Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Steuerliche Betriebsprüfung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Arbeitgeber kann gegen den Erstattungsanspruch des Arbeitnehmers aus einem von ihm vorgenommenen Lohnsteuerjahresausgleich mit einer Forderung gegen den Arbeitnehmer nur mit dessen Einwilligung aufrechnen.

Zur Kürzung der von ihm abzuführenden Gesamtlohnsteuer wegen eines von ihm durchgeführten Lohnsteuerjahresausgleichs ist der Arbeitgeber nur berechtigt, soweit er die dem Arbeitnehmer zu erstattende Lohnsteuer ausgezahlt hat.

 

Normenkette

EStG §§ 38, 47; AO § 124

 

Tatbestand

Der Bf. ist für das Jahr 1956 unter Einbeziehung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zur Einkommensteuer veranlagt worden. Auf die festgesetzte Einkommensteuer sind 1.296 DM Lohnsteuer angerechnet worden, die nach der dem Bf. durch die Arbeitgeberin erteilten Bescheinigung unter Berücksichtigung eines Lohnsteuerjahresausgleichs auf die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit einbehalten worden sind. Während die Arbeitgeberin zunächst 11.147,70 DM an Lohnsteuer, Kirchensteuer und Abgabe "Notopfer Berlin" einbehalten hatte, hat der von ihr durchgeführte Lohnsteuerjahresausgleich einen Erstattungsbetrag von 9.628,20 DM an Lohnsteuer, Kirchensteuer und Abgabe "Notopfer Berlin" ergeben. Die an das Finanzamt im Jahr 1957 abgeführte gesamte Lohnsteuer ist um diesen Betrag gekürzt, der Betrag ist aber, weil die Arbeitgeberin gegenüber dem Rückzahlungsanspruch aufgerechnet hat, an den Bf. nicht - wenigstens zunächst nicht - zurückgezahlt worden. Erst im Laufe dieses Rechtsstreits hat die Arbeitgeberin den Betrag an den Bf. gezahlt.

Der Bf. ist der Auffassung, daß das Finanzamt auf die für das Jahr 1956 festgesetzte Einkommensteuer nicht bloß die unter Berücksichtigung des Lohnsteuerjahresausgleichs abgeführte Lohnsteuer von 1.296 DM, sondern die ursprünglich einbehaltene und abgeführte Lohnsteuer im Betrag von 9.579 DM hätte anrechnen müssen und daß sich so eine überzahlung in Höhe von (9.579 DM - 1.369 DM =) 8.210 DM ergebe. Er beantragte diese Anrechnung, als er seine Einkommensteuererklärung für das Jahr 1956 abgab. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab, indem es durch einen Vermerk in dem Steuerbescheid darauf hinwies, daß nur der von dem Arbeitgeber einbehaltene Betrag angerechnet werden könne.

Die Sprungberufung blieb erfolglos. Die Berufung sei zwar, so führt das Finanzgericht aus, zulässig, weil der Antrag des Bf. auf Anrechnung als Erstattungsantrag aufzufassen sei und ein diesen ablehnender Bescheid mit der Berufung angefochten werden könne, wenn ein Erstattungsanspruch behauptet werde. Dies sei hier der Fall, weil der Bf., wenn er recht habe, nach § 47 EStG den überzahlten Betrag erstattet verlangen könne. Die Berufung sei aber nicht begründet. Dem Bf. stehe der von ihm geltend gemachte Erstattungsanspruch nicht zu. Das Finanzamt habe zu Recht nur 1.296 DM angerechnet. Angerechnet werden könne nur der vom Arbeitgeber einbehaltene Betrag; welcher Betrag einbehalten sei, ergebe sich maßgeblich aus der vom Arbeitgeber erteilten Bescheinigung. Habe der Arbeitgeber einen Lohnsteuerjahresausgleich durchgeführt, so sei dies für die Frage, welcher Betrag einbehalten worden sei, zu berücksichtigen, ohne daß es darauf ankäme, ob der Arbeitgeber zur Durchführung des Lohnsteuerjahresausgleichs berechtigt gewesen sei und den sich nach dem Lohnsteuerjahresausgleich ergebenden Erstattungsbetrag auch tatsächlich an den Arbeitnehmer zurückgezahlt habe.

