Entscheidungsstichwort (Thema)

Fachhochschullehrer / Steuerberater - Inkompatibilität

 

Leitsatz (NV)

Die Unvereinbarkeit der Tätigkeit eines Lehrers an staatlichen verwaltungsinternen Fachhochschulen mit Ausbildungsgängen für den öffentlichen Dienst mit dem Beruf eines Steuerberaters ist nicht verfassungswidrig.

 

Normenkette

StBerG § 46 Abs. 2 Nr. 2, § 57 Abs. 3 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 2; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist als Professor an der verwaltungsinternen Fachhochschule für öffentliche Verwaltung (FHÖV) in X - Fachbereich Finanzen - tätig. Er lehrt dort Bilanzsteuerrecht, Bewertungs- und Vermögensteuerrecht. Im Mai 1989 ist er unter Befreiung von der Steuerberaterprüfung als Steuerberater bestellt worden. Durch Verfügung vom Februar 1990 hat die Beklagte und Revisionsbeklagte (Beklagte) die Bestellung mit der Begründung widerrufen, der Kläger übe eine Tätigkeit als Arbeitnehmer aus, die mit dem Beruf eines Steuerberaters nicht vereinbar sei (§ 46 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 57 Abs. 4 Nr. 2 i. V. m. Abs. 3 Nr. 4 Halbsatz 2 des Steuerberatungsgesetzes - StBerG - i. d. F. des 4. Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes - 4. StBerÄndG - vom 9. Juni 1989, BGBl I, 1062).

Die Klage des Klägers gegen die Widerrufsverfügung blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte aus, die für den Widerruf der Bestellung des Klägers maßgebliche Regelung des § 57 Abs. 3 Nr. 4 StBerG, wonach mit dem Beruf eines Steuerberaters zwar die Tätigkeit eines Lehrers an wissenschaftlichen Hochschulen und Instituten sowie Fachhochschulen vereinbar ist, nicht aber die des Lehrers an staatlichen verwaltungsinternen Fachhochschulen mit Ausbildungsgängen für den öffentlichen Dienst (Halbsatz 2), sei - entgegen der Auffassung des Klägers - verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Mit der vom FG zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, die auf den Streitfall anwendbare Vorschrift des § 57 Abs. 3 Nr. 4 Halbsatz 2 StBerG verstoße gegen die Freiheit der Berufswahl (Art. 12 des Grundgesetzes - GG -) und gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, da sie Lehrer an staatlichen verwaltungsinternen Fachhochschulen im Hinblick auf die Vereinbarkeit ihrer Tätigkeit mit dem Beruf des Steuerberaters ohne ausreichende sachliche Begründung gegenüber den Lehrern an allgemeinen Fachhochschulen benachteilige. Die vom Gesetzgeber und vom FG bei Fachhochschullehrern für Ausbildungsgänge für den öffentlichen Dienst angenommene Interessenkollision mit den Aufgaben eines zur unabhängigen Berufsausübung verpflichteten Steuerberaters lägen nicht vor. Die Professoren der FHÖV - Fachbereich Finanzen - seien - entgegen der Auffassung der Beklagten - keine Angehörigen der Steuerverwaltung. Die Finanzverwaltung habe keine Möglichkeit, auf ihre Lehrveranstaltungen Einfluß zu nehmen. Lediglich die Lehrpläne, durch die eine Stoffauswahl getroffen und Themenschwerpunkte gesetzt würden, seien - wie bei allen Fachhochschulen - festgelegt. In der Ausgestaltung der Lehrveranstaltungen und der zu vermittelnden Rechtsstandpunkte seien aber alle Fachhochschullehrer gleichermaßen frei. Auch im Hinblick auf die Unabhängigkeit in sachlicher und zeitlicher Hinsicht bestehe kein Unterschied zwischen FHÖV-Professoren und Professoren an allgemeinen Fachhochschulen, da die Rechtsaufsicht und der Umfang der Lehrveranstaltungen gleich geregelt seien.

