Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung des Freibetrags nach § 3 Nr. 9 EStG bei der ersten Zahlung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Freibetrag des § 3 Nr. 9 EStG ist --falls Zahlungen aus Anlass der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses in mehr als einem Veranlagungszeitraum bezogen werden-- bei der ersten Zahlung zu berücksichtigen. Ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen besteht insoweit nicht.

 

Normenkette

AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1; EStG 1998 § 3 Nr. 9, § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 34

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg (Urteil vom 27.10.2004; Aktenzeichen III 25/2003)

 

Tatbestand

I. Am 23. März 1998 schloss der zu diesem Zeitpunkt 55 Jahre alte Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) mit seinem Arbeitgeber (A) eine schriftliche Vereinbarung über einen unbezahlten Übergangsurlaub und die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses. Danach sollte der Kläger ab dem 1. April 1998 einen unbezahlten Sonderurlaub antreten. Bei Beginn des Urlaubs sollte er als finanzielle Hilfe für die berufliche und private Umorientierung eine Einmalzahlung in Höhe von 120 322 DM brutto (Umorientierungshilfe) erhalten. Das Arbeitsverhältnis wurde zum 31. Dezember 2000 im gegenseitigen Einvernehmen aufgehoben. Der Kläger sollte aus Anlass der Aufhebung des Arbeitsverhältnisses und zum Ausgleich hierfür von A eine Abfindung in Höhe von 36 000 DM brutto erhalten.

Das den Vereinbarungen zwischen A und dem Kläger zugrunde liegende Vorruhestandsmodell war Gegenstand einer im Dezember 1997 abgeschlossenen Lohnsteuer-Außenprüfung des Betriebsstätten-Finanzamts bei A. Dabei wurden die beiden Zahlungen --Umorientierungshilfe und Abfindung-- als eigenständige Sachverhalte gewürdigt und die Zahlung der Umorientierungshilfe nach § 24 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 34 Abs. 2 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als ermäßigt zu besteuernde Entschädigung behandelt.

Mit Schreiben vom 6. November 2000 teilte das Betriebsstätten-Finanzamt dem A mit, dass an dieser Einschätzung "ab sofort" nicht mehr festgehalten werde und erläuterte dies näher. Sowohl den Klägern als auch dem Beklagten und Revisionskläger (Wohnsitz-Finanzamt --FA--) wurde dieses Schreiben erst später bekannt.

In der mit Hilfe eines Steuerberaters angefertigten Einkommensteuererklärung 1998 gab der Kläger in der Zeile 10 der Anlage N ("Entschädigungen, die ermäßigt zu besteuern sind") einen Betrag in Höhe von 120 322 DM an. Entsprechend der hiermit übereinstimmenden Eintragung auf der Lohnsteuerkarte 1998 des Klägers unterwarf das FA den Betrag von 120 322 DM in dem Einkommensteuerbescheid 1998 vom 1. März 2000 dem ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 1 EStG. Der Freibetrag des § 3 Nr. 9 EStG 1998 wurde nicht berücksichtigt.

In der Einkommensteuererklärung 2000 gab der Kläger als ermäßigt zu besteuernde Zahlung einen Betrag in Höhe von 12 000 DM an. Dieser Betrag entsprach der Differenz zwischen der im Jahr 2000 ausgezahlten Abfindung in Höhe von 36 000 DM und dem im Veranlagungszeitraum 2000 für Fälle, in denen das Dienstverhältnis mindestens 20 Jahre bestanden hatte, gültigen Freibetrag des § 3 Nr. 9 EStG von 24 000 DM.

Am 8. Februar 2002 erhielt das FA vom Bundesamt für Finanzen (BfF) bezüglich des Klägers die Mitteilung, dass sowohl die zeitnah mit dem Beginn des Übergangsurlaubs als einmalige Umorientierungshilfe in Höhe von 120 322 DM geleistete erste Zahlung als auch die zeitnah zur Aufhebung des Arbeitsverhältnisses als Abfindung geleistete zweite Zahlung in Höhe von 36 000 DM auf ein und demselben Rechtsgrund, nämlich der bereits im Jahr 1998 vereinbarten Aufhebung des Arbeitsverhältnisses beruhten und dass es sich deshalb bei den Zahlungen um eine einheitlich zu beurteilende Entschädigung handele. Bei der Besteuerung des im Jahr 1998 zugeflossenen Teilbetrags sei der Freibetrag nach § 3 Nr. 9 EStG 1998 in Höhe von 36 000 DM zu berücksichtigen und dementsprechend von einem zu versteuernden Zufluss beim Kläger in Höhe von 84 322 DM im Jahr 1998 und in Höhe von 36 000 DM im Jahr 2000 auszugehen. Damit fehle es an der für die Anwendung der §§ 34, 24 EStG erforderlichen "Zusammenballung" von Einkünften.