Mit seiner Rb. wehrt sich der Bf., weil er inzwischen den strittigen Betrag von seiner früheren Arbeitgeberin erhalten und der Rechtsstreit sich also in der Hauptsache erledigt habe, nur noch gegen die Auferlegung der Kosten. Nach seiner Auffassung ist sein Antrag auf Anrechnung der 9.579 DM berechtigt gewesen. Entscheidend sei, was die Arbeitgeberin einbehalten und abgeführt habe. Diese Einbehaltung und Abführung könne durch den von der Arbeitgeberin zu Unrecht durchgeführten Lohnsteuerjahresausgleich und die unberechtigte Aufrechnung nicht beeinträchtigt werden. Es sei nicht seine Sache, sondern Sache des Finanzamts, die Arbeitgeberin wegen des Betrages in Anspruch zu nehmen, den diese auf Grund des von ihr durchgeführten Lohnsteuerjahresausgleichs von der von ihr abzuführenden Gesamtsumme gekürzt habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist begründet.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Antrag des Bf. auf Anrechnung der Lohnsteuer in der nach seiner Auffassung richtigen Höhe nicht richtiger als ein Antrag im Zahlungsverfahren aufzufassen gewesen wäre, über den ein Abrechnungsbescheid hätte erteilt werden müssen. Man wird den Antrag, wie es das Finanzgericht getan hat, auch unmittelbar als Erstattungsantrag auffassen können. Das Rechtsmittelverfahren ist ohnehin in beiden Fällen dasselbe.

Inzwischen ist, weil die Arbeitgeberin den auf Grund des von ihr durchgeführten Lohnsteuerjahresausgleichs sich ergebenden Erstattungsbetrag an den Bf. gezahlt hat, der von diesem gestellte Antrag gegenstandslos geworden. Das Rechtsmittelverfahren hat sich also in der Hauptsache erledigt. Zu entscheiden ist dem Antrag des Bf. entsprechend nur noch über die Kosten des Verfahrens. Diese sind demjenigen aufzuerlegen, der, wäre die Erledigung in der Hauptsache nicht eingetreten, im Rechtsstreit unterlegen wäre. Unterlegen wäre der Steuergläubiger. Der Antrag des Bf. auf Anrechnung und Erstattung war begründet.

Nach § 47 Abs. 1 Ziff. 2 EStG sind auf die veranlagte Einkommensteuer anzurechnen "die durch Steuerabzug einbehaltenen Beträge, soweit sie auf die im Veranlagungszeitraum bezogenen Einkünfte entfallen". Entscheidend ist also die Einbehaltung, nicht die Abführung. Dies ergibt sich auch aus der Regelung der Voraussetzungen, unter denen der Arbeitnehmer selbst in Anspruch genommen werden kann: Nach § 38 Abs. 3 Satz 3 Ziff. 1 und 2 EStG wird der Arbeitnehmer nur in Anspruch genommen, wenn entweder der Arbeitslohn nicht vorschriftsmäßig gekürzt worden ist oder die Kürzung zwar vorschriftsmäßig erfolgt ist, der Arbeitnehmer aber weiß, daß die einbehaltene Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig abgeführt worden ist und dies dem Finanzamt nicht unverzüglich mitteilt.

Es kommt danach entscheidend darauf an, welche Lohnsteuer auf die dem Bf. in dem Veranlagungszeitraum 1956 zugeflossenen Beträge als "einbehalten" anzusehen ist, nämlich die ursprünglich einbehaltene Lohnsteuer oder die Lohnsteuer, die sich auf Grund des von der Arbeitgeberin durchgeführten Lohnsteuerjahresausgleichs ergeben hat.

