Entscheidungsstichwort (Thema)

Fehlender Hinweis nach § 68 Satz 3 FGO a.F.?

 

Leitsatz (NV)

  1. Zweck des gemäß § 68 Satz 3 FGO a.F. vorgeschriebenen Hinweises in der Rechtsbehelfsbelehrung ist es, den Kläger zu schützen und zu verhindern, dass er gegen seinen Willen aus dem Verfahren gedrängt wird. Er muss zeitgleich über sein Recht, Einspruch einzulegen oder den Antrag nach § 68 FGO a.F. zu stellen, belehrt werden, um zu gewährleisten, dass ihm eine "echte" Wahlmöglichkeit zwischen beiden Rechtsbehelfen offen steht.
  2. Befindet sich der Hinweis nach § 68 Satz 3 FGO a.F. nicht räumlich innerhalb der ‐ auf den jeweiligen Rückseiten des Steuerbescheides abgedruckten ‐ formularmäßigen Rechtsbehelfsbelehrung, sondern erst am Ende des Steuerbescheides als "Ergänzung zur Rechtsbehelfsbelehrung", so ist dies nur dann unschädlich, wenn der innere Zusammenhang der beiden Teile der Rechtsbehelfsbelehrung eindeutig und für den Steuerpflichtigen klar erkennbar ist. Dass die den Hinweis nach § 68 Satz 3 FGO a.F. enthaltende Rechtsbehelfsbelehrung aus einem räumlich durchgehenden Textabschnitt zu bestehen habe, ist nicht gefordert.
 

Normenkette

FGO § 68 S. 3

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG (EFG 2000, 1402)

 

Tatbestand

I. Während des Klageverfahrens, das sich gegen die Einkommensteuerbescheide 1995 und 1996 vom 6. Mai 1997 richtete, erteilte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) Änderungsbescheide in Sachen Einkommensteuer 1995 und 1996 und berücksichtigte die Verluste der zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Kläger und Revisionskläger (Kläger) aus Vermietung und Verpachtung. Die Änderungsbescheide vom 7. Juli 1999 sind an den Prozessbevollmächtigten gerichtet.

Auf jeder Rückseite des drei Seiten umfassenden Änderungsbescheides 1995 ist nach zwei Vorab-Hinweisen zum Einkommensteuerbescheid bzw. zur Rechtsbehelfsbelehrung unter I. eine umfassende Rechtsbehelfsbelehrung jeweils gleichen Inhalts abgedruckt. Diese enthält:

- einen allgemeinen Teil, in dem durch Fettdruck hervorgehoben darauf hingewiesen wird, dass auch im Falle eines Rechtsbehelfs die angeforderten Beträge fristgemäß zu bezahlen sind, es sei denn, dass die Vollziehung des Bescheids ausgesetzt oder Stundung gewährt worden ist. Außerdem sind die Worte "Einspruch", "Kirchensteuer", "Frist" und "einen Monat" entsprechend hervorgehoben;

- einen besonderen Teil betreffend Kirchensteuer, Körperschaftsteuer und Nachzahlungs- und Erstattungszinsen;

- sowie einen Hinweis auf die Einspruchsbefugnis bei einheitlichen und gesonderten Feststellungsbescheiden.

Einen Hinweis auf § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) a.F. enthält diese Rechtsbehelfsbelehrung insoweit nicht.

Unterhalb der Rechtsbehelfsbelehrung finden sich auf der jeweiligen Rückseite weitere Erläuterungen unter "II. Zahlungen und Folgen verspäteter Zahlung".

Der Bescheid selbst gliedert sich in die Abschnitte (jeweilige Überschriften gesperrt und fett, aber mit gleicher Schrifttype gedruckt):

- Festsetzung und Abrechnung,

- Besteuerungsgrundlagen,

- Erläuterungen, Ziffer 1 bis 4

(Ziffer 4 lautet: "Dieser Bescheid ändert den mit der Klage angefochtenen Bescheid vom 06.05.1997.") und

- Ergänzung zur Rechtsbehelfsbelehrung. In dieser findet sich der Hinweis auf das anhängige Klageverfahren und § 68 FGO a.F. Der Hinweis lautet: "Sie können innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe dieses Bescheids beim Finanzgericht beantragen (§ 68 der Finanzgerichtsordnung), diesen Bescheid zum Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens zu machen; ein Einspruch erübrigt sich dann. Wird weder Einspruch eingelegt noch der Antrag nach § 68 der Finanzgerichtsordnung gestellt, wird mit Ablauf der Rechtsbehelfsfrist Ihre Klage unzulässig."

Der Bescheid für 1996 ist ähnlich gestaltet.

Der Antrag, die Änderungsbescheide zum Gegenstand des Verfahrens nach § 68 FGO a.F. zu machen, wurde unstreitig nach Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Änderungsbescheide gestellt -nämlich erst am 1. November 1999.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unzulässig ab. Die Kläger hätten den Antrag nach § 68 FGO a.F. nicht innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Änderungsbescheide gestellt. Die "Ergänzung zur Rechtsbehelfsbelehrung" in den Änderungsbescheiden genüge den gesetzlichen Anforderungen des § 68 Satz 3 FGO a.F. Die Entscheidung ist abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte 2000, 1402.

Mit ihrer vom FG auf Nichtzulassungsbeschwerde hin zugelassenen Revision tragen die Kläger unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) vor, die "Ergänzung zur Rechtsbehelfsbelehrung" sei nicht geeignet den Schutzzweck des § 68 Satz 3 FGO a.F. zu erfüllen. Der Hinweis auf § 68 FGO a.F. sei nicht ordnungsgemäß "in" der Rechtsbehelfsbelehrung erfolgt. Er stehe auch erst nach den Erläuterungen am Ende des langen Bescheides und sei damit weder seiner Stellung nach hervorgehoben, noch sei er es drucktechnisch. Es handele sich um einen überraschenden Hinweis am Ende des Bescheides. Der Belehrung fehle infolge der Aufsplitterung auf verschiedene Seiten zudem die gebotene Klarheit.

