Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Wehrdienst und Ersatzdienst im Sinne von § 32 Abs. 2 Ziff. 2 (a) (bb) EStG 1958 sind auch Wehrdienst und Ersatzdienst im Ausland, sofern sie auf Grund einer Dienstpflicht geleistet werden.

 

Normenkette

EStG § 32/2/2/a/bb

 

Tatbestand

Der ältere Sohn des Bf. ist holländischer Staatsbürger. Er war zu Beginn des Jahres 1959 zwanzig Jahre alt und genügte in diesem Jahre seiner Wehrpflicht in der holländischen Armee. Er erhielt dort nur Wehrsold. Bevor er mit dem Wehrdienst begonnen hatte, hatte er eine holländische höhere Schule besucht; die Kosten des Unterhalts und des Schulbesuchs hatte der Bf. getragen.

Der Bf. ist unbeschränkt steuerpflichtig. über seine Staatsangehörigkeit sind keine Feststellungen getroffen worden. Die Ehefrau des Bf. sowie seine beiden Söhne wohnen in Holland.

Der Antrag des Bf., auf seiner Lohnsteuerkarte 1959 einen Kinderfreibetrag für seinen älteren Sohn einzutragen, blieb in den Vorinstanzen erfolglos. Das Finanzgericht ist der Ansicht, daß unter "Wehrdienst" im Sinne von § 32 Abs. 2 Ziff. 2 (a) (bb) EStG 1958 nur der Dienst in der Bundeswehr zu verstehen sei.

Mit der Rb. wird der Antrag auf Gewährung eines Kinderfreibetrages weiter verfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist begründet.

Wehrdienst und Ersatzdienst im Sinne von § 32 Abs. 2 Ziff. 2 (a) (bb) EStG 1958 sind auch Wehrdienst und Ersatzdienst im Ausland, sofern sie auf Grund einer Dienstpflicht geleistet werden. Bei der Auslegung von Gesetzen ist von ihrem Wortlaut auszugehen. Das Wort "Wehrdienst" ist allgemein. Es bezeichnet den Dienst in den bewaffneten Streitkräften eines Staates, nicht nur den Dienst in der Bundeswehr. Das Wort "Ersatzdienst" bezeichnet ebenfalls Ersatzdienste sowohl in der Bundesrepublik als auch in fremden Staaten. Ersatzdienst ist ein gesetzlich geregelter Dienst, der von solchen Dienstpflichtigen zu leisten ist, die den Wehrdienst verweigern dürfen. Ob ein Ersatzdienst in denjenigen fremden Staaten, die ihn kennen, technisch so genannt wird, daß dieser Name im Deutschen mit "Ersatzdienst" oder aber anders wiederzugeben ist, ist in diesem Zusammenhang gleichgültig. Auf die Bezeichnung eines Tatbestandes in fremden Sprachen kommt es bei der Auslegung eines deutschen Gesetzes regelmäßig nicht an.

Der Zeitpunkt der Einfügung der streitigen Vorschrift in das EStG gibt keine Veranlassung, von dieser Auslegung abzuweichen. Solange es in der Bundesrepublik keinen Wehrdienst gab, sah allerdings der Steuergesetzgeber keinen Grund, einen Kinderfreibetrag für Söhne zu gewähren, die Wehrdienst leisteten. Daraus folgt jedoch nicht, daß die Anwendung der streitigen Vorschrift auf den Wehrdienst in der Bundeswehr zu beschränken sei.

An dieser wörtlichen Auslegung des § 32 EStG 1958 festzuhalten verlangt der Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung. Wenn § 32 Abs. 2 Ziff. 2 Buchstabe a (aa) EStG 1958 Kinderfreibeträge vorsieht für Kinder, die "im wesentlichen auf Kosten des Steuerpflichtigen unterhalten und für einen Beruf ausgebildet worden sind", so kann dies unzweifelhaft auch ein unbeschränkt Steuerpflichtiger für sich in Anspruch nehmen, dessen Kind im Ausland im wesentlichen auf Kosten des Steuerpflichtigen unterhalten und für einen Beruf ausgebildet worden ist. Es ist für die Inanspruchnahme der Kinderfreibeträge auch nicht schädlich, wenn das Kind - wie im Fall des Bf. - im Ausland wohnt, die ausländische Staatsangehörigkeit hat und seinen Unterhalt und seine Ausbildung dementsprechend nicht nur vorübergehend im Ausland erhält. Ob und inwieweit man den Wehrdienst und den Ersatzdienst als Ausbildung bezeichnen kann, kann hier dahingestellt bleiben. Jedenfalls hat der Gesetzgeber, wenn die Ausbildung durch den Wehrdienst oder Ersatzdienst unterbrochen worden ist und der Steuerpflichtige die Kosten des Unterhalts und der Berufsausbildung im wesentlichen getragen hat, dem Steuerpflichtigen den Kinderfreibetrag auch für die Zeit des Wehr- oder Ersatzdienstes zugebilligt. Man kann hier mit Blümich-Falk (Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 8. Auflage, S. 1490) von einer Vorschrift mit Billigkeitscharakter sprechen. Für den dieser Vorschrift zugrunde liegenden Zweck aber macht es keinen Unterschied, in der Armee welchen Staates ein Sohn des Steuerpflichtigen seiner Wehrpflicht genügt.

Der Hinweis des Vorstehers des Finanzamts, es sei eine für die Finanzämter unlösbare Aufgabe, zu prüfen, ob ein Dienst im Ausland dem deutschen Wehrdienst oder dem deutschen Ersatzdienst vergleichbar sei, vermag eine andere Entscheidung nicht zu rechtfertigen. Wehrdienst oder Ersatzdienst im Ausland muß auf Grund einer gesetzlichen Dienstpflicht geleistet werden; darüber hinaus kommt es auf die Vergleichbarkeit nicht an. Die Ausdrücke Wehrdienst und Ersatzdienst sind aus sich heraus zu interpretieren. Fälle der vorliegenden Art sind nicht so häufig, daß den Finanzämtern die Feststellung dieser gesetzlichen Merkmale nicht zugemutet werden kann.

Ein Antrag des Bf. auf Durchführung des Lohnsteuerjahresausgleichs ist als rechtzeitig zu behandeln, wenn er binnen zweier Wochen nach Zustellung dieses Urteils gestellt wird (§ 87 Abs. 2 AO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 409695

BStBl III 1960, 268

BFHE 1961, 51

BFHE 71, 51

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