handelt, durch den der Rechtsstreit vor dem FG eingeleitet wird. Sie ist damit Anlaß und Voraussetzung für die Tätigkeit des Gerichts. Eine zweckentsprechende Verfahrensordnung muß aber darauf sehen, daß für einen vor Gericht geführten Rechtsstreit eine möglichst sichere Grundlage vorhanden ist. Dafür reicht es nicht aus, daß das Klagebegehren schriftlich abgefaßt wird. Vielmehr muß dem hierüber gefertigten Schriftstück auch zu entnehmen sein, daß sein Urheber mit ihm eine rechtserhebliche Erklärung abgeben will, und zwar in so zuverlässiger Weise, daß Zweifel an der Wirksamkeit der Klageerhebung tunlichst ausgeschlossen werden.

Dies ist am besten gewährleistet, wenn die Klageschrift eigenhändig unterschrieben wird. Denn diese Form ist im deutschen Rechtsleben auch sonst bei der Abgabe bedeutender Erklärungen üblich und es entspricht außerdem allgemeiner Rechtsüberzeugung, daß rechtserhebliche Erklärungen, wenn sie schriftlich abgegeben werden, in der Regel der handschriftlichen Unterzeichnung bedürfen. Die Beobachtung dieser Form bei der Erhebung einer gerichtlichen Klage kann nicht als unangemessene Erschwerung des Rechtsschutzes angesehen werden. Denn sie ist ein Erfordernis solch einfacher und geläufiger Art, daß sie auch dem Rechtsunkundigen ohne weiteres einleuchtet. Andererseits würde es eine unnötige Erschwerung des gerichtlichen Verfahrens bedeuten, wenn man es anstatt auf das einfache und leicht feststellbare Merkmal der handschriftlichen Unterzeichnung darauf abstellen wollte, ob die jeweiligen Umstände des einzelnen Falles mit hinreichender Zuverlässigkeit ergeben, von wem die Klage stammt und daß ihr Urheber damit eine rechtserhebliche Erklärung gegenüber dem Gericht abgeben wollte.

Aus diesen Gründen ist der erkennende Senat der Auffassung, daß eine im finanzgerichtlichen Verfahren schriftlich eingereichte Klage nur dann wirksam erhoben ist, wenn sie vom Kläger oder seinem Bevollmächtigten eigenhändig unterschrieben ist.

Er befindet sich damit in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung von BGH, Bundesarbeitsgericht (BAG) und Bundessozialgericht (BSG) zu entsprechenden Vorschriften von ZPO und SGG, in denen für Prozeßhandlungen, die ein Verfahren oder einen Rechtszug einleiten, die Schriftform vorgeschrieben und nichts Näheres über den Inhalt dieses Formerfordernisses bestimmt ist (BGH-Beschlüsse V ZB 31/54 vom 14. Dezember 1954, Lindenmaier-Möhring, Nr. 3 zu § 518 Abs. 1 ZPO, und I a ZB 27/64 vom 13. Mai 1965, NJW 1965, 1862; Beschluß des BAG 1 AZB 28/55 vom 22. Juni 1956, BAGE 3, 55; BSG-Urteil 9 RV 938/62 vom 26. Januar 1965, NJW 1965, 1043). Ebenso hat das BVerwG in seinem Beschluß VI B 2 und 7/61 vom 27. Oktober 1961 (BVerwGE 13, 141) entschieden, daß eine im Sinne von § 124 Abs. 2 VwGO schriftlich eingelegte Berufung nur vorliege, wenn das Rechtsmittel vom Berufungskläger oder seinem Prozeßbevollmächtigten eigenhändig unterschrieben sei. Die gleiche Ansicht hat ferner der IV. Senat des BFH in seinem nicht veröffentlichten Beschluß IV R 14/68 vom 12. Juni 1968 hinsichtlich der in § 120 Abs. 1 FGO für die Begründung der Revision vorgeschriebenen Schriftform vertreten. Schließlich wird dieser Standpunkt auch im Schrifttum fast durchweg geteilt.