Mit der Einführung des Lohnsteuerjahresausgleichs ist ein Verfahren geschaffen worden, das es auch dem nicht veranlagten Arbeitnehmer ermöglicht, gegenüber einer formell zu Recht, materiell aber zu hoch einbehaltenen Lohnsteuer die Festsetzung derjenigen Lohnsteuer, die den im Ausgleichsjahr tatsächlich gegebenen Verhältnissen entspricht, und die Erstattung des Unterschiedsbetrages zwischen dieser Lohnsteuer und der einbehaltenen Lohnsteuer zu verlangen. Die Durchführung des Lohnsteuerjahresausgleichs ist in bestimmten Fällen dem Arbeitgeber, im übrigen dem Finanzamt übertragen. Im ersten Fall - nur dieser ist hier von Bedeutung - spielt sich das Verfahren zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer ab. Das Finanzamt wird mit dem von dem Arbeitgeber durchgeführten Lohnsteuerjahresausgleich nur insofern befaßt, als die vom Arbeitgeber erstatteten Beträge "bei der nächsten Lohnsteueranmeldung und Lohnsteuerabführung in einer Summe gesondert abzusetzen" sind. Es liegt auf der Hand, daß diese Mitteilung nicht ausreicht, um dem Finanzamt eine Nachprüfung des Lohnsteuerjahresausgleichs zu ermöglichen. Der Zweck der Mitteilung liegt nur darin, das Finanzamt auf die Tatsache hinzuweisen, daß ein Lohnsteuerjahresausgleich durchgeführt worden ist. Die Prüfung, ob der Lohnsteuerjahresausgleich richtig durchgeführt worden ist, kann nur durch eine Lohnsteueraußenprüfung durchgeführt werden.

Wie der Senat in dem Urteil VI 252/57 U vom 6. Mai 1959 (BStBl 1959 III S. 292, Slg. Bd. 69 S. 83) ausgeführt hat, liegt in den Fällen, in denen einem Arbeitnehmer auf Grund eines vom Arbeitgeber unrichtig durchgeführten Lohnsteuerjahresausgleichs ein Betrag erstattet worden ist, auf den der Arbeitnehmer keinen Anspruch hat, eine nicht vorschriftsmäßige Kürzung des Arbeitslohns im Sinne des § 38 Abs. 3 Satz 3 Ziff. 1 EStG vor. In diesen Fällen kann als "einbehalten" im Sinne des § 47 Abs. 1 Ziff. 2 EStG nur der Unterschiedsbetrag zwischen der ursprünglich einbehaltenen Lohnsteuer und der auf Grund des Lohnsteuerjahresausgleichs erstatteten Lohnsteuer angesehen werden, ohne daß es etwas ausmacht, ob die Einbehaltung in das Ausgleichsjahr, die Erstattung aber in das folgende Jahr fällt. Daß der Arbeitgeber im Falle der Erstattung auf der Lohnsteuerkarte oder in dem Lohnzettel des Ausgleichsjahres den Erstattungsbetrag und als "einbehaltene Lohnsteuer" den Betrag, der sich vor der Erstattung ergibt, einzutragen hat, dient Kontrollzwecken, ändert aber nichts daran, daß nur der Unterschiedsbetrag "einbehalten" im Sinne des § 47 Abs. 1 Ziff. 2 EStG und damit auf die festgesetzte Einkommensteuer anrechenbar ist.

