Entscheidungsstichwort (Thema)

Geschäftsführerhaftung nach § 69 AO 1977

 

Leitsatz (NV)

Keine Haftung des Geschäftsführers einer Gesellschaft, wenn die vertretene Gesellschaft zur Bezahlung der Umsatzsteuer finanziell nicht in der Lage war.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 69, 34; UStG 1967 §§ 18, 16

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Der Kläger war der für den kaufmännischen Bereich zuständige Geschäftsführer einer GmbH. Über das Vermögen der GmbH ist im Juli 1974 das Konkursverfahren eröffnet worden.

Für die Monate Januar bis Mai 1974 hat der Kläger folgende Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben:

Januar 1974: 10 696,70 DM

Februar 1974: 14 279,50 DM

März 1984: 13 825,75 DM

April 1974: 8 012,10 DM

Mai 1974: 6 446,80 DM.

Ferner hatte sich die GmbH bereit erklärt, um die Fristverlängerung für die Abgabe der Voranmeldungen bis Mitte Februar 1974 zu erhalten, eine Abschlagszahlung von 13 217 DM zu leisten (Erlaß des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 20. Dezember 1968 IV A/2 - S 7346-75/68, BStBl I 1969, 30), was jedoch nicht geschah.

Auf die Umsatzsteuervorauszahlungen hat die GmbH insgesamt 2 707,64 DM erbracht, davon 213,48 DM am 31. Oktober 1974.

Das FA hat den Kläger als Geschäftsführer der GmbH mit Haftungsbescheid vom 16. Oktober 1974 in Form der Einspruchsentscheidung vom 10. Dezember 1974 mit 63 983,69 DM in Anspruch genommen. Da hierbei die am 31. Oktober 1974 erbrachte Zahlung von 213,48 DM übersehen worden war, ermäßigte das FA die Haftungssumme später auf 63 770,21 DM.

Mit der Klage begehrte der Kläger, den Haftungsbescheid in Form der Einspruchsentscheidung vom 10. Dezember 1974 aufzuheben. Er begründete den Aufhebungsantrag damit, die GmbH sei wegen des schlechten Geschäftsganges und des Ausfalls hoher Forderungen . . . DM ab Januar 1974 nicht mehr in der Lage gewesen, die Vorauszahlungen - abgesehen von dem getilgten Betrag von 2 707,64 - zu entrichten.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt (Urteil vom 7. November 1978 II 17-18/75, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1979, 262).

Das FG hatte Beweis erhoben über die Frage, von welchem Zeitpunkt an den Arbeitnehmern der GmbH Konkursausfallgeld gezahlt worden war, durch Einholung einer Auskunft des zuständigen Arbeitsamts. Aus dieser Auskunft ergab sich, daß das Arbeitsamt ab Mai 1974 Konkursausfallgeld gezahlt hatte. Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme ist das FG zu der Auffassung gelangt, daß die Umsatzsteuervorauszahlungen für Mai 1974 nicht mehr gezahlt werden konnten.

 

Entscheidungsgründe

Auf die Revision ist - insoweit unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils - die in dem Haftungsbescheid in Form der Einspruchsentscheidung festgesetzte Haftungssumme um 8 012, 10 DM auf 36 094,31 DM herabzusetzen. Im übrigen ist die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

1. Die mit der Revision in erster Linie - d. h. im Hauptantrag - begehrte völlige Freistellung von der Inanspruchnahme als Haftungsschuldner kann der Kläger nicht erreichen. Das FG hat hinsichtlich der Umsatzsteuervorauszahlungsschulden jedenfalls für Januar bis März 1974 im Ergebnis zutreffend entschieden, daß die durch unterbliebene Zahlung eingetretenen Steuerverkürzungen auf einer schuldhaften Pflichtverletzung des Klägers in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der GmbH beruhen, daher insoweit die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Haftungsschuld gegeben sind (§§ 109, 103 AO) und die Inanspruchnahme des Klägers als Haftungsschuldner keinen Ermessensverstoß enthält (§ 118 AO). Die von der Revision hiergegen erhobenen Einwendungen sind unbegründet.

