Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Abschnitt 125 Abs. 2 Satz 2 EStR 1953 (Verteilung größeren Erhaltungsaufwandes auf mehrere Jahre) ist eine Verwaltungsvorschrift, die von den Steuergerichten nicht anzuwenden ist.

 

Normenkette

EStG § 11 Abs. 2 S. 1; EStR Abschn. 125 Abs. 2 S. 2; EStR Abschn. 157/2/2

 

Tatbestand

Die Vorinstanzen haben eine nachträgliche Verteilung größerer Instandsetzungskosten für ein Wohnhaus auf zwei Jahre abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) der Steuerpflichtigen.

Die Beschwerdeführerin (Bfin.) ist Eigentümerin eines Mietwohngrundstücks. Sie ist beschränkt steuerpflichtig. Entsprechend ihrer Steuererklärung für 1952 ist der überschuß der Ausgaben über die Einnahmen aus der Vermietung des Grundstücks auf 1.791,43 DM festgestellt und ein Freistellungsbescheid erteilt worden. Im Streitjahr 1953 erzielte die Bfin. einen überschuß der Einnahmen über die Ausgaben von 2.659,81 DM und ist dementsprechend veranlagt worden. Ihrem Antrag in der Einkommensteuererklärung 1953, nachträglich von den Reparaturausgaben 1952 von 6.296,05 DM einen Betrag von 3.591,32 DM als verteilungsfähige Instandsetzungskosten anzusehen und gemäß Abschnitt 125 Abs. 2 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1953 auf 1952 und 1953 zu verteilen - was eine Verminderung des Einnahmeüberschusses 1953 um 3.591,32 : 2 = 1.796 DM bedeutet hätte -, haben die Vorinstanzen aus Rechtsgründen nicht entsprochen.

Das Finanzgericht ist der Ansicht, daß es sich bei der Verteilungsmöglichkeit nach Abschnitt 125 Abs. 2 EStR 1953 um eine Abweichung vom Gesetz handele, die aber trotzdem als bindende Verwaltungsanordnung zu berücksichtigen sei. Die Folge davon sei, daß die Verwaltungsanordnung auch mit ihren Einschränkungen bindend sei. Die Steuererleichterung sei von einem Antrage abhängig gemacht. Dieser Antrag auf Verteilung der Aufwendungen hätte vor Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides 1952 gestellt werden müssen. Da er erst nach Rechtskraft gestellt sei, könne er nicht mehr berücksichtigt werden.

Nach Ansicht der Bfin. handelt es sich bei der Bestimmung des Abschnitts 125 Abs. 2 EStR 1953 um eine Gesetzesauslegung. Ein fristgebundener Antrag auf Erteilung der Aufwendungen sei daher nicht erforderlich.

Der Bundesminister der Finanzen hat zu der Rechtsfrage unter anderem wie folgt Stellung genommen: "Die in Abschnitt 125 Abs. 2 Satz 2 EStR 1953 enthaltene Bestimmung findet sich inhaltlich gleich bereits in den Veranlagungsrichtlinien 1936 Buchstabe C Abschnitt VI Ziffer 5 - RStBl 1937 S. 217 (243) -, die sich dabei auf die bisherige Verwaltungsübung und Rechtsprechung (RFH VI A 154/27 vom 8. Mai 1927 - RStBl 1927 S. 188 - Slg. Bd. 21 S. 201) berufen. Dieses Urteil geht für die Frage der Berücksichtigung des laufenden Erhaltungsaufwands davon aus, daß auf Anlagegegenstände alljährlich gewisse Aufwendungen notwendig werden, die in einer bestimmten Jahreshöhe regelmäßig wiederkehren und bei denen es daher gleichgültig ist, ob sie alle im einzelnen nach der Zeitdauer des Nutzens der Verwendung auf mehrere Jahre verteilt werden und als Summe dann das einzelne Jahr belasten oder ob sie in der Höhe des jeweiligen Jahresanfalls als Ausgabe abgebucht werden. Die Aufwendungen für die Erhaltung eines Miethauses kehrten zu einem erheblichen Teil erst in größeren Zeiträumen wieder. Der laufende jährliche Erhaltungsaufwand ergebe sich, indem man den Aufwand für die einzelnen Ausbesserungen auf die Jahre der Nutzungsdauer verteile und die Summe der Jahresanteile zusammenrechne. Der Vermeidung von Streitigkeiten und der Vereinfachung würde es am meisten dienen, wenn nach Art und Größe der Miethäuser abgestufte, einen gewissen Spielraum für den Einzelfall lassende Durchschnittsätze aufgestellt würden. Solange sie nicht beständen, könne man den vollen Abzug des tatsächlich insgesamt für größere Ausbesserungen aufgewendeten Betrags für das Jahr der Ausgabe nicht versagen. Es dürfe aber nicht übersehen werden, daß dem Pflichtigen auch an der Verteilung der größeren Ausgaben gelegen sein könne, z. B. wenn sie die Einkünfte des Veranlagungszeitraums überstiegen.

