Leitsatz (amtlich)

Der vom Konkursgericht für die Zeit bis zur Entscheidung über den Konkursantrag zur Sicherung der zukünftigen Masse eingesetzte Sequester haftet nicht für Umsatzsteuern, die durch seine im Rahmen der Anordnungen des Gerichts getroffenen Maßnahmen entstehen.

 

Orientierungssatz

Der Sequester handelt nicht pflichtwidrig, wenn er die Umsatzsteuervorauszahlung nicht begleicht. Die im Zeitraum der vorkonkurslichen Sequestration begründeten Umsatzsteuerforderungen stellen Konkursforderungen und nicht Masseforderungen dar (vgl. Urteil des FG Baden-Württemberg vom 4.11.1982 III 402/78; Lit.). Ausführungen und BGH-Rechtsprechung zum Zweck der Sequestration, zu den Aufgaben und Befugnissen des Sequesters sowie zu den nach § 30 Ziff. 1 KO anfechtbaren Rechtshandlungen.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 34, 69, 191; KO §§ 30, 59, 106 Abs. 1; UStG 1973 §§ 16, 18

 

Verfahrensgang

FG Köln (Entscheidung vom 17.02.1983; Aktenzeichen IX 182/81 H (U))

 

Tatbestand

Die Firma P. L. KG hatte am 4.April 1979 bei dem zuständigen Amtsgericht einen Antrag auf Eröffnung des Vergleichsverfahrens gestellt. Einen Tag darauf bestellte das Gericht den Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), Rechtsanwalt X, zum vorläufigen Vergleichsverwalter. Als sich herausgestellt hatte, daß ein Vergleich nicht erfüllbar sein würde, zog die Firma am 16.Mai 1979 den Vergleichsantrag zurück und beantragte die Eröffnung des Konkursverfahrens. Das Amtsgericht ordnete daraufhin durch Beschluß vom 17.Mai 1979 die Sequestration an. Der Beschluß hat folgenden Wortlaut:

"Die Firma P. L. hat die Eröffnung des Konkursverfahrens über ihr Vermögen beantragt.

Über den Antrag ist noch nicht entschieden.

Zur Sicherung der Masse wird angeordnet:

1. Die Sequestration des Geschäftsbetriebes.

2. Zum Sequester wird bestellt:

Rechtsanwalt X.

3. Der Schuldnerin wird allgemein verboten, Gegenstände ihres

Vermögens zu veräußern oder über sie sonst zu verfügen (allgemeines

Veräußerungsverbot). Unter dieses Verbot fällt auch die Einziehung von

Außenständen.

Die Schuldnerin hat alle Geschäftsunterlagen an den Sequester herauszugeben und alle Anordnungen zu befolgen, die der Sequester erteilt und zur Sicherung der Masse notwendig sind.

Es wird gebeten, den Geschäftsbetrieb zu übernehmen, eine Vermögensübersicht einzureichen und nach Beendigung der Sequestration Schlußrechnung zu legen."

Durch Beschluß des Amtsgerichts vom 15.Juni 1979 wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin der Konkurs eröffnet. Zum Konkursverwalter wurde der Kläger bestellt.

Während der Zeit der Sequestration ließ der Kläger die begonnenen Arbeiten teilweise fertigstellen und sie so oder im halbfertigen Zustand übergeben. Ferner veranlaßte der Kläger die Verwertung eines Teils der Maschinen und Anlagen durch freihändigen Verkauf und durch zwei Versteigerungen. Für den Monat Mai 1979 wurden Umsatzsteuervoranmeldungen nicht abgegeben.

Im Juli 1979 führte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) bei der Gemeinschuldnerin eine Umsatzsteuerprüfung durch. Dabei wurde festgestellt, daß für die während der Sequestration im Monat Mai (17. bis 31.Mai 1978) getätigten Umsätze am 10.Juni 1979 weder eine Umsatzsteuervoranmeldung abgegeben noch die gleichzeitig fällige Umsatzsteuervorauszahlung in Höhe von 122 069,70 DM entrichtet worden war.

Am 4.Juli 1980 erließ das FA gegen den Kläger einen auf die §§ 34 Abs.1, Abs.3 und 69 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützten Haftungsbescheid über die rückständige Umsatzsteuer für die Zeit vom 18. bis 31.Mai 1979 in Höhe von 122 069,70 DM.

