Entscheidungsstichwort (Thema)

Inhaltliche Bestimmtheit von Lohnsteuer-Haftungsbescheiden

 

Leitsatz (NV)

1. Zu den Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit von Lohnsteuer-Haftungsbescheiden.

2. Es reicht aus, wenn die für die inhaltliche Bestimmtheit eines Lohnsteuer-Haftungsbescheids erforderlichen Angaben aus dem als Anlage beigefügten Prüfungsbericht ersichtlich sind. Zur inhaltlichen Bestimmtheit einer den Lohnsteuer-Haftungsbescheid ändernden Einspruchsentscheidung genügt es, daß die erforderlichen Angaben aus einem dort in Bezug genommenen Schreiben des Haftungsschuldners hervorgehen.

 

Normenkette

AO 1977 § 119 Abs. 1; EStG § 42d

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) unterhielt in den Streitjahren 1973 bis 1976 eine Privatschule.

Im Rahmen einer in den Jahren 1975 und 1976 durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung für den Zeitraum von 1970 bis 1976 stellte der Prüfer u. a. fest, daß der Kläger Aushilfskräfte beschäftigt hatte, für die keine Lohnsteuer einbehalten und abgeführt worden war. Der Prüfer ermittelte die nachzuversteuernden Aushilfslöhne mit . . . DM und wendete darauf aus Vereinfachungsgründen einen Durchschnittssteuersatz von 28 v. H. an. Die Kirchenlohnsteuer bemaß er mit 7 v. H. der Lohnsteuer (2/3 römisch-katholische und 1/3 evangelische Kirchenlohnsteuer).

Den Feststellungen des Prüfers folgend erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) einen Haftungsbescheid gegen den Kläger, in dem dieser u. a. für die auf die Aushilfslöhne entfallende Lohn- und Kirchenlohnsteuer in Anspruch genommen wurde. Wegen der Zusammensetzung dieses Betrages verwies das FA auf den beigefügten Bericht über die Lohnsteuer-Außenprüfung.

Im Einspruchsverfahren teilte der Kläger dem FA mit Schreiben vom 27. Februar 1978 zu den streitigen Aushilfslöhnen im wesentlichen folgendes mit:

Der Arbeitnehmer A sei lediglich in den Schuljahren 1974/75 und 1975/76 beschäftigt worden. Er habe pro Schuljahr einen (Brutto-)Lohn von 3 000 DM (12 Monate ./. 2 Monate Schulferien = 10 Monate x 300 DM) bezogen.

Der Arbeitnehmer B sei nur in der Zeit von September 1974 bis Dezember 1974 gegen ein Gesamtentgelt von 932 DM (4 Monate x 233 DM) tätig geworden.

Die C-Arbeitnehmer hätten ihre Dienste jeweils ab den Anschaffungszeitpunkten der (Anm.: eingesetzten Arbeitsmittel) bis zum Ende des Schuljahres 1974/75 geleistet. Unter Berücksichtigung der Schulferien (pro Schuljahr 2 Monate) ergäben sich danach die folgenden Beschäftigungszeiten: . . .

Die gesamten, an die C-Arbeitnehmer gezahlten Aushilfslöhne hätten daher 24 698 DM (106 Monate x 233 DM) betragen.

Insgesamt seien mithin Aushilfslöhne in folgender Höhe angefallen:

Arbeitnehmer A 6 000 DM

Arbeitnehmer B 932 DM

C-Arbeitnehmer 24 698 DM

zusammen: 31 630 DM.

Der Einspruch des Klägers hatte zum Teil Erfolg. In bezug auf den Komplex ,,Aushilfslöhne" folgte das FA den Angaben des Klägers in seinem Schreiben vom 27. Februar 1978 und setzte den darauf entfallenden Lohnsteuer-Haftungsbetrag auf 8 856,40 DM (= 28 v. H. von 31 630 DM) herab. Von der Festsetzung eines Kirchensteuer-Haftungsbetrages wurde insoweit abgesehen. Der Einspruchsbescheid enthält keine Aufteilung der Aushilfslöhne und der darauf entfallenden Lohnsteuer auf die einzelnen Kalenderjahre. Statt dessen führte das FA in der Einspruchsentscheidung aus, es seien die Zahlen zugrunde gelegt worden, die der Einspruchsführer mit seinem Schriftsatz vom 27. Februar 1978 vorgelegt habe.

. . .