Aufgrund dieser Mitteilung des BfF erließ das FA am 27. Februar 2002 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) entsprechend geänderte Einkommensteuerbescheide 1998 und 2000.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 1998 nach erfolglosem Einspruch statt und hob den geänderten Einkommensteuerbescheid 1998 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 22. Januar 2003 mit folgender Begründung auf:

Die Voraussetzungen für eine Änderung des Einkommensteuerbescheids 1998 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 hätten nicht vorgelegen. Das FA habe seine Ermittlungspflicht verletzt, denn es sei ihm angesichts der Höhe des vom Kläger als ermäßigt zu besteuernde Entschädigung erklärten Betrags zumutbar gewesen, die zugrunde liegende Vereinbarung anzufordern. Demgegenüber könne dem Kläger ein Verstoß gegen seine Mitwirkungspflicht nicht angelastet werden. Er habe die Einkommensteuererklärung 1998 aus seiner damaligen Sicht zutreffend ausgefüllt und keinen Anlass gehabt, die Vereinbarung mit A unaufgefordert vorzulegen. Der im Jahr 2000 zu zahlenden Abfindung in Höhe von 36 000 DM habe er keine Bedeutung beigemessen, weil er sie für eine eigenständige, gemäß § 3 Nr. 9 EStG 1998 steuerfreie Leistung ohne Auswirkung auf die Progression gehalten habe.

Mit der vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung von § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Zu Unrecht hat das FG den nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 geänderten Einkommensteuerbescheid 1998 als rechtswidrig beurteilt und aufgehoben. Entgegen der Auffassung des FG haben die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 vorgelegen.

a) Nach dieser Vorschrift können Steuerbescheide geändert werden, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Die Änderung eines Bescheids ist nach Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn dem FA die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Allerdings muss der Steuerpflichtige dann seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt haben. Haben sowohl der Steuerpflichtige als auch das FA es versäumt, den Sachverhalt aufzuklären, trifft in der Regel den Steuerpflichtigen die Verantwortung, mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann.

Eindeutigen Steuererklärungen braucht das FA nicht mit Misstrauen zu begegnen; es kann regelmäßig von deren Richtigkeit und Vollständigkeit ausgehen. Nur wenn sich Unklarheiten oder Zweifelsfragen in Bezug auf den verwirklichten Sachverhalt aufdrängen, ist das FA zu Ermittlungen verpflichtet.

Der Umfang der beiderseitigen Pflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Die Erklärung einer "Entschädigung" allein löst noch nicht die Verpflichtung des FA aus, die dieser Zahlung zugrunde liegenden Vereinbarungen, Betriebsvereinbarungen o. Ä. anzufordern. Zwar können mit der Frage, ob im Einzelfall eine ermäßigt zu besteuernde Entschädigung nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG vorliegt, schwierige rechtliche Fragen verknüpft sein; zwingend ist dies jedoch nicht. Selbst wenn die tatsächliche oder rechtliche Beurteilung schwierig sein kann, verstärkt sich die Ermittlungspflicht im Allgemeinen nur bei Unklarheiten und Zweifeln, die sich aus der Erklärung ergeben (vgl. BFH-Urteile vom 3. Juli 2002 XI R 27/01, BFH/NV 2003, 19; vom 7. Juli 2004 XI R 10/03, BFHE 206, 303, BStBl II 2004, 911; vom 23. Februar 2005 XI R 3/04, BFH/NV 2005, 1269, alle m.w.N.; BFH-Beschluss vom 17. Januar 2005 VI B 4/04, BFH/NV 2005, 834).

b) Im Streitfall ist nach den Feststellungen des FG dem FA erst nach Erlass des Einkommensteuerbescheids 1998 vom 1. März 2000 --nämlich erst im Februar 2002 aufgrund einer Mitteilung des BfF-- bekannt geworden, dass die bislang ermäßigt besteuerte Entschädigung in Höhe von 120 322 DM Gegenstand einer im Jahr 1998 zwischen dem Kläger und seinem Arbeitgeber getroffenen Vereinbarung war und diese Vereinbarung außerdem die Zahlung von weiteren 36 000 DM vorsah, welche dem Kläger im Jahr 2000 zugeflossen sind.

