Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerblicher Grundstückshandel oder landwirtschaftliches Hilfsgeschäft?

 

Leitsatz (NV)

1. Die Grundsätze der Abgrenzung eines gewerblichen Grundstückshandels gegenüber einer privaten Vermögensverwaltung gelten sinngemäß auch gegenüber landwirtschaftlichen Hilfsgeschäften, soweit es sich um die Veräußerung von Bauland handelt.

2. Grundstücksveräußerungen sind erst dann keine landwirtschaftlichen Hilfsgeschäfte mehr, wenn der Landwirt eine über die Parzellierung und Veräußerung hinausgehende Aktivität entfaltet, insbesondere die Aufstellung eines Bebauungsplans betreibt und/oder sich aktiv an der Erschließung des Areals beteiligt.

3. Der Abschluß eines Vertrags mit der Gemeinde zur Ablösung des Erschließungsbeitrags ist für sich genommen nicht ausreichend, um eine ,,aktive Beteiligung" an der Erschließung annehmen zu können. Entscheidend ist vielmehr, auf wessen Initiative das Vertragswerk zustande gekommen ist.

4. Auch ein mit dem Grundstücksnachbarn vorgenommener Grundstückstausch zur Bereitstellung der als Straßenzufahrt benötigten Fläche an die Gemeinde reicht nur dann aus, wenn er einer Bauplanungs- oder Erschließungsinitiative des Steuerpflichtigen entspringt.

 

Normenkette

EStG § 13 Abs. 1 S. 1, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2; GewStG § 2 Abs. 1; GewStDV § 1

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Landwirt. Ein zu seinem Betriebsvermögen gehörendes Grundstück wurde von einem Baulinien- und Bebauungsplan erfaßt. Dieses Grundstück wurde auf Antrag des Klägers parzelliert und neu vermessen. Es entstanden 11 Bauplätze und zwei Parzellen Straßenland.

Am 5. Dezember 1974 schloß der Kläger mit der Gemeinde S einen Vertrag über die Erschließung und die Ablösung des Erschließungsbeitrags einschließlich einmaliger Kanal- und Wasseranschlußgebühren. Die Gemeinde verpflichtete sich dem Kläger gegenüber zur Durchführung von Erschließungsmaßnahmen gegen Zahlung von . . . DM.

Am 10. April 1975 übertrug der Kläger der Gemeinde S eine 777 qm große Grundstücksparzelle zur Herstellung von Straßen unentgeltlich. Mit einem Dritten tauschte er im Bereich des Bebauungsplans liegende Grundflächen, wobei der Dritte sich u. a. als Gegenleistung verpflichtete, eine Grundfläche von 202 qm für Straßenzwecke an die Gemeinde S unentgeltlich zu übertragen. Weiterhin übernahm der Kläger für drei dem Dritten gehörende Grundstücke die vollen Erschließungskosten.

10 der 11 Bauparzellen verkaufte der Kläger an Fremde. Er stellte diese von den ihm durch den Erschließungsvertrag entstandenen Erschließungskosten gegen Zahlung bestimmter Beträge frei.Der Betriebsprüfer - und ihm folgend der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) - beurteilte die Grundstücksverkäufe des Klägers als gewerblichen Grundstückshandel und nahm den Beginn des Gewerbebetriebes auf den 1. Januar 1974 an. Demgemäß errechneten sie für diesen Zeitpunkt für die betreffenden Grundflächen einen auf der Entnahme dieser Flächen aus dem landwirtschaftlichen Betriebsvermögen beruhenden Entnahmegewinn von . . . DM, der im Wirtschaftsjahr 1973/74 erfaßt wurde. Der Gewinn aus Gewerbebetrieb (Grundstückshandel) wurde für das Jahr 1974 auf . . ., für das Jahr 1975 auf . . . und für das Jahr 1976 auf . . . festgesetzt.

Hiergegen haben die Kläger Klage erhoben und vorgetragen, daß aus der Veräußerung von Bauplätzen keine gewerbliche Tätigkeit abzuleiten sei und die jeweils bei der Veräußerung der einzelnen Grundstücke aus dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen entstandenen Veräußerungsgewinne gemäß § 6 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf das im Jahre 1975/76 errichtete Hofgebäude zu übertragen seien.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unbegründet abgewiesen.

Mit ihrer hiergegen eingelegten Revision rügen die Kläger eine Verletzung des § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG i. V. m. § 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV).

Durch den Erschließungsvertrag habe er - der Kläger - nicht auf eine zügige Durchführung der Erschließungsmaßnahmen durch die Gemeinde hingewirkt; vielmehr sei er von jener zum Vertragsabschluß gedrängt worden.

Die Abwälzung der Erschließungskosten auf die Grundstückserwerber sei lediglich eine notwendige Folge seiner Kostentragungspflicht.

Die unentgeltliche Zurverfügungstellung von öffentlichen Straßenflächen, die Bewilligung einer entsprechenden Baulast und der Tauschvertrag mit dem Grundstücksnachbarn seien zwangsläufige Folgen der Bebauungsplanung der Gemeinde gewesen.