Zum Rechtsgrund des Haftungsanspruchs heißt es in dem Bescheid, daß der Kläger die ihm als Sequester auferlegte Verpflichtung, die steuerlichen Pflichten der Firma P. L. zu erfüllen und insbesondere dafür zu sorgen, daß die Umsatzsteuer aus den von ihm verwalteten Mitteln entrichtet wurde, grob fahrlässig verletzt habe. Obwohl entsprechende Mittel zur Verfügung gestanden hätten, sei er der Verpflichtung, die in der Zeit vom 18.bis 31.Mai 1979 getätigten Umsätze bis zum 10.Juni 1979 voranzumelden und die darauf entfallende Umsatzsteuer abzuführen, nicht nachgekommen. In dem Bescheid wird dann weiter ausgeführt: "Die vorgenannten Verpflichtungen zu erfüllen bestand umsomehr Anlaß, als Sie während der Sequestration ähnlich einem Konkursverwalter Anlagevermögen veräußert und erst zum Teil fertige Arbeiten an die Auftraggeber übergeben haben. Aber auch soweit laufende Arbeiten fertiggestellt worden sind, waren Sie der Einzige, der die Anmeldung und Abführung der Umsatzsteuer gewährleisten konnte. Die Firma P. L. war nämlich durch die angeordnete Sequestration gehindert, ihr Vermögen zu verwalten, und konnte deshalb auch nicht allein über die Mittel zur Begleichung der Umsatzsteuerschuld verfügen ...."

Auf die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1983, 580, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis (ZIP) 1983, 730, und Umsatzsteuer-Rundschau (UStR) 1983, 154 veröffentlichten Urteil vom 17.Februar 1983 IX 182/81 H (U) antragsgemäß den Haftungsbescheid vom 4.Juli 1980 in Form der Einspruchsentscheidung vom 12.Mai 1981 aufgehoben. Zwar hätte der Kläger die auf die zweite Maihälfte entfallenden Umsätze voranmelden müssen. In seiner Eigenschaft als Sequester sei er jedoch zur Zahlung der sich aus der Voranmeldung ergebenden Umsatzsteuerschuld nicht berechtigt gewesen, weil eine solche Zahlung von dem Konkursverwalter nach § 30 der Konkursordnung (KO) hätte angefochten werden können und dann an die Konkursmasse hätte zurückerstattet werden müssen. Bei dieser Sachlage sei die bloße Nichtabgabe der Umsatzsteuervoranmeldung für den Ausfall der Umsatzsteuerforderung jedenfalls nicht ursächlich gewesen und schon aus diesem Grund der Kläger von der Haftung freizustellen (§ 69 AO 1977).

Mit der Revision beantragt das FA das finanzgerichtliche Urteil hinsichtlich eines Teilbetrages von 45 868,90 DM aufzuheben und insoweit die Klage abzuweisen.

Die Beschränkung des Revisionsbegehrens auf den bezeichneten Betrag ergebe sich daraus, daß der Haftungsanspruch nur noch hinsichtlich der während der Sequestration getätigten Anlagenverkäufe (6 240 DM) und Leistungen (376 001 DM) weiterverfolgt werde, nicht aber hinsichtlich der Übergabe der bei Sequestrationsbeginn bereits halbfertigen Bauten. Auf der Grundlage der ersteren, sonach aufrechterhaltenen Umsätze von 382 241 DM (6 240 DM + 376 001 DM) verbleibe als Primäranspruch für die Haftung noch eine Umsatzsteuerforderung von 45 868 DM (12 v.H. von 382 241 DM).

In diesem Umfang werde unrichtige Anwendung der §§ 69, 34 AO 1977 gerügt. Der Kläger habe in seiner Eigenschaft als Sequester zu dem in § 34 Abs.3 AO 1977 genannten Personenkreis gehört. Aufgrund der ihm vom Konkursgericht nach § 106 Abs.1 Satz 2 KO eingeräumten Befugnisse habe er in die Geschäftsführung der KG eingegriffen und eine Stellung erlangt, die es ihm ermöglicht habe, das anvertraute Vermögen unter Ausschluß der Eigentümerin weitgehend selbständig zu verwalten. Im Rahmen dieser Verwaltungsaufgaben sei der Kläger gehalten gewesen, die steuerlichen Pflichten der Schuldnerin zu erfüllen. Der genaue Inhalt seiner Verpflichtungen habe sich aus den ihm als Sequester eingeräumten Befugnissen ergeben, da er den steuerlichen Pflichten insoweit nachzukommen gehabt habe, als er über das seiner Verwaltung unterliegende Vermögen habe verfügen können.

