Leitsatz (amtlich)

1. Der Ausfuhrnachweis gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 UStG 1967 kann als Bestandteil des buchmäßigen Nachweises gemäß Nr. 4 der Vorschrift noch bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht über eine Klage gegen die erstmalige endgültige Steuerfestsetzung oder den Berichtigungsbescheid geführt werden.

2. Beansprucht der Unternehmer für eine Ausfuhrlieferung Steuerbefreiung, ohne im Besitz der Nachweisunterlagen zu sein, muß er das gegenüber dem Finanzamt offenlegen.

2. Unberührt bleibt die Verpflichtung des Unternehmers, die gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 UStG 1967 erforderlichen Aufzeichnungen fortlaufend und zeitgerecht zu erstellen.

 

Normenkette

UStG 1967 § 6 Abs. 1 Nrn. 3-4; 2. UStDV § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Kläger betreibt ein Ingenieurbüro. Im Jahre 1971 verkaufte er eine Maschine zum rückseitigen Stempeln von Tapetenrollen nach Frankreich, die vom Kunden selbst beim Kläger abgeholt wurde. In der Umsatzsteuerjahreserklärung für 1971 vom 12. Januar 1973 nahm der Kläger für diese Lieferung die Umsatzsteuerfreiheit gemäß § 4 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1967) in Anspruch. Das Finanzamt führte zunächst entsprechend der Erklärung eine vorläufige Umsatzsteuerveranlagung durch. Anläßlich einer Umsatzsteuersonderprüfung im Dezember 1973 stellte das Finanzamt fest, daß der Kläger für diese Lieferung keinen Ausfuhrnachweis besaß. Das Finanzamt hat daraufhin mit endgültigem Umsatzsteuerbescheid für 1971 vom 26. November 1974 die Steuerbefreiung für die Lieferung versagt und die Umsatzsteuer um 2 110,80 DM auf 4 037,95 DM heraufgesetzt.

Mit dem am 21. Dezember 1974 eingelegten Einspruch hat der Kläger den zwischenzeitlich beschafften Ausfuhrnachweis beigebracht. Der Einspruch ist erfolglos geblieben. Das Finanzamt steht auf dem Standpunkt, der erforderliche Ausfuhrnachweis sei im Zeitpunkt der erstmaligen endgültigen Veranlagung (26. November 1974) nicht im Besitz des Klägers und auch nicht Bestandteil seiner Buchführung gewesen. Dies sei aber der späteste für die Führung des Ausfuhrnachweises mögliche Zeitpunkt (Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 11. November 1967, Abschn. B Nr. 1 Abs. 3, BStBl I 1967, 384).

Mit der daraufhin erhobenen Klage hat der Kläger weiterhin die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 UStG 1967 geltend gemacht und zur Begründung vorgetragen, daß nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 3. Mai 1962 V 291/59 U (BFHE 74, 717, BStBl III 1962, 265) einzelne fehlende Merkmale des Buchnachweises auch noch nach Ergehen der erstmaligen endgültigen Veranlagung ergänzt werden könnten, wenn der Buchnachweis mindestens in seinen Grundlagen unmittelbar nach Ausführung des Umsatzes gegeben gewesen sei. Im übrigen sei der Begriff "endgültige Veranlagung" dahin zu verstehen, daß der Ausfuhrnachweis auch noch bis zur formellen Bestandskraft der Veranlagung, also auch noch im Einspruchsverfahren, nachgereicht werden könne.

Das Finanzgericht hat der Klage stattgegeben, da zwar die Ausfuhrbelege grundsätzlich im Zeitpunkt der Antragstellung vorhanden sein müßten, der Buchnachweis jedoch unmittelbar nach Ausführung des Umsatzes lediglich in seinen Grundlagen gegeben sein müsse. Einzelne fehlende Merkmale könnten später ergänzt werden. Dazu gehöre die Ausfuhrbestätigung der Grenzzollstelle.

Gegen das Urteil wendet sich das Finanzamt (Beklagter) mit der durch Beschluß des Senats vom 30. September 1976 V B 27/76 (Umsatzsteuer-Rundschau 1977 S. 15 - UStR 1977, 15 -) zugelassenen Revision.

