Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den Voraussetzungen für die Anerkennung eines häuslichen Arbeitszimmers

 

Leitsatz (NV)

1. Die Anerkennung eines Raumes als häusliches Arbeitszimmer setzt voraus, daß der Raum so gut wie ausschließlich beruflichen Zwecken dient.

2. Bei einem als Ausbilder in leitender Stellung tätigen Diplom-Ingenieur kann die Anerkennung eines Raumes als häusliches Arbeitszimmer nicht allein deshalb abgelehnt werden, weil sich in dem Raum eine Liege befindet (Anschluß an Urteil in BFH/NV 1988, 773).

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1

 

Tatbestand

In dem Rechtsstreit geht es um die Abziehbarkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten des Klägers und Revisionsklägers (Kläger).

Die Kläger sind ein kinderloses Ehepaar, beide sind berufstätig. Der Kläger ist als Diplom-Ingenieur bei einer Körperschaft des öffentlichen Rechts tätig. Ihm obliegt die Leitung einer Ausbildungsabteilung. In diesem Zusammenhang ist er auch mit der Planung und deren Durchführung beschäftigt. Um diesen Aufgaben nachkommen zu können, will er sich ein Arbeitszimmer in seiner Wohnung eingerichtet haben. Die Wohnung der Kläger hat eine Größe von 120 qm und besteht aus Küche, Bad, Dusche, Diele, Flur, Garderobe, Wohnzimmer (33 qm), Elternschlafzimmer, Terrasse und einem Hausarbeitsraum. Das häusliche Arbeitszimmer hat eine Größe von 10 qm. Bei der Besichtigung durch einen Beamten des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) war das häusliche Arbeitszimmer mit Schreibtisch, Stuhl, Schaukelstuhl, einem Wandregal mit 12 Ablagen, einem weiteren Wandregal mit 6 Ablagen, einem Kofferradio, einem Hochschrank, einer Truhe und einer alten Wanduhr eingerichtet. Sämtliche Gegenstände waren schon älterer Art. Weiter befanden sich darin eine große Liege und ein alter Kühlschrank.

Ebensowenig wie vorher das FA hat auf die Klage der Kläger hin das Finanzgericht (FG) die Aufwendungen für das Arbeitszimmer als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers anerkannt. In seinem klageabweisenden Urteil hat das FG im wesentlichen ausgeführt, daß zwar Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anerkannt werden könnten (§ 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Da indessen Aufwendungen für die Wohnung eines Steuerpflichtigen in der Regel zu den nichtabziehbaren Kosten der Lebensführung nach § 12 Nr. 1 EStG gehörten, bedürfe es besonderer Voraussetzungen, um insoweit eine berufliche Nutzung anzunehmen. Zwar hätten die Kläger neben dem häuslichen Arbeitszimmer genügend Wohnraum für sich zur Befriedigung ihrer privaten Wohnbedürfnisse, denn die Wohnung sei immerhin 120 qm groß und das häusliche Arbeitszimmer erstrecke sich auf nur 10 qm davon. Für das FG stünde es jedoch fest, daß der Kläger sein häusliches Arbeitszimmer nicht so gut wie ausschließlich für berufliche Zwecke benutzt habe. Ein häusliches Arbeitszimmer müsse, wenn es steuerlich anerkannt werden solle, vom Gericht wie auch sonst von jedermann einwandfrei von den übrigen Wohnräumen zu unterscheiden sein. Insbesondere müsse sich aus seiner Einrichtung ergeben, daß es kein Wohnraum sei. Diese Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt. Das ergebe sich insbesondere aus dem Umstand, daß der Raum eine Liege enthalten habe, die zum Schlafen geeignet gewesen sei. Eine Liege sei kein Arbeitsmittel, das zur Erzielung von Einnahmen eines Ingenieurs diene. Jedes Ausruhen des Steuerpflichtigen selbst sei aber dem privaten Bereich zuzuordnen. Die Entscheidung hierfür müsse nach objektiven Kriterien erfolgen, wenn dem Gericht nicht möglich sei festzustellen, ob der Kläger die Liege benutze, und ob er beim Aufenthalt auf dieser Liege nur berufliche Gedankengänge verfolge, wo er sonst beruflich tätig geworden sei. Gegen die Benutzung als häusliches Arbeitszimmer spreche hier auch die Tatsache, daß dort ein Kühlschrank vorhanden gewesen sei. Es könne außer acht gelassen werden, ob der Kühlschrank benutzt oder nur für mehrere Wochen abgestellt worden sei, bis ihn die Sperrmüllabfuhr abgeholt habe. Denn auch ein Abstellraum diene privaten Zwecken. Die private Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers sei auch deshalb zu vermuten, weil dort ein Kofferradio vorhanden gewesen sei. Es könne dahingestellt bleiben, ob das häusliche Arbeitszimmer hätte anerkannt werden können, wenn lediglich das Kofferradio als berufsfremder Gegenstand aufgebaut worden sei. Auf den Umstand, daß in dem Hochschrank vielleich private oder berufliche Gegenstände aufbewahrt worden seien, komme es nach dieser Sachlage nicht mehr an. Deshalb brauche der Dissens zwischen den Äußerungen des Außendienstbeamten und der Ehefrau des Klägers nicht weiter aufgeklärt zu werden.

Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision der Kläger. Sie legen dar, daß das FG zu Unrecht die Abziehbarkeit der Aufwendungen für das Arbeitszimmer des Klägers abgelehnt habe. So spreche vor allen Dingen nicht das Vorhandensein einer Liege gegen die Verwendung als Arbeitszimmer. Denn diese habe einmal als Ablage für seine Unterlagen gedient. Zum anderen habe er auch beruflich darauf gearbeitet und sie etwaigen Besuchern aus dem Kreis der von ihm Auszubildenden, die er auf eine Prüfung vorbereitet habe, als Sitz angeboten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt nach § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des Urteils der Vorinstanz und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an diese.

Werbungskosten i. S. des § 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Das FG geht mit Recht davon aus, daß Ausgaben für die Wohnung grundsätzlich zu den typischen Kosten der Lebensführung gehören, die auch dann nicht steuerlich berücksichtigt werden dürfen, wenn sie zur Förderung des Berufs dienen (§ 12 Nr. 1 EStG). Eine Ausnahme von dieser Regel gibt es indessen dann, wenn das häusliche Arbeitszimmer von den üblichen Wohnräumen getrennt ist und aufgrund der Ausstattung feststeht, daß es so gut wie ausschließlich beruflichen Zwecken dient. Diese Tatsache verneint das FG deshalb, weil sich in dem als Arbeitszimmer erklärten Raum eine große Liege befunden hat. Außerdem waren darin ein Kofferradio und ein abgestellter alter Kühlschrank vorhanden. Aus diesen Umständen hat das FG den Schluß gezogen, daß der als Arbeitszimmer erklärte Raum, trotz im übrigen vorhandener genügender Wohnfläche für die Kläger, nicht überwiegend als Arbeitszimmer genutzt worden sei.

Daß allein die Tatsache des Vorhandenseins einer Liege der Anerkennung eines Raumes als Arbeitszimmer nicht entgegenstehen muß, hat der Senat erst kürzlich in seinem Urteil vom 18. März 1988 VI R 27/85 (BFH/NV 1988, 773) ausgesprochen. Vielmehr sind Schlüsse auf eine berufliche oder private Nutzung erst aus der tatsächlichen Verwendung der Liege zu ziehen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat dort - einen Richter betreffend - ausgeführt, es sei diesem unbenommen, statt am Schreibtisch zu sitzen, sich im Liegen auf seine Arbeit zu konzentrieren, Akten zu lesen und Urteile zu diktieren. Auch ist es nicht schädlich, wenn die Liege zu Ruhepausen zwischen diesen Arbeiten benutzt wird. Etwas anderes kann auch nicht für einen Angestellten einer Körperschaft des öffentlichen Rechts gelten, der sich vor allem mit der Ausbildung von jungen Nachwuchskräften zu beschäftigen hat. Die vom FG im wesentlichen auf die Ausstattung des Raumes mit einer Liege bezogenen Zweifel stehen daher der Annahme als Arbeitszimmer - für sich allein betrachtet - nicht entgegen.

Nach allem war daher das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und an diese zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, denn die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird noch aufzuklären haben, ob die übrigen Gegenstände des zum Arbeitszimmer erklärten Raumes eher für eine private als eine überwiegend berufliche Nutzung sprechen. So kann nicht auf sich beruhen bleiben, ob der abgestellte Kühlschrank nur kurzfristig dort bis zur Abholung durch die Sperrmüllabfuhr abgestellt oder an das Stromnetz angeschlossen gewesen ist, welch letzteres auf eine private Nutzung hindeuten würde. Ebensowenig kann ungeprüft bleiben, welche Funktion die übrigen Gegenstände des Zimmers im Streitjahr gehabt haben. Erst nach diesen Feststellungen, insbesondere dem danach verbleibenden Gesamteindruck, wird das FG in dem Rechtsstreit nochmals über die Abziehbarkeit der Aufwendungen für das Arbeitszimmer zu befinden haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417367

BFH/NV 1991, 298

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