Entscheidungsstichwort (Thema)

Übergangsregelung zur Geprägerechtsprechung

 

Leitsatz (NV)

Bei Veräußerung eines Anteils an einer Personengesellschaft nach dem 30. Oktober 1984 und vor dem 11. April 1985 hängt die Steuerfreiheit des Veräußerungsgewinns nach der Übergangsregelung zur gesetzlichen Festschreibung der Geprägerechtsprechung nicht davon ab, daß auch das der Veräußerung zugrunde liegende obligatorische Rechtsgeschäft innerhalb dieses Zeitraums abgeschlossen wurde.

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 3, § 16 Abs. 1 Nr. 2, § 52 Abs. 18a

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin zu 1 (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG. Einzige Komplementärin ist die X-GmbH. Die GmbH ist auch die alleinige Geschäftsführerin der Klägerin. Außer der GmbH waren an der Klägerin im Streitjahr (1985) acht Kommanditisten beteiligt; diese waren auch die Gesellschafter der GmbH.

Zu den Kommanditisten gehörten auch die Revisionsklägerin zu 2 und der Revisionskläger zu 3; diese sind im Streitjahr aus der KG ausgeschieden. Die Klägerin beschränkt sich seit ihrer Gründung auf die Vermietung von Immobilien. Sie hat in dem zu ihrem Gesellschaftsvermögen gehörenden Grundstück in Z Räume zum Betrieb einer Apotheke an R vermietet. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, daß die Klägerin keine gewerbliche Tätigkeit i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ausübt und eine gewerblich geprägte Personengesellschaft i. S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG ist.

Mit notariellen Verträgen vom 28. Juli 1984 verkauften die Revisionskläger zu 2 und 3 ihre Anteile an der Klägerin und an der GmbH an R. Die anderen Kommanditisten der Klägerin übten am 9. August 1984 ein ihnen nach dem Gesellschaftsvertrag zustehendes Vorkaufsrecht aus. Daraufhin verkauften die Revisionskläger zu 2 und 3 mit notariellem Vertrag vom 20. März 1985 ihre Anteile an der Klägerin und an der Komplementär- GmbH an vier der sieben verbliebenen Gesellschafter (GmbH bzw. Kommanditisten) der Klägerin. Die Übertragung der Anteile an der Klägerin und an der Komplementär- GmbH erfolgte am 1. April 1985. Dadurch erzielten die Revisionskläger zu 2 und 3 Veräußerungsgewinne in -- unstreitiger -- Höhe von je ... DM. Diese Veräußerungsgewinne wurden zunächst mit Bescheid vom 1. Oktober 1987, später nach dessen Aufhebung mit Bescheid vom 5. April 1989 als (Teil der) Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Klägerin festgestellt und zu gleichen Teilen den Revisionsklägern zu 2 und 3 zugerechnet. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit dem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1993, 158 veröffentlichten Urteil als unbegründet ab. Das FG war der Auffassung, die Übergangsregelung in § 52 Abs. 20 b Satz 3 EStG (jetzt § 52 Abs. 18 a Satz 3 EStG) greife im Streitfall nicht ein. Die Anwendung der Übergangsvorschrift setze in jedem Fall voraus, daß auch der obligato rische Vertrag, der zu der Veräußerung führe, nach dem 30. Oktober 1984 und vor dem 11. April 1985 rechtswirksam abgeschlossen worden sei. Denn nur unter dieser Voraussetzung habe schutzwürdiges Vertrauen auf die Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen bestehen können. Im Streitfall hätten die Revisionskläger zu 2 und 3 nicht innerhalb des "Begünstigungszeitraums" disponiert. Zwar seien die Kaufverträge am 20. März 1985 abgeschlossen worden. Entscheidend sei jedoch auf den Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts (9. August 1984) abzustellen.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassenen Revision rügen die Revisionskläger zu 2 und 3 Verletzung materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revisionen sind begründet. Sie führen zur Aufhebung des FG-Urteils und der Einspruchsentscheidung und in Abänderung des angefochtenen Feststellungsbescheids zur Feststellung des Gewinns auf ... DM ohne Ansatz von Veräußerungsgewinnen.