Das Finanzamt beantragt, das Urteil des Finanzgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist unbegründet.

I.

1. Nach § 4 Nr. 1 UStG 1967 sind Ausfuhrlieferungen steuerfrei. Gemäß § 6 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 dieses Gesetzes liegt eine Ausfuhrlieferung vor, wenn der Unternehmer an einen ausländischen Abnehmer im Sinne der Vorschrift geliefert hat (Nr. 1), der Gegenstand der Lieferung in das Ausland gelangt ist (Nr. 2), dieser als Ausfuhr bezeichnete Vorgang durch Belege nachgewiesen ist (Ausfuhrnachweis - Nr. 3 -) und die Voraussetzungen der Nrn. 1 bis 3 buchmäßig nachgewiesen sind (Nr. 4). Die Steuerbefreiung der Ausfuhrlieferungen hängt danach von zwei miteinander verzahnten Nachweisen ab, die als materiell-rechtliche Erfordernisse gleichrangig neben die in § 6 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 UStG 1967 genannten Voraussetzungen treten (vgl. noch für das alte Recht: Urteil des Bundesfinanzhofs vom 29. Juli 1965 V 73/63 U, BFHE 83, 356, BStBl III 1965, 628). Wie die Nachweise im einzelnen zu führen sind, bestimmt das Gesetz nicht. Gemäß § 6 Abs. 2 UStG 1967 bleibt die nähere Ausgestaltung vielmehr dem Verordnungsgeber überlassen, der von dieser Ermächtigung in der Zweiten Verordnung zur Durchführung des Umsatzsteuergesetzes - Mehrwertsteuer - (2. UStDV) vom 11. Oktober 1967 (BGBl I 1967, 980, BStBl I 1967, 364) Gebrauch gemacht hat. Auch die Zweite Verordnung zur Durchführung des Umsatzsteuergesetzes - Mehrwertsteuer - nennt keinen Zeitpunkt, bis zu dem die Nachweise erbracht werden können. In § 1 Abs. 1 sowie § 2 Abs. 1 der Verordnung ist lediglich bestimmt, daß sich die nachzuweisenden Tatsachen aus den Belegen bzw. den Büchern eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben müssen.

2. Eine ähnliche Formulierung war für den buchmäßigen Nachweis bereits in § 14 Abs. 3 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB 1951) enthalten. § 14 Abs. 3 UStDB 1951 wurde damals dahin ausgelegt, daß die erforderlichen Aufzeichnungen laufend vorzunehmen waren und der Buchnachweis mindestens in seinen Grundlagen unmittelbar nach Ausführung des Umsatzes erstellt werden mußte (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 3. Mai 1962 V 291/59 U, BFHE 74, 717, BStBl III 1962, 265). Etwas anderes sollte dagegen für den Ausfuhrnachweis nach § 25 UStDB 1951 gelten. Seine Doppelfunktion als Voraussetzung für die Steuerbefreiung der Ausfuhrlieferungen und für die Gewährung von Umsatzsteuervergütungen führte dazu, den Nachweiszeitpunkt hinauszuschieben. Für das Vergütungsrecht sollte es genügen, wenn der Nachweis im Zeitpunkt der Antragstellung - d. h.: spätestens bis zum Ablauf der Antragsfrist nach § 21 Abs. 1 UStG 1951 (früher § 75 Abs. 1 UStDB 1951) - vorlag, während die Steuerbefreiung davon abhängen sollte, ob der Ausfuhrnachweis im Zeitpunkt der erstmaligen endgültigen Veranlagung vorhanden war (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs vom 27. März 1958 V 301/56, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Umsatzsteuergesetz 1951, § 4 Nr. 3, Rechtsspruch 4, und vom 29. Januar 1959 V 43/58 U, BFHE 68, 310, BStBl III 1959, 121), da spätestens im Zeitpunkt der Befreiung sämtliche Voraussetzungen gegeben sein müßten. Diesen Standpunkt hat der Bundesminister der Finanzen für die Steuerbefreiung der Ausfuhrlieferungen nach dem neuen Umsatzsteuerrecht beibehalten (Abschn. B Nr. 1 Abs. 3 des Erlasses vom 11. November 1967, BStBl I 1967, 384).