Das FG hat in revisionsrechtlich verbindlicher Weise festgestellt (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -),daß die GmbH in den ersten drei Monaten des Jahres 1974 noch fortlaufend Zahlungen an andere Gläubiger geleistet hat, während auf die Umsatzsteuerschulden (zu denen die Vorauszahlungen gehören, § 18 Abs. 3 Satz 2 UStG 1967) - unbeschadet anderweitiger Steuerzahlungen - insgesamt nur 2 707,64 DM gezahlt wurden. Für die Monate Januar bis März 1974 ist dem Kläger daher wegen Nichtabführung der Umsatzsteuer eine grobfahrlässige Pflichtverletzung anzulasten, so daß sich auch eine ausdrückliche Begründung aus der Sicht sachgerechter Ermessensausübung erübrigte (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. April 1978 V R 109/75, BFHE 125, 126, BStBl II 1978, 508). Die Inanspruchnahme für die - in Höhe von 36 094,31 DM - nicht getilgten Vorauszahlungsschulden Januar bis März 1974 ist sonach nicht zu beanstanden.

2. a) Dagegen wendet sich die Revision mit dem Hilfsantrag zu Recht gegen die Inanspruchnahme wegen der Vorauszahlungsschuld für April 1974 (8 012,10 DM). Insoweit fehlt es an einer fahrlässigen Handlungsweise des Klägers zwar nicht aus dem von ihm geltend gemachten Grund (vermeintliche Stundung der Vorauszahlung gemäß BMF-Erlaß vom 20. Dezemer 1968), sondern deshalb, weil diese Vorauszahlungsschuld ohnehin erst am 10. Mai 1974 fällig war (§ 18 Abs. 2 Satz 3 UStG 1967). Zu diesem Zeitpunkt befand sich aber die GmbH - nach den finanzgerichtlichen Feststellungen - bereits so weitgehend in Zahlungsschwierigkeiten, daß ihr die zur Tilgung der Vorauszahlungsschuld April 1974 erforderlichen Mittel möglicherweise - auch nur anteilig - nicht mehr zur Verfügung gestanden haben. Bei dieser - jedenfalls nicht auszuschließenden - Möglichkeit ist der Vorwurf einer schuldhaften Pflichtverletzung hinsichtlich dieses Teilbetrags der Haftungssumme nicht ausreichend zu belegen (BFH-Urteil vom 8. Juli 1982 V R 7/76, BFHE 137, 1, BStBl II 1983, 249).

b) Nicht entsprochen werden kann hingegen dem mit dem Hilfsantrag zusätzlich verfolgten Begehren einer weiteren Kürzung der Haftungssumme um 17 831 DM. Da die Haftung - wie unter Ziffer 1 ausgeführt - nur die nicht getilgten Vorauszahlungsschulden Januar bis März 1974 umfaßt, könnte eine Kürzung der Bemessungsgrundlage wegen Uneinbringlichkeit von Forderungen in Höhe der auf diese entfallenden Umsatzsteuer nur in Betracht kommen, wenn die Uneinbringlichkeit in diesem Zeitraum - also zwischen Januar und März 1974 - eingetreten wäre (§ 18 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 17 Abs. 2 Satz 1 und § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG 1967). Demgegenüber hat das FG - auf der Grundlage der im Klageverfahren zu den in Frage kommenden Forderungen gemachten Angaben - in sehr eingehenden Ausführungen gefolgert, daß die Uneinbringlichkeit der in Betracht kommenden Forderungen entweder bereits im Jahr 1973 oder erst ab Juni 1974, jedenfalls aber nicht - und dies ist entscheidend - in der Zeit von Januar bis April (und daher auch nicht zwischen Januar und März) 1974 eingetreten ist. Daß dies nicht zuträfe, wird von der Revision nicht einmal geltend gemacht, geschweige denn im einzelnen dargetan. Aus diesem Grund kann das Revisionsbegehren insoweit - schon mangels Schlüssigkeit - keinen Erfolg haben, ohne daß es darauf ankäme, ob und inwieweit die geltend gemachten Forderungsausfälle im einzelnen belegmäßig nachzuweisen sind.

3. In Zusammenfassung der vorstehenden Ausführungen ist die vom FG festgesetzte Haftungssumme

von 44 106,41 DM

zu kürzen gemäß vorstehender Ziff. 2a um 8 012,10 DM

so daß eine Haftungssumme von 36 094,31 DM

verbleibt.

 

Fundstellen

BFH/NV 1985, 19

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