1. Im Streitfall haben die Revisionskläger zu 2 und 3 ihre Kommanditanteile an der Klägerin und ihre Anteile an der Komplementär-GmbH veräußert und dadurch der Höhe nach unstreitige Veräußerungsgewinne erzielt. Die Klägerin war eine gewerblich geprägte Personengesellschaft i. S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG, aus der Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt werden. Dies galt auch für das Streitjahr 1985 (vgl. § 52 Abs. 20 b, jetzt Abs. 18 a Satz 1 EStG). Die rückwirkende Festschreibung der durch den Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751) aufgegebenen sog. Geprägerechtsprechung durch das Steuerbereinigungsgesetz 1986 vom 19. Dezember 1985 (BGBl I 1985, 2436) ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. Senatsurteil vom 10. Juli 1986 IV R 12/81, BFHE 147, 63, BStBl II 1986, 811).

2. Gemäß § 52 Abs. 18 a Satz 3 EStG werden jedoch Gewinne, die durch die Ver äußerung oder Entnahme von Wirtschaftsgütern einer gewerblich geprägten Personengesellschaft entstehen, nicht berücksichtigt, bleiben also steuerfrei, wenn das Wirtschaftsgut nach dem 30. Oktober 1984 (Tag der Veröffentlichung des Beschlusses -- BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751) und vor dem 11. April 1985 (Tag der Beschlußfassung der Bundesregierung über die Gesetzesänderung; vgl. BTDrucks. 10/4513, 9, 24) veräußert oder entnommen worden ist. Das gleiche gilt gemäß § 52 Abs. 18 a Satz 3 EStG, wenn bei einer Veräußerung nach dem 10. April 1985 die Veräußerung auf einem nach dem 30. Oktober 1984 und vor dem 11. April 1985 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrag oder gleichstehenden Rechtsakt beruht. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes kommt es in der ersten Alternative des § 52 Abs. 18 a Satz 3 EStG nur auf den Zeitpunkt der Veräußerung oder Entnahme an; der Zeitpunkt des Abschlusses des obligatorischen Vertrags, der der Veräußerung zugrunde liegt, ist hingegen ohne Bedeutung. Die Vorschrift ist also auch dann anzuwenden, wenn die Veräußerung in Erfüllung eines vor dem 31. Oktober 1984 abgeschlossenen obligatorischen Vertrags erfolgt. Der Zeitpunkt des Abschlusses des obligatorischen Vertrags hat nur Bedeutung in der zweiten Alternative des § 52 Abs. 18 a Satz 3 EStG, nämlich dann, wenn das Wirtschaftsgut nach dem 10. April 1985 veräußert worden ist. Eine einschränkende Auslegung der Übergangsregelung in dem Sinne, daß auch bei Veräußerungen nach dem 30. Oktober 1984 und vor dem 11. April 1985 auch der Abschluß des obligatorischen Vertrags in diesem Zeitraum erforderlich sei, ist nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes nicht möglich. Das gilt unabhängig davon, ob eine am gebotenen Vertrauensschutz orientierte Regelung auch den vom FG für richtig gehaltenen Umfang hätte haben dürfen. Die tatsächlich getroffene Regelung trägt zudem dem Umstand Rechnung, daß bei Veräußerung in dem bestimmten Zeitraum die Vertragspartner davon ausgehen konnten, der Veräußerungsvorgang beziehe sich auf Privatvermögen im steuerrechtlichen Sinne. Es stand dem Gesetzgeber zumindest frei, diese Fälle unabhängig vom Zeitpunkt des Abschlusses des obligatorischen Vertrags in die Übergangsregelung einzubeziehen. Die Gerichte sind gemäß Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes an diese eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers gebunden.

3. Im Streitfall haben die Revisionskläger zu 2 und 3 ihre Anteile an der Klägerin sowie ihre Anteile an der Komplementär- GmbH in der Weise übertragen, daß die Inhaberschaft an diesen Rechten am 1. April 1985 auf die Erwerber überging. Damit haben die Revisionskläger zu 2 und 3 in ertragsteuerrechtlicher Sicht ihre ideellen Anteile an den Wirtschaftsgütern des Gesellschaftsvermögens der Klägerin veräußert. Die Veräußerung des Anteils an einer Personengesellschaft (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG) stellt sich nach ständiger Rechtsprechung des BFH ertragsteuerrechtlich als Veräußerung der ideellen Anteile an den Wirtschaftsgütern des Gesellschaftsver mögens dar (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 22. September 1992 VIII R 7/90, BFHE 170, 29, BStBl II 1993, 228, und vom 18. Februar 1993 IV R 40/92, BFHE 171, 422, BStBl II 1994, 224). Die so realisierten Veräußerungsgewinne bleiben im Streitfall nach den Ausführungen unter 2. steuerfrei.

Danach waren das FG-Urteil und die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420131

BFH/NV 1995, 290

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