Die starke Ausrichtung des Studiums auf die spätere Berufspraxis der Studierenden sei allen Fachhochschulen und nicht nur den FHÖV wesensgemäß. Die FHÖV unterstütze zwar die berufspraktische Ausbildung, die für seinen (des Klägers) Fachbereich im Ausbildungs-Finanzamt stattfinde, wissenschaftstheoretisch. Für die inhaltliche Abstimmung zwischen den Fachstudien und den berufspraktischen Studien sei aber vom Fachbereichsrat nur eine Lehrkraft bestimmt worden. Im übrigen könne die Ausrichtung des Studiums auf die spätere Tätigkeit der Absolventen in der Finanzverwaltung zu keiner Interessenkollision führen, weil sowohl Steuerberater als auch Sachbearbeiter des Finanzamts (FA) die bestehenden Steuergesetze anzuwenden hätten. Die Professoren seines Fachbereichs sähen ihre Aufgabe darin, die Studenten zu befähigen, nicht nur fiskalische, sondern unterschiedliche Rechtsstandpunkte begründet vertreten zu können.

Das FG habe auch aus der Zusammenarbeit mit den für die praktische Ausbildung zuständigen Verwaltungsbehörden zu Unrecht gefolgert, daß es für ihn (den Kläger) möglich sei, einen leichteren und besseren Einblick in verwaltungsinterne Vorgänge und Auffassungen zu erlangen, woraus sich ein Wettbewerbsvorteil vor anderen Steuerberatern ergeben könnte. Er habe kaum Kontakt zu den praktischen Ausbildern. Das Verwaltungshandeln unterliege im übrigen den Gesetzen, und etwaige Verwaltungsauffassungen zur Gesetzesauslegung und Gesetzesvorhaben seien für jeden aus dem Fachschrifttum ersichtlich. Mit den Regelungen des § 57 StBerG solle verhindert werden, daß ein Steuerberater eine Tätigkeit ausübe, bei der er nicht unabhängig sei. Er sei aber ebenso unabhängig wie die Professoren an anderen Fachhochschulen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Die Beklagte hat - wie das FG zutreffend entschieden hat - nach § 46 Abs. 2 Nr. 2 StBerG zu Recht die Bestellung des Klägers als Steuerberater widerrufen. Denn der Kläger übt als Professor an der verwaltungsinternen FHÖV - Fachbereich Finanzen - eine Arbeitnehmertätigkeit aus, die mit seinem zweiten Beruf als Steuerberater nicht vereinbar ist. Mit dem Beruf eines Steuerberaters ist zwar die Tätigkeit eines Lehrers an wissenschaftlichen Hochschulen und Instituten sowie Fachhochschulen grundsätzlich vereinbar (§ 57 Abs. 4 Nr. 2 i. V. m. Abs. 3 Nr. 4 Halbsatz 1 StBerG). Dies gilt jedoch nicht für Lehrer an staatlichen verwaltungsinternen Fachhochschulen mit Ausbildungsgängen für den öffentlichen Dienst (§ 57 Abs. 3 Nr. 4 Halbsatz 2 StBerG). Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, daß der Kläger an einer solchen staatlichen verwaltungsinternen Fachhochschule mit Ausbildungsgängen für den öffentlichen Dienst als Lehrer tätig ist, so daß die vorstehende Unvereinbarkeitsregelung auf ihn Anwendung findet.

2. Die Regelung des § 57 Abs. 3 Nr. 4 Halbsatz 2 StBerG, wonach Lehrer an verwaltungsinternen FHÖV - im Gegensatz zu den Lehrern an anderen Fachhochschulen (und wissenschaftlichen Hochschulen) - vom Beruf des Steuerberaters ausgeschlossen sind, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Aus § 57 Abs. 4 Nr. 2 StBerG folgt, daß grundsätzlich jede Tätigkeit als Arbeitnehmer mit dem Beruf des Steuerberaters unvereinbar ist, wenn sie nicht unter einen der Ausnahmefälle des Abs. 3 Nr. 4 sowie der §§ 58 und 59 StBerG fällt. Der Senat hat wiederholt entschieden, daß in der Regel die durch ein Arbeitsverhältnis veranlaßte zeitliche und örtliche Bindung des Arbeinehmers der vom Gesetz (§ 57 Abs. 1 StBerG) gebotenen Unabhängigkeit der Berufsausübung des Steuerberaters entgegensteht und deshalb - abgesehen von den aus besonderen Gründen abschließend normierten Ausnahmefällen - beide Tätigkeiten nicht zu vereinbaren sind (Urteile vom 5. September 1978 VII R 50/77, BFHE 126, 346, BStBl II 1979, 202, und vom 4. August 1987 VII R 169/85, BFHE 150, 272, BStBl II 1987, 790, m. w. N.). Die vorstehende Auslegung der Inkompatibilitätsregelung im StBerG verstößt nicht gegen die Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG. Der Senat verweist insoweit auf die Beschlüsse des BVerfG vom 15. Februar 1967 1 BvR 569, 589/62 (BVerfGE 21, 173) und vom 25. Juli 1967 1 BvR 585/62 (BVerfGE 22, 275) und auf seine Urteile in BFHE 126, 346, BStBl II 1979, 202 und in BFHE 150, 272, BStBl II 1987, 790.