Diese Ausführungen sprechen dafür, daß der RFH die Verteilung größerer Erhaltungsaufwendungen, deren Nutzen sich nicht im Entstehungsjahr erschöpft, als mit § 16 Abs. 2 und § 11 Abs. 4 in Verbindung mit Absatz 1 EStG 1925 vereinbar angesehen hat. Klarer noch kommt dies in den Gründen des Urteils VI A 136/33 vom 14. März 1933 (RStBl 1933 S. 634) zum Ausdruck. Sie erkennen dem Pflichtigen ein Wahlrecht zu, entweder den laufenden Aufwand alsbald voll abzuziehen oder auf die Dauer der Nutzung der einzelnen mit dem Aufwand geschaffenen Anlagen entsprechend § 16 Abs. 2, 3 EStG 1925 zu verteilen, sofern der Nutzen längere Zeit anhält.

Aus § 7 Abs. 1 EStG hat der BFH im Urteil IV 8/53 vom 9. Juli 1953 (BStBl III S. 245) geschlossen, daß jeder Aufwand, dessen Nutzen sich nicht im Jahr der Aufwendung erschöpft, rechtlich als Herstellungsaufwand anzusehen sei, der nur mittels der Abnutzungsabsetzung auf die Nutzungsdauer verteilt werden könne; den Abzug solchen Aufwands im Jahr der Entstehung habe der RFH (u. a. in den oben schon zitierten Entscheidungen) - in Abweichung von § 7 Abs. 1 (früher § 16 Abs. 2) EStG - lediglich zugelassen, weil die Verteilung auf die Nutzungsdauer nicht betriebswirtschaftlichen Grundsätzen und kaufmännischer übung entspreche.

Folgt man dieser Rechtsprechung, so dürfte sich die Bestimmung in Abschnitt 125 Abs. 2 Satz 2 EStR 1953, die den Abzug des größeren Erhaltungsaufwands nicht im Jahr der Leistung fordert, sondern seine Verteilung auf mehrere Jahre zuläßt, im Rahmen der Auslegung des § 7 Abs. 1 und des § 11 Abs. 2 EStG halten.

Die Regelung könne wirtschaftlich gesehen auch eine Steuermilderung bedeuten. Diese läge darin, daß der Pflichtige nicht genötigt ist, Erhaltungsaufwendungen nach § 11 Abs. 2 EStG sofort im Entstehungsjahr abzuziehen - auch wenn dies für ihn etwa wegen der geringen Höhe seiner Einkünfte ungünstig wäre -, sondern daß ihm gestattet wird, die steuermindernde Wirkung der Ausgabe durch Verteilung in einer ihm vorteilhafteren Form auszunutzen. Eine solche Milderung dürfte im Rahmen des früheren § 13 AO gelegen haben. Die Regelung ist als Milderungserlaß aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes zu werten und von den Steuergerichten anzuwenden."