Bei Erlass des Einkommensteuerbescheids 1998 vom 1. März 2000 hat das FA seine Ermittlungspflicht nicht verletzt. In der mit Hilfe eines Steuerberaters angefertigten Einkommensteuererklärung 1998 war in der Zeile 10 der Anlage N ("Entschädigungen, die ermäßigt zu besteuern sind") ein Betrag in Höhe von 120 322 DM eingetragen. Diese Angabe war eindeutig, entsprach der Eintragung auf der mit der Einkommensteuererklärung vorgelegten Lohnsteuerkarte und enthielt keinen Hinweis auf vereinbarte weitere Zahlungen. Das FA war daher nicht gehalten, von sich aus weitere Ermittlungen anzustellen. Die Angaben des Klägers gaben auch nicht allein deswegen Anlass zu weiterer Sachaufklärung, weil das Betriebsstätten-Finanzamt dem Arbeitgeber des Klägers Auskünfte über die steuerliche Behandlung der vereinbarten Zahlungen erteilt hatte. Denn nach den --für den Senat bindenden (§ 118 Abs. 2 FGO)-- Feststellungen des FG hatte das FA von diesen Auskünften bei Erlass des Einkommensteuerbescheids 1998 am 1. März 2000 keine Kenntnis. Entgegen der Ansicht des FG ergab sich aus dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 18. Dezember 1998 IV A 5 -S 2290- 18/98 (BStBl I 1998, 1512) ebenfalls keine Ermittlungspflicht des FA. Dieses BMF-Schreiben enthält nur allgemeine Grundsätze über die ertragsteuerliche Behandlung von Entlassungsentschädigungen vor dem Hintergrund der neueren BFH-Rechtsprechung, ohne sich zum Umfang der Ermittlungspflichten der Finanzbehörden zu äußern. Allein die Erklärung einer "Entschädigung" löst nach der Rechtsprechung des Senats (zuletzt in BFH/NV 2005, 1269, m.w.N.) jedenfalls nicht die Verpflichtung der Finanzbehörden aus, die diesen Zahlungen zugrunde liegenden Vereinbarungen anzufordern.

Die Kläger können sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, das FA sei aufgrund der Behandlung des Lohnsteuerabzugs bei Lohnsteuer-Außenprüfungen durch das für A zuständige Betriebsstätten-Finanzamt gehindert gewesen, im Rahmen der Veranlagung ihrer Einkommensteuererklärung eine abweichende einkommensteuerliche Behandlung der Entschädigungszahlungen für das Streitjahr vorzunehmen. Denn eine Lohnsteuer-Außenprüfung richtet sich nur gegen den Arbeitgeber und erstreckt sich nur darauf, ob dieser als Lohnsteuerentrichtungsschuldner seine Pflicht zur Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer ordnungsgemäß erfüllt hat. Das Rechtsverhältnis der Finanzbehörde zum Arbeitnehmer wird hiervon nicht berührt, so dass für diesen kein Vertrauensschutz eingreifen kann (BFH-Urteil vom 27. März 1991 VI R 126/87, BFHE 164, 266, BStBl II 1991, 720; vgl. auch BFH-Urteil vom 14. Mai 2003 XI R 16/02, BFHE 202, 486, BStBl II 2003, 881).

2. Im Rahmen der vom FA vorgenommenen Änderung des Einkommensteuerbescheids 1998 wurde von dem im Streitjahr zugeflossenen Betrag von 120 322 DM zu Recht ein Teilbetrag von 36 000 DM nach § 3 Nr. 9 EStG steuerfrei belassen und der Rest nicht mehr nach §§ 34, 24 EStG ermäßigt besteuert.

Sind in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist nach § 34 Abs. 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung die darauf entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz zu bemessen. Nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG kommen als außerordentliche Einkünfte u. a. Entschädigungen i.S. des § 24 Nr. 1 EStG in Betracht. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (z.B. Urteil vom 6. September 2000 XI R 19/00, BFH/NV 2001, 431, m.w.N.; Beschlüsse vom 2. Februar 2001 XI B 93/00, BFH/NV 2001, 1020; vom 4. Dezember 2001 X B 112/01, BFH/NV 2002, 346, m.w.N.) sind außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 und Abs. 2 EStG grundsätzlich nur gegeben, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen. Der zusammengeballte Zufluss wird dabei nur für die zu begünstigenden Leistungen gefordert.