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt. Es setzte den Haftungsbetrag um die auf die Aushilfslöhne entfallende Lohnsteuer in Höhe von . . . DM herab und führte dazu u. a. aus: Würden in einem Haftungsbescheid Steuern für mehrere Kalenderjahre angefordert, so müßten die auf die einzelnen Kalenderjahre entfallenden Steuern betragsmäßig gesondert ausgewiesen werden. Dies folge aus § 211 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 97 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) sowie aus § 119 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977), wonach ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein müsse. Eine solche Aufteilung sei insbesondere deswegen erforderlich, weil bei einer Teilzahlung seitens des Haftungsschuldners feststellbar sein müsse, welche Verbindlichkeiten des Erstschuldners erloschen und welche von diesem noch zu erfüllen seien. Die Aufteilung sei ferner unerläßlich zur Feststellung einer evtl. eingetretenen Verjährung.

Im Streitfall fehle eine solche Aufteilung. Das FG übersehe nicht, daß das Schreiben des Klägers vom 27. Februar 1978 möglicherweise eine Aufteilung erlaube. Dazu bedürfe es jedoch umfangreicher Berechnungen, die dem Bestimmtheitsgebot entgegenstünden.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts . . .

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, soweit diese den Sachkomplex ,,Aushilfslöhne" betrifft, und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat den angefochtenen Haftungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung zu Unrecht insoweit als nicht hinreichend bestimmt angesehen, als er den auf die Aushilfslöhne entfallenden Steuerbetrag in Höhe von . . . DM betrifft.

Gemäß § 119 Abs. 1 AO 1977 muß ein Haftungsbescheid inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dies erfordert die genaue Angabe des Haftungsbetrages, der Steuerart sowie - bei periodischen Steuern - des Besteuerungszeitraums bzw. - bei nicht periodischen, sachverhaltsbezogenen Steuern - des Besteuerungsgegenstandes. Diesen Anforderungen wird der angefochtene Haftungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung gerecht.

1. Maßgeblich für die Beurteilung der inhaltlichen Bestimmtheit ist der angefochtene Haftungsbescheid in der Gestalt, die er durch die Einspruchsentscheidung erhalten hat. Dabei mag offenbleiben, ob der Regelungsinhalt der Einspruchsentscheidung auch dann als maßgeblich anzusehen wäre, wenn der vorausgegangene Haftungsbescheid mangels hinreichender Bestimmtheit nichtig wäre. Denn der Haftungsbescheid vom . . . ist im Hinblick auf den hier streitigen Komplex ,,Aushilfslöhne" inhaltlich genügend bestimmt.

a) Grundsätzlich ist der in einem Lohnsteuer-Haftungsbescheid festgesetzte Gesamthaftungsbetrag zunächst insoweit aufzugliedern, als er auf die einzelnen Steuerschulden eines jeden betroffenen Arbeitnehmers entfällt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8. November 1985 VI R 237/80, BFHE 145, 363, BStBl II 1986, 274, 275, m. w. N.). Eine Ausnahme von diesem Aufteilungsgebot hat der erkennende Senat jedoch u. a. dann zugelassen, wenn der Arbeitgeber von vornherein bei seinen Arbeitnehmern keinen Regreß nehmen will oder kann oder wenn der Arbeitgeber dem FA die Namen der Arbeitnehmer vorenthalten hat (Urteil in BFHE 145, 363, BStBl II 1986, 274).

Eine solche Ausnahme ist im Streitfall gegeben. Denn die fehlende Aufgliederung der im Bescheid vom . . . festgesetzten Gesamthaftungsbeträge auf die betroffenen Arbeitnehmer beruht auf der mangelhaften Erfüllung der dem Kläger obliegenden Aufzeichnungs- und Mitwirkungspflichten.

b) Der genügenden inhaltlichen Bestimmtheit des Haftungsbescheids steht auch nicht entgegen, daß weder in diesem Bescheid selbst noch in dem dort in Bezug genommenen Lohnsteuer-Außenprüfungsbericht eine Aufgliederung der Haftungsbeträge auf die einzelnen Voranmeldungszeiträume vorgenommen wurde. Wie der Senat in seinem Urteil vom 18. Juli 1985 VI R 208/82 (BFHE 145, 29, BStBl II 1986, 152) hervorgehoben hat, braucht eine solche Aufteilung nach Voranmeldungszeiträumen jedenfalls dann nicht (mehr) zu erfolgen, wenn - wie hier - der Haftungsbescheid erst nach Ablauf der betroffenen Erhebungsjahre erlassen wurde.

