Leitsatz (amtlich)

Der Organisationsberater für Datenverarbeitung ist kein freiberuflich tätiger beratender Betriebswirt. Seine Tätigkeit ist derjenigen eines beratenden Betriebswirts auch nicht ähnlich.

 

Normenkette

EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4; GewStG § 2 Abs. 1; GewStDV § 1 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist EDV-Organisationsberater und stellt Computerprogramme auf. Nach einer Lehre in Feinmechanik und Elektrotechnik absolvierte er die Handelsschule und ein EDV-Praktikum. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) sah in der Tätigkeit des Klägers die Ausübung eines Gewerbebetriebs und setzte dementsprechend für das Jahr 1969 einen einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag fest.

Einspruch und Klage gegen den einheitlichen Gewerbesteuermeßbescheid 1969 blieben erfolglos.

Mit der Revision beantragt der Kläger, die Vorentscheidung und den Gewerbesteuermeßbescheid aufzuheben. Er rügt Verletzung materiellen Rechts (§§ 2 Abs. 1 GewStG, 1 Abs. 1 GewStDV, 18 Abs. 1 Nr. 1 EstG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Der Kläger ist weder beratender Betriebswirt noch ist seine Tätigkeit der eines beratenden Betriebswirts ähnlich. Wie der IV. Senat des BFH bereits in seinem Urteil vom 12. August 1965 IV 61/61, 100/61, 336/64 U (BFHE 83, 237, BStBl III 1965, 586) ausgeführt hat, kann die Berufstätigkeit des beratenden Betriebswirts nur in strenger Anlehnung an den Gesetzeswortlaut gekennzeichnet werden, da es kein typisches Berufsbild des beratenden Betriebswirts gibt, die Bezeichnung frei geführt werden darf und auch die Materialien zum Steueränderungsgesetz 1960 keine abweichenden Vorstellungen des Gesetzgebers erkennen lassen; im Vordergrund muß die betriebswirtschaftliche Beratung stehen; diese erstreckt sich auf alle Fragen der Unternehmensberatung, die üblicherweise Gegenstand eines betriebswirtschaftlichen Studiums sind. Der erkennende Senat hat sich dieser Rechtsprechung in seinen Urteilen vom 30. Mai 1973 I R 35/71 (BFHE 109, 368, BStBl II 1973, 668) und vom 16. Januar 1974 I R 106/72 (BFHE 111, 316, BStBl II 1974, 293) angeschlossen und ergänzend ausgeführt, daß als Betriebswirt nur in Betracht kommt, wem nach einem entsprechendem Studium oder nach einem vergleichbaren Selbststudium verbunden mit praktischer Erfahrung die hauptsächlichen Bereiche der Betriebswirtschaft und nicht nur ein einzelnes Spezialgebiet vertraut sind. Deshalb kann als beratender Betriebswirt nur angesehen werden, wer diese fachliche Breite auch bei seiner fachlichen Tätigkeit einzusetzen in der Lage ist und von diesen Kenntnissen wenigstens in einem betrieblichen Hauptbereich tatsächlich Gebrauch macht.

Diesem Berufsbild eines beratenden Betriebswirts entsprechend liegt ein "ähnlicher Beruf" nur dann vor, wenn er auf einer vergleichbar breiten fachlichen Vorbildung beruht und sich die Beratungstätigkeit auf einen vergleichbar breiten betrieblichen Bereich erstreckt. Ein EDV-Organisationsberater erfüllt - wie bereits der VIII. Senat in seinem Urteil vom 27. Mai 1975 VIII R 199/73 (BFHE 116, 30, BStBl II 1975, 665) ausgeführt hat - diese Voraussetzungen nicht. Typische Hauptbereiche, auf die sich die Unternehmensberatung und damit die Tätigkeit des beratenden Betriebswirts erstreckt, sind Fragen der Führung, der Fertigung, der Materialwirtschaft, des Vertriebs, des Verwaltungs- und Rechnungswesens, des Personalwesens sowie des Unternehmensbestandes (vgl. Schlobig in Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, 3. Aufl. 1962, Stichwort "Unternehmensberatung"). Die mit der Datenverarbeitung zusammenhängenden Fragen bilden keinen Hauptbereich in diesem Sinne. Das folgt aus dem möglichen Einsatzbereich der Datenverarbeitung. Soweit sich Wissenschaft und Praxis - im Rahmen der angewandten Betriebs- und Wirtschaftsinformatik - mit den verschiedenen Voraussetzungen, Möglichkeiten und Problemen der automatischen Informationsverarbeitung auf dem Gebiete der Wirtschaft befassen, betätigen sie sich - unter weitergehender Spezialisierung - jeweils auf einem Teilgebiet der verschiedenen betrieblichen Hauptbereiche, nämlich jenen von der Unternehmung durchgeführten Aufgaben, die programmierbar sind (vgl. dazu näher Seibt, Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, 4. Aufl. 1974, Stichwort "Betriebsinformatik"). Ziel der betrieblichen EDV-Beratung ist die Kostensenkung und die Leistungssteigerung des Betriebes durch - gegenüber anderen Methoden - effektivere Organisation mit Hilfe von Datenverarbeitungsanlagen in dem durch diese Aufgaben abgesteckten Rahmen. Zur Durchführung eines solchen Beratungsauftrages sind nur begrenzte betriebswirtschaftliche Sachkenntnisse erforderlich. Grundlage der Tätigkeit eines EDV-Beraters sind seine Kenntnisse über automatische Informationsverarbeitung, insbesondere über die Programmierung und Bedienung von Computern. Ausgehend von diesen Kenntnissen prüft er, welche Arbeitsbereiche sich programmieren und von einer elektronischen Datenverarbeitungsanlage - prinzipiell und nach den gegebenen Verhältnissen des Einzelfalles - bewältigen lassen. Von dieser Prüfung hängt die Entscheidung darüber ab, wie die elektronische Datenverarbeitungsanlage ausgestattet sein muß, welche Kosten sie verursacht und welchen Nutzen sie für den Betrieb erbringt. Das Abschätzen von Rationalisierungseffekten, das Festlegen der an die elektronische Datenverarbeitungsanlage zu stellenden Anforderungen und die Auswahl derjenigen von mehreren tauglichen Anlagen, die den Bedürfnissen des Betriebes nach den angestellten Rentabilitätsberechnungen am besten entspricht, ist keine umfassende betriebswirtschaftliche Beratung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72117

BStBl II 1977, 34

BFHE 1977, 253

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