Gerade bezüglich dieses Punktes habe das FG verkannt, daß der Kläger nicht nur zur Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen verpflichtet gewesen sei, sondern auch den Teil der im Sequestrationszeitraum entstandenen Umsatzsteuer hätte entrichten müssen, die unmittelbar durch die von ihm getroffenen Maßnahmen --also die Anlagenverkäufe und laufenden Umsätze-- begründet worden seien.

Entgegen der Auffassung des FG habe ein Sequester auch die vor Konkurseröffnung im Sequestrationszeitraum fällig gewordenen Steuerforderungen, die aufgrund seiner ordnungsgemäßen Verwaltungstätigkeit entstanden seien, dagegen nicht die noch vom Gemeinschuldner selbst begründeten Verbindlichkeiten aus dem von ihm verwalteten Vermögen zu begleichen. In diesem Umfang hätte der Kläger als Sequester die pflichtgemäß anzumeldende Umsatzsteuer vorrangig an das FA abführen müssen. Das ergebe sich aus der Gesetzessystematik der Umsatzsteuer, die als Verbrauchsteuer den Endabnehmer belaste und im Unternehmensbereich aufwandsneutral sei. Somit stelle die vom Unternehmer vereinnahmte Mehrwertsteuer bei diesem lediglich einen Durchlaufposten dar. Aus diesem Grund könne es den Kläger nicht entlasten, daß er das FA wie andere Gläubiger behandelt und nicht befriedigt habe, zumal ihm die für eine Entrichtung der Steuer erforderlichen Mittel in ausreichendem Maße zur Verfügung gestanden hätten.

Der Kläger habe letztlich auch schuldhaft gehandelt. Er habe vorsätzlich die Abgabe der Voranmeldung und zumindest grob fahrlässig die Abführung der auf seine Tätigkeit entfallenden Umsatzsteuer unterlassen und hierbei die ihm nach den Umständen obliegende Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Aus seiner langjährigen Tätigkeit als Sequester und Konkursverwalter hätte ihm entsprechend der vorhandenen, die Problematik des vorliegenden Streitfalls klärenden Literatur bekannt sein müssen, daß er zur Zahlung der aufgrund seiner Tätigkeit entstandenen Umsatzsteuer verpflichtet gewesen sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Auszugehen ist von § 34 AO 1977. Nach Abs.1 dieser Vorschrift haben die gesetzlichen Vertreter natürlicher oder juristischer Personen und die Geschäftsführer von nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben gemäß § 34 Abs.3 AO 1977 die Vermögensverwalter die in Abs.1 bezeichneten Pflichten , "soweit die Verwaltung reicht". Die den Vermögensverwaltern obliegenden steuerlichen Pflichten sind somit nach Inhalt und Umfang durch die ihnen obliegenden Verwaltungsbefugnisse begrenzt (vgl. Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14.Aufl., Ziff.4 vor Anm.1 zu § 34 AO 1977).

1. Der Kläger war in seiner Eigenschaft als Sequester Vermögensverwalter im Sinne des § 34 Abs.3 AO 1977. Grundlage dieser Position war der Beschluß des Amtsgerichts vom 17.Mai 1979, mit dem dieses die Sequestration hinsichtlich des Vermögens der KG angeordnet und den Kläger als Sequester eingesetzt hatte. Diese Maßnahme diente der Sicherung des Zwecks des Konkursverfahrens, die gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger zu gewährleisten und zu verhindern, daß diese durch Handlungen des Gemeinschuldners oder einzelner Gläubiger vereitelt wurde.

Da die Sequestration nur der Sicherung der zukünftigen Konkursmasse dient (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 27.März 1961 II ZR 294/59, BGHZ 35, 13, 17), ist der Sequester an sich nur berechtigt, die zur Erhaltung der Masse und zur Erreichung des Konkurszwecks notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, ohne daß ihm --durch die Sequestration als solche-- schon umfassende Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse zustehen (vgl. BGH-Urteil vom 22.Dezember 1982 VIII ZR 214/81, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1983, 887, ZIP 1983, 191). Im vorliegenden Fall hat jedoch das Amtsgericht den Sequester ausdrücklich ermächtigt, "den Geschäftsbetrieb zu übernehmen". Die Leitung der Geschäfte durch die Geschäftsführer der KG ist also schon vor der Konkurseröffnung am 15.Juni 1979 durch die des Sequesters abgelöst worden. Der Kläger war daher berechtigt und verpflichtet, die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs erforderlichen Maßnahmen zu treffen; er hatte sich dabei aber auf diejenigen Sicherungs- und Verwaltungsmaßnahmen zu beschränken, die der Feststellung der Masse, ihrer Sicherung und der Aufrechterhaltung des Betriebs der KG dienten (vgl. Kuhn/Uhlenbruck, Konkursordnung, 10.Aufl., 1986, Tz.9 zu § 106). Der Kläger durfte als Sequester daher keine Handlungen vornehmen, die von einem nach Eröffnung des Konkurses (§ 1 KO) eingesetzten Konkursverwalter gemäß § 30 KO hätten angefochten werden können. Darunter fielen solche Maßnahmen nicht, die zur Aufrechterhaltung des Betriebs unabweisbar erforderlich waren (vgl. den Sachverhalt im Urteil des BGH in NJW 1983, 887, betreffend Telefongebühren).