a) Das Grundrecht der Freiheit der Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) umfaßt zwar grundsätzlich auch das Recht, mehrere Berufe zu wählen und gleichzeitig nebeneinander auszuüben. Die gesetzlich normierte Inkompatibilität zwischen dem Beruf des Steuerberaters und einer Tätigkeit als Arbeitnehmer ist ein objektives Hindernis, zu dem Beruf eines Steuerberaters einen weiteren Beruf hinzuzuwählen. Insoweit wirkt die Inkompatibilität als absolute Berufssperre. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, werden aber an objektive Beschränkungen der Zuwahl eines zweiten Berufs nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht dieselben strengen Anforderungen gestellt, die sonst für objektive Zulassungsvoraussetzungen gelten. Denn es ist ein wesentlicher Unterschied, ob eine gesetzliche Regelung den Zugang zu einem bestimmten gewünschten Beruf erheblich beschränkt oder nur den Zugang zu einem zweiten Beruf versperrt. Dem Berufsbewerber bleibt jedenfalls die ungehinderte und freie Entscheidung, je nach seiner Neigung, den einen der beiden Berufe zu ergreifen (BVerfG in BVerfGE 21, 173, 181). Die gesetzliche Inkompatibilität zwischen dem Beruf des Steuerberaters und einer Arbeitnehmertätigkeit verstößt somit nicht gegen Art. 12 GG (BVerfGE 21, 173 und 22, 275).

Im Hinblick auf die - abstrakte - Gefahr von Interessenkollisionen ist es auch nach der Rechtsprechung des Senats sachlich gerechtfertigt, die Ausübung der Steuerberatertätigkeit zu untersagen, wenn der Steuerberater in einer nach dem StBerG nicht erlaubten Weise als Arbeitnehmer tätig wird (BFHE 126, 346, BStBl II 1979, 202, 206). Nach der Gesetzesbegründung der Bundesregierung zu § 57 Abs. 2 Nr. 4 Halbsatz 2 StBerG besteht ein sachliches Bedürfnis, die Berufstätigkeit der Lehrer an staatlichen verwaltungsinternen Fachhochschulen mit Ausbildungsgängen für den öffentlichen Dienst von den mit dem Beruf des Steuerberaters zu vereinbarenden Tätigkeiten auszunehmen, weil eine Tätigkeit als Steuerberater und zugleich als Ausbilder von Angehörigen des öffentlichen Dienstes zur Interessenkollision und zu nicht vertretbaren Wettbewerbsvorteilen gegenüber anderen Steuerberatern führen kann (BTDrucks. 11/3915, S. 25). Ob diese Erwägung im Hinblick auf einen Vergleich mit anderen Lehrern an wissenschaftlichen Hochschulen, Instituten und Fachhochschulen, die neben ihrem Lehrberuf als Steuerberater tätig werden dürfen (§ 57 Abs. 3 Nr. 4 Halbsatz 1 StBerG), gerechtfertigt ist, wird unter dem verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) zu beurteilen sein. Für die Einschränkung der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG stellt der Hinweis auf die Möglichkeit von Interessenkollision und Wettbewerbsvorteilen jedenfalls eine sachgerechte Erwägung des Gesetzgebers dar. Im Hinblick auf das Berufsbild des Steuerberaters als ,,Mittler zwischen dem Steuerpflichtigen und den Finanzbehörden" (BVerfGE 21, 173, 179) erscheint es geboten, diejenigen, die die Steuerbeamten für den Dienst bei den Finanzbehörden ausbilden, von dem zusätzlich zu ihrem Hauptberuf auszuübenden Beruf des Steuerberaters ebenso auszuschließen wie andere Arbeitnehmer und insbesondere die Steuerbeamten selbst.