c) Der Senat hat eine tragende Entscheidung darüber, ob in einem derartigen Fall nicht zumindest eine Aufgliederung der Gesamthaftungsbeträge auf die einzelnen betroffenen Kalenderjahre zu erfolgen hat, noch nicht getroffen. Er hat bislang lediglich beiläufig geäußert, daß er eine solche Aufteilung nach Kalenderjahren grundsätzlich für erforderlich halte (Urteile vom 7. Dezember 1984 VI R 70/81, BFH/NV 1985, 110, 112, und vom 14. Juni 1985 VI R 167/81, BFH/NV 1986, 303, 305). Demgegenüber hat der VII. Senat des BFH die Auffassung vertreten, daß die Anforderungen an den Inhalt eines Haftungsbescheids nicht anhand allgemeiner, für alle Fälle geltender Kriterien bestimmt werden könnten. Vielmehr könne die Frage, inwieweit in einem Haftungsbescheid die Haftungsschuld selbst bestimmt und insbesondere auf die einzelnen Haftungszeiträume aufgegliedert werden müsse, nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles beantwortet werden (vgl. z. B. die Urteile vom 8. März 1988 VII R 6/87, BFHE 152, 418, BStBl II 1988, 480, 481, und vom 7. Mai 1985 VII R 175/82, BFH/NV 1986, 313).

Der Streitfall bietet keine Veranlassung, zu dieser Streitfrage abschließend Stellung zu nehmen. Selbst wenn man eine Aufteilung der Haftungsbeträge auf die einzelnen Kalenderjahre verlangt, wird der Haftungsbescheid diesen Anforderungen gerecht. Zwar weist er selbst die Gesamthaftungsbeträge an Lohnsteuer, römisch-katholischer und evangelischer Kirchenlohnsteuer lediglich jeweils in einer Summe aus. Jedoch nimmt er ausdrücklich auf den beigefügten Lohnsteuer-Außenprüfungsbericht Bezug, dessen Tz. 2 eine hinreichende Aufgliederung der erfaßten Haftungstatbestände in zeitlicher Hinsicht enthält.

Wenngleich die gebotene Aufteilung der Haftungsbeträge grundsätzlich im verfügenden Teil (Tenor, Entscheidungssatz) des Bescheids vorgenommen werden soll (BFH-Urteil in BFHE 145, 29, BStBl II 1986, 152, 153), hat es der Senat auch genügen lassen, daß in dem Haftungsbescheid auf den als Anlage beigefügten oder bereits vorher zugesandten Außenprüfungsbericht Bezug genommen wurde und die für die inhaltliche Bestimmtheit des Bescheids erforderlichen Angaben aus diesem Bericht ersichtlich waren (Beschluß vom 1. August 1985 VI R 28/79, BFHE 144, 244, BStBl II 1985, 664, 668, und Urteil in BFHE 145, 29, BStBl II 1986, 152, 153).

Tz. 2 des in dem angefochtenen Haftungsbescheid in Bezug genommenen Berichts über die Lohnsteuer-Außenprüfung enthält zwar keine ausdrückliche Aufgliederung der Haftungsbeträge auf die sieben Prüfungsjahre. Das ist jedoch deshalb unschädlich, weil der Prüfer und das FA erkennbar von gleichbleibenden Lohnzuflüssen im gesamten Prüfungszeitraum (1970 bis 1976) ausgingen, so daß auf jedes betroffene Kalenderjahr 1/7 der für den gesamten Haftungszeitraum aufgeführten Beträge entfällt.

2. Entgegen der vom FG vertretenen Auffassung genügt auch die den Haftungsbescheid ändernde Einspruchsentscheidung den Anforderungen, die § 119 Abs. 1 AO 1977 an die inhaltliche Bestimmtheit von Bescheiden stellt. Dies gilt selbst dann, wenn man - was auch hier offenbleiben kann - für die genügende inhaltliche Bestimmtheit der Einspruchsentscheidung eine Aufgliederung des dort festgesetzten Gesamthaftungsbetrages auf die einzelnen Kalenderjahre verlangt.

Zwar enthält die Einspruchsentscheidung selbst keine Aufteilung des auf den streitigen Komplex ,,Aushilfslöhne" entfallenden Gesamthaftungsbetrages auf die einzelnen Kalenderjahre. Eine solche Aufgliederung läßt sich jedoch dem Schreiben des Klägers vom 27. Februar 1978 entnehmen.