2. In seiner Eigenschaft als Sequester über das Vermögen der KG wäre der Kläger --wie das FG zutreffend entschieden hat-- verpflichtet gewesen, für die in der Zeit vom 17.Mai bis Ende Mai 1979 unter seiner Geschäftsführung getätigten Umsätze der KG am 10.Juni 1979 eine Umsatzsteuervoranmeldung abzugeben (§ 18 Abs.2 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 16 des Umsatzsteuergesetzes --UStG--). Durch die Nichtabgabe der Umsatzsteuervoranmeldung ist dem FA jedoch noch kein Steuerausfall entstanden. Ein solcher ist vielmehr erst durch die Nichtbegleichung der zum selben Zeitpunkt fällig gewesenen Umsatzsteuervorauszahlung (vgl. § 18 Abs.2 Satz 3 UStG) eingetreten. Da die Begleichung der Umsatzsteuervorauszahlung keine zur Aufrechterhaltung des Betriebs unabweisbar erforderliche Notmaßnahme ist und die Umsatzsteuer --anders als die Lohnsteuer (für etwaige im Sequestrationszeitraum gezahlte Löhne und Gehälter)-- entgegen der Auffassung des FA nicht vorrangig zu befriedigen ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26.April 1984 V R 128/79, BFHE 141, 443, BStBl II 1984, 776 unter Ziffer 3 c der Entscheidungsgründe), war der Kläger zur Begleichung der Umsatzsteuervorauszahlung nicht verpflichtet, da diese Maßnahme als "Rechtshandlung" im Sinne von § 30 Nr.1 Halbsatz 2 KO (vgl. Kuhn/Uhlenbruck, a.a.O., Tz.19 zu § 30) der Anfechtung durch den Konkursverwalter unterlegen hätte.

a) Anfechtbar nach § 30 Ziff.1 Halbsatz 2 KO sind Rechtshandlungen, die einem "Konkursgläubiger" Sicherung oder Befriedigung gewähren. Die Sicherung oder Befriedigung bezieht sich also auf eine Konkursforderung (vgl. Jaeger, Konkursordnung, 8.Aufl., Tz.44 zu § 30); mit anderen Worten: der erfüllte (oder gesicherte) Anspruch muß seiner Art nach als Konkursforderung (§ 3 KO) verfolgbar sein (vgl. Jaeger, a.a.O., Tz.38 zu § 30). Dies ist hier der Fall. Die im Zeitraum der vorkonkurslichen Sequestration begründeten Umsatzsteuerforderungen stellen Konkurs- und nicht Masseforderungen dar (vgl. Urteil des FG Baden-Württemberg vom 4.November 1982 III 402/78, EFG 1983, 318, ZIP 1982, 1478). Denn die während des Sequestrationszeitraums --von wem auch immer-- ausgelösten Verbindlichkeiten wurden vor der Konkurseröffnung "begründet" und können daher gemäß § 3 Abs.1 KO nur als Konkursforderungen geltend gemacht werden (vgl. Bücheler, Umsatzsteuer in Sequestration und Konkurs, Deutsches Steuer- Recht --DStR-- 1980, 71 ff.; Wessel, Das insolvenzrechtliche Sequestrationsverfahren nach § 106 KO; Betriebs-Berater --BB-- 1982, 1579, 1581; Böhle-Stamschräder/Kilger, Konkursordnung, 14.Aufl., Anm.4 zu § 106 unter Aufgabe der früher in Festschrift "100 Jahre Konkursordnung" 1977, 189 ff. vertretenen Auffassung). Diese Auffassung stimmt mit dem im Urteil des BFH vom 2.Februar 1978 V R 128/76 (BFHE 125, 314, BStBl II 1978, 483) vertretenen Standpunkt überein, wonach eine bis zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung (§ 1 KO) in ihren materiellen Merkmalen verwirklichte Umsatzsteuerforderung --unbeschadet ihrer Entstehung nach § 13 Abs.1 UStG-- eine Konkursforderung (§ 3 Abs.1 KO) ist. Die gegenteilige Auffassung würde auf eine Erweiterung des in § 59 KO enumerativ aufgeführten Katalogs der Masseschulden hinauslaufen, welche im Hinblick auf die insoweit abschließende Regelung in der KO mit Art.20 Abs.3 des Grundgesetzes (GG) nicht vereinbar wäre (vgl. das zum Katalog der bevorrechtigten Konkursforderungen ergangene Urteil des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 19.Oktober 1983 2 BvR 485,486/80, BVerfGE 65, 182).