Wenn sich demgegenüber das BVerfG in seinem oben zitierten Beschluß vom 19. Februar 1963 mit geringeren Anforderungen an die durch § 23 BVerfGG vorgeschriebene Schriftform für das Verfahren einleitende Anträge begnügt, so kan daraus für die Auslegung des § 64 Abs. 1 FGO nichts hergleitet werden. Denn die genannte Entscheidung des BVerfG ist auf die besonderen, für die Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfahrensrechtlichen Vorschriften abgestellt. Ebensowenig steht die Auffassung des erkennenden Senats in Widerspruch zu dem von der Klägerin angeführten BVerwG-Urteil vom 17. Oktober 1968. Zwar ist dort ausgeführt, daß der in § 70 VwGO vorgeschriebenen Schriftform auch dann genügt sei, wenn die Unterschrift fehle, sich aber aus dem Schriftstück in Verbindung mit den möglicherweise beigefügten Anlagen hinreichend sicher ergebe, daß es von dem Widersprechenden herrührt und mit dessen Willen in den Verkehr gebracht wurde. Jedoch bezieht sich die Vorschrift der VwGO, um die es dort ging, nicht auf die Klage oder sonstige gerichtliche Rechtsbehelfe, sondern um den außergerichtlichen Rechtsbehelf des Widerspruchs. Es ist aber durchaus sinnvoll, im Verwaltungsverfahren an die für einen Rechtsbehelf vorgeschriebene Schriftform geringere Anforderungen zu stellen als in dem auch sonst strengeren Förmlichkeiten unterliegenden gerichtlichen Verfahren. So bestimmt auch § 238 Abs. 1 AO für das Gebiet des Abgabenrechts, daß der für außergerichtliche Rechtsbehelfe verlangten Schriftform genügt ist, wenn aus dem Schriftstück hervorgeht, wer den Rechtsbehelf eingelegt hat. Man wird sogar aus dieser Vorschrift folgern müssen, daß der Gesetzgeber die im finanz gerichtlichen Verfahren gegebenen Rechtsbehelfe, weil er für sie keine entsprechende Bestimmung getroffen hat, hinsichtlich der Schriftform strengeren Erfordernissen unterwerfen wollte. Dies gilt um so mehr, als § 238 Abs. 1 AO gerade durch die FGO seine jetztige Fassung erhalten hat.

Das sonach im finanzgerichtlichen Verfahren bestehende Erfordernis, eine schriftlich eingereichte Klage eigenhändig zu unterschreiben, ist im Streitfall nicht erfüllt. Denn hierunter ist zu verstehen, daß der Kläger oder sein Bevollmächtigter seine Namensunterschrift unter die von ihm abgegebene, den notwendigen Inhalt der Klage umfassende Erklärung setzt. Demgegenüber hat die Klägerin ihren eigenhändigen Namenszug nur auf der ersten Seite der Klageschrift nach der Angabe der klagenden Partei, aber vor der Bezeichnung von Beklagten und Streitgegenstand, Klageantrag und Klagebegründung angebracht, während am Ende des Schriftsatzes ihr Name lediglich in Maschinenschrift steht.

Ob die Abfassung der Klage in dieser Form, wie die Klägerin vorträgt, einer in Österreich bestehenden und von den dortigen Gerichten anerkannten Übung entspricht, ist ohne Bedeutung. Denn die für die Vornahme von Prozeßhandlungen vor einem deutschen Gericht zu beachtende Form richtet sich ausschließlich nach den maßgebenden Vorschriften des deutschen Prozeßrechts. Nach der deutschen FGO muß aber, wie dargelegt, die Klage eigenhändig unterschrieben werden und nach deutschem Recht deckt die auf einer Erklärung abgegebene Unterschrift deren Inhalt nur insoweit, als dieser vor bzw. über der Unterschrift steht (vgl. das den Beteiligten bekannte, nicht veröffentlichte BGH-Urteil IV ZR 294/59 vom 22. April 1960).

Der Vorinstanz ist zuzugeben, daß das Verlangen handschriftlicher Unterzeichnung der Klage im Einzelfall zum Verlust des Rechtsschutzes und damit zu materiellen Rechtsnachteilen führen kann. Diese Gefahr ist aber mit jeder zwingenden Formvorschrift verbunden und muß im Interesse eines geordneten Verfahrens vor den FG hingenommen werden. Sie fällt hier außerdem nicht besonders ins Gewicht, da die vorgeschriebene eigenhändige Unterschrift, wie bereits an anderer Stelle ausgeführt, ein einfaches und im Rechtsleben geläufiges Erfordernis darstellt. Ferner kann sie nachgeholt und kann, soweit durch diese Nachholung die Klagefrist überschritten wird, unter den Voraussetzungen des § 56 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Wenn dazu im Streitfalle keine Möglichkeit besteht, so ist dies darauf zurückzuführen, daß der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin trotz des vom FG gegebenen Hinweises den der Klage anhaftenden Formmangel nicht beseitigt hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68653

BStBl II 1969, 659

BFHE 1969, 381

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