Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Ist bei einer einheitlichen Gewinnfeststellung das Rechtsmittelverfahren nur gegen einen Gesellschafter ohne Zuziehung der anderen Gesellschafter durchgeführt worden, so fehlt eine Verfahrensvoraussetzung.

Errichten Privatpersonen Sportanlagen für öffentliche Massenveranstaltungen, so liegt darin in der Regel keine Liebhaberei, sondern ein Gewerbebetrieb.

 

Normenkette

EStG § 2 Abs. 3, § 15; AO § 215 Abs. 2, § 219 Abs. 1, § 239/3, § 241/3

 

Tatbestand

Die Gesellschaft A und B, eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR), betreibt seit dem 1. August 1950 eine Sportanlage (Radrennbahn). Sie wies für die Zeit vom 1. August bis 31. Dezember 1950 und vom 1. Januar bis 31. Dezember 1951 erhebliche Verluste aus. Die Verluste waren von beiden Gesellschaftern je zur Hälfte zu tragen. Das Finanzamt sah den Betrieb der Anlage als Liebhaberei an, weil die Beteiligten von vornherein nicht mit einem Gewinn gerechnet hätten. Die einheitliche Gewinnfeststellung für beide Jahre lautete auf 0 DM. Gleichzeitig teilte das Finanzamt der Gesellschaft mit, daß es für die Zukunft auf die Abgabe von Gewinnfeststellungserklärungen verzichte.

Das Finanzgericht bestätigte auf die Sprungberufung des Beschwerdeführers (Bf.) die Auffassung des Finanzamts.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) rügt der Bf. als Verfahrensmangel, daß das Finanzgericht den Mitgesellschafter A nicht am Verfahren beteiligt habe. Ferner wendet er sich dagegen, daß das Finanzgericht die einheitliche Feststellung des entstandenen Verlustes abgelehnt und den Betrieb als Liebhaberei der Gesellschafter angesehen habe.

 

Entscheidungsgründe

Auf die Rb. ist die Vorentscheidung schon deshalb aufzuheben, weil das Finanzgericht entgegen der zwingenden Vorschrift des § 239 Abs. 3 der Reichsabgabenordnung (AO) den Mitgesellschafter A nicht am Berufungsverfahren beteiligt hat. Das Rechtsmittel hatte der Bf. nur für sich persönlich eingelegt. Der Steuerberater hatte, soweit die Akten erkennen lassen, nur Vertretungsmacht für den Bf. Das Finanzgericht wollte, wie der Urteilskopf zeigt, nur in der Sache des Bf. entscheiden. Demgemäß enthält die Rechtsmittelentscheidung auch keinen Hinweis i. S. von § 219 Abs. 1 Satz 3 AO. Nach § 239 Abs. 3 Satz 2 AO können im Verfahren der einheitlichen Feststellung auch im Rechtsmittelverfahren nur einheitliche Entscheidungen für und gegen alle Gesellschafter getroffen werden. Sollte, wie das Finanzamt im Rechtsbeschwerdeverfahren behauptet, sich inzwischen der Mitgesellschafter A für seinen Teil damit abgefunden haben, daß die Beteiligung an der GdbR als Liebhaberei behandelt wird, so würde doch die Entscheidung ihm gegenüber nicht in Rechtskraft erwachsen, solange das Rechtsmittel des Bf. schwebt. Die Beteiligung aller Mitgesellschafter am Berufungsverfahren ist eine Verfahrensvoraussetzung, deren Fehlen zur Aufhebung der Entscheidung des Finanzgerichts führen muß (Urteil des Reichsfinanzhofs VI 301/37 vom 1. Dezember 1937, Reichssteuerblatt - RStBl - 1938 S. 53).

Für die weitere Sachbehandlung wird auf folgendes hingewiesen: Nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, die der Bundesfinanzhof fortgeführt hat, liegt Liebhaberei - im Gegensatz zu einer ernsthaften Beteiligung am Wirtschaftsleben in der Absicht, dadurch Gewinne zu erzielen - vor, wenn ein Betrieb nicht nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt wird und nach Wesen und Bewirtschaftungsart auf die Dauer keine Gewinne abwerfen kann (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 1230/31 vom 24. Januar 1934, Slg. Bd. 35 S. 161, RStBl 1934 S. 501; Urteil des Bundesfinanzhofs IV 221/53 vom 6. Mai 1954, Slg. Bd. 58 S. 745, Bundessteuerblatt III S. 197). Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist objektiv zu bestimmen; die subjektive Einstellung der Beteiligten kann nur in Grenzfällen als Anhalt verwendet werden. Ob auf die Dauer nachhaltig ein Ertrag zu erzielen ist, läßt sich gewöhnlich nur beurteilen, wenn ein längerer Zeitraum in Betracht gezogen wird. Verluste, die durch Anlaufschwierigkeiten oder durch Rückschläge irgendwelcher Art im Betrieb veranlaßt sind, beweisen nicht ohne weiteres, daß nicht auf die Dauer nachhaltig ein Ertrag zu erzielen ist. Diese Grundsätze hat die Rechtsprechung hauptsächlich zu der Frage einer Landwirtschaft als Liebhaberei entwickelt. Sie gelten aber allgemein, insbesondere auch im gewerblichen Bereich.

Das Finanzgericht hat seine Auffassung, daß Liebhaberei vorliege, wie folgt begründet: Radrennen würden grundsätzlich nur von Sportliebhabern gefördert und würfen nie einen Ertrag ab; die Anlagen seien so kostspielig, daß selbst dann, wenn die Einnahmen besonderer Veranstaltungen einmal überschüsse ergäben, doch nicht allgemein die laufenden Kosten gedeckt werden könnten. Die Unkosten für Fahrer, Reklame, Vergnügungs- und Umsatzsteuer nähmen mit steigenden Einnahmen so stark zu, daß Gewinne nicht möglich seien. Es seien keine Radrennbahnen bekannt, die mit einem überschuß arbeiteten.

Diese Ausführungen sind rechtlich bedenklich. Zunächst ist nicht zu erkennen, worauf das Finanzgericht die Feststellung stützt, daß Sportanlagen nur von Sportliebhabern gefördert würden, und daß Radrennbahnen nie einen Gewinn abwürfen. Nachforschungen darüber hat das Finanzgericht, soweit ersichtlich, nicht angestellt. Der Bf. hat Beweis für das Gegenteil angetreten. Das Finanzgericht ist auch davon ausgegangen, daß die Anlage nur zur Abhaltung von Radrennen bestimmt sei, während der Bf. vorgetragen hatte, daß die Anlage für sportliche Großveranstaltungen aller Art dienen sollte und wegen ihrer neuartigen Beleuchtungsanlage insbesondere auch für Nachtveranstaltungen geeignet gewesen sei. Bedenklich ist ferner, daß das Finanzgericht nur das Ergebnis von etwa 1 1/2 Jahren in Betracht gezogen hat, ohne näher zu prüfen, worauf der Verlust der Anfangszeit zurückzuführen war.

Eine weitere Prüfung dieser Fragen erübrigt sich aber. Nach der Lebenserfahrung hat der öffentliche Sportbetrieb heute weithin den Charakter der Liebhaberei, den er früher hatte, verloren und ist für alle Beteiligten - die Berufssportler, die Manager, die Veranstalter und die Eigentümer der Sportanlagen - eine Erwerbsquelle geworden. Vgl. dazu auch das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 77/53 S vom 17. Februar 1955 (BStBl III S. 100) betreffend die gewerbliche Tätigkeit der Berufssportler. Der geschäftliche Erfolg ist allerdings unsicher, weil der Besuch der Veranstaltungen vor allem von der schwer berechenbaren Gunst und dem sich wandelnden Geschmack der Massen abhängt. Gerade auf diesem Gebiet kommt es deshalb oft zu Fehlspekulationen. So behauptet auch im vorliegenden Fall der Bf., die Verluste seien dadurch entstanden, daß die Veranstaltungen beim Publikum nicht den erwarteten Anklang gefunden hätten. Die Auffassung des Finanzgerichts, daß Sportanlagen für Massenveranstaltungen von Sportmäzenen aus Liebhaberei gebaut würden, um eine bestimmte Sportart des ideellen Zwecks wegen zu fördern, wird der tatsächlichen Entwicklung nicht gerecht. Es ist nicht anzunehmen, daß ein erfahrener Geschäftsmann, wie der Bf., eine hohe Verschuldung auf sich nimmt, um Anlagen zu errichten, die nicht dem Gelderwerb, sondern der Liebhaberei dienen. Sollte auch auf die Dauer aus dem Betrieb der Anlage kein Gewinn erzielt werden, so stünde damit fest, daß eine gewerbliche Fehlspekulation vorliegt.

Die Sache wird aus Zweckmäßigkeitsgründen an das Finanzamt zurückverwiesen, damit es nunmehr im Verfahren der einheitlichen Feststellung den Verlust festsetzt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408204

BStBl III 1955, 237

BFHE 1956, 101

BFHE 61, 101

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