Dieses Schreiben kann zur Konkretisierung des in der Einspruchsentscheidung wegen des Komplexes ,,Aushilfslöhne" festgesetzten Gesamthaftungsbetrages herangezogen werden, da in der Einspruchsentscheidung ausdrücklich darauf Bezug genommen worden ist. Es enthält - vergleichbar einem Außenprüfungsbericht - eine lückenlose und für alle Beteiligten bedeutsame Darstellung der entscheidungserheblichen Haftungstatbestände und Besteuerungsgrundlagen. Das FA ist diesen Angaben in der Einspruchsentscheidung ohne Abweichungen gefolgt. Unter diesen Umständen erschiene es als überflüssiger Formalismus, zu verlangen, daß diese Angaben in der Einspruchsentscheidung hätten wiederholt werden müssen.

a) Der Arbeitnehmer A erhielt ausweislich des Schreibens vom 27. Februar 1978 in den Schuljahren 1974/75 und 1975/76 jeweils in 10 Monaten (12 Monate ./. 2 Monate Schulferien) einen gleichbleibenden Monatslohn von 300 DM. Da die betreffenden Schuljahre - wie allgemein bekannt - im September 1974 bzw. 1975 begannen und die mit 2 Monaten berücksichtigten Schulferien insgesamt jeweils in dem auf den Beginn des Schuljahres folgenden Kalenderjahr lagen, lassen sich die betreffenden Löhne ohne weiteres wie folgt auf die Kalenderjahre 1974 bis 1976 aufteilen:

September bis Dezember 1974 (4x300 DM) = 1 200 DM

1975 (12 Monate ./. 2 Monate Schulferien = 10x300 DM) = 3 000 DM

Januar bis Juni 1976 (6x300 DM) = 1 800 DM

zusammen: 6 000 DM.

b) Der Arbeitnehmer B erhielt nach dem genannten Schreiben für die Zeit von September 1974 bis Dezember 1974 ein Bruttoentgelt von zusammen 932 DM.

c) Bei den C-Arbeitnehmern ist es zunächst als unschädlich anzusehen, daß die Namen der eingesetzten Aushilfskräfte und die auf sie entfallenden Steuerschulden weder in der Einspruchsentscheidung noch in dem dort in Bezug genommenen Schreiben vom 27. Februar 1978 aufgeführt sind. Nach den unter 1. a) dargelegten Grundsätzen waren dahingehende Angaben seitens des FA deswegen entbehrlich, weil der Kläger dem FA weder ausreichende Aufzeichnungen vorgelegt noch das FA auf andere Weise von den Namen der Arbeitnehmer in Kenntnis gesetzt hat.

Auch in zeitlicher Hinsicht können die an die C-Arbeitnehmer gezahlten Aushilfslöhne anhand der im Schreiben vom 27. Februar 1978 enthaltenen Angaben ohne großen Rechenaufwand zuverlässig den in Betracht kommenden Kalenderjahren zugeordnet werden. Diese Zuordnung wird insbesondere dadurch ermöglicht, daß die Beteiligten übereinstimmend von einem über den gesamten Haftungszeitraum (September 1973 bis Juli 1975) gleichbleibenden Arbeitslohn je . . . (Anm.: eingesetztes Arbeitsmittel pro Arbeitnehmer) von monatlich 233 DM ausgegangen sind.

Die (Anm.: Arbeitsmittel) sind in den Jahren 1973 bis 1975 wie folgt eingesetzt worden: . . .

Demgemäß können die die C-Arbeitnehmer betreffenden Aushilfslöhne den Kalenderjahren 1973 bis 1975 wie folgt zugeordnet werden:

1973 ( 8x233 DM) = 1 864 DM

1974 (49x233 DM) = 11 417 DM

1975 (49x233 DM) = 11 417 DM

zusammen: 24 698 DM.

3. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, ist die Vorentscheidung insoweit aufzuheben, als sie den Komplex ,,Aushilfslöhne" betrifft. Die Sache ist insoweit an das FG zurückzuverweisen, weil es - aus seiner Sicht zu Recht - noch keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen zu den materiell-rechtlichen Einwendungen des Klägers gegen die Inanspruchnahme wegen der auf die Aushilfslöhne entfallenden Lohnsteuer getroffen hat. Entsprechende Feststellungen wird das FG nunmehr nachzuholen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63043

BFH/NV 1991, 600

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