Führt der Arbeitgeber einen Lohnsteuerjahresausgleich durch und kürzt er die von ihm abzuführende Lohnsteuer um den zu erstattenden Betrag, ohne diesen aber dem Arbeitnehmer auszuhändigen, so könnte man daran denken, den ursprünglich einbehaltenen Betrag als einbehalten und den zu erstattenden Betrag, um den der Arbeitgeber die von ihm abzuführende Lohnsteuer gekürzt hat, als "nicht abgeführt" anzusehen; das hätte zur Folge, daß bei einer Veranlagung des Arbeitnehmers die (volle) einbehaltene Lohnsteuer anzurechnen wäre und eine Kürzung um den nicht abgeführten Betrag nur in Betracht käme, wenn der Arbeitnehmer dem Finanzamt die ihm durch Mitteilung der Durchführung des Lohnsteuerjahresausgleichs bekanntgewordene Nichtabführung (= Nichterstattung) nicht unverzüglich mitgeteilt hätte. Man könnte aber auch nur den Unterschiedsbetrag zwischen der ursprünglich einbehaltenen Lohnsteuer und dem zu erstattenden Betrag als (endgültig) einbehalten ansehen, vorausgesetzt, daß dem Arbeitnehmer der auf Grund des Lohnsteuerjahresausgleichs zu erstattende Betrag mitgeteilt worden ist, der Arbeitnehmer also weiß, daß - jedenfalls nach der Auffassung seines Arbeitgebers - ein Teil der ursprünglich einbehaltenen Lohnsteuer nicht mehr als Lohnsteuer einbehalten wird. Für die ersterwähnte Lösung spricht jedoch, daß der Arbeitgeber zur Kürzung der für seine anderen Arbeitnehmer abzuführenden Lohnsteuer um den dem Arbeitnehmer zu erstattenden Betrag nach dem Sinn und Zweck der Regelung des Lohnsteuerjahresausgleichs nur unter der Voraussetzung der Erstattung berechtigt ist, die Kürzung also nicht vornehmen darf, wenn er zur Erstattung nicht gewillt oder nicht in der Lage ist. Solange der Arbeitgeber den Betrag, den er nach dem Lohnsteuerjahresausgleich an den Arbeitnehmer zu erstatten hat, an diesen nicht ausgezahlt hat, muß also die ursprünglich einbehaltene Lohnsteuer als einbehalten gelten. Es kann nur die Frage auftauchen, ob die einbehaltene Lohnsteuer im Hinblick auf eine zu Unrecht erfolgte Kürzung der an das Finanzamt später abgeführten Gesamtlohnsteuer immer noch in voller Höhe "abgeführt" ist.

Wenn der Arbeitgeber wie im Streitfall gegenüber der Erstattungsforderung des Arbeitnehmers mit einer Forderung gegen den Arbeitnehmer aufrechnet, so liegt darin nur dann eine Zurückzahlung der Lohnsteuer in dem vorstehenden Sinne, wenn der Arbeitnehmer mit der Aufrechnung einverstanden ist. Die Aufrechnung führt zwar, wie das Finanzgericht zutreffend ausgeführt hat, ebenso wie eine Zahlung zur Tilgung des Anspruchs, gegen den aufgerechnet worden ist. Die Aufrechnung ist aber nur zulässig, wenn sich zwei gegenseitige Ansprüche einander gegenüberstehen. Im Streitfall stehen sich der Anspruch des Arbeitnehmers auf Zahlung des auf Grund des Lohnsteuerjahresausgleichs zu erstattenden Betrages und der Anspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer nur scheinbar gegenüber. Der Arbeitnehmer ist zwar gleichzeitig Schuldner des zivilrechtlichen Anspruchs des Arbeitgebers und der Gläubiger des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs gegen den Steuerfiskus; der Schuldner des Erstattungsanspruchs ist der Steuerfiskus. Der Arbeitgeber erfüllt, wenn er Lohnsteuer erstattet, keine eigene Verpflichtung; er wird vielmehr ebenso wie bei der Einbehaltung der Lohnsteuer nur in einer Art treuhänderischen Stellung für den Steuerfiskus tätig. Es stehen sich demnach in der Person des Arbeitgebers nicht Forderung und Schuld als aufrechenbar einander gegenüber.

Das angefochtene Urteil, das mit den vorstehenden Ausführungen nicht im Einklang steht, war demnach aufzuheben. über die spruchreife Sache war wie geschehen zu entscheiden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410077

BStBl III 1961, 372

BFHE 1962, 289

BFHE 73, 289

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