b) Der Umstand, daß die Umsatzsteuervorauszahlungsforderung des FA (für den Mai-Restzeitraum), hier am 15.Juni 1979 nicht nur entstanden, sondern bereits fällig geworden war (§ 18 Abs.2 Satz 3 UStG), hätte bei ihrer Erfüllung durch den Kläger der Anfechtung nach § 30 Ziff.1 Halbsatz 2 KO nicht entgegengestanden. Denn nach dieser Vorschrift ist eine in Kenntnis der Zahlungseinstellung oder des Konkurseröffnungsantrages vom Gläubiger erlangte Erfüllung einer Konkursforderung auch dann anfechtbar, wenn die Deckung ganz so, wie sie gewährt wurde, geschuldet war. Es handelt sich hier um den Fall der sog. kongruenten Deckung (vgl. Jaeger, a.a.O., Tz.38 zu § 30, Ziff.1, Halbsatz 2 zu § 30; Kuhn/Uhlenbruck, a.a.O., Tz.42 zu § 30).

c) Schließlich ist zu berücksichtigen, daß dem Gläubiger (FA) bei Entgegennahme von Umsatzsteuerzahlungen des Klägers die Zahlungseinstellung oder der Konkurseröffnungsantrag möglicherweise bekannt war (§ 30 Nr.1 Halbsatz 2 KO). Die KG hatte nach den finanzgerichtlichen Feststellungen bereits am 4.April 1979 den Antrag auf Eröffnung des Vergleichsverfahrens gestellt. Das Gericht hatte daraufhin den Kläger als vorläufigen Vergleichsverwalter bestellt. Diese Vorgänge waren öffentlich bekanntzumachen (§ 11 Abs.1 der Vergleichsordnung). Der Kläger mußte damit rechnen, daß ein nach Eröffnung des Konkursverfahrens bestellter Konkursverwalter --unabhängig von der Person desselben-- die Zahlung der zum 10.Juni fälligen Umsatzsteuer mit Erfolg anfechten würde. Bei dieser Sachlage hätte der Kläger mit der Zahlung den im Interesse der gleichmäßigen Befriedigung sämtlicher Gläubiger gebotenen Maßnahmen des Konkursverwalters dergestalt vorgegriffen, daß wegen dieser Verringerung des Massebestandes die Konkursgläubiger benachteiligt worden wären (vgl. Jaeger, a.a.O., Tz.18 und 22 zu § 29). Hierzu war der Kläger in seiner Eigenschaft als Sequester nicht berechtigt; er hätte damit den Umfang seiner Verwaltungsbefugnisse überschritten.

3. Es fehlt somit, wie das FG im Ergebnis zutreffend entschieden hat, in bezug auf die Nichterfüllung der Umsatzsteuerschuld an einer objektiven Pflichtwidrigkeit des Klägers und damit an einer gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzung (§ 34 Abs.3 i.V.m. § 34 Abs.1 AO 1977). Ob und inwieweit eine Haftung des Sequesters --etwa im Hinblick auf § 35 AO 1977-- für solche Steuerschulden in Betracht kommen könnte, die aus Leistungen (§ 3 UStG) resultieren, die über den Sequestrationszweck hinausgehen, kann offen bleiben, weil solche Leistungen hier nach den revisionsrechtlich verbindlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) nicht getätigt wurden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61117

BStBl II 1986, 586

BFHE 146, 363

BFHE 1986, 363

BB 1986, 1634-1635 (ST)

DB 1986, 1858-1860 (ST)

DStR 1986, 724-724 (S)

HFR 1986, 507-508 (T)

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