Werden in einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses mehrere in sachlicher und/oder zeitlicher Hinsicht unterschiedliche Entschädigungsleistungen zugesagt, sind diese nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (z.B. Urteil vom 16. Juni 2004 XI R 55/03, BFHE 206, 544, BStBl II 2004, 1055, m.w.N.) grundsätzlich einheitlich zu beurteilen. Sie müssen zum Zwecke der Tarifvergünstigung grundsätzlich in einem Veranlagungszeitraum zufließen (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2001, 431, und vom 14. Mai 2003 XI R 12/00, BFHE 203, 38, BStBl II 2004, 449, beide m.w.N.; BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2001, 1020, und in BFH/NV 2002, 346, m.w.N.). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hält der Senat nur in solchen Fällen für geboten, in denen neben einer Hauptentschädigungsleistung aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit ergänzende Entschädigungszusatzleistungen gewährt werden, die auch betragsmäßig nur einen ergänzenden Zusatz zur Hauptleistung bilden, diese also bei weitem nicht erreichen (BFH-Urteile vom 14. August 2001 XI R 22/00, BFHE 196, 500, BStBl II 2002, 180, und vom 24. Januar 2002 XI R 2/01, BFHE 197, 526, BStBl II 2004, 444).

a) Im Streitfall handelt es sich bei den in den Jahren 1998 und 2000 geleisteten Zahlungen in Höhe von 120 322 DM bzw. 36 000 DM um Entschädigungsleistungen i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG. A hatte mit der im Jahr 1998 an den Kläger gezahlten finanziellen Hilfe für die berufliche und private Umorientierung keine Gehaltsansprüche des Klägers erfüllt. Zwar wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers durch den Vertrag vom 23. März 1998 zivilrechtlich erst zum 31. Dezember 2000 beendet. Dem Kläger stand jedoch bereits ab dem 1. April 1998 kein Gehaltsanspruch mehr zu, denn er trat zu diesem Zeitpunkt einen unbezahlten Übergangsurlaub ("Sonderurlaub ohne Fortzahlung der Bezüge") an. Damit haben die Vertragsparteien ein Fortbestehen von Gehaltsansprüchen in der Zeit vom 1. April 1998 bis zum 31. Dezember 2000 ausgeschlossen.

b) Die Zahlungen sind als eine einheitliche Entschädigung im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu beurteilen. Sie wurden in demselben Vertrag festgelegt. Die Abfindung in Höhe von 36 000 DM wurde ausdrücklich als Ausgleich für die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses gezahlt. Da die Umorientierungshilfe nicht der Erfüllung von Gehaltsansprüchen gedient hat, ist auch sie eine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes. Dass sie --gleichsam als Vorschuss-- vor zivilrechtlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses geleistet wurde, steht ihrer Einordnung als Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht entgegen (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2001, 431, und in BFHE 202, 486, BStBl II 2003, 881).

c) Die einheitlich als Entschädigung zu beurteilenden Zahlungen in Höhe von 120 322 DM und 36 000 DM verteilten sich auf zwei Veranlagungszeiträume. Damit fehlt es an einem zusammengeballten Zufluss als Voraussetzung für eine ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 1 EStG.

Ein zusammengeballter Zufluss kann hier nicht deshalb angenommen werden, weil nach der Vorstellung der Vertragsparteien bei Abschluss der Vereinbarung im März 1998 die im Jahr 2000 auszuzahlende Abfindung in Höhe von 36 000 DM steuerfrei gemäß § 3 Nr. 9 EStG sein sollte und es danach bei einer einzigen steuerpflichtigen, aber gemäß § 34 EStG ermäßigt zu besteuernden zusammengeballten Zahlung in Höhe von 120 322 DM im Jahr 1998 geblieben wäre. Zwar hat nach der Rechtsprechung des Senats (z.B. Urteile vom 2. September 1992 XI R 44/91, BFHE 169, 98, BStBl II 1993, 52, und vom 14. April 2005 XI R 11/04, BFH/NV 2005, 1772) die Aufsplittung einer vereinbarten Zuwendung anlässlich der Auflösung des Dienstverhältnisses in einen zuerst auszuzahlenden steuerbefreiten Abfindungs- und einen in einem späteren Veranlagungszeitraum auszuzahlenden weiteren Entschädigungsteil zur Folge, dass bei der Prüfung der Frage, ob hinsichtlich des in dem späteren Veranlagungszeitraum auszuzahlenden Entschädigungsteils eine tarifbegünstigte Entschädigung i.S. des § 34 EStG vorliegt, der erste Teilbetrag, der nach § 3 Nr. 9 EStG in voller Höhe steuerfrei ist, nicht berücksichtigt werden darf. Die hier von den Vertragsparteien für möglich gehaltene umgekehrte Auszahlungsreihenfolge, d.h. Auszahlung der Entschädigung zuerst und Auszahlung der steuerbefreiten Abfindung in einem späteren Veranlagungszeitraum, scheitert hingegen bereits daran, dass die Freibetragsregelung des § 3 Nr. 9 EStG stets auf die zuerst erbrachten Zahlungen anzuwenden ist. Denn im Gesetz ist kein Wahlrecht des Arbeitnehmers vorgesehen, ob die Zahlungen bis zum Erreichen des in § 3 Nr. 9 EStG normierten Höchstbetrags voll steuerfrei und danach steuerpflichtig sind oder ob ein bestimmter Teilbetrag aller Zahlungen im Rahmen des in § 3 Nr. 9 EStG normierten Höchstbetrags steuerfrei ist (im Ergebnis ebenso Offerhaus, Der Betrieb --DB-- 1991, 2456 f.; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26. Januar 1994  1 K 1346/90, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1994, 600; FG Münster, Urteil vom 22. Juli 2003  2 K 1081/99 E, EFG 2003, 1593; Abschn. 9 Abs. 3 Satz 4 der Lohnsteuer-Richtlinien 1996; von Bornhaupt, Betriebs-Berater 1980, Beilage 7, S. 10; Gehrmann, Die steuerliche Betriebsprüfung 1994, 258; von Beckerath in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3 Nr. 9 Rdnr. B 9/110 "Teilbeträge", "Raten" und B 9/94; Altehoefer in Lademann, EStG, § 3 EStG Anm. 77, 82a; von Beckerath in Kirchhof, EStG, 6. Aufl., § 3 Rn 38; Bergkemper in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 3 Nr. 9 EStG Anm. 18; Blümich/Erhard, § 3 EStG Rz. 26; Hartz/Meeßen/Wolf, Lohnsteuer-ABC, Entlassungsabfindungen, Rz. 79; Heuermann/Wagner, LohnSt, E 107; Kuhlmann in Frotscher, EStG, 6. Aufl., Freiburg 1998 ff., § 3 Nr. 9 Rz. 57b; Ross in Dankmeyer/Giloy, Einkommensteuer, § 3 Rdnr. 62; Scholtz in Bordewin/Brandt, § 3 EStG Rz. 19a; Stache in Horowski/Altehoefer, Kommentar zum Lohnsteuer-Recht, § 3 Nr. 9 Rn. 49; Tormöhlen in Korn, § 3 EStG Rz. 41; a.A. nur Beckermann, DB 1986, 1427 f., und Handzik in Littmann/Bitz/ Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 3 Rn 333).

d) Eine Ausnahme von dem Erfordernis eines zusammengeballten Zuflusses der Entschädigung greift hier nicht ein. Die im Jahr 2000 gezahlte Abfindung in Höhe von 36 000 DM wurde laut Vertrag vom 23. März 1998 ausdrücklich und von vornherein (nur) als Ausgleich für die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses vereinbart und entsprechend geleistet. Sie war damit keine neben einer Hauptentschädigungsleistung aus Gründen der sozialen Fürsorge gezahlte Entschädigungszusatzleistung im Sinne der o.g. Rechtsprechung des Senats.

e) Da die Voraussetzungen des § 3 Nr. 9 EStG hinsichtlich der vom Kläger für den Verlust seines Arbeitsplatzes im Streitjahr 1998 bezogenen Teilzahlung in Höhe von 120 322 DM vorliegen, hat das FA bei der vorgenommenen Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 zu Recht den Freibetrag nach § 3 Nr. 9 EStG 1998 in Höhe von 36 000 DM im Veranlagungszeitraum 1998 berücksichtigt und jene Teilzahlung nur in Höhe von 84 322 DM als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der tariflichen Einkommensteuer unterworfen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1574031

BFH/NV 2006, 2180

BStBl II 2006, 835

BFHE 2007, 319

BB 2006, 2168

DB 2006, 2551

DStRE 2006, 1271

DStZ 2006, 677

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