Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Zulässigkeit der Willkürung von Mietwohngrundstücken bei Land- und Forstwirten

 

Leitsatz (NV)

Ein Land- und Forstwirt kann ein Mietwohnhaus, das er auf zugekauftem Grund und Boden errichtet, nicht als Betriebsvermögen behandeln.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, § 13

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden in den Streitjahren 1983 und 1984 als Ehegatten zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger, buchführender Landwirt, veräußerte im September 1982 seine Hofstelle zum Preis von ... DM an die A- Kohlenwerke Aktiengesellschaft (AG), die darauf den Tagebau betreiben wollte. Auf den Kaufpreis wurde ein Betrag von ... DM angerechnet; zu diesem Wert erhielt der Kläger im Wege des Tauschs Ersatzgrundstücke. Auf einem dieser Grundstücke errichtete der Kläger ein Mehrfamilienhaus, das er nach Fertigstellung fremdvermietete. Den Veräußerungsgewinn stellte der Kläger in eine Rücklage nach § 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG) ein, die er in den Wirtschaftsjahren 1982/83 und 1983/84 teilweise auf die Anschaffungskosten des Grund und Bodens und die Herstellungskosten des Gebäudes übertrug.

Nach einer Betriebsprüfung erkannte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) die Übertragung der Rücklage nicht an und erließ entsprechend berichtigte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre.

Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage mit der Begründung statt, die Übertragung der Rücklage sei Rechtens, da das erworbene und bebaute Ersatzgrundstück zum Betriebsvermögen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs des Klägers gehöre. Für eine Unterscheidung zwischen notwendigem und gewillkürtem Betriebsvermögen fehle es an einer Rechtsgrundlage.

Mit seiner dagegen gerichteten, vom FG zugelassenen, Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Zu Unrecht hat das FG angenommen, das fremdvermietete Grundstück sei Betriebsvermögen und als solches zur Übertragung stiller Reserven nach § 6b Abs. 3 Satz 2 EStG geeignet.

1. Nach § 6b Abs. 1 und Abs. 3 EStG können Steuerpflichtige, die Grund und Boden veräußern, den dabei entstandenen Gewinn u. a. bei den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des im Wirtschaftsjahr der Veräußerung angeschafften Grund und Bodens abziehen oder eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage bilden, um in einem späteren Wirtschaftsjahr der Anschaffung einen Betrag bis zur Höhe dieser Rücklage von den Anschaffungskosten des Grund und Bodens abzuziehen. Voraussetzung ist jedoch u. a., daß die angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen gehören (§ 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG).

2. Die Auffassung des FG, das angeschaffte und alsbald mit einem Mietwohnhaus bebaute Grundstück sei Anlagevermögen des nach der Veräußerung der Hofstelle verbliebenen land- und forstwirtschaftlichen Betriebs des Klägers geworden, hält der revisionsgerichtlichen Prüfung nicht stand. Zu Unrecht meint das FG, für die Frage der Zuordnung eines Wirtschaftsguts komme es nicht auf das Vorliegen einer objektiv erkennbaren Bestimmung des Wirtschaftsguts zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb des Steuerpflichtigen an; allein entscheidend sei vielmehr auf die subjektive Bestimmung des Wirtschaftsguts für betrieb liche Zwecke abzustellen. Dabei verkennt das FG, daß auch die subjektive Bestimmung eines Wirtschaftsguts für betriebliche Zwecke als innere Tatsache nur anhand von Indizien eindeutig zu klären ist. Daran vermag auch der Rückgriff auf das Veranlassungsprinzip des § 4 Abs. 4 EStG nichts zu ändern. Insbesondere wird dadurch die in ständiger Rechtsprechung vertretene Dreiteilung der Wirtschaftsgüter in solche des notwendigen oder gewillkürten Betriebsvermögens und des notwendigen Privatvermögens nicht entbehrlich (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 11. November 1987 I R 7/84, BFHE 152, 84, BStBl II 1988, 424). Diese Rechtsprechung beruht auf einer Auslegung des Begriffs "Betriebsvermögen" in § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG, die der Unterscheidung von Wirtschaftsgütern Rechnung trägt, die in einem objektiven Zusammenhang mit dem Betrieb stehen von solchen, bei denen der Zusammenhang erst durch Widmung zu betrieblichen Zwecken hergestellt wird. In beiden Fällen beruht die Zuordnung zum Betriebsvermögen auf einer betrieblichen Veranlassung (BFH in BFHE 152, 84, BStBl II 1988, 424) und führt zu den gleichen Rechtsfolgen. Entgegen der Auffassung des FG beruht die Unterscheidung notwendiger und gewillkürter Wirtschafts güter des Betriebsvermögens daher auf einer Rechtsgrundlage.

