Leitsatz (amtlich)

Weder die vorangegangene Ableistung des Wehrdienstes noch die Ernennung zum Reserveoffizier vermögen die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 11 EStG der von der Bundeswehr an einen Studenten der Medizin mit der Verpflichtung zur späteren ärztlichen Dienstleistung in der Bundeswehr gezahlten Studienbeihilfen in Frage zu stellen.

 

Normenkette

EStG § 3 Nr. 11; LStDV § 6 Nr. 9

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hat vom 11. April 1962 bis zum 11. April 1964 freiwillig bei der Bundeswehr gedient. Für sein danach aufgenommenes Medizinstudium bewilligte ihm der Bundesminister für Verteidigung mit Bescheid vom 21. Mai 1964 u. a. monatliche Unterhaltsbeihilfen, die im Streitjahr 1965 rd. 3 663 DM betrugen. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) war der Auffassung, die Beihilfen seien steuerpflichtiger Arbeitslohn. Mit Bescheid vom 19. Januar 1968 forderte er Lohnsteuer und Kirchenlohnsteuer von insgesamt 56,10 DM von dem Kläger nach.

Die Klage, mit der der Kläger die Steuerfreiheit der Beihilfen nach § 6 Nr. 9 LStDV (§ 3 Nr. 11 EStG) geltend machte, hatte im Ergebnis Erfolg. Das FG hob den Nachforderungsbescheid ersatzlos auf. Es führte in seinem in EFG 1969, 448 veröffentlichten Urteil aus, die Unterhaltsbeihilfen seien sonstige Einkünfte i. S. des § 22 Nr. 1b EStG. Sie seien nicht i. S. des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG für eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst gewährt worden. Ein Dienstverhältnis des Klägers i. S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 LStDV, der eine zutreffende Auslegung des § 19 EStG enthalte, liege nur vor, wenn der Beschäftigte dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schulde, entweder aufgrund eines Arbeits-(Dienst-)Vertrages oder eines öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnisses (Beamte, Richter, Soldaten). Die Unterhaltshilfe der Bundeswehr entspringe im Streitfall keinem Dienstverhältnis. Sie sei auch keine Gegenleistung für geschuldete Arbeitskraft. Der Kläger habe zwar während seines freiwilligen Wehrdienstes in einem öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnis gestanden. Die Zahlung der Unterhaltshilfe gründe sich nicht auf dieses frühere Dienstverhältnis. Der Kläger habe die Beihilfe nicht erhalten, weil er mit dem Abschluß des Wehrdienstes zum Leutnant der Reserve befördert worden sei. Er bekomme die Unterstützung vielmehr, weil er sich aufgrund eines öffentlichrechtlichen Vertrages (so BVerwG in NJW 1968, 2023) verpflichtet habe, nach erfolgreicher Beendigung seines Medizinstudiums acht Jahre lang bei der Bundeswehr eine ärztliche Tätigkeit auszuüben. Wenn dabei die Richtlinien für die Gewährung von Studienbeihilfen an Nachwuchskräfte der Bundeswehr vorsähen, daß der Studierende seinen Grundwehrdienst abgeleistet haben und zum Reserveoffizier oder -anwärter ernannt sein müsse, so ändere das nichts an dieser rechtlichen Beurteilung. Es handele sich hierbei nur um eine Voraussetzung für den Abschluß des Vertrages, diese sei aber nicht der Rechtsgrund für die Beihilfen.

Die Unterhaltsbeihilfen seien auch nicht im Hinblick auf ein künftiges Dienstverhältnis bezogen und deshalb Arbeitslohn, wie das FA meine. Der Kläger habe die Beihilfen nicht aus einem Dienstverhältnis erhalten, sondern aus einem Vertrag eigener Art, der unter keine der Vertragstypen des BGB gebracht werden könne. Auf das Urteil des BFH vom 18. September 1964 VI 244/63 U (BFHE 81, 30, BStBl III 1965, 11) könne sich das FA nicht berufen. Der BFH habe dort die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts - VG - (FG), es handele sich bei den Beihilfezahlungen um Einkünfte i. S. des § 22 EStG, als frei von Rechtsirrtum erklärt. Der BFH habe lediglich Zweifel geäußert, ob die Beihilfezahlungen nicht als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 EStG zu betrachten wären.

Mit seiner vom FG gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung des § 19 EStG. Es hat beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Begriff "Arbeitslohn" - so trägt das FA vor - sei für das Steuerrecht selbständig bestimmt. Das FG habe nicht beachtet, daß der Kläger nach den Beihilferichtlinien der Bundeswehr sich in einem Abhängigkeitsverhältnis befunden habe. Danach seien die Beihilfen einzustellen und empfangene Beträge zurückzuzahlen, wenn der Studierende in seinen Leistungen nachlasse, die Ausbildung unterbreche oder ohne Abschlußprüfung beende. Er müsse also seine Arbeitskraft so einsetzen, daß er den von der Bundeswehr gestellten Anforderungen gerecht werde. Auch wenn kein gegenwärtiges Arbeitsverhältnis anzunehmen sei, hätten die Bezüge ihren Ursprung eben in dem beabsichtigten künftigen Dienstverhältnis. Aus § 2 Abs. 1 Satz 1 LStDV könne nicht gefolgert werden, daß Arbeitslohn nur Einnahmen aus einem gegenwärtigen oder auch früheren Dienstverhältnis seien. Es könne sich dabei auch um ein künftiges Dienstverhältnis handeln; denn aus einem solchen seien gerade Vorteile ohne das Bestehen eines gegenwärtigen Arbeitsverhältnisses denkbar. Steuerlich gesehen könne somit Arbeitslohn auch vorliegen, ohne daß der Steuerpflichtige in einem gegenwärtigen Arbeitsverhältnis stehe. Die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 11 EStG sei nicht anwendbar, weil sie voraussetze, daß die Ausbildung unmittelbar gefördert werde. Das sei hier nicht der Fall; die Bundeswehr bezwecke mit ihren Beihilfen, ihren Ärztemangel zu beheben, sie gebe die Beihilfen nicht aus uneigennützigen Motiven. Auch § 3 Nr. 44 EStG setze voraus, daß die Ausbildung uneigennützig und nicht zweckgebunden gefördert werde.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA hat keinen Erfolg.

Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist, ob die dem Kläger vom Bundesminister der Verteidigung gewährten Unterhaltsbeihilfen als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i. S. des § 19 EStG, § 2 Abs. 1 Satz 1 LStDV der Lohnsteuer unterliegen und das FA mit dem angefochtenen Bescheid diese nachfordern durfte.

Der Senat hat mit dem Urteil vom 15. Juni 1973 VI R 295/69 (BStBl II 1973, 734) die entsprechenden, von der Deutschen Bundespost an einen Studenten einer Technischen Universität gezahlten Studienbeihilfen als steuerfreie Bezüge im Sinne des § 3 Nr. 11 EStG 1965 beurteilt. Dabei hat es der Senat dahingestellt sein lassen, ob und welcher Einkunftsart i. S. des § 2 Abs. 3 EStG die streitigen Studienbeihilfen zuzurechnen wären. Jener und der vorliegende Streitfall haben gemeinsam, daß es sich um Studienbeihilfen handelt, die mit der Verpflichtung zu einem künftigen Dienstverhältnis beim Geber gewährt wurden und mit der Rückzahlungsverpflichtung belastet waren, falls das Dienstverhältnis nicht oder nicht über die vorgesehene Dauer aufgenommen und aufrechterhalten werden sollte. Im vorliegenden Streitfall ist zwar der Studienförderung bereits ein Dienstverhältnis besonderer Art vorangegangen, nämlich die Ableistung des Wehrdienstes bei der Bundeswehr, der mit der Ernennung des Klägers zum Leutnant abgeschlossen wurde. Dieses Wehrdienstverhältnis und das numehrige Reserveoffiziersverhältnis stehen insoweit in Beziehung zu der gewährten Studienförderung, als sie notwendige Voraussetzung für diese waren. Es geht aber nicht an, wegen dieses Reserveoffiziersverhältnisses die dem Kläger gewährten Studienbeihilfen auf Grund eines Arbeitsverhältnisses als steuerpflichtigen Arbeitslohn anzusehen, wie dies bei Referendaren hinsichtlich der diesen gezahlten Unterhaltsbeihilfen geschieht (vgl. die Urteile des Senats vom 21. Januar 1972 VI R 337/70, BFHE 104, 203, BStBl II 1972, 261, und vom 7. April 1972 VI R 58/69, BFHE 105, 274, BStBl II 1972, 643). Während dort echte Weisungsbefugnisse des Dienstherrn auf Grund einer Eingliederung bestehen, kommen solche im vorliegenden Streitfall für das Studium nicht in Betracht. Der Hinweis des FA auf die Bindungen des Klägers zur Bundeswehr vermag jedenfalls die Annahme einer vergleichbaren Weisungsbefugnis auf Grund eines gegenwärtigen Dienstverhältnisses i. S. des § 19 EStG nicht zu rechtfertigen. Der zuvor abgeschlossene Wehrdienst bildet auch nicht die unmittelbare Rechtsgrundlage für die streitigen Studienbeihilfen. Diese können damit auch nicht Bezüge aus einem früheren oder gegenwärtigen Arbeitsverhältnis i. S. des § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG sein.

Ist somit im Streitfall das Wehrdienstverhältnis des Klägers keine Rechtsgrundlage für die steuerliche Behandlung der von der Bundeswehr an sog. Nachwuchskräfte gewährten Studienbeihilfen, so besteht kein Anlaß zu einer von der rechtlichen Beurteilung der Studienbeihilfen der Deutschen Bundespost (Urteil VI R 295/69) abweichenden Beurteilung. Auch im Streitfall handelt es sich um Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln, die als Beihilfen zur Förderung der Ausbildung bewilligt werden. Auch hier wird die Ausbildung des Empfängers unmittelbar durch die Beihilfen gefördert. Wenn damit zugleich der Zweck verfolgt wird, eigene Nachwuchskräfte zu gewinnen, so ändert dieser Umstand nichts an dem eigentlichen Zweck und Ziel der Studienbeihilfen, nämlich der unmittelbaren Förderung der Berufsausbildung des Klägers. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die Entscheidungsgründe, wie er sie im Urteil VI R 295/69 dargelegt hat. Er kann es auch im Streitfall aus den gleichen Gründen dahingestellt sein lassen, zu welcher Einkunftsart i. S. des § 2 Abs. 3 EStG die streitigen Einkünfte etwa steuerlich zu rechnen wären.

Die Revision war daher nach § 126 Abs. 4 FGO zurückzuweisen, da der Nachforderungsbescheid nicht gerechtfertigt war.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70546

BStBl II 1973, 736

BFHE 1973, 532

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