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind Ausgaben in dem Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet werden. Abschnitt 125 Abs. 2 Satz 1 EStR 1953 legt demnach das Gesetz richtig aus, wenn bestimmt wird, daß der Erhaltungsaufwand nach § 11 Abs. 2 EStG in voller Höhe in dem Kalenderjahr abzusetzen ist, in dem er geleistet ist. Eine Verlagerung von Einnahmen oder Ausgaben in das Jahr, zu dem sie wirtschaftlich gehören, läßt das Gesetz bei regelmäßig wiederkehrenden Einnahmen und Ausgaben zu, die kurz vor oder nach Beendigung des Kalenderjahrs gezahlt werden (ß 11 Abs. 1 Satz 2 und § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG). Abschnitt 125 Abs. 2 Satz 2 EStR 1953 gestattet den Steuerpflichtigen aber weitergehend nach Stellung eines entsprechenden Antrags, größere Aufwendungen an Erhaltungsaufwand innerhalb eines Jahres (z. B. Deckung des Daches, Anstrich des ganzen Hauses) auf zwei bis drei Jahre zu verteilen. Eine derartige Verteilung von Erhaltungsaufwand auf mehrere Jahre ist im Gesetz nicht vorgesehen. Aus der Bestimmung des § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG, daß bei Gebäuden und sonstigen Wirtschaftsgütern die Anschaffungs- und Herstellungskosten auf die Nutzungsdauer verteilt werden können, kann nicht gefolgert werden, daß hierdurch auch der im § 11 EStG auf ein Kalenderjahr festgelegte Zufluß und Abfluß auf mehrere Jahre erstreckt werden kann. § 7 Abs. 1 EStG findet nur auf Anschaffungs- und Herstellungkosten, nicht aber auf Erhaltungsaufwand Anwendung. Die Vorschrift des § 11 EStG geht bei Erhaltungsaufwand der Vorschrift des § 7 Abs. 1 EStG vor. Der Reichsfinanzhof hat in früheren Urteilen den Steuerpflichtigen ein Wahlrecht auf sofortigen Abzug oder auf Verteilung des Erhaltungsaufwands auf mehrere Jahre eingeräumt (Urteile des Reichsfinanzhofs VI A 154/27 vom 28. Mai 1927, Reichssteuerblatt - RStBl - 1927 S. 188, Slg. Bd. 21 S. 201, und VI A 136/33 vom 14. März 1933, RStBl 1933 S. 634). Später hat er jedoch den Standpunkt vertreten, daß ein Gebäude nur einheitlich in der Weise abzuschreiben sei, daß selbst Herstellungsaufwand mit kürzerer Nutzungsdauer als das Gebäude (z. B. bei Einbau einer Zentralheizung in ein Gebäude) nur noch auf die Nutzungsdauer des Gebäudes verteilt abzuschreiben und alle Ausgaben für Ersatz und Erneuerung als Reparaturaufwand sofort abzusetzen seien (Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 221/36 vom 27. Mai 1936, RStBl 1936 S. 886, Slg. Bd. 39 S. 277). Mit dem Grundgedanken dieser Entscheidung ist es nicht zu vereinbaren, Erhaltungsaufwand, wie er hier vorliegt, auf mehrere Jahre zu verteilen. Eine Verteilung würde bedeuten, daß das Gebäude, das in § 7 EStG als Einheit gesehen wird, entgegen dem Gesetz als eine Vielfalt einzelner Bestandteile steuerlich verschieden behandelt würde.

Abschnitt 125 Abs. 2 Satz 2 EStR 1953 ist auch kein Steuermilderungserlaß, der von den Gerichten zu beachten wäre. Die Verwaltung war auch nach früherem Recht - gestützt auf §§ 12, 13 der Reichsabgabenordnung (AO) - nicht befugt, eine klare gesetzliche Bestimmung, wie § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG zu ändern. Auch § 131 AO in alter und neuer Fassung (Neufassung durch Gesetz vom 11. Juli 1953, Bundesgesetzblatt I S. 511, mit Wirkung vom 17. Juli 1953) gibt der Verwaltung keine rechtliche Handhabe für eine gesetzesändernde Bestimmung. § 131 AO kann nur in Einzelfällen oder in einer Reihe gleichgelagerter Einzelfälle, wenn die Einziehung der Steuer nach Lage des Falles unbillig wäre, Abhilfe schaffen. Persönliche Gründe für eine Unbilligkeit als Rechtsgrundlage für die Anordnung sind nicht ersichtlich. Sachlich kann eine Unbilligkeit nicht darin gesehen werden, daß eine Steuer gemäß dem Gesetz erhoben wird.

Abschnitt 125 Abs. 2 Satz 2 EStR 1953 ist daher eine Verwaltungsanweisung, die von den Gerichten nicht zu beachten ist und die somit von den Gerichten auch nicht ausgelegt werden kann.

Die Rb. kann also keinen Erfolg haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409242

BStBl III 1959, 94

BFHE 1959, 237

BFHE 68, 237

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