Schließlich ist im Streitfall noch zu berücksichtigen, daß der Kläger seine Stellung als Steuerberater, um deren Widerruf gestritten wird, unter Befreiung von der Steuerberaterprüfung erlangt hat (§ 35 Abs. 1, § 38 StBerG). Bei der Regelung des prüfungsfreien Zugangs zum Steuerberaterberuf ist der Gesetzgeber im Hinblick auf den Ausnahmecharakter dieser Bestimmungen nicht an die engen Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 1 GG gebunden; es ist lediglich am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG die Einhaltung der (äußersten) Grenzen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit zu prüfen (BVerfG-Beschluß vom 18. November 1980 1 BvR 228/73, 1 BvR 311/73, BStBl II 1981, 235, 240; Urteil des erkennenden Senats vom 4. November 1986 VII R 40/84, BFH/NV 1987, 125, 127).

b) Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf seine Vereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste und gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz kommt vor allem in Betracht, wenn der Gesetzgeber eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obgleich zwischen den beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten (BVerfG-Beschluß vom 29. November 1989 1 BvR 1402/87, 1528/87, BStBl II 1990, 479, 482, m. w. N.). Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß zwischen der Tätigkeit eines Lehrers an wissenschaftlichen Hochschulen und Instituten sowie Fachhochschulen einerseits und an staatlichen verwaltungsinternen Fachhochschulen mit Ausbildungsgängen für den öffentlichen Dienst andererseits wesentliche Unterschiede bestehen, die die unterschiedlichen Regelungen in § 57 Abs. 3 Nr. 4 Halbsatz 1 StBerG einerseits und Halbsatz 2 andererseits nicht als Verstoß gegen den Gleichheitssatz im vorgenannten Sinne erscheinen lassen. Der gesetzliche Ausschluß des Klägers als Lehrer an der FHÖV - Fachbereich Finanzen - vom Beruf des Steuerberater - im Gegensatz zu Lehrern an anderen Fachhochschulen - ist somit von der nach dem Gleichheitssatz bestehenden Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers gedeckt.

Das FG hat wegen der Unterschiede, die zwischen den beiden Gruppen von Fachhochschullehrern bestehen, zu Recht darauf hingewiesen, daß die verwaltungsinterne FHÖV für den Studiengang und den Fachbereich Finanzen der Aufsicht der Finanzbehörde unterliegt, bei ihr eine enge Anbindung an die Ausbildungsbedürfnisse der Finanzverwaltung besteht und deshalb eine Zusammenarbeit der Lehrenden mit den für die berufspraktische Studienzeit zuständigen Verwaltungsstellen gegeben ist. Es hat daraus für die Lehrer an verwaltungsinternen FHÖV - Fachbereich Finanzen - bei gleichzeitiger Berufstätigkeit als Steuerberater die Gefahr von Interessenkollisionen hergeleitet und auf die Möglichkeit von Wettbewerbsvorteilen gegenüber anderen Steuerberatern hingewiesen, die sich aus der näheren Kenntnis von verwaltungsinternen Vorgängen und Auffassungen ergeben können. Der Senat hält diese Beurteilung, wegen der er im einzelnen auf die Ausführungen der Vorentscheidung verweist, im wesentlichen für zutreffend.