Die Kläger beantragen, das Urteil des FG aufzuheben und die Einkommensteueränderungsbescheide 1973 bis 1976 vom 2. Juni 1980 i. d. F. des Einspruchsbescheides vom 5. August 1982 insoweit zu ändern, daß unter Rückgängigmachung des im Wirtschaftsjahr 1973/74 erfaßten Entnahmegewinns sowie der von der Betriebsprüfung erfaßten Gewinne aus Gewerbebetrieb ein Veräußerungsgewinn in Höhe von insgesamt . . . auf das im Jahr 1976 fertiggestellte landwirtschaftliche Wohngebäude nach § 6 b EStG übertragen wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Streitsache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Entscheidung des FG, daß die Merkmale einer gewerblichen Betätigung gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG), § 1 GewStDV (jetzt auch § 15 Abs. 2 EStG) vorliegen, wird von den getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht getragen.

Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Grundsätze der Abgrenzung eines gewerblichen Grundstückshandels gegenüber einer privaten Vermögensverwaltung sinngemäß auch gegenüber landwirtschaftlichen Hilfsgeschäften gelten, soweit es sich - wie hier - um die Veräußerung von Bauland und nicht mehr um die für den landwirtschaftlichen Betrieb üblichen Geschäfte mit Grundstücken (z. B. zur landwirtschaftlichen Nutzung) handelt (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. Dezember 1970 IV R 286/66, BFHE 101, 520, BStBl II 1971, 456; vom 7. Februar 1973 I R 210/71, BFHE 109, 308, BStBl II 1973, 642; vom 28. Juni 1984 IV R 156/81, BFHE 141, 513, BStBl II 1984, 798; vom 6. Februar 1986 IV R 133/85, BFHE 146, 244, BStBl II 1986, 666; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 6. Aufl., § 15 Anm. 26, 11).

Nach den Urteilen in BFHE 101, 520, BStBl II 1971, 456 und in BFHE 141, 513, BStBl II 1984, 798 sind Grundstücksveräußerungen erst dann keine landwirtschaftlichen Hilfsgeschäfte mehr, wenn der Landwirt eine über die Parzellierung und Veräußerung hinausgehende Aktivität entfaltet, insbesondere die Aufstellung eines Bebauungsplans betreibt und/oder sich aktiv an der Erschließung des bisher landwirtschaftlich genutzten Areals als Baugelände beteiligt.

Ob der Kläger an der Aufstellung des Bebauungsplans mitgewirkt hat, hat das FG dahingestellt sein lassen. Es hat den Abschluß des Erschließungsvertrags und die Zahlung des Ablösebetrags von . . . DM sowie die unentgeltliche Bereitstellung von Straßenland als hinreichende Förderung der Erschließung angesehen.

Der Senat vermag sich dieser Auffassung nicht anzuschließen.

Der Abschluß des Erschließungsvertrags mit der Gemeinde ist für sich genommen nicht ausreichend, um eine ,,aktive Beteiligung" an der Erschließung annehmen zu können. Entscheidend ist vielmehr, auf wessen Initiative das Vertragswerk zustande gekommen ist. Von einer ,,aktiven Beteiligung" des Klägers an der Erschließung kann dann gesprochen werden, wenn der Kläger und nicht die Gemeinde auf den Vertragsabschluß hingewirkt und diesen vorangetrieben hat. Eine aktive Beteiligung wäre dagegen zu verneinen, wenn der Vertragsabschluß auf Initiative der Gemeinde, etwa zur Vermeidung der Festsetzung von Vorausleistungen gemäß § 133 Abs. 3 des Bundesbaugesetzes (BBauG) betrieben worden sein sollte. In einem solchen Falle sind die vertragliche Vorfinanzierung der anschließend auf die Erwerber überwälzten Erschließungskosten und/oder die unentgeltliche Bereitstellung von Straßenland durch den veräußernden Landwirt (vgl. BFHE 141, 513, BStBl II 1984, 798) einschließlich der entsprechenden Baulastbewilligung für die Annahme einer gewerblichen Betätigung des Klägers nicht ausreichend, um einen gewerblichen Grundstückshandel anzunehmen. Denn es kann keinen wesentlichen Unterschied bilden, ob Bauplätze als Brutto- oder Nettoflächen veräußert werden, mithin ob diese Leistungen bereits durch den Veräußerer oder erst durch den Erwerber erbracht werden.

Auch der vom FG festgestellte Grundstückstausch zwischen dem Kläger und seinem Grundstücksnachbarn zur Bereitstellung einer als Straßenzufahrt benötigten Fläche an die Gemeinde reicht als solcher nicht ohne weiteres für die Annahme einer gewerblichen Betätigung aus. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß bei der Kompliziertheit von Bebauungsplanungen der Abschluß derartiger und weiterer Vereinbarungen nicht unüblich ist. Eine aktive Mitwirkung an der Baureifmachung und Erschließung der zu veräußernden Grundstücksfläche im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung ist deshalb nur dann in einer solchen Tauschvereinbarung zu sehen, wenn sie einer Bauplanungs- oder Erschließungsinitiative des Steuerpflichtigen entspringt und nicht lediglich Ausdruck eines bereits laufenden Vollzugs einer gemeindlichen Bebauungsplanung ist.

Ist unter Berücksichtigung der hierzu noch zu treffenden Feststellungen nicht davon auszugehen, daß der Kläger sich aktiv an der Erschließung beteiligt hat, so wird die bisher vom FG - aus seiner Sicht zu Recht - offengelassene Frage zu prüfen sein, ob der Kläger die Aufstellung des Bebauungsplans betrieben hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415347

BFH/NV 1988, 301

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