a) Das erworbene, bebaute und anschließend fremdvermietete Grundstück gehörte danach nicht zum notwendigen Betriebsvermögen des Klägers, da es nicht unmittelbar für eigene betriebliche Zwecke genutzt wurde (vgl. BFH-Urteile vom 1. Dezember 1976 I R 73/74, BFHE 121, 135, BStBl II 1977, 315; vom 6. März 1991 X R 57/88, BFHE 164, 246, BStBl II 1991, 829 und vom 12. September 1991 IV R 14/89, BFHE 165, 518, BStBl II 1992, 134).

b) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH können jedoch Wirtschaftsgüter, die weder notwendiges Betriebsvermögen noch notwendiges Privatvermögen sind, als sog. gewillkürtes Betriebsvermögen bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG berücksichtigt werden, wenn sie objektiv geeignet und vom Betriebsinhaber erkennbar dazu bestimmt sind, den Betrieb zu fördern (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 7. April 1992 VIII R 86/87, BFHE 168, 572, BStBl II 1993, 21 m. w. N.). Zwar sind fremdvermietete Grundstücke nicht notwendiges Privatvermögen und können daher grundsätzlich zu Betriebsvermögen gemacht werden. Allerdings sind nach der Rechtsprechung des BFH bei Land- und Forstwirten ebenso wie bei Freiberuflern gewisse Einschränkungen zu beachten, die sich aus den Besonderheiten der Einkunftsart ergeben (Beschluß vom 19. Januar 1982 VIII B 57/80, BFHE 135, 440, BStBl II 1982, 526; Senatsurteile vom 28. Oktober 1982 IV R 73/81, BFHE 137, 32, BStBl II 1983, 106 und vom 23. Mai 1991 IV R 58/90, BFHE 164, 537, BStBl II 1991, 798; sowie die Freiberufler betreffenden Urteile vom 23. Mai 1985 IV R 198/83, BFHE 144, 53, BStBl II 1985, 517; vom 17. April 1986 IV R 115/84, BFHE 146, 419, BStBl II 1986, 607 und vom 12. Mai 1989 III R 68/85, BFHE 157, 284, BStBl II 1989, 666).

c) Entgegen der Auffassung des FG genügt ein "gewisser objektiver Zusammenhang zu dem Betrieb" neben einer klaren Willensbekundung nicht für die Annahme gewillkürten Betriebsvermögens. Demzufolge reicht es nicht aus, daß die Mieterträge im land- und forstwirtschaftlichen Betrieb Verwendung finden oder das Mietwohngrundstück als Sicherheit für betriebliche Kredite eingesetzt werden könnte. Zwar hat der Senat noch in einem zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit ergangenen Urteil ausgeführt, daß die in einem gewissen objektiven Zusammenhang mit dem Betrieb stehenden und diesen zu fördern bestimmten und geeigneten Wirtschaftsgüter als gewillkürtes Betriebsvermögen in Betracht kommen (Senatsurteil vom 12. Februar 1976 IV R 188/74, BFHE 118, 212, BStBl II 1976, 663); er hat dazu jedoch später klarstellend einen objektiven Zusammenhang des Wirtschaftsguts mit dem Betrieb gefordert, der "eindeutig ist" (Senatsurteil vom 15. April 1981 IV R 129/78, BFHE 133, 282, BStBl II 1981, 618).