Der Kläger hat zwar mit der Revision der Wertung des FG widersprochen, indem er u. a. auf die Freiheit der Lehrer in der Ausgestaltung der Lehrveranstaltungen und der zu vermittelnden Rechtsstandpunkte auch an verwaltungsinternen FHÖV, die gleichermaßen starke Ausrichtung des Studiums auf die spätere Berufspraxis der Studierenden bei allen Fachhochschulen und auf die Tatsache hingewiesen hat, daß er persönlich nicht mit der inhaltlichen Abstimmung zwischen den Fachstudien und den berufspraktischen Studien betraut sei, so daß er kaum Kontakt zu den praktischen Ausbildern am Ausbildungs-Finanzamt habe. Dieses Vorbringen ist aber allenfalls geeignet, die vom FG angenommene Gefahr von Interessenkollision und Wettbewerbsvorteilen bei gleichzeitiger Berufstätigkeit als Steuerberater abzumildern, es vermag diese aber nicht gänzlich auszuschließen. Auch wenn die Lehrer an der FHÖV, der der Kläger angehört, in der Gestaltung ihrer Lehrtätigkeit, in ihren Lehrmeinungen und in ihrer Zeiteinteilung im gleichen Maße unabhängig sind wie andere Hochschullehrer und sie nicht gehalten sind, lediglich die Rechtsauffassung der Verwaltung zu vertreten, so bestehen doch infolge der Ausbildung der Studierenden ausschließlich für einen bestimmten Beruf (gehobener Dienst der Finanzverwaltung), der notwendigen Verzahnung zwischen der berufspraktischen Ausbildung beim FA und den Fachstudien nach dem Steuerbeamten-Ausbildungsgesetz und der Aufsicht der Finanzbehörde für den Studiengang und den Fachbereich Finanzen, der die FHÖV unterliegt, für diese Hochschullehrer Besonderheiten, die sie von den Lehrern anderer, allgemeiner Fachhochschulen unterscheiden. Die Nähe und die inhaltliche Ausrichtung ihrer Lehrtätigkeit auf einen bestimmten Beruf, der im Verhältnis zum Beruf des Steuerberaters weitgehend auf die Wahrnehmung gegensätzlicher Interessen in zumindest nicht unerheblichem Umfang ausgerichtet ist, ist auch bei ihnen - im Gegensatz zu anderen Hochschullehrern - geeignet, bei gleichzeitiger Berufstätigkeit als Steuerberater die Gefahr von Interessenkollisionen zu begründen, die ihren Ausschluß von diesem Beruf auch im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz als sachlich gerechtfertigt erscheinen läßt. Der vom Gesetzgeber und vom FG angenommene Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Steuerberatern kann sich zumindest daraus ergeben, daß Steuerpflichtige bei Lehrern an FHÖV - Fachbereich Finanzen - besonders gute Steuerrechtskenntnisse, besondere Kenntnisse über verwaltungsinterne Verhältnisse und günstige Verbindungen zur Finanzverwaltung vermuten.

Neben den vom FG aufgezeigten Gesichtspunkten bestehen weitere wesentliche Unterschiede zwischen den beiden Gruppen von Fachhochschullehrern, die die unterschiedliche Inkompatibilitätsregelung in § 57 Abs. 3 Nr. 4 Halbsätze 1 und 2 StBerG rechtfertigt. Bei den Lehrern an allgemeinen Fachhochschulen kommt eine prüfungsfreie Bestellung als Steuerberater nach § 38 Abs. 1 Nr. 1 StBerG i. d. F. des 4. StBerÄndG nur in Ausnahmefällen für solche Professoren in Betracht, die mindestens zehn Jahre auf dem Gebiet der von den Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern gelehrt haben. Dagegen müßten - wenn beide Berufstätigkeiten miteinander vereinbar wären - nahezu alle Lehrer an verwaltungsinternen FHÖV - Fachbereich Finanzen -, die in der Regel ehemalige Beamte der Finanzverwaltung sind, nach Absolvierung einer Berufstätigkeit von zehn Jahren als Beamter und/oder Professor (§ 38 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 a StBerG) auf ihren Antrag prüfungsfrei zum Steuerberater bestellt werden. Der prüfungsfreie Zugang zum Beruf des Steuerberaters wäre dann für diese Gruppe von Hochschullehrern nicht mehr - wie das BVerfG in BStBl II 1981, 235, 239 entschieden hat - auf Ausnahmefälle beschränkt.

Der Gesetzgeber war bei der angefochtenen Inkompatibilitätsregelung auch berechtigt und verpflichtet, die Auswirkungen zu berücksichtigen, die sich für den Berufsstand des freiberuflichen Steuerberaters ergäben, wenn ein erheblicher Teil der Lehrer an FHÖV - Fachbereich Finanzen - neben ihrer Tätigkeit als beamtete Hochschullehrer den Beruf des Steuerberaters ausüben würden. Hinzu kommt, daß nach der bestehenden Praxis Lehrer an verwaltungsinternen Fachhochschulen mit Ausbildungsgängen für den öffentlichen Dienst - im Gegensatz zu anderen Fachhochschullehrern - häufig (wieder) als Beamte in die Fachverwaltung überwechseln, in der sie früher schon tätig waren und/oder deren Ausbildungsbedürfnisse sie vertreten haben. Die Möglichkeit eines solchen Berufswechsels in die Finanzverwaltung, der in vielen Fällen von vornherein beabsichtigt ist, erhöht die Gefahr von Interessenkollisionen bei Ausübung des Steuerberaterberufs neben der Lehrtätigkeit. Den in die Verwaltung übergewechselten ehemaligen Fachhochschullehrern müßte jedenfalls wegen der Unvereinbarkeit der Tätigkeiten (§ 57 Abs. 4 Nr. 2 StBerG) eine Zulassung als Steuerberater wieder entzogen werden, wodurch sich nachteilige Folgen hinsichtlich der Kontinuität der Beratung der Mandanten ergeben würden.