3. Gegen diese Auslegung ließ sich bereits zum alten Umsatzsteuerrecht einwenden, daß der Ausfuhrnachweis Teil des buchmäßigen Nachweises sei und deshalb beide Nachweise zur selben Zeit vorzuliegen hätten. War damals noch auf die Besonderheiten des Vergütungsrechts - insbesondere die Möglichkeit, bereits gestellte Anträge innerhalb einer Ausschlußfrist zu ändern und zu ergänzen - Rücksicht zu nehmen, so ist diese Notwendigkeit nunmehr entfallen. Es gibt daher keinen Grund, gegen den Wortlaut des Gesetzes den Ausfuhrnachweis zu verselbständigen (vgl. Eckhardt/Weiß, Umsatzsteuergesetz - Mehrwertsteuer -, Bd. I § 6 Anm. 57). Wenn der Ausfuhrnachweis Teil des buchmäßigen Nachweises ist, folgt daraus vielmehr, daß letzterer erst als geführt gelten kann, sobald auch die erforderlichen Ausfuhrbelege vorliegen und in den buchmäßigen Aufzeichnungen auf sie verwiesen wird. Es kann demnach nur einen Zeitpunkt geben, bis zu dem die Nachweise geführt sein müssen. Auf der anderen Seite wird dadurch die Schaffung des buchmäßigen Nachweises - vornehmlich in Abholfällen - zu einem längerwährenden Vorgang. Daraus darf aber nicht geschlossen werden, daß nunmehr die für den buchmäßigen Nachweis erforderlichen Aufzeichnungen nicht mehr laufend und unmittelbar nach Ausführung der jeweiligen Umsätze vorgenommen werden müßten. An diesem Erfordernis ist vielmehr auch für das neue Umsatzsteuerrecht festzuhalten (vgl. Eckhardt/Weiß, a. a. O.); dies ergibt sich aus dem in § 2 Abs. 1 der 2. UStDV übernommenen Grundsatz, daß die buchmäßig nachzuweisenden Voraussetzungen eindeutig und leicht nachprüfbar zu ersehen sein müssen. Da vom Unternehmer nichts Unmögliches verlangt werden kann, muß es für den Nachweis der Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen ausreichen, daß der Unternehmer den buchmäßigen Nachweis jeweils soweit wie möglich erstellt. Die für den buchmäßigen Nachweis erforderlichen Aufzeichnungen sind daher unmittelbar nach Ausführung des Umsatzes zu tätigen, wenn nach späterem Hinzutreten der erforderlichen Ausfuhrbelege und nach Vornahme der wechselseitigen Verweisungen ein den umsatzsteuerrechtlichen Anforderungen genügender buchmäßiger Nachweis vorliegen soll. Die Steuerbefreiung kann nur gewährt werden, wenn der buchmäßige Nachweis lediglich um den später eingegangenen Ausfuhrnachweis vervollständigt wird; aber der vollständige Nachweis ist nur dann ordnungsgemäß geführt, wenn der aus den Aufzeichnungen bestehende Teil in der beschriebenen Weise fortlaufend und zeitgerecht erstellt worden ist.