Die Kläger beantragen, das FG-Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet. Sie ist zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Zu Recht hat das FG die Klage als unzulässig abgewiesen, weil die Kläger die Änderungsbescheide nicht fristgemäß zum Gegenstand des Verfahrens gemacht haben.

1. Die Klage richtet sich nach wie vor gegen die Einkommensteuerbescheide 1995 und 1996 vom 6. Mai 1997. Nach § 68 Satz 1 FGO a.F. wird, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Klageerhebung durch einen anderen Verwaltungsakt geändert oder ersetzt wird, dieser auf Antrag des Klägers Gegenstand des Verfahrens. Ein solcher Antrag ist nach § 68 Satz 2 FGO a.F. innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des neuen Verwaltungsakts zu stellen. Hierauf ist in der Rechtsbehelfsbelehrung hinzuweisen (§ 68 Satz 3 FGO a.F.).

a) Die Kläger haben trotz des Hinweises in den Rechtsbehelfsbelehrungen nicht rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist des § 68 Satz 2 FGO a.F. beantragt, die Änderungsbescheide vom 7. Juli 1999 gemäß § 68 Satz 1 FGO a.F. zum Gegenstand des Verfahrens zu machen. Der am 1. November 1999 beim FG eingegangene Antrag war verspätet.

b) Die Rechtsbehelfsbelehrungen in den Änderungsbescheiden vom 7. Juli 1999 enthielten den nach § 68 Satz 3 FGO a.F. vorgeschriebenen Hinweis auf die Möglichkeit, die geänderten Bescheide innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe zum Gegenstand des Verfahrens zu machen. Die Bescheide enthielten jeweils eine ausdrückliche "Ergänzung zur Rechtsbehelfsbelehrung". Der Streitfall ist daher mit den Sachverhalten, über die der BFH in den Urteilen vom 26. Oktober 1995 XI R 26/94 (BFH/NV 1996, 444) und vom 17. April 1996 X R 98/95 (BFH/NV 1996, 900) zu entscheiden hatte, nicht vergleichbar. Der Hinweis befand sich zwar am Ende des jeweiligen Steuerbescheides und nicht räumlich innerhalb der auf den jeweiligen Rückseiten vorgedruckten formularmäßigen Rechtsbehelfsbelehrungen. Er war aber dadurch, dass die Überschrift des betreffenden Abschnitts diesen als "Ergänzung zur Rechtsbehelfsbelehrung" bezeichnete, in einen inhaltlichen Zusammenhang mit den formularmäßigen Rechtsbehelfsbelehrungen gesetzt und als Bestandteil der Rechtsbehelfsbelehrung des jeweiligen Bescheides ausgewiesen worden. Damit genügte die Belehrung dem Wortlaut der Vorschrift, wonach die Belehrung "in der Rechtsbehelfsbelehrung" erfolgen muss. Dass die Rechtsbehelfsbelehrung aus einem räumlich durchgehenden Textabschnitt zu bestehen habe, ist nicht gefordert.

Der Zweck des § 68 Satz 3 FGO a.F., den Kläger zu schützen und zu verhindern, dass er gegen seinen Willen aus dem Verfahren gedrängt wird, verlangt allerdings, dass der innere Zusammenhang der beiden Teile der Rechtsbehelfsbelehrung eindeutig und für den Steuerpflichtigen klar erkennbar ist (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1996, 444). Nur dann wird gewährleistet, dass der Steuerpflichtige zeitgleich über sein Recht, Einspruch einzulegen oder den Antrag nach § 68 FGO a.F. zu stellen, belehrt wird und ihm somit eine "echte" Wahlmöglichkeit zwischen beiden Rechtsbehelfen offen steht (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2001 IX R 85/97, BFH/NV 2001, 1591).

Diese Voraussetzungen sind, wie das FG zutreffend festgestellt hat, im Streitfall gegeben. Die gesperrt und fett gedruckte Überschrift über dem Hinweis ist gegenüber dem übrigen Text hervorgehoben und mit dem Wortlaut "Ergänzung zur Rechtsbehelfsbelehrung" eindeutig und auffällig zur üblichen Rechtsbehelfsbelehrung des Steuerbescheides in Bezug gesetzt und als zu dieser gehörend bezeichnet. Dieser Zusammenhang ist auch für den Steuerpflichtigen klar erkennbar. Der Text des Hinweises ist eindeutig. Es ergeben sich keine Unstimmigkeiten oder Widersprüche zu der formularmäßigen Belehrung.

2. Die Klage gegen die ursprünglichen Einkommensteuerbescheide 1995 und 1996 vom 6. Mai 1997 ist unzulässig.

Gegen die Änderungsbescheide haben die Kläger innerhalb der Einspruchsfrist von einem Monat nach Bekanntgabe (§ 355 Abs. 1 Satz 1 der AbgabenordnungAO 1977―) auch keinen Einspruch eingelegt. Das für die Zulässigkeit der Klage erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Überprüfung der ursprünglichen Bescheide ist mit Eintritt der Bestandskraft der Änderungsbescheide vom 7. Juli 1999 gegenüber den Klägern endgültig entfallen; die Einkommensteuerbescheide 1995 und 1996 vom 6. Mai 1997 entfalten keine Wirkung mehr (BFH-Urteil vom 9. August 1991 III R 41/88, BFHE 166, 1, BStBl II 1992, 219).

 

Fundstellen

Haufe-Index 965315

BFH/NV 2003, 1330

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