Wie der Senat in seinem Urteil in BFH/NV 1987, 125, 127 ausgeführt hat, wird mit der Vorschrift über die Befreiung von Professoren von der Steuerberaterprüfung in Verbindung mit der entsprechenden Berufsvereinbarkeitsregelung in § 57 Abs. 3 Nr. 4 StBerG auch der Zweck verfolgt, diesem Personenkreis im Interesse von Forschung und Lehre zu ermöglichen, mit der steuerberatenden Tätigkeit praktische Erfahrungen auf dem Gebiet des Steuerwesens zu sammeln. Einer solchen Verbindung zur Praxis über eine freiberufliche Beratertätigkeit bedarf es demgegenüber bei Lehrern an verwaltungsinternen FHÖV - Fachbereich Finanzen - kaum, da diese in der Regel praktische Erfahrungen in ihrer früheren Verwaltungstätigkeit gesammelt haben und zudem - wie dem Senat bekannt ist - bei einigen FHÖV - Fachbereich Finanzen - auch später noch die Möglichkeit besteht, daß die Professoren ihre Lehrtätigkeit unterbrechen, um Praxissemester in der Finanzverwaltung zu absolvieren.

3. Die Inkompatibilitätsregelung des § 57 Abs. 3 Nr. 4 Halbsatz 2 StBerG, die den Personenkreis, dem der Kläger angehört, im Gegensatz zu anderen Hochschullehrern vom Beruf des Steuerberaters ausschließt, ist durch das 4. StBerÄndG vom 9. Juli 1989 in das StBerG eingefügt worden. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger bereits zum Steuerberater bestellt (seit April 1989). Die Neufassung des § 57 Abs. 3 Nr. 4 StBerG beinhaltet keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung des Gesetzes. Eine ,,unechte" Rückwirkung, die hier allenfalls in Betracht kommt, liegt vor, wenn ein Gesetz auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit die betroffene Rechtsposition nachträglich im ganzen entwertet (vgl. Beschluß des BVerfG vom 23. März 1971 2 BvL 17/69, BVerfGE 30, 392, 402, BStBl II 1971, 439). Derartige Gesetze sind grundsätzlich zulässig. Hier kann lediglich der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes je nach Lage der Verhältnisse im einzelnen Fall der Regelungsbefugnis Schranken setzen (BVerfG-Beschluß, a. a. O., m. w. N.).

Wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, ist der Widerruf der Bestellung als Steuerberater auf Grund der neuen Inkompatibilitätsregelung nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbots nicht unzumutbar. Nach der Rechtsprechung des BVerfG (BVerfGE 21, 173 und BVerfGE 22, 275) kann zwar der Gesetzgeber auf Grund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gehalten sein, bei Neuregelung der Unvereinbarkeit mit dem Beruf des Steuerberaters für bestimmte Härtefälle eine Übergangsregelung zu treffen. Dabei können die Zeitdauer, die Art und die wirtschaftliche Bedeutung der bisher nebeneinander ausgeübten Tätigkeiten, das Alter des Betroffenen und die Zumutbarkeit der Einstellung der - nunmehr unzulässigen - (Steuerberater-) Tätigkeit zu berücksichtigen sein. Ein solcher Härtefall liegt aber beim Kläger nicht vor. Er ist erst wenige Monate vor dem Widerruf als Steuerberater bestellt worden. Der Beruf des Steuerberaters diente in seinem Fall auch nicht der unmittelbaren wirtschaftlichen Existenzsicherung. Schließlich mußte er mit dem Widerruf rechnen, da er bereits in dem Schreiben, mit dem ihm die Beklagte mitgeteilt hat, daß er von der Steuerberaterprüfung befreit werde, darauf hingewiesen worden ist, daß die Beklagte nach Inkrafttreten der Neufassung des StBerG gezwungen sein werde, seine Bestellung als Steuerberater zu widerrufen. Damit ist von vornherein verhindert worden, daß ein schützenswertes Vertrauen des Klägers in den Fortbestand der ihm eingeräumten Rechtsposition entstehen konnte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418637

BFH/NV 1992, 840

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge