Leitsatz (amtlich)

§ 2 Abs. 2 FGO-Saar, wonach der Präsident des Finanzgerichts den Vorsitz in beiden Kammern führt, war am 5. Februar 1963 geltendes Recht. Die Vorschrift ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

 

Normenkette

GG Art. 101 Abs. 1 S. 2; FGO-Saar § 2

 

Tatbestand

Mit der Rb. rügt die Bfin. als Verfahrensmangel, das Finanzgericht des Saarlandes sei am 5. Februar 1963 (Erlaß des Urteils des Finanzgerichts) nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen. Im einzelnen trägt sie folgendes vor:

Obwohl das Finanzgericht aus zwei Kammern bestehe, sei neben dem Präsidenten des Finanzgerichts kein weiterer Kammervorsitzender ernannt worden. Im Gesetz über Maßnahmen auf dem Gebiet der Finanzgerichtsbarkeit vom 22. Oktober 1957 (BGBl 1957 I S. 1746) und in dem im wesentlichen gleichlautenden Gesetz Nr. 616 über Maßnahmen auf dem Gebiet der Finanzgerichtsbarkeit des Saarlandes vom 28. Januar 1958 (Amtsblatt 1958 S. 425) seien die Kammervorsitzenden ausdrücklich neben dem Präsidenten des Gerichts erwähnt. Daß der Präsident den Vorsitz nicht in mehreren Kammern führen dürfe, sei ein allgemein geltender Grundsatz der Gerichtsverfassung von grundgesetzlichem Rang.

 

Entscheidungsgründe

Die Verfahrensrügen der Bfin. sind nicht begründet.

Daß der Präsident des Finanzgerichts Vorsitzender beider Kammern ist, kann nicht beanstandet werden.

Nach § 2 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung des Saarlandes (FGO-Saar) entscheiden die beiden Kammern des Finanzgerichts mit je fünf Mitgliedern unter dem Vorsitz des Präsidenten des Finanzgerichts. Diese Vorschrift ist für den hier zu beurteilenden Zeitraum weder durch spätere gesetzliche Vorschriften abgeändert worden, noch widerspricht sie -- wie die Bfin. meint -- allgemeinen Grundsätzen des Gerichtsverfassungsrechts. Das Gesetz Nr. 616, das nach Ansicht der Bfin. die Rechtslage geändert haben soll, wollte -- wie der Minister der Finanzen und Forsten des Saarlandes überzeugend ausführt -- die persönliche Unabhängigkeit der richterlichen Mitglieder des Finanzgerichts sicherstellen. Dementsprechend bestimmt § 2 Abs. 1 Satz 1: "Die Richter (Präsident, Kammervorsitzende und ständige Mitglieder) des Finanzgerichts werden auf Lebenszeit ernannt." Wenn im Klammersatz dieser Vorschrift neben dem Präsidenten auch Kammervorsitzende erwähnt werden, so kann darin nicht etwa eine gesetzliche Anweisung zur Ernennung von Kammervorsitzenden gesehen werden. Der Minister für Finanzen und Forsten des Saarlandes führt aus, der Wortlaut des Gesetzes Nr. 616 sei bewußt in Übereinstimmung mit dem in der Bundesrepublik geltenden Gesetz über Maßnahmen auf dem Gebiet der Finanzgerichtsbarkeit vom 22. Oktober 1957 gebracht worden. Der textliche Vergleich beider Gesetze bestätigt dies. Hätte das Gesetz Nr. 616 unmittelbar in die Organisation des Finanzgerichts eingreifen wollen, so hätte es ausdrücklich einer Aufhebung des § 2 Abs. 2 FGO-Saar bedurft. Darauf, daß diese Absicht nicht vorgelegen hat, weist im übrigen auch die FGO-Saar in der Fassung vom 3. Februar 1964 (BGBl 1964 I S. 57) hin, die in § 2 b nach wie vor bestimmt, daß der Präsident den Vorsitz in den Kammern führt.

Aus den Vorschriften anderer Verfahrensordnungen kann nicht hergeleitet werden, daß es verfassungsrechtlich geboten ist, neben dem Präsidenten noch weitere Kammervorsitzende zu ernennen. Für einzelne Zweige der Gerichtsbarkeit haben zwar die Verfahrensordnungen gesetzliche Anweisungen zur Ernennung weiterer Kammervorsitzender erteilt (vgl. § 35 Abs. 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes, § 30 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes, § 4 der Verwaltungsgerichtsordnung). Dem steht § 59 Abs. 1 Satz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) gegenüber, wonach bei den Landgerichten von der Ernennung eines Direktors abgesehen werden kann, wenn der Präsident den Vorsitz in den Kammern allein führt. Dies ist zwar eine Kann-Vorschrift. Es ist jedoch kein Grund ersichtlich, weshalb es dem Gesetzgeber verwehrt sein soll, die Ernennung weiterer Kammervorsitzender zwingend auszuschließen, wenn er -- wie dies hier der Fall ist -- die Besetzung eines einzigen Gerichts regelt, dessen Arbeitsbelastung er übersehen kann.

Auch verstößt § 2 Abs. 2 FGO-Saar nicht gegen Art. 101 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Wer "gesetzlicher Richter" im Sinne des GG ist, wird hinsichtlich des Kammervorsitzenden durch § 2 Abs. 2 FGO-Saar von vornherein in so eindeutiger Weise bestimmt, daß jede Möglichkeit einer Manipulation im Einzelfall ausgeschlossen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411237

BStBl III 1964, 388

BFHE 1964, 429

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