d) Die ebenso wie für Freiberufler auch für Land- und Forstwirte bestehenden Einschränkungen der Möglichkeit, gewillkürtes Betriebsvermögen zu bilden, beruhen auf dem durch § 13 EStG umrissenen Tätigkeitsbereich der Land- und Forstwirtschaft. Der in der Vermutung des § 344 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) zum Ausdruck kommende umfassende betriebliche Bereich eines Handelsgewerbes läßt sich auf den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft nicht übertragen (§ 3 Abs. 1 HGB). Dies hat auch steuerrechtliche Folgen. Ungeachtet des in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG geregelten Sonderfalls einer Nutzungsänderung, können in der Land- und Forstwirtschaft daher nur alle die Wirtschaftsgüter gewillkürtes Betriebsvermögen sein, deren Nutzung in der Landwirtschaft möglich ist. Wirtschaftsgüter, die dem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft wesensfremd sind und bei denen eine eindeutige sachliche Beziehung zum Betrieb fehlt, sind kein Betriebsvermögen (BFH in BFHE 137, 32, BStBl II 1983, 106). Fehlt es von der Sache her an der inneren Verknüpfung der Wirtschaftsgüter mit dem landwirtschaftlichen Betrieb, kann im Wege der Willkürung von Betriebsvermögen der Bereich der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nicht verändert werden (BFH-Urteile vom 19. Juli 1960 I 185/59 S, BFHE 71, 629, BStBl III 1960, 485 und in BFHE 137, 32, BStBl II 1983, 106). Demzufolge kann ein hinzuerworbenes Grundstück nicht gewillkürtes Betriebsvermögen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs sein, wenn es der Steuerpflichtige von Anfang an nicht für landwirtschaftliche Zwecke bestimmt hat (Senatsurteil vom 28. November 1991 IV R 58/91, BFHE 167, 19, BStBl II 1992, 521 insoweit n. v., vgl. Steuerrechtliche Entscheidungen zur Land- und Forstwirtschaft 1991, 22).

e) Im Streitfall ist die geforderte objektive Eignung des Mietwohngrundstücks, dem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zu dienen, nicht gegeben. Einer Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen als Vorrats gelände steht entgegen, daß das Grundstück auf Dauer von einer landwirtschaft lichen Nutzung ausgeschlossen ist. Die entfernte Möglichkeit einer Verpfändung für betriebliche Kredite vermag ebenso wie die Verwendung etwaiger Veräußerungserlöse oder der Mieteinnahmen im land- und forstwirtschaftlichen Betrieb die fehlende objektive Eignung des Wirtschaftsguts aufgrund seiner Beschaffenheit nicht zu ersetzen. Die Nutzung eines Mietwohngrundstücks ist grundsätzlich dem Bereich der Vermögensverwaltung und nicht der durch § 13 EStG gekennzeichneten land- und forstwirtschaftlichen Betätigung zuzurechnen.

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem vom FG herangezogenen Urteil des I. Senats des BFH vom 1. Oktober 1986 I R 96/83 (BFHE 148, 32, BStBl II 1987, 113). Denn abgesehen davon, daß der dort entschiedene Fall einen Gewerbebetrieb betraf, der in der Willkürung von Betriebsvermögen von vornherein freier ist (s. 2. d), besteht der entscheidende Unterschied zum Streitfall darin, daß es im Urteil in BFHE 148, 32, BStBl II 1987, 113 allein um die Frage der Entnahme bei Vermietung eines bisher zum notwendigen Betriebsvermögen gehörenden Grundstücks ging. Eine derartige von der Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG erfaßte Nutzungsänderung würde auch bei einem Land- und Forstwirt grundsätzlich nicht zu einer Entnahme führen (vgl. etwa Senatsurteil vom 10. Dezember 1992 IV R 115/91, BFHE 170, 141, BStBl II 1993, 342).

Schließlich führt auch die Besonderheit des Streitfalls, daß das Grundstück als Ersatz für die veräußerte Hofstelle erworben wurde, nicht zu einer anderen Beurteilung. Anders als etwa im gesetzlich geregelten Umlegungsverfahren (zuletzt Senatsurteil vom 27. August 1992 IV R 89/90, BFHE 170, 21, BStBl II 1993, 225 m. w. N.) setzt sich die Betriebsvermögenseigenschaft eines veräußerten betrieblichen Grundstücks nicht an einem erworbenen Ersatzgrundstück fort. Während die Hingabe und Zuteilung von Grundstücken im Umlegungsverfahren nicht zu einer Gewinnrealisierung führt, hat der Kläger seine Hofstelle veräußert. Daß der Veräußerungserlös zum Erwerb des neuen, später bebauten Grundstücks verwendet wurde, kann wie ausgeführt, allein die Eignung, betrieb lichen Zwecken zu dienen, nicht begründen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420134

BFH/NV 1995, 288

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