4. Bis zu welchem Zeitpunkt die erforderlichen Ausfuhrbelege vorliegen müssen, ist weder im materiellen noch im formellen Steuerrecht geregelt. Aus § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und b UStG 1967 folgt i. V. m. § 6 Abs. 1 Nrn. 3 und 4 dieses Gesetzes lediglich, daß bei Lieferungen an ausländische Abnehmer in das Ausland zunächst Umsatzsteuer entsteht, wenn nicht im maßgeblichen Voranmeldungszeitraum die erforderlichen Nachweise, unter diesen auch die Ausfuhrbelege, vorhanden sind. Die Abgabenordnung (AO 1977) wiederum enthält nur Bestimmungen darüber, unter welchen Voraussetzungen eine bereits durchgeführte Steuerfestsetzung geändert werden kann, wobei insbesondere die §§ 168, 164 Abs. 1 AO 1977 i. V. m. § 18 Abs. 1 und 2 UStG 1967 zu nennen sind. Eine zeitliche Begrenzung ergibt sich daraus nur insofern, als nach Ablauf der Festsetzungsfrist der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt (§ 164 Abs. 4 AO 1977). Angesichts dieser Rechtslage ist darauf abzustellen, bis zu welchem Zeitpunkt der Steuerpflichtige allgemein für die Steuerfestsetzung bedeutsame Tatsachen vorbringen kann. Letztmöglicher Zeitpunkt für die Ergänzung des tatsächlichen Vorbringens ist ggf. die letzte mündliche Verhandlung über eine gegen die ursprüngliche Steuerfestsetzung oder gegen einen Berichtigungsbescheid gerichtete Klage vor dem Finanzgericht. Es gibt keine rechtliche Grundlage, davon abweichend die Beibringung des Ausfuhrnachweises als Bestandteil des buchmäßigen Nachweises lediglich bis zur erstmaligen endgültigen Veranlagung zuzulassen.

Soweit in den noch zum Umsatzsteuergesetz 1951 ergangenen Urteilen des Bundesfinanzhofs auf die erstmalige endgültige Veranlagung bzw. auf den Abschluß der Veranlagung abgestellt und damit ausgeschlossen worden ist, daß die Ausfuhrbelege bei erstmaliger Veranlagung noch im Laufe eines Verfahrens im Sinne des § 229 der Reichsabgabenordnung alter Fassung und bei einer bereits bestandskräftigen Steuerfestsetzung noch im Laufe eines Berichtigungsverfahrens nachgereicht werden können (StRK, Umsatzsteuergesetz 1951, § 4 Nr. 3, Rechtsspruch 4, sowie BFHE 68, 310), kann daran wegen der dargestellten veränderten Rechtslage (Abschnitt 3) für das neue Umsatzsteuerrecht nicht mehr festgehalten werden.

5. Solange der Unternehmer nicht im Besitz der erforderlichen Ausfuhrbelege ist, aber die für den buchmäßigen Nachweis erforderlichen Aufzeichnungen zeitgerecht getätigt hat (vgl. oben Nr. 3), kann er bei Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen oder der Umsatzsteuerjahreserklärung im Vorgriff auf die zu erwartende Steuerfreiheit von der Versteuerung der Ausfuhrlieferungen absehen, wenn er das Finanzamt auf die fehlenden Belege hinweist. Nur wenn das Finanzamt die Nachweismängel kennt, ist sichergestellt, daß es die Veranlagung für spätere Änderungen offenhält und die Vervollständigung der Ausfuhrbelege überwacht. Ein Unternehmer jedoch, der, ohne zeitgerechte Aufzeichnungen und ohne im Besitz der vollständigen Nachweisunterlagen zu sein, die Steuerfreiheit ohne Offenlegung dieses Umstandes in Anspruch nimmt, macht sich, wenn auch die subjektiven Voraussetzungen vorliegen, der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 AO 1977) oder der leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 Abs. 1 AO 1977) schuldig. Diese Tatbestände sind auch dann erfüllt, wenn der Unternehmer später die Nachweisunterlagen vervollständigt. Der Umstand, daß dann später die materielle Rechtslage mit dem Inhalt der Steueranmeldungen übereinstimmt und damit eine Berichtigung nicht mehr veranlaßt ist, vermag an der rechtswidrigen Erlangung eines zeitweiligen Steuervorteils nichts zu ändern.

II.

Der Kläger hat den buchmäßigen Nachweis noch während des Einspruchsverfahrens gegen den endgültigen Umsatzsteuerbescheid 1971 vom 26. November 1974 um die Ausfuhrbelege vervollständigt. Der Nachweis ist somit rechtzeitig erbracht worden. Das Urteil des Finanzgerichts erweist sich im Ergebnis als zutreffend. Die Revision des Finanzamts war daher als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73521

BStBl II 1980, 415